Lüdemanns Thesen zum Alten Testament

Hi zusammen.

Ich möchte die Thesen des weltbekannten Theologen Gerd Lüdemann über den Wert des Altes Testaments zur Diskussion stellen. Der entsprechende Text wird von mir ganz unten verlinkt (Homepage von Lüdemann).

Lüdemann stellt, u.a. gestützt auf archäologische Befunde, die historische Glaubwürdigkeit und damit auch die Bedeutung des AT für das Christentum vollständig in Frage.

Eine seiner Thesen lautet:

„Somit ist die kirchliche Deutung des Alten Testaments auf Christus hin reine Willkür.“

Insbesondere die Moses-Geschichten sind spätestens seit Finkelstein/Silberman nur ein Mythos:

„Nun stehen historische Behauptungen, auch wenn sie (…) mit Gott verbunden werden, der wissenschaftlichen Überprüfung offen. Und hier ist unmissverständlich zu sagen: Weder hat der Auszug der Israeliten aus Ägypten stattgefunden noch die Auferstehung Jesu von den Toten.“

(Die Frage der „Auferstehung Jesu“ bitte ich die Leser außen vor lassen, da sie nicht direkt zum Thema gehört)

Über das monotheistische Jahwe-Dogma äußert er sich:

„Indes herrscht mittlerweile Konsens: Weder der Exklusivitätsanspruch Jahwes noch gar die - unter Fortführung des Ersten Gebotes aufgestellte - Behauptung, außer Jahwe gebe es überhaupt keine anderen Götter, stand am Anfang des Jahweglaubens. Erst nach dem Untergang Judas im Jahre 587 v.Chr. ersannen findige theologische Köpfe das Erste Gebot im Zuge der Deutung des Volksgeschicks.“

(hier datiert L. das erste Gebot noch später als andere Experten, siehe unten)

Lüdemanns Darstellung eines ursprünglich polytheistisch gerahmten Jahwe entspricht übrigens dem, was ich in diesem Brett schon mehrmals äußerte und was von einem von mir aufgrund seines Wissens hoch geschätzten Brett-Experten allerdings abgestritten wurde (wenn ich ihn recht verstand).

Für Lüdemann (und die meisten anderen Bibelforscher) gilt, dass die israelitische Darstellung der eigenen Frühgeschichte eine Sammlung von Märchen aus der exilisch-nachexilischen Zeit ist:

„Das Blatt wendete sich aber, als man erkannte: Das in der Bibel entworfene Bild des vorstaatlichen Israel (vor 1000 v.Chr.) entspringt theologischen Fiktionen aus der nachstaatlichen Zeit (ab dem 6. Jahrhundert v.Chr.)."

Dazu ein Hinweis von mir: die sog. 10 Gebote, der Dekalog, ist ein Produkt von Theologen des 7. Jhd. v.u.Z… Experten datieren ihn so, weil er zwischen dem Wirken des Propheten Hosea (8. Jh.) und dem Deuteronomium (spätes 7. Jh.) einzuordnen ist. Auch Max Weber datierte ihn in die spätvorexilische Zeit. Das betrifft vor allem die theologisch bedeutsamen ersten drei Gebote. Die anderen entstammen alten Regeln aus nomadischen Zeiten des 2. Jt.v.u.Z.

Chan

Hier ist der Link zu Lüdemanns Text:

http://wwwuser.gwdg.de/~gluedem/ger/004006001.htm

Hallo.

„Somit ist die kirchliche Deutung des Alten Testaments auf
Christus hin reine Willkür.“

Die Willkür liegt darin zu denken, dass man das AT abschaffen kann, aber weiterin an Christus meinen festhalten zu können. Das haben Christen aus verschiedensten Motiven immer wieder versucht und es scheitert. Oder auf welchen Vater sollte sich Jesus hier noch beziehen? Auf welchen G’tt? Auf welche Vorfahren? Warum seine Zitate mit entsprechend nun ja abgelehnten Interpretation aus dem AT? Wohin mit seinen ganzen Bezugnahmen auf diese Sicht das AT?

Davon abgesehen, bedeutet die Existenz einer Theorie eben nicht, dass alle anderen dadurch widerlegt sein. So teile ich seine Bewertung und Auswirkungen mancher historischen Forschung nicht, vor allem weil diese oft nur aufzeigen, dass eine Interpretation des AT nicht korrekt ist.

Gruss,
Eli

Warum interessiert das niemand??

Eine seiner Thesen lautet:

„Somit ist die kirchliche Deutung des Alten Testaments auf
Christus hin reine Willkür.“

Warum Totemismus, warum Religion, warum gibt es das? Wenn irgendwas von der Willkür nicht auf den Menschen bezogen ist, d. h. ihm nützlich ist für sein Leben, ist alles willkürlich. Doch scheinbar brauchen Gläubige die Willkür, sonst gäbe es trotz 2700 Jahren philosophischer und wissenschaftlicher Aufklärungsbemühung heute längst keine von den Religionen beherrschte Welt, für deren Glauben man immer noch Kriege führt.

Willkür? Warum gibt es sie, das ist für mich die eigentliche Frage, und wenn man es weiß, warum interessiert das niemand, der glauben will??

Gruß
C.

Willkür? Warum gibt es sie, das ist für mich die eigentliche
Frage, und wenn man es weiß, warum interessiert das niemand,
der glauben will??

Warum gibt es Willkür?

Vielleicht weil Denken willkürlich ist, vielleicht weil Leben willkürlich ist?

Selbst Deine philosophische und wissenschaftliche Aufklärung ist Willkür, denn sie beruht auf Vereinbarungen, wie etwas zu denken ist, auf einer Methodik, die man in anderen Gesellschaften auch anders definiert hat (was Wissenschaft ist sah vor 2000 Jahren völlig anders aus).

Aber der Mensch braucht Struktur in diesem Meer von Willkür. Jemand, der glaubt hat eine Entscheidung für eine Struktur getroffen, natürlich willkürlich, aber nicht unbegründet. Jemand, der von sich sagt, nicht zu glauben, hat auch eine willkürliche Entscheidung getroffen, ob er sich dessen aber bewusst ist, wage ich bei vielen dieser Denkart zu bezweifeln.

Gruß
Thomas

Hi Chan,

Lüdemann sagt

An keiner Stelle standen den Verfassern der Schriften des Alten Testaments die Personen und Geschehnisse vor Augen, an die sie den Autoren des Neuen Testaments zufolge dachten.

Mir scheint, Lüdemann geht damit von der falschen Seite an die Sache heran. Deshalb, weil man im AT eine andere Messias-Vorstellung hatte, soll nun das falsch sein, was man über Jesus berichtet. Das AT und das NT unterscheiden sich in vielen weiteren Punkten. Der Fehler, den viele Theologen machen ist doch, dass das AT krampfhaft so uminterpretiert werden muss, dass es zum NT passt.

Und hier ist unmissverständlich zu sagen: Weder hat der Auszug der Israeliten aus Ägypten stattgefunden …

So kann man das nicht sagen. Es gibt zwar keine historischen Belege dafür, aber das Gegenteil ist auch durch nichts bewiesen. Israeliten können sich durchaus in Ägypten befunden haben, es gibt ja auch äthiopische Juden.

theologischen Fiktionen aus der nachstaatlichen Zeit (ab dem 6. Jahrhundert v.Chr.).

Das könnten auch nur vereinzelte Anpassungen sein.

das die Existenz anderer Götter zwar nicht bestreitet, aber die alleinige Verehrung Jahwes befiehlt.

Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass das 2.Buch Mose doch älter ist als hier angenommen. Es vertritt noch den früheren Henotheismus, noch nicht den Monotheismus.

dann sind die biblische Frühgeschichte Israels und damit die Vorgeschichte Jesu Christi vollständig entleert.

Welche Vorgeschichte? Lüdemann scheint doch zu sehr durch sein Theologiestudium beeinflusst worden zu sein. Die Vorgeschichte Jesu ist eher im Zoroastrismus zu suchen. Seine Sicht über die Auferstehung, das Paradies und den Satan kommt nicht aus dem Judentum.

Gruß Fralang

Hi,

Das haben Christen aus verschiedensten Motiven immer wieder
versucht und es scheitert.

Gibt es hier bestimmte Bestrebungen, Gruppierungen, oder ähnliches? Und woran scheitert es?

Oder auf welchen Vater sollte sich
Jesus hier noch beziehen? Auf welchen G’tt?

Warum nicht auf den Gott des Christentums?

gruß fralang

Hallo Eli,

Die Willkür liegt darin zu denken, dass man das AT abschaffen
kann, aber weiterin an Christus meinen festhalten zu können.
Das haben Christen aus verschiedensten Motiven immer wieder
versucht und es scheitert.

man kann nicht etwas „abschaffen“, was ist.
Auch die einmalige Gottesvorstellung des AT in dieser Konsequenz
ist voll im Christentum integriert.(einzig, nicht fassbar, Ursprung
allen SEINs)
Die hohe ethische moralische Anforderung an den Menschen ist ebenso
einmalig bis dahin im nur AT zu finden.
Jesu, Paulus u.a zitieren unzählige male aus der Schrift.
Dies richtet sich an die Hörer aus dem Judentum, ist „Überzeugungs-
arbeit“ an denen, welche in der Schrift involviert sind.
Besonders die Verheißung des „Messias“, welcher von den Christen
in Jesus als verwirklicht angesehen wird, wird hier aus der Schrift
bezogen.
Die Heidenchristen, die nicht aus der Beschneidung sind, haben
keinen inneren Zugang zur Schrift. Es bedurfte keiner Überzeugungs-
arbeit aufgrund der Schrift sondern die Überzeugung aus der
Botschaft Jesu (nur ein Gesetz=Gerechtigkeit=Erbarmen=Liebe)selbst
und das Zeugnis über seine Auferstehung war angesagt, nicht die
Verheißung als Messias.
Das AT war und ist aus dieser Sicht tatsächlich überflüssig, ja
sogar hinderlich, da es ja nicht nur die von Jesus auch mit
bezeugten ethisch moralischen Forderungen beinhaltet, sondern
eben Texte, Gebote , Vorschriften, Geschichte usw. welche nur dem
jüdischen Verständnis zugänglich waren.Auch wenn dem nicht so wäre -
wie sollte eine „Verkündung“ (Missionierung) einer Botschaft
praktisch durchführbar sein, wenn erst die Kenntnis der
umfangreichen,teils unverständlichen Texte und Mythen des AT die
Voraussetzung für das Verständnis der Botschaft erforderten.
Es ist also die „Abschaffung“ des AT nicht gescheitert, sondern
im vorgebrachten Sinne erzwungen,fakt.
Die „Gottesvorstellung“ konnte man leicht vermitteln, ohne das AT
zu bemühen.Dies geschah z.Bsp. so: APG 14.13-17 oder 17.18-32 u.a.
Das Verständnis des historischen Christentums ist also sehr wohl
durch das AT gestützt, die Botschaft Jesu bedurfte dessen aber
nicht, sie war, ist selbsterklärend nachvollziehbar.

Gruß VIKTOR

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Den christlichen Gott erfunden

Oder auf welchen Vater sollte sich
Jesus hier noch beziehen? Auf welchen G’tt?

Warum nicht auf den Gott des Christentums?

Den kannte Jesus noch nicht, den christlichen Gott haben erst seine Epigonen erfunden.

CJW

Lüdemann - ein Christ ohne Christus
Hi Eli.

„Somit ist die kirchliche Deutung des Alten Testaments auf Christus hin reine Willkür.“

Die Willkür liegt darin zu denken, dass man das AT abschaffen kann, aber weiterin an Christus meinen festhalten zu können. Das haben Christen aus verschiedensten Motiven immer wieder versucht und es scheitert.

Da stimme ich dir grundsätzlich zu. Der Spagat zwischen AT-Ablehnung und Christus-Bejahung scheint unmöglich zu sein. Darum geht es in Lüdemanns These aber nicht. Er streitet einfach ab, dass man das AT überhaupt auf „Christus“ hin deuten kann, egal ob dieser fiktiv oder historisch ist.

Auch hält Lüdemann keineswegs an Christus fest, da für ihn Jesus und auch Christus keine Rolle spielen. Ich würde sagen, dass Lüdemann aus dem Christentum eine Art Spiritualität „extrahiert“ hat, die mit den wesentlichen Inhalten des Christentums nichts mehr zu tun hat. Andererseits vermag er, vielleicht aus Gründen von Erziehungsprägungen, vom Christentum nicht loszulassen. Ich kenne ein anderes Beispiel: ein Theologe, mit dem ich mehrfach korrespondierte und der die Historizität von Jesus grundsätzlich bezweifelt, aber trotzdem am Christusglauben festhält.

Oder auf welchen Vater sollte sich Jesus hier noch beziehen? Auf welchen G’tt?

In der Tat. Schafft man das AT ab, ist auch das NT erledigt.

Aber bleiben wir beim AT. Hat Lüdemann nicht recht, egal welche Konsequenzen aus seiner These folgen? Welchen Wert hat das AT, wenn es größtenteils ein Märchenbuch ist, wenn vor allem die elementar wichtigen Moses-Geschichten eine Erfindung aus dem 6. Jahrhundert sind? Fällt die Verkündung der Gesetze am Sinai an Moses (die wichtigste Figur im AT) sowie die Existenz von Moses aus der Rechnung, was bleibt übrig?

Und was bleibt vom monotheistischen Gottesbild übrig, wenn die Bibelforschung nachweist, dass es das Produkt eines politischen Kampfes im 6. Jahrhunderts ist - und nicht das Resultat einer göttlichen Erleuchtung?

Chan

Monotheismus nur aus politischen Gründen
Hi FraLang.

Und hier ist unmissverständlich zu sagen: Weder hat der Auszug der Israeliten aus Ägypten stattgefunden …

So kann man das nicht sagen. Es gibt zwar keine historischen Belege dafür, aber das Gegenteil ist auch durch nichts bewiesen. Israeliten können sich durchaus in Ägypten befunden haben, es gibt ja auch äthiopische Juden.

Mit dem Exodus ist aber die theologisch bedeutsame biblische Story über Moses als Befreier usw. gemeint, und nicht eine theologisch irrelevante Entlassung von Hebräern aus ägyptischer Fron, was es sicher gab. Es ist weder ein Exodus nachgewiesen noch eine Einwanderung durch erobernde Stämme in Kanaan im angeblichen Jahrhundert des Exodus (13. Jh.v.u.Z.)

Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass das 2.Buch Mose doch älter ist als hier angenommen. Es vertritt noch den früheren Henotheismus, noch nicht den Monotheismus.

Der Monotheismus ist eine Entwicklung, die erst im 6. Jahrhundert v.u.Z. zur vollen Entfaltung kam. Bis dahin war der israelitische Glaube weitgehend polytheistisch. Was die AT-Texte als frühen Monotheismus darstellen, gab es damals gar nicht, sondern ist ein um Jahrhunderte zurückprojiziertes Konstrukt aus dem 6. Jahrhundert, als die ersten „heiligen“ Texte entstanden.

Die Einführung des Monotheismus hatte politische Gründe. Die Israeliten lebten – unter angenehmen Bedingungen und nicht, wie im AT dargestellt, als Sklaven – im babylonischen Exil und hatten dort Muße und Motivation, eine Theologie zu ersinnen, die den Aufbau eines neuen Israel fördern sollte. Jahwe war in den Jahrhunderten zuvor vor allem als Kriegsgott verehrt worden, weswegen man ihn in der Krisenzeit des Exils zu einem alleinigen Gott stilisierte, auf den alle Israeliten ihre Verehrung konzentrieren sollten. Das war ein religiös innovatives, aber politisch motiviertes Konzept.

Da der Jerusalemer Tempel zerstört worden war, bestand nun Bedarf nach einem Ersatz, also nach einem „Heiligen Text“. Bis dahin (6. Jh.) gab es im israelitischen Glauben keinen als heilig empfundenen Text. So entstand allmählich der Kanon des hebräischen AT.

Und all das stellt den Wert des AT als Quelle eines Gottesglaubens in Frage. Ein Mono-Gott, der aufgrund politischer Krisen konstruiert wird, wirkt doch sehr imaginär und ausgedacht.

Chan

Vier Gottesvorstellungs-Typen im AT
Hi Viktor.

Auch die einmalige Gottesvorstellung des AT in dieser
Konsequenz ist voll im Christentum integriert.(einzig, nicht fassbar,
Ursprung allen SEINs)

Die Gottesvorstellung im AT? Es gibt dort aber mehrere und sehr unterschiedliche Vorstellungen. Die meisten davon harmonieren keineswegs mit der christlichen Vorstellung. Ich liste sie kurz auf:

  1. TORA:

a) Residueller Polytheismus:

Es gibt eine Götterversammlung, und einer ist der Boss:

Genesis 1, 26: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.“

b) Programmatischer Henotheismus:

Nur ein Gott wird verehrt, die anderen werden ignoriert (aber nicht als nichtexistent bezeichnet)

Exodus 20, 5: „Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott usw.“

c) Inklusiver Monotheismus:

Das bedeutet, dass die vielen Götter nur Manifestationen eines Gottes sind.

Beispiele: der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Noahs usw. Das ist ein Gott, der aber nicht die Existenz anderer Götter ausschließt (daher inklusiv).

  1. PROPHETEN:

_Exklusiver Monotheismu_s:

Nur dieser entspricht dem christlichen Standpunkt, dass es nur einen Gott gibt.

In Jeremia 2, 11 lesen wir:

„Ob die Heiden ihre Götter ändern, wiewohl sie doch nicht Götter sind! Und mein Volk hat doch seine Herrlichkeit verändert um einen unnützen Götzen.“

In Jesaja 43, 10 heißt es:

„Ihr aber seid meine Zeugen, spricht der HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, auf daß ihr wisset und mir glaubt und versteht, das ich’s bin. Vor mir ist kein Gott gemacht, so wird auch nach mir keiner sein.“

Echter Monotheismus ist also nur eine von mehreren Vorstellungstypen im AT.

Chan

Datierung von 2 Mose

Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass das 2.Buch Mose doch
älter ist als hier angenommen. Es vertritt noch den früheren
Henotheismus, noch nicht den Monotheismus.

Der Exodus-Text wird von den allermeisten Fachleuten ins 7. oder auch 6. (exilische) Jahrhundert datiert. Der Polytheismus geistert durch das ganze AT (siehe auch mein Post an Viktor), die exilischen Autoren hatten es wohl nicht geschafft, ihn gänzlich aus den Überlieferungen zu tilgen, was z.T. daran lag, dass es ihnen gar nicht um einen echten („exklusiven“) Monotheismus ging, sondern, in den exilischen Krisenzeiten, nur um die konsequente Alleinverehrung ihres Schutz- und Kriegsgottes Jahwe („Monolatrie“).

Die Vorgeschichte Jesu ist eher im Zoroastrismus zu suchen. Seine Sicht über die Auferstehung, das Paradies und den Satan kommt nicht aus dem Judentum.

Interessante Thesen, deren Erwägung ich auf morgen verschiebe.

Chan

Hallo,

Auch die einmalige Gottesvorstellung des AT in dieser
Konsequenz ist voll im Christentum integriert.(einzig, nicht fassbar,
Ursprung allen SEINs)

Die Gottesvorstellung im AT? Es gibt dort aber mehrere und
sehr unterschiedliche Vorstellungen.

im AT ist sehr viel zusammengestellt.
Das „Ringen“ um die rechte Gottesvorstellung auch im Konflikt gegen
den Einfluß der Lehren der umgebenden Volker ist deutlich im AT
dargestellt.
Die schon sehr frühe Gottesvorstellung des einzigen (Ich bin der da
IST) Gottes, durch den alles IST (Genesis)hat sich aber durchgesetzt
und es gibt keinen Handlungsbedarf temporäre lokale Abweichungen
zu forcieren.
Deine Gegenhaltung ist deshalb Kappes, weil sie nichts leistet und
schon garnichts gegen das von mir übernommene obig Zitat.

Echter Monotheismus ist also nur eine von mehreren
Vorstellungstypen im AT.

Nein, er ist der der einzige welchem Geltung verschafft wurde er ist
die Vorstellung von „Gott an sich“.

Gruß VIKTOR

Lektürenotizen

Echter Monotheismus ist also nur eine von mehreren Vorstellungstypen im AT.

Mit dieser unmotiviert beliebig abgekürzten Einteilung religionswissenschaftlicher Termini hast du den Aufsatz, aus dem du abkupferst, gründlich mißverstanden. Abgesehen davon, daß die - ebenso daraus entnommene - Schlußfolgerung aus einer sehr tendenziösen christlichen (protestantischen) Perspektive kommt und außerdem durch die Abhandlung selbst gar nicht begründet ist.

Vorschlag: Lies einfach den Aufsatz von Ernst Axel Knauf aus dem Jahr 2001 nochmal ganz. Du wirst sehen, es ist - aus Gründen - explizit vom Tanach, und nicht vom AT die Rede. und es ist religionshistorisch, was es ja sein soll, unredlich, die Entwicklungsgeschichte einer Textsammlung argumentativ zu eliminieren, die Textschichten platt zu machen und so eine Synchroneität vorzutäuschen.

Metapher

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Hallo Chan,

Der Monotheismus ist eine Entwicklung, die erst im 6.
Jahrhundert v.u.Z. zur vollen Entfaltung kam. Bis dahin war
der israelitische Glaube weitgehend polytheistisch.

Die Entstehung des Monotheismus im baylonischen Exil, das wäre denkbar. Man sah in Babylon, wie unmöglich das alles ist, was dort an religiösen Riten abgehalten wird und begann, die Existenz aller anderen Götter zu negieren. Der Monotheismus.

Zuvor glaubte man zwar an die Existenz anderer Götter, doch es wurde strengstens empfohlen, nur den eigenen zu verehren. Henotheismus. Henotheistisch war man sicherlich schon seit man in Kanaan die Macht ergriff. Ob man dort einwanderte oder sich von einer Minderheit zur Mehrheit wandelte, ist eine andere Frage. Aber der Henotheismus, und damit die Abwendung von den uguritischen Göttern, war als politische Maßnahme notwendig, um sich gegen die Kanaaniter abzusetzen. Das müsste dann doch schon um die Jahrtausendwende gewesen sein.

Bezüglich des Exodus aus Ägypten, denke ich, es könnte durchaus auch um die Jahrtausendwende eine Gruppe von Sklaven tatsächlich aus Ägypten geflohen sein und die Steitwägen mussten die Verfolgung aufgeben, da sich die Entflohenen im Schilfmehr versteckten, in das die ägyptischen Streitwägen nicht eindringen konnten. Später machte man eine riesen Story daraus. Über ein paar hundert Jahre hin kann aber eine Überlieferung durchaus einigermaßen funktionieren.

Gruß fralang

Hi,

Die Vorgeschichte Jesu ist eher im Zoroastrismus zu suchen. Seine Sicht über die Auferstehung, das Paradies und den Satan kommt nicht aus dem Judentum.

Interessante Thesen, deren Erwägung ich auf morgen verschiebe.

Die persiche Besetzung im 5. und 4. Jahrhundert brachte brachte die Lehren Zarathustras ins Land. Vorallem inden unteren Gesellschaftsschichten verbreitete sich vieles davon. Die Schriftgelehrten lehntes es anfangs strikte ab.

  • die Auferstehung nach dem Tod: Abraham musste noch bei seinen Ahnen in Frieden ruhen. Er fuhr nicht in den Himmel auf oder ging in das Paradies ein.
  • das Paradies erreicht man nach den Lehren Zarathustras auf einem schmalen Pfad, der umso schmäler ist, je schlechter man lebte. Reiche, Ungerechte, etc. haben es am schwersten. Das entspricht in etwa den Lehren Jesu.
  • der Zoroastrismus kennt einen Dualismus, Gott der Gute, Satan der Böse, alles schart sich um entweder den einen oder den anderen. Im AT gibt es keinen Satan in diesem Sinne. Dort ist der Satan ein Sohn Gottes, der als Staatsanwalt in etwa fungiert.

Gruß fralang

Hi Eli und Chan,

Da stimme ich dir grundsätzlich zu. Der Spagat zwischen
AT-Ablehnung und Christus-Bejahung scheint unmöglich zu sein.

In der Tat. Schafft man das AT ab, ist auch das NT erledigt.

Warum? Man braucht nur auch noch vom paulinische Gedankensystem absehen, dann bleibt alles weitere ok. Alles was Jesus sagte, kann man voll akzeptieren, ohne dass hier irgendetwas fehlen würde. Jesus lehnte das AT ja auch ab. „Ich aber sage euch …“

Lediglich Paulus bezog sich auf das AT und legte es auf seine Weise aus. Dadurch wurde es notwendig zur Begründung der Erbsünde, Taufe, etc.

Ich denke eine Religion ohne das AT, auf Basis der Lehren Jesu, etwa so wie die anfänglichen Gnostiker es sahen, wäre durchaus denkbar.

Es konnte ja auch der Islam entstehen, mit einer sehr eigenen Sichtweise des AT und der Akzeptanz Jesu als Prophet.

Gruß fralang

Bin am Ball

Echter Monotheismus ist also nur eine von mehreren Vorstellungstypen im AT.

Mit dieser unmotiviert beliebig abgekürzten Einteilung
religionswissenschaftlicher Termini hast du den Aufsatz, aus
dem du abkupferst, gründlich mißverstanden.

In der Tat habe ich den Aufsatz nicht ganz durchgelesen, aber die von mir aufgezählten Gottesvorstellungen sind im AT bzw. Tanach eindeutig nachweisbar (belegt durch diverse Zitate). Im Rahmen einer kurzen Antwort an Viktor wäre es auch nicht möglich gewesen, das Thema in adäquater Komplexität zu entfalten.

Ich halte jedenfalls für sinnvoll, die User mit den diversen Vorstellungstypen in einer systematischen, wenn auch etwas verkürzenden Form zu konfrontieren. Das kann zu einer Korrektur der christlich geprägten und falschen Auffassung führen, dass im AT ausschließlich ein monotheistisches Gottesbild vermittelt wird.

Vorschlag: Lies einfach den Aufsatz von Ernst Axel Knauf aus
dem Jahr 2001 nochmal ganz.

Das habe ich sowieso vor.

es ist religionshistorisch, was es ja sein soll, unredlich,
die Entwicklungsgeschichte einer Textsammlung argumentativ zu
eliminieren, die Textschichten platt zu machen und so eine
Synchroneität vorzutäuschen.

Da hast du vollkommen recht.

Chan

Israels Entwicklung zur radikalen Monolatrie
Hi FraLang.

Der Monotheismus ist eine Entwicklung, die erst im 6. Jahrhundert v.u.Z. zur vollen Entfaltung kam.

Die Entstehung des Monotheismus im baylonischen Exil, das wäre denkbar. Man sah in Babylon, wie unmöglich das alles ist, was dort an religiösen Riten abgehalten wird und begann, die Existenz aller anderen Götter zu negieren.

Nein, nicht die babylonischen Verhältnisse waren der Anstoß, sondern die israelitischen Verhältnisse in den Zeiten vor dem Exil.

Dass der Monotheismus bzw. die radikale Monolatrie erst im Exil ausreiften, ist übrigens religionswissenschaftlicher Konsens. Ich will ein paar thesenhafte, aber auf Literatur basierende Hinweise geben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

* Im 13. Jh. wandern Flüchtlinge aus dem zerstörten Ugarit sowie einige Nomadenstämme in Kanaan ein. Einer der Stämme bringt seinen Wüstengott Jahwe mit.

* Die Religion der Ugariter dominiert Kanaan für Jahrhunderte (El, Baal, Aschera usw.). Der Gott Jahwe wird in diesen System (Pantheon) zunächst als untergeordneter Gott integriert. Integration von Göttern in ein fremdes Göttersystem ist in diesen Zeiten Standard. Die Existenz fremder Götter wird nicht bezweifelt.

* Im 9. Jh. kommt es einem ersten größeren Konflikt zwischen Jahwe- und Baal-Anhängern (siehe Elia), allles aber im Rahmen des Polytheismus und mit einem politischen Hintergrund. Die Jahwe-allein-Bewegung (so nennt das die Religionswissenschaft) bleibt aber in der Minderheit. Die Bevölkerung akzeptiert Jahwe nur in bestimmten Funktionen (vor allem Kriegsgott), aber z.B. für Fruchtbarkeit bleiben Baal und Aschera zuständig.

* Im 8. Jh. wird Hauptgott El von Jahwe von der Spitze des Pantheons verdrängt und mit der Fruchtbarkeitsgöttin Aschera assoziiert (die vorher mit El verbunden war).

* Im gleichen Jahrhundert tritt Prophet Hosea auf den Plan, der energisch die Alleinverehrung Jahwes fordert (im polytheistischen Rahmen). Auch hier gibt es nichtreligiöse Zusammenhänge, denn von Jahwe erhoffen sich seine Anhänger einen mächtigen Schutz gegen wirtschaftliche Probleme und gegen die Abhängigkeit von den Assyrern. Das Motiv ist also weitgehend politisch. Es gibt bei Hosea auch einen persönlichen Grund: seine Frau Gomer hatte in Baal-Tempeln im Rahmen des Kultes mit anderen Männern geschlafen. O-Ton Hosea:

„Und ich will mich ihrer Kinder nicht erbarmen, denn sie sind Hurenkinder. Ihre Mutter ist eine Hure, und die sie getragen hat, treibt es schändlich… usw.“ (Hos 2, 6f.)

Die Autorenschaft des Buches Hosea ist allerdings umstritten. Einiges ist sicher von babylonischen Exilanten „frisiert“ worden.

* Als die Israeliten Anfang des 6. Jh. zum zweiten Mal deportiert werden (Babylonisches Exil) und der Jerusalemer Tempel zerstört wird, ist die Katastrophe komplett. Die Exilanten deuten das so, dass sich Jahwe von ihnen abgewandt und auf die Seite der Sieger geschlagen hat, weil die Israeliten auch anderen Göttern (Baal usw.) huldigten. Sie interpretieren das Exil also als Bestrafung des israelischen Volkes durch Jahwe. Um sein Wohlwollen zurückzugewinnen, konzipieren sie eine radikale Monolatrie (Alleinverehrung) Jahwes und beginnen die „heiligen“ Texte zu erstellen (als Ersatz für den verlorenen Tempel).

Bitte beachten: in jenen Zeiten glaubte man, dass die Götter ganz real die natürlichen und politischen Ereignisse beeinflussen. Die komplette „Verehrungs-Energie“ eines Volkes auf den Kriegsgott Jahwe zu richten, war damals mehr als nur ein Glaubensakt: es war eine direkte Beschwörung der Macht des Gottes.

Zu den babylonischen Exilanten gehörte auch der Prophet Ezechiel, der im Exil das „Buch Ezechiel“ schrieb.

Chan

PS. Ich ziehe mich für zwei Wochen aus dem Brett zurück, um andere Sachen voranzutreiben. Bis dann und bleib fleißig und neugierig :smile:

Hallo Chan,

ich bedanke mich für die ausführliche und äußerst intressante Stellungnahme, und würde, falls du noch da bist, nur gerne noch wissen,

* Als die Israeliten Anfang des 6. Jh. zum zweiten Mal
deportiert werden (Babylonisches Exil) und der Jerusalemer

was du mit der ersten Deportation meinst. Welches Ereignis war das?

Danke,
Fralang