Leni Riefenstahl ist tot

Hallo,

Leni Riefenstahl ist mit 101 Jahren gestorben.

http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,265048,00.html

http://www.sueddeutsche.de/sz/seitedrei/red-artikel1…

Ich muss gestehen, dass mich diese Nachricht kein bisschen traurig macht.

Was denkt ihr darüber?

Gruß
Camilla

Hallo Camilla,

auch mich macht die Nachricht nicht traurig, denn wer 101 Jahre
alt wird, hat sein Leben gelebt und ausgekostet.
Falls Du auf ihre Vergangenheit anspielst,
ich weiss nicht, wie hättest Du dich denn verhalten:
Jung, schön, talentiert, man hat ihr eine grosse künstlerische
Chance geboten, sie hat ihre Chance gut genutzt und
Maßstäbe gesetzt. Soll man sie dafür verurteilen?
Millionen Menschen waren genau so verblendet wie sie!
Gruss Eva

Hi Camilla!

Ich schließe mich Eva an:

Wer 101-jährig stirbt, hat ein langes Leben gehabt. Und wie man lesen kann, hat sie das auch ausgekostet. Ich bin auch nicht traurig.

Auch ich, wie Eva, denke, daß wer so eine wirklich einmalige Chance bekommt, etwas zu tun indem man klasse ist, sollte sich das nicht entgehen lassen. Die Filme, die sie gedreht hat, sind dermaßen gut und lehrreich, daß sie in der Filmgeschichte eingegangen sind. Zugegebenermaßen, haben einen Ziel gehabt die verabscheudungswürdig ist. Doch von der Qualität der Arbeit kann man nur „Hut ab!“ sagen.

In Anlehnung fällt mir ein Beispiel ein, das sich hin und wieder wiederholt: Ein Land A organisiert die olympische Spiele. Dieses Land hat, auf politische Ebene, eine Maßnahme ergriffen, von der anderen Staaten ensetzt sind. Nun Land B ruft einen Boykott gegen A aus. Viele Ländern (aus welchen Grund auch immer) folgen diesen. Und nun stehst Du da, mit auf olympische Ebene rekordverdächtigen Leistungen. Als Staatsbürger von B darfst du plötzlich an diese olymp. Spiele Teilnehmen. Was dann?? Viele Sportler haben sich schlichtweg dafür entschieden einfach für ein anderes nicht boykotierendes Land zu starten. Und haben dessen Nationalität angenommen. Ist das verwerflich? Jedenfalls ein bißchen kann ich diese Sportlern auch verstehen. Und so ähnlich muß wohl Leni Riefenstahl ergangen sein…(ich finde nämlich heldenhaft zu sagen: „Ich habe mein ganzes Leben dafür trainiert. Nun kommt meine einzige Chance. Da aber mein Land Boykott gerufen hat, stelle ich mich drunter und verpasse diese für mich einzigartige, nie wiederkehrende Gelegenheit“. Doch leider sind Helden nur ein paar Menschen. Alle anderen sind eben… nur Menschen!)

Hand aufs Herz: Vorausgesetzt (wie sie immer wieder betont hat) sie wußte nichts von den KZs und Arbeitslagern, ich glaube ich wurde nicht anders handeln.

Schönen Gruß
Helena

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Camilla,
mir geht’s wie dir. Eigentlich eine Nicht-Nachricht. Es interessiert mich reichlich wenig.
Aber die Argumentation (nicht deine) von wegen „weil sie doch so talentiert war“, musste sie das Angebot nutzen, finde ich zum Ko…

  1. haette sie ihr Talent nicht in den Dienst der Nazi-Propaganda stellen brauchen

  2. gab es durchaus auch Menschen mit anderen Masstaeben. Nur ein Beispiel: Leontine Sagan. Sie war Schauspielerin und Theaterregisseurin und die erste deutsche Filmregisseurin. Hat 1931 den Film „Maedchen in Uniform“ gedreht (ein unheimlich starker Film, wesentlich besser als der Lilly Palmer/Romi Schneider Remake von 1959). Da sie Juedin war, ist ihr der Weggang aus Deutschland vielleicht leichter gefallen. Allerdings hatte sie Angebote von der UFA mit Versicherungen von NSDAP-Parteimitgliedern, dass man sie arbeiten lassen wuerde (weil sie so gut war). Sie hat abgelehnt und ist nach England gegangen. Dort hat sie einige Filme gedreht (nicht allzu erfolgreich), hat grosse Musicalshows fuer Ivor Novello inszeniert und ist spaeter nach Suedafrika gegangen, wo sie nicht unmassgeblich an der Entwicklung des suedafrikanischen Theaters beteiligt war.

Nur mal so als Beispiel, es gibt noch viele, viele andere von Menschen, die ihren Ehrgeiz nicht ueber ihr Gewissen gestellt haben.

Gruesse, Elke

weshalb…
werden frauen immer „strenger“ bewertet?

Siân

Hallo Camilla!

Nachdem ich sie nicht gekannt hab bin ich genauso traurig wie bei den meisten anderen 3 Menschen die pro Sekunde auf dieser Welt ins Gras beissen.

Hab gelesen, daß sie mit 70 tauchen gelernt hat und danach einen Unterwasserfilm gedreht hat. Das ist etwas was mir gefällt und ich respektieren kann. Über ihre Rolle bei den Nazis kann ich kein Urteil fällen, da ich zuweing drüber weiss und diese Zeit auch nicht selbst mitgemacht hab.

Übrigens: Charles Bronson ist auch gestorben.

Grüße Dusan

Hallo Camilla,

sie hat ein erstaunliches Leben geführt - mit allen Höhen und Tiefen, Fehlern und Genialität. Sie selbst hatte nach eigenem Bekunden keine Angst vor dem Tod. Weshalb also traurig sein?
http://www.leni-riefenstahl.de/

ihre Filmografie:
http://www.leni-riefenstahl.de/deu/film.html

ein älteres Zitat von mir zu ihr:smile::

"Dass aber Riefenstahls Filme von der Technik, vor allem ihre Schnitttechnik und ihre Kameraperspektiken, ihre Dramatik Filmgeschichte geschrieben hat, ist unbestritten. Die Olympiafilme habe ich auf Video, „das blaue Licht“, der das Highlight ihres Schaffens sein soll (1932, ihr erster Film als Regisseurin), habe ich leider (noch) nicht gesehen.

Außerhalb Deutschlands werden ihre Filme als „Lehrfilme“ verwendet. Selbst „Triumph des Willens“ über den Parteitag 1935 hat Kameraperspektiven und -fahrten, die man so noch nicht gesehen hat.

Ich selbst halte sie für bestenfalls politisch ignorant, aber künstlerisch genial.

Ihre Ästhetik wird aber auch als „faschistische“ Ästhetik diskutiert. (Susan Sonntag z.B.)"

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Ein Heinz Rühmann, eine Paula Wessely, ein Luis Trenker - alle haben bei den Nazis gut gelebt und waren auch danach wieder schnell gesellschaftsfähig. Riefenstahl hatte die A**karte gezogen und durfte den Sündenbock für das schlechte Gewissen der Deutschen spielen.

grüße,

barbara

Hallo Barbara!

Kunst hat m.E. keinen Wert mehr, wenn sie einer Diktatur dient.
Kunst ist Freiheit, was die Riefenstahl gemacht hat ist Propaganda.
Luis Trenker & Co. waren auch nicht besser.
Wenn solch talentierte Menschen mit ihrem Genie eine Ideologie wie die des NS unterstützen, finde ich das umso schlimmer.

Nur meine Meinung…

Liebe Grüße!
Camilla

Hallo Eva,

Jung, schön, talentiert, man hat ihr eine grosse künstlerische
Chance geboten, sie hat ihre Chance gut genutzt und
Maßstäbe gesetzt. Soll man sie dafür verurteilen?

Man kann nicht sein Talent - umso schlimmer, wenn dieses groß ist! - vergeuden, um eine Ideologie wie die nazionalsozialistische zu unterstützen!
Wenn ihre Entscheidung, dies zu tun, ihrer politischen Überzeugung entsprach, hat sie dies nicht zugeben wollen.
Sie sagte vor kurzem in einem Interview: „Ich hatte damit nichts zu tun, ich bin niemals der Partei beigetreten“.Dann war wohl ihre Begründung einfach Ambition. Um welchen Preis denn!!

Millionen Menschen waren genau so verblendet wie sie!

Das rechtfertigt sie kein bisschen.
Die Tatsachen, dass alle so gedacht haben, macht die Nazi-Zeit nicht besser, im Gegenteil.

Gruß
Camilla

P.S.: Übrigens: Soldaten der Wehrmacht, die im 2. WK teilweise zwangsrekrutiert wurden, sind erst vor wenigen Jahren rehabilitiert worden (war es 95?). Leni Riefenstahl wird seit Jahren als Künstlerin zelebriert. Etwas läuft wohl schief, oder?

Hi,

werden frauen immer „strenger“ bewertet?

die Aussage verstehe ich nicht. Welche Frau wird denn in Nazidingen derzeit verfolgt bzw. wurde/wird strenger beurteilt als Männer?

Mir ist jedenfalls keine andere Frau bekannt, die rd 60 Jahre nach der Nazizeit noch im Kreuzfeuer der Kritik stand bzw. steht.

Gruß,
Christian

Hallöchen,

Kunst hat m.E. keinen Wert mehr, wenn sie einer Diktatur
dient.
Kunst ist Freiheit, was die Riefenstahl gemacht hat ist
Propaganda.
Luis Trenker & Co. waren auch nicht besser.
Wenn solch talentierte Menschen mit ihrem Genie eine Ideologie
wie die des NS unterstützen, finde ich das umso schlimmer.

mal so gefragt: Warst Du damals dabei? Kennst Du solche Situationen? Hast Du die Filme von Riefenstahl schon gesehen?

Gruß,
Christian

Hallo Camilla,

nun, Riefenstahl hat ja nicht nur Propaganda gemacht. Aber mal davon abgesehen.

Ein gutes Beispiel für Kunst und Genialität „im Zeichen des Bösen“ ist der Film „Birth of a Nation“. (Nochmal ein Zitat von mir):

"Der erste „Spielfilm“, ein Meilenstein der Filmgeschichte und technischer Innovation, eigentlich die Geburt des Spielfilms wie wir ihn heute kennen, ist z.B. „Birth of a Nation“ von D.W. Griffith 1914. Der Film wird heute auch als Reklamefilm innerhalb des Kukluxklans verwendet. Es handelt vom amerikanischen Bürgerkrieg ( sowohl Vom Winde verweht als auch Fakeln im Sturm haben hier schamlos geklaut) und ist übelst rassistisch (die Helden sind die Kukluxklan-Männer). Trotzdem wurde hier fast alles, was heute einen guten Spielfilm ausmacht, das erste Mal versucht. "

Wenn man deiner Argumentation folgen dürfte, müsste alles, was in diesem Film „erfunden“ wurde, kontaminiert sein vom Rassismus und dürfte nicht mehr einen guten Film ausmachen. Jetzt ist es aber so, dass dieser Film so ziemlich alles erfunden hat, was heute einen Spielfilm ausmacht (deshalb schaut man sich diesen Film heute an und denkt die ganze Zeit, dss kenn ich ja schon alles, wie langweilig, nur: Griffith war der erste!) Und das gilt für Leni Riefenstahl genauso. Sie ist ein absolut unbestrittenes Filmgenie. Zurecht umstritten ist es, wem sie damit gedient hat und wie sie sich im Nachhineinen dafür gerechtfertigt hat. Allerdings hat sie sich auch nicht anders verhalten als viele tausend anderer Deutsche auch, wieso dann gerade auf sie eingeschlagen wurde? Ein Sündenbock. Sie war von Hitler fasziniert, hat ihn für den Retter gehalten, der den Frieden bringt. Und ist mit dieser Meinung ziemlich falsch gelegen.

Btw: Wenn ihr Film „Triumph des Willens“ nicht so genial gewesen wäre, hätte sie sicher nach 45 weniger Probleme gehabt.

beste Güße,

barbara

Hallo Camilla,

Kunst hat m.E. keinen Wert mehr, wenn sie einer Diktatur
dient.

Das ist eine interesante Frage, die man so einfach nciht abhandeln kann, denke ich.

Kunst ist Freiheit, was die Riefenstahl gemacht hat ist
Propaganda.

Auch Propaganda kann Kunst sein. Kunst ist ja nicht immer positiv besetzt.

Luis Trenker & Co. waren auch nicht besser.
Wenn solch talentierte Menschen mit ihrem Genie eine Ideologie
wie die des NS unterstützen, finde ich das umso schlimmer.

Die große Frage ist, ob man es sich nicht zu einfach macht, wenn man die genannten Personen vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen und des heutigen Wissens verurteilt.
Als Leni Riefenstahl ihre Propaganda drehte, wusste sie nicht das, was wir heute wissen.

Grüße,
Mathias

Mir ist jedenfalls keine andere Frau bekannt, die rd 60 Jahre
nach der Nazizeit noch im Kreuzfeuer der Kritik stand bzw.
steht.

naja, die Frau hat halt auch ziemlich lange gelebt bzw alle überlebt:wink:…

grüßle,

barbara

Warst Du damals dabei? Kennst Du solche
Situationen?

Hallo Christian,

es gibt bis heute ungezählte Beispiele menschenverachtender Systeme auf der Welt. Sichtbar ist nur eine kleine Gruppe an der Spitze, die aber in der Breite der Bevölkerung verankert ist und ohne diese sie tragende Basis nur ein bedeutungsloser Haufen wäre. Irgendwann kommt dann die Situation, in der alle „Haltet den Dieb!“ schreien und von böser Verführung reden. Es gibt diese Verführer nicht. Es gibt nur Leute, die sich einen bereits bestehenden Zeitgeist zunutze machen. Und (fast) alle machen mit. Fährt das System an die Wand, will keiner dabei gewesen sein, alle wollen nur noch neu anfangen. Aber man hat nun einmal nur genau die gleichen Menschen, die auch vorher schon gemeinschaftlich den Bockmist bauten. Die Menschen üben im neuen System wieder die gleichen Funktionen und Tätigkeiten aus. Auch mit geducktem Kopf kann man noch auf die paar Leute zeigen, die schon immer aus der Masse ragten.

Ich habe die 60er Jahre noch sehr gut in der Erinnerung. Die Leute, die damals in Amt und Würden saßen, in Firmen, Behörden und Ämtern Leitungsfunktionen bekleideten, waren genau die gleichen, die 2 Jahrzehnte zuvor absegneten, unterschrieben und ausführten. Ist es Euch nie aufgefallen, daß Bürger Angst vor der Polizei haben mußten, daß rechtsstaatliche Verfahren oft nicht stattfanden, daß Eroberungskriege geführt wurden, daß die Menschheit in gut und böse eingeteilt wurde… das fragt man hinterher. Es kommt nur Achselzucken, was weißt Du schon, Du warst doch nicht dabei… Stimmt, aber wir haben heute an vielen Stellen in der Welt vergleichbare Verhältnisse, daß Menschen nämlich dumpfer Agitation folgen, nachplappern, wenn in gut und böse eingeteilt wird, Angriffskriege führen… Überall läßt sich beobachten, daß Menschen zu Millionen dem gefährlichen, von breiten Schichten aktiv unterstützten Agitator hinterher laufen. Und hinterher ist es keiner gewesen. Man hat ein paar schon immer sichtbare Figuren, auf die man mit dem Finger zeigen kann.

Die Riefenstahl war sichtbar. Sie hatte das Pech, in einem „biologisch gereinigten“ Umfeld zu lange überlebt zu haben.

Gruß
Wolfgang

Hallo Christian,

mal so gefragt: Warst Du damals dabei? Kennst Du solche
Situationen? Hast Du die Filme von Riefenstahl schon gesehen?

Die ersten zwei Fragen beantworte ich mit nein, die dritte mit ja.

Ciao
Camilla

Hallo Mathias,

Die große Frage ist, ob man es sich nicht zu einfach macht,
wenn man die genannten Personen vor dem Hintergrund der
aktuellen Erfahrungen und des heutigen Wissens verurteilt.
Als Leni Riefenstahl ihre Propaganda drehte, wusste sie nicht
das, was wir heute wissen.

natürlich konnte man damals die Situation nicht so sehen wie wir sie jetzt sehen können.
Wir können aber nicht mit dieser Argumentation alles rechtfertigen!
Wenn man einen Fehler begeht, weil man es nicht besser weiß, begeht man TROTZDEM einen Fehler und muss damit leben.

Jeder darf seine Meinung haben über die Riefenstahl und sie bewundern oder nicht. Ich persönlich pfeife auf ein Genie, das sich von Hitler verblenden ließ und diesen Mann und sein Vorhaben noch tatkräftigt unterstützte.
Wie gesagt: meine PERSÖNLICHE Meinung.

Was mich auch stört: L.R. hätte auch ihre Fehler zugeben können und eben die o.g. Argumentation benutzen. Man hätte es dann akzeptieren können oder nicht. Die eigenen Fehler zugeben zu können ist auch ein Zeichen von Größe. Sie war sich aber keiner Schuld bewusst, zumindest hat sich das wiederholt behauptet.

Gruß
Camilla

Hallöchen,

mal so gefragt: Warst Du damals dabei? Kennst Du solche
Situationen? Hast Du die Filme von Riefenstahl schon gesehen?

Die ersten zwei Fragen beantworte ich mit nein, die dritte mit
ja.

also mit anderen Worten: Du berufst Dich bei der Beurteilung der damaligen Informationslage auf Dritte und kannst nicht einschätzen, wie die Lage für eine junge Filmemacherin war, der die Riesenchance offenstand, für ein aufstrebendes Regime, was sie damals für richtig hielt, einen Film über ein einmaliges und großartiges Ereignis zu drehen.

Naja, finde ich ein bißchen unfair.

Gruß,
Christian

Hi Christian,

nach deiner Argumentation wäre dann jegliche Beurteilung der Geschichte unfair, da wir sie nicht persönlich erlebt haben.

Bitte lies meine Antwort an Mathias, ich möchte nicht zwei Postings mit gleichem Inhalt schreiben.

Gruß
Camilla

Veränderungen
Hallo nochmal,

natürlich konnte man damals die Situation nicht so sehen wie
wir sie jetzt sehen können.
Jeder darf seine Meinung haben über die Riefenstahl und sie
bewundern oder nicht. Ich persönlich pfeife auf ein Genie, das
sich von Hitler verblenden ließ und diesen Mann und sein
Vorhaben noch tatkräftigt unterstützte.

ich habe einen familiären Hintergrund wie viele in Deutschland: Der ein oder andere Verwandte ist im Krieg gefallen, der ein oder andere wurde vertrieben, der ein oder andere hatte eine kleinere Karriere innerhalb der Naziorganisationen und wenn man lang genug sucht, findet man sicher auch einen Juden, der von den Nazis ermordet wurde.

Alles waren oder sind völlig normale Menschen, quasi der kleine Mann in Person. Die Menschen damals lassen sich in einige wenige Kategorien einteilen: Diejenigen, die nichts wußten, diejenigen, die eine Ahnung hatten, aber nicht genauer hinschauten und ein paar, die ganz oben agierten und den vollen Überblick hatten. Dazu kommen die, die Hitler bewunderten bzw. das, was er versprach und sich für alles andere nicht interessierten.

Die Nazizeit dauerte im Prinzip 12 Jahre, wenn man mag, kann man ab 1930 zählen, wo die NSDAP erstmals nennenswerte Stimmanteile erhielt, also insgesamt 15 Jahre. Wer vor sechs Jahren gesagt hätte, die Grünen würden nur zwei Jahre später zustimmen, einen Angriffskrieg gegen ein europäisches Land zu führen, wäre für bekloppt erklärt worden. Wer vor zwei Jahren und zwei Stunden behauptet hätte, die Amerikaner würden das Völkerrecht massivst brechen, Afghanistan und den Irak angreifen und besetzen (und das mit weitgehender Zustimmung in der Bevölkerung), in Deutschland würden Dönerbuden geschnitten und Pommes Frites in den der Kantine des Kongresses würden in freedom fries umbenannt, wäre auch für bescheuert erklärt worden.

Wer vor zwei Jahre und zwei Stunden gesagt hätte, Innenminister und Ex-Grüner Schily würde die Grundrechte in Deutschland massiv beschneiden, das ohnehin kaum vorhandene Bankgeheimnis zu einer Farce machen und billigend in Kauf nehmen, daß Menschen, die mal vor einer Moschee falsch geparkt haben, von ihrem Beruf ausgeschlossen werden, wäre auch für bekloppt erklärt worden.

Im Zeitablauf ändern sich viele Dinge und sie ändern sich schleichend. Die Veränderungen, die wir derzeit erleben (und dennoch kaum wahrnehmen), verlaufen außergewöhnlich schnell.

In der Nazizeit verliefen sie deutlich langsamer. Heute Menschen zu verurteilen, weil sie damals Dinge anders sahen, als wir heute und sich nicht dafür entschuldigen, wobei inzwischen eine Zeitspanne vergangen ist, die größer ist als unser beider bisherigen Leben zusammen, finde ich a) albern und b) unfair.

Gruß,
Christian