Hi zusammen.
Ich möchte die Thesen des weltbekannten Theologen Gerd Lüdemann über den Wert des Altes Testaments zur Diskussion stellen. Der entsprechende Text wird von mir ganz unten verlinkt (Homepage von Lüdemann).
Lüdemann stellt, u.a. gestützt auf archäologische Befunde, die historische Glaubwürdigkeit und damit auch die Bedeutung des AT für das Christentum vollständig in Frage.
Eine seiner Thesen lautet:
„Somit ist die kirchliche Deutung des Alten Testaments auf Christus hin reine Willkür.“
Insbesondere die Moses-Geschichten sind spätestens seit Finkelstein/Silberman nur ein Mythos:
„Nun stehen historische Behauptungen, auch wenn sie (…) mit Gott verbunden werden, der wissenschaftlichen Überprüfung offen. Und hier ist unmissverständlich zu sagen: Weder hat der Auszug der Israeliten aus Ägypten stattgefunden noch die Auferstehung Jesu von den Toten.“
(Die Frage der „Auferstehung Jesu“ bitte ich die Leser außen vor lassen, da sie nicht direkt zum Thema gehört)
Über das monotheistische Jahwe-Dogma äußert er sich:
„Indes herrscht mittlerweile Konsens: Weder der Exklusivitätsanspruch Jahwes noch gar die - unter Fortführung des Ersten Gebotes aufgestellte - Behauptung, außer Jahwe gebe es überhaupt keine anderen Götter, stand am Anfang des Jahweglaubens. Erst nach dem Untergang Judas im Jahre 587 v.Chr. ersannen findige theologische Köpfe das Erste Gebot im Zuge der Deutung des Volksgeschicks.“
(hier datiert L. das erste Gebot noch später als andere Experten, siehe unten)
Lüdemanns Darstellung eines ursprünglich polytheistisch gerahmten Jahwe entspricht übrigens dem, was ich in diesem Brett schon mehrmals äußerte und was von einem von mir aufgrund seines Wissens hoch geschätzten Brett-Experten allerdings abgestritten wurde (wenn ich ihn recht verstand).
Für Lüdemann (und die meisten anderen Bibelforscher) gilt, dass die israelitische Darstellung der eigenen Frühgeschichte eine Sammlung von Märchen aus der exilisch-nachexilischen Zeit ist:
„Das Blatt wendete sich aber, als man erkannte: Das in der Bibel entworfene Bild des vorstaatlichen Israel (vor 1000 v.Chr.) entspringt theologischen Fiktionen aus der nachstaatlichen Zeit (ab dem 6. Jahrhundert v.Chr.)."
Dazu ein Hinweis von mir: die sog. 10 Gebote, der Dekalog, ist ein Produkt von Theologen des 7. Jhd. v.u.Z… Experten datieren ihn so, weil er zwischen dem Wirken des Propheten Hosea (8. Jh.) und dem Deuteronomium (spätes 7. Jh.) einzuordnen ist. Auch Max Weber datierte ihn in die spätvorexilische Zeit. Das betrifft vor allem die theologisch bedeutsamen ersten drei Gebote. Die anderen entstammen alten Regeln aus nomadischen Zeiten des 2. Jt.v.u.Z.
Chan
Hier ist der Link zu Lüdemanns Text: