Hi!
Nur reicht dies alles bei weitem nicht aus, die Leute, die,
auch als Künstler, nicht emigriert sind, anzuklagen.
For the record: ich klage nicht an. Ich moechte aber auch
nicht entschuldigen.
Ist mir zu einfach. Diese Pseudoneutralität kaufe ich Dir nicht ab.
Klar. Aber das Thema war nicht „wir rotten die Juden aus und
überziehen die Welt mit einem Krieg“.
Es ging ja eher um die Verherrlichung des Deutschtums an sich.
Und das sehe ich kaum als Problem an, Frankreich und Spanien
machen das ja heute auch noch…
Hast du dir die Filme mal angeguckt?
„Triumph des Willens“ haben wir in der Schule gesehen.
Hatte sie die Möglichkeit, mit ihren Statisten zu diskutieren?
Spricht Steven Spielberg mit seinen Statisten?
Wie läuft es auf so einem Set ab.
Sie hätte schon fragen können, aber ich traue mir eine
Bewertung dieser Situationen aus heutiger Sicht nicht zu.
Daher gilt: in dubio pro reo.
In klage nicht an. Aber ich stelle fest: wenn man sich bei
Parteigenossen eine Erlaubnis holen muss und dann in ein
Konzentrationslager geht (hat sie gemacht), um sich die
richtigen Typen fuer ihren Film rauszusuchen, dann ist das
etwas anderes als das Verhaeltnis eines Regisseurs mit seinen
Statisten.
Möglicherweise. Ich weiss es nicht, denn ich kann nicht beurteilen, wie das damals aussah, wie man ein KZ empfand. Wir wissen heute einfach mehr.
Mag sein, aber das sind eben auch alles Bewertungen aus der
heutigen Sicht heraus.
Damals dacht man wohl eher, dass der Jude in der
Nachbarwohnung halt weggezogen wäre…
In unserer Stadt (Weinheim a.d.B.) wurde vor wenigen Jahren
ein Denkmal fuer die Opfer jeder Gewaltherrschaft erstellt.
Am Abend vor der offiziellen Einweihung, standen ploetzlich
vor vielen Wohnungen Koffer. Die Einwohner waren etwas
irritiert (Sperrmuell war nicht angekuendigt). Wie es sich
dann herausstellte, ein Koffer fuer jeden verschwunden Juden.
Es waren soviele, dass man sich sehr schwer vorstellen kann,
dass das niemand aufgefallen ist.
Meine Tante hat in unendlicher Naivitaet Wertsachen von Juden
aufgehoben, die sie ihr brachten - am Tag bevor sie in „ein
Lager“ kommen sollten und die diese Wertsachen (nichts
wirklich Wertvolles, eine alte Uhr z.B.) nicht verlieren
wollten. Man wusste, dass sie in Lager kamen. Und nicht
wieder zurueck.
Genauso gab es Sozialisten, die 1933 interniert wurden, und
Mitte der 30er zurueckkamen. Es wurde gefluestert.
Wusste man, dass sie nie wieder zurückkommen würden? Konnte der Normalo sich das vorstellen? Ich denke, nicht generell.
Und es war bekannt, dass die NSDAP Gewalt gegen andersdenkende
Leute ausübte.
Ja.
Aber irgendeine Randgruppe juckt die Mehrheit nie. Heute z.B.
schreit ja auch jeder nach der Besteuerung großer Vermögen, da
die Randgruppe der wohlhabenden Bürger unpopulär ist. Also
wählt man die Sozis und schröpft sie.
Das ist nciht ganz so brutal, aber doch plakativ.
Jetzt sage ich, dass dieser Vergleich hinkt.
Natürlich tut er das.
Ausserdem, siehe
Peets Beitrag oben, geht es ja nicht um den deutschen
„Normalo“.
War die Riefenstahl hinsichtlich ihrer Perzeption der damaligen Geschehnisse kein „Normalo“? Wie kann man das wissen. Sie sagt, sie hätte das damals so nicht erwartet.
Aber darum geht es mir in dieser Diskussion gar nicht. Sondern
mir geht es um eine prominente Kuenstlerin, die ihre Karriere
mit Hilfe dieses Systems gebaut hat.
Das haben viele Leute gemacht. Nur sie eben sehr unmittelbar.
Ja.
Ich würde das andersherum aufziehen: eine junge, talentierte
Frau hat eine gute Chance, unter der vorherrschenden Regierung
ihre Karriere zu optimieren. Also macht sie es eben.
Was danach passierte, konnte sie nciht wissen.
Das ist der Knackpunkt. Aber einerseits bezweifle ich, das
sie so naiv war und trotzdem so gute filmische Propaganda
liefern konnte,
Genau das glaube ich, konnte sie. Sie hat sich sicherlich weniger für Politik, als für das Filmen interessiert. Und die Möglichkeit, unter den besten Voraussetzungen zu filmen, hatte sie mit den Nazis.
andererseits geht es auch zum Teil um ihre
Rechtfertigung danach.
Du und viele andere kennen Leontine Sagan nicht. Vielleicht
wuerden wir ihren Namen und ihre Filme kennen, wenn sie
laenger in Deutschland geblieben waere und mit den Nazis
kollaboriert haette.
Möglicherweise.
Sie hat also ihre Karriere nicht optimiert.
Ich wuerde sagen, sie hatte Rueckrat.
…oder sie war doof.
Keine Ahnung, ich kenne die Dame nicht.
Talent ist nicht gleich Moral und
umgekaehrt. Ein Talent in eine Richtung bedeutet nicht bestes
Verständnis einer anderen. U.s.w.
Nein. Aber um mich noch einmal zu wiederholen: es ist auch
kein Freibrief dafuer, dass man Moral ausser acht lassen kann.
…sofern man überhaupt weiss, dass man in einem Fall einen
speziellen moralischen Massstab anlegen muss. Leni Riefenstahl
konnte es eben noch nciht wissen.
Hitlers „Mein Kampf“ war schon geschrieben.
Wer hatte es gelesen?
Hatte Leni es gelesen?
weisst Du das?
SA marschierte auch schon.
Heute marschiert auch so einiges…
„Schlagt ihn tot, den Rathenau, die …“ (Anstand haelt mich
davon ab, den Rest zu schreiben) ist auch schon auf den
Strassen skandiert worden.
Heute werden Aussenministerinnen von EU-Ländern im Kaufhaus ermordet. Dennoch vermag ich keinen neuen Naziaufstand zu erkennen.
Was so „skandiert“ wird und welche Folgen das haben kann, haben wir auch am Fall Möllemann gesehen.
Wir hatten einen Versuch der sozialistischen Internationale, sich die Macht in Europa zu sichern, was glücklicherweise schon im Keim schief ging.
Trotz all dieser Zeichen…
Und da sollen die Leute damals mehr gewusst haben…?
Grüße,
Mathias