Moin auch,
Ich halte das Interview fuer ein
Eigentor, insbesondere sein Hinweis auf Arbeitszeiten der
MdBs, die „Freizeit“ scheint ja fuer 1-5 Nebenjobs und, gerade
bei ihm selbst, fuer ein Paar Reden, bei denen er pro Stunde
mehr verdient, als so manch einer SPD-Waehler im Jahr, zu
reichen.
Zitat aus dem Interview:
Frage FAZ: „Gerhard Schröder wollte nach dem Ende seiner Kanzlerschaft mal richtig Geld verdienen. Hatten Sie nach dem Ende Ihrer Ministerzeit auch so ein Gefühl?“
Antwort Steinbrück: „Nein. Dieses Gefühl gab es nie. Im Übrigen finde ich allerdings, dass manche Debatte über die Bezahlung unserer Abgeordneten bis hin zur Spitze der Bundesregierung sehr schief ist. Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin. Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement.“ Zitat Ende.
Hier ist von „fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden“ die Rede, Fast sieben sind sechseinhalb oder sechs Tage und „durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden“ heißt, der Einzelne macht manchmal weniger oder dauerhaft weniger weil andere mehr Stunden kloppen. Ein Workoholic findet also Zeit ein Buch zu schreiben - oder besser: zu diktieren.
Im Übrigen verschwimmt die Grenze zwischen Wahlkreis- oder Wahlkampfauftritt und bezahlter Rederei vermutlich häufiger… Da ist der Abgeordnete als solcher unterwegs, kassiert aber zugleich eine Gage für seine Rede.
Der Mann ist Politprofi, er sollte eigentlich wissen, wie eine
Schlagzeile erzeugt wird und welche Wirkung sie haben kann.
Klar, aber auch hier verweise ich nochmal auf das Zitat. Man kann natürlich JEDE Aussage so verdrehen, dass sie negativ wird. Was kann Steinbrück denn überhaupt noch äußern ohne dieser Gefahr zu unterliegen?
Er hat nur gesagt, dass es eine Schieflage sei wenn die Kanzlerin weniger verdient als ein Sparkassendirektor und dass Abgeordnete nicht überbezahlt seien. Diese Meinung muss man nicht teilen, aber das ist keine verwerfliche Ansicht. In fast allen Medien wird daraus aber „Neuerliches Fettnäpfchen“, „Der Wiederholungstäter“, „Steinbrück irritiert mit Vorstoß zu Kanzlergehalt“ usw. Der mitschwingende Unterton zur Provokation des Publikums ist immer: das Bankenpeterchen kriegt den Hals nicht voll und will noch mehr Kohle. Dabei hat er weder mehr Geld für sich als Abgeordneten oder die Kanzlerin eingefordert, noch irgendeinen Vorstoß unternommen.
Und genau das werfe ich der Journaille vor: man fragt Steinbrück zur Besoldung und dreht eine harmlose Aussage, die nur ein ganz kleiner Teil des Interviews ist, mit falschen Untertönen so hin, dass ein neuer Skandal lanciert wird. Das hat mit gutem Journalismus absolut nichts zu tun, sondern man bastelt ein Image (Peer, der nimmersatte Raffgeier) und dreht alles, was er sagt, so zurecht, dass es das gewünschte Klischee erfüllt. Was hat das denn bitte mit gutem und fairem Journalismus zu tun?
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Steinbrück ist nicht mein Kandidat und ich halte den Mann aus mehreren Gründen für einen völlig ungeeigneten Kanzlerkandidaten. Als SPD-Abgesandter um so mehr.
Davon unabhängig geht es mir aber total gegen den Strich wenn unsere Presse in einer Manier, die bester DDR-Propaganda nahe kommt, Dinge verdreht und durch falsche Darstellung Meinungen beeinflusst werden.
Es
ist im Uebrigen auch meine Meinung, dass die Spitzenpolitiker
zu wenig verdienen (durch die Politik, nicht durch die X
Beratervertraege), allerdings bin ich kein Kanzlerkandidat und
mein Wort zum Sonntag interessiert keinen. Bei Steinbrueck
muss ich mich aber auch fragen, was er inhaltlich mit der
Aussage meint, dass einerseits der BK gemessen an
irgendwelchen anderen Leistungstraegern zu wenig verdient,
andererseits aber die Wirtschaft, also die „Managergehaelter“
(auch so ein Unwort…) bewusst ausgeklammert werden. Woran
muss sich also der Verdienst der Politiker messen?
Das ist eine immerwährende Diskussion, zu der man verschiedene Meinungen haben kann. Jeder Vergleich hinkt und nach Belieben kann man Politikerdiäten mit Investmentbanker-Gewinnen oder Leiharbeiter-Hungerlöhnen vergleichen um die eigene Meinung, Politiker seien total über- oder unterbezahlt, zu belegen.
Steinbrück hat seine Meinung zum Thema und das, was er sagt, ist unaufgeregt und unspektakulär. Würde man es nicht mit Gewalt zum Skandal stilisieren, würde es nicht für die kleinste Aufregung reichen.
S.o. Als Kanzlerkandidat sollte er einen Beraterstab haben,
der so etwas abfaengt und die Aussenwirkung eines Interviews,
welches in der Praxis auf eine Schlagzeile zusammengekuerzt
wird
Was kann Steinbrück denn überhaupt zu finanziellen Themen sagen OHNE Gefahr zu laufen, in die Ecke eines abgehobenen Geldschefflers geschoben zu werden? Nichts! Egal was er überhaupt äußert, man kann aus ALLEM ableiten, dass so nur einer reden kann, der keinen Bezug zum Geld kleiner Leute hat.
Das ist so aber keine Grundlage für einen fairen Diskurs. Jeder Prominente, der sich öffentlich zu irgendeinem Thema einlässt muss dann künftig Angst haben, dass seine Äußerungen verdreht werden wenn es für bestimmte Journalisten gerade gut passt.
Gruß,
MecFleih