Hallo,
bei den meisten Argumenten die ich höre, wieso Türkei nicht
EU-Mitglied sein sollte, ist dies weil Türkei Geographisch
nicht zur Europa gehören würde.
Das Argument habe ich oeffentlich aber schon lange nicht mehr gehoert. Ausserdem hat die Tuerkei bereits den Kandidatenstatus fuer die Aufnahme in die EU und den kann nach dem Vertrag ueber die Europaeische Union nur ein Land in Europa bekommen.
Dann frage ich mich aber, seit wann liegt den Süd-Zypern in
Europa?
Hast du einen Atlas wo fein saeuberlich die Grenzen von Europa eingemalt sind? Aus gutem Grund gibt es das nicht. Ausserdem halte ich nicht viel von geographischen Grenzen, ich finde kulturelle Grenzen wesentlich bedeutender (wobei Religion nicht der entscheidende Faktor ist).
Wirtschaftlich kann es auch nicht sein. Wirtschaftlich ist z.B
Türkei der Bulgarien und Rumänien weiter voraus. Türkei hätte
dann schon vor denen EU-Mitglied sein müssen.
Wohl wahr. Aufnahmekriterien sind aber die sogenannten Kopenhagen Kriterien, und da geht es v.a. darum dass ein zukuenftiges Mitgliedsland demokratisch ist, Minderheiten schuetzt und einen Rechtsstaat hat. Von wirtschaftlicher Entwicklung steht da nichts.
Ein moslemisches Land hat in der EU nicht zu suchen?
Mh, soweit ich weiss huldigt man in der Tuerkei nicht dem Kalifen sondern folgt einem nach einer saekularen Verfassung gewaehlten Praesidenten/Parlament. Es gibt also eine Trennung von Religion und Staat. Dass die Regierungspartei eine muslimische Partei ist, finde ich nicht weiter beunruhigend. Im Uebrigen hat die EU bereits drei weitern Staaten mit muslimischen Bevoelkerungsmehrheiten versprochen sie langfristig in die Union aufzunehmen: Albanien, Kosovo, BiH.
Denn auch wenn gern ueber europaeische Werte geredet wird, letztendlich ist eine gemeinsame Religion kein solch definierender Wert.
Der Grund warum es wichtig fuer die EU ist weiterhin Laender aufzunehmen, auch wenn sie sich kulturell vom Rest der EU-Mitgliedstaaten unterscheiden, ist der Einfluss, den die EU auf zukuenftige Mitglieder nehmen kann. Da die Kandidaten einen grossen Anreiz haben in die EU einzutreten (v.a. um von den vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes zu profitieren), kann die EU den Eintritt an bestimmte Konditionen knuepfen (siehe Kopenhagen Kriterien). Das hat sie im Fall vieler mittel- und osteuropaeischer Staaten sehr erfolgreich getan und dort die jungen Demokratien stabilisiert. Dasselbe gilt fuer die Tuerkei, viele der in den letzten Jahren durchgefuehrten politischen und wirtschaftlichen Reformen haette es nicht gegeben, wenn die EU keine Anreize gesetzt haette. Ich finde, dass es durchaus im Interesse der EU ist die demokratische Entwicklung in einem bedeutenden Land in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu unterstuetzen. V.a. weil demokratische Strukturen und stabile politische Verhaeltnisse wichtige Rahmenbedingungen fuer wirtschaftliche Entwicklung sind. Die Teilhabe am EU Binnenmarkt ist hierfuer natuerlich auch wichtig. Und ein bevoelkerungsreiches Land wie die Tuerkei braucht ein hohes Wirtschaftswachstum um soziale Konflikte zu vermeiden.
Im uebrigen ist dieses Argument mit den anatolischen Bauern und ihrem Bedarf an finanzieller Unterstuetzung doch sehr uebertrieben. Es ist bereits heute Konsens unter den Mitgliedstaaten, dass die Tuerkei nie nach dem jetzigen Modell der Regional-und Strukturfonds + Agrarpolilitk beitreten wird.