Mahnmal 'ästhetisch'?

Irgendwie leidet der Herr an gewaltiger Geschmacksverirrung, oder?

_SPIEGEL ONLINE: Gibt es etwas, das Ihnen an Ihrer Arbeit missfällt?

Eisenman: Ich glaube, es ist ein bisschen zu ästhetisch. Es sieht ein wenig zu gut aus. Nicht, dass ich etwas Hässliches wollte, aber ich wollte nichts, das nach Design aussieht._

http://www.spiegel.de/img/0,1020,426709,00.jpg
http://www.spiegel.de/img/0,1020,467976,00.jpg
http://www.spiegel.de/img/0,1020,304419,00.jpg

Gruß,

Malte, kopfschüttelnd.

Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,355…

„Ich glaube, es ist ein bisschen zu ästhetisch.
Es sieht ein wenig zu gut aus.“

Irgendwie leidet der Herr an gewaltiger Geschmacksverirrung,
oder?

Holla,

auf dem Weg in die internationalen Top-Elite müssen sich wohl irgendwann alle Künstler - und ich zähle Architekten jetzt dazu - ein gesundes Selbstbewußtsein zulegen. Nichts anderes offenbahrt Eisenman.

„Schön“ finde ich diese Betonwüste auch nicht, aber als Holocaust-Mahnmal durchaus angemessen. Und die vorletzte Frage und Antwort des Interviews zeigen, dass der Mann durchaus noch mit beiden Beinen auf dem Boden steht und auf alle Starallüren verzichtet:

_SPIEGEL ONLINE: Jetzt, da das Mahnmal fertig gestellt und öffentlich zugänglich ist, wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis das erste Hakenkreuz darauf gesprüht wird.

Eisenman: Wäre das denn so schlecht? Ich war von Anfang an gegen den Graffitischutz. Wenn ein Hakenkreuz darauf gesprüht wird, dann ist es ein Abbild dessen, was die Menschen fühlen. Wenn es dort bleibt, ist es ein Abbild dessen, was die Regierung davon hält, dass Menschen Hakenkreuze auf das Mahnmal schmieren. Das ist etwas, das ich nicht steuern kann. Wenn man dem Auftraggeber das Projekt übergibt, dann macht er damit, was er will - es gehört ihm, er verfügt über die Arbeit. Wenn man morgen die Steine umwerfen möchte, mal ehrlich, dann ist es in Ordnung. Menschen werden im dem Feld picknicken. Kinder werden in dem Feld Fangen spielen. Es wird Mannequins geben, die hier posieren, und es werden hier Filme gedreht werden. Ich kann mir gut vorstellen, wie eine Schießerei zwischen Spionen in dem Feld endet. Es ist kein heiliger Ort._

Für ein Werk dieser Bedeutung und Beachtung ist das eine erstaunliche Einstellung. Ich finde, damit lässt Eiserman Deine Kritik gekonnt im Leeren verpuffen.

Gruß,
Andreas

Aber klar!

Irgendwie leidet der Herr an gewaltiger Geschmacksverirrung,
oder?

Keinesfalls. Er hat es richtig formuliert. Überhaupt, eine klare Aussage im Interview zu allen Punkten. Auch zu deinem Problem:

„Jeder Mensch muss es an den Dingen festmachen, die er kennt.“

Gruß

Irgendwie leidet der Herr an gewaltiger Geschmacksverirrung,
oder?

Keinesfalls. Er hat es richtig formuliert. Überhaupt, eine
klare Aussage im Interview zu allen Punkten.

Also entweder bist Du hochgradig ironisch und ich bekomm’s nicht mit, oder der Architekt ist hochgradig ironisch und ich bekomm’s nicht mit.

Auch zu deinem Problem:

„Jeder Mensch muss es an den Dingen festmachen, die er kennt.“

Ich denk dabei spontan an die Ruhr-Universität in Bochum. Die ist auch abgrundtief hässlich und grau. „Selbstmordarchitektur“ nennen das manche. Beides Orte, um die ich spontan einen weiten Bogen mache.

Verpuffung von viel Geld ohne Sinn und Verstand. Bei der Ruhr-Uni ist das noch mühsam zu erklären, wenn man sich Geschichte und Zeit der Entstehung anschaut - die fanden das damals wirklich hübsch und beeindruckend - auf dieses graue Betonfeld lässt sich das nicht mehr anwenden, und alle „Interpretationen“ wirken auf mich wie Schönfärberei. Ein Haufen Kot bleibt ein Haufen Kot, und man kann kein Kunstwerk aus ihm machen.

Zum Ermahnen an die Verbrechen der Nazizeit hätte man auch wesentlich sinnvolleres schaffen können.

Gruß,

Malte.

„Ich glaube, es ist ein bisschen zu ästhetisch.
Es sieht ein wenig zu gut aus.“

Irgendwie leidet der Herr an gewaltiger Geschmacksverirrung,
oder?

Für ein Werk dieser Bedeutung und Beachtung ist das eine
erstaunliche Einstellung. Ich finde, damit lässt Eiserman
Deine Kritik gekonnt im Leeren verpuffen.

Er lässt sie nicht verpuffen, er gibt den schwarzen Peter nur weiter an die Verantwortlichen - was ja auch nicht verkehrt ist, die sind letztlich Schuld daran, aber er hat sich diesen Krams ausgedacht.

Gruß,

Malte.

Hallo Malte
Wir wissen ja, wie schwierig die Auswahl der Vorschläge war und wie lange sich das hinzog. Letztlich sind alle diese Kunstwerke „Geschmackssache“.
Was ich ganz gut finde, ist, dass es nichts Kleines, also auch nichts Kleinkariertes, geworden ist, sondern Weite und Größe hat.
Allerdings - und das mag eine Ironie (des Schicksals?) sein, ist es dadurch ähnlich monumental wie die meisten Nazi-Bauten.
Aber die gefallen mir ja großenteils ebenfalls, nicht zuletzt wegen ihrer fast ausufernden Größe. :wink:
Gruß,
Branden

Hei,

ich finde es weder schön noch ästhetisch noch sonst irgendwie anziehend - aber ich denke, dass es genau so gedacht ist. Ich hätte mir auch etwas netteres vorstellen können, schließlich macht es ja auch einen Teil des Berliner Stadtbildes aus - und dafür finde ich es unheimlich unpassend.

Aber es soll nunmal ein Mahnmal für den Holocaust sein und kein gewinnbringendes Schönheitsding. Dazu passt es.

Grüße
Natascha

Ich finde, damit lässt Eiserman
Deine Kritik gekonnt im Leeren verpuffen.

Er lässt sie nicht verpuffen, er gibt den schwarzen Peter nur
weiter an die Verantwortlichen

„Schwarzer Peter“? - Mit dem Vergleich kann ich hier nichts anfangen. Nochmal von vorn:

  1. Wäre merkwürdig, wenn Eisenman heute sagen würde: „Da hab ich aber eine Scheiße zusammengebaut“, richtig? Die Überzeugung, dass ihm sein eigenes Werk gelungen ist, sollte man ihm zugestehen. Den leicht neckischen Satz „Ich glaube, es ist ein bisschen zu ästhetisch“ verbuche ich unter Künstler-Spleen. „Selbstbewußtsein“ eben.

  2. Du darfst das Ding natürlich als grottenhäßlich bezeichnen und über das rausgeworfene Geld schimpfen. Ich kenne einen, der hat mal ein Pfund Butter unter die Decke genagelt. Das sollte angeblich Kunst sein, und dafür wird der Mann von Kennern derselben in den Himmel gelobt. Irgendwann habe ich aufgehört, mich darüber zu wundern. - Dir wird es demnächst auch wieder besser gehen.

  3. Wenn Eisenman sein Werk als Auftragsarbeit betrachtet, die er heute übergibt, damit ab sofort jeder darüber denken und sogar damit anstellen mag, was er für richtig hält, dann leidet er nicht an Geschmacksverirrung, sondern beweist, dass er ziemlich uneitel ist. Auftrag angeboten, Auftrag angenommen, Auftrag ausgeführt, Ende Banane! - Die künstlerische Attitüde spielt überhaupt keine Rolle mehr, deshalb kann man sich jetzt auch nicht mehr über Geschmack streiten und der Vorwurf der Verirrung desselbigen verläuft im Sande. Das meine ich.

Ich habe heute Fernsehbilder gesehen, die das Stelenfeld in gänzlich anderer Perspektive und anderem Licht zeigen als die Spiegel-Fotos. Ich glaube, die Gedenkstätte ist der Erinnerung und Mahnung an den Holocaust durchaus würdig. Bei meinem geplanten Berlin-Besuch im Herbst werde ich das für mich überprüfen.

Gruß,
Andreas

fluxus ist luxus
Hi,

ein mahnmal ist für mich die rame in ausschwitz oder das tor mit den lettern „ARBEIT MACHT FREI“.
Das ding in berlin ist mahnmal-genannte kunst.
Das ist aber auch richtig so, da so erreicht wird, daß sich die leute damit beschäftigen…
Das ist sogar noch besser als nur ein 200m großer davidstern o.ä.

Es ist viel eher ein ÜBERLEGMAL.
Alle (und auch hier im forum) stellen doch die frage der fragen: „Was (zum teufel) will uns der künstler sagen?“.

Das herangehen an das kunstwerk und die übereilte kritik sprechen aber nicht für die, die hier vorschnell urteilen.

Kunst mag unsinnig sein; ist aber niemals ohne sinn…
Und auch die tatsache, daß das ding begehbar sein wird und es keine „handhabungsregeln“ gibt ist begrüßenswert.
Es ist nämlich kein museales kunstwerk, sondern viel eher ein „lebendiges“. D.h. daß es nich fertig ist, sondern teil des mahnmals ist, daß menschen es sehen, anfassen, „benutzen“.

An anderer stelle wurden hier beuys arbeiten mit fett kritisiert.
Ist „so etwas“ kunst?
Ja, natürlich!!!
Man muss sich nur die zeit nehmen…

LG Alex:smile:

Hi,

Alle (und auch hier im forum) stellen doch die frage der
fragen: „Was (zum teufel) will uns der künstler sagen?“.

Ich stelle eher die Frage „Warum hat den niemand aufgehalten?“.

Das herangehen an das kunstwerk und die übereilte kritik
sprechen aber nicht für die, die hier vorschnell urteilen.

Deine Meinung… Der echte Kunstkenner sieht halt auf den ersten Blick, daß das Ding Mumpitz ist :wink:

Es ist nämlich kein museales kunstwerk, sondern viel eher ein
„lebendiges“. D.h. daß es nich fertig ist, sondern teil des
mahnmals ist, daß menschen es sehen, anfassen, „benutzen“.

Lebendig wäre es, wenn es einen tatsächlichen Nutzen hätte.
Wenn es produktiv wäre. Wenn es auf die Zukunft ausgerichtet wäre.
Was zum anfassen. Reine Ermahnung gibt’s weiß Gott genug, kaum eine Woche, in der man nicht in den Medien damit zugedröhnt wird, in irgendeiner Form.

Ist „so etwas“ kunst?
Ja, natürlich!!!
Man muss sich nur die zeit nehmen…

Das hat nicht smit „Zeit nehmen“ zu tun, sondern ausschließlich mit Geld. In dem Moment, in dem Leute dafür nennenswerte Summen auf den Tisch legen, ist es Kunst. Das hat diese jene wohl aber so an sich.

Wirkliche Kunst ist imho etwas, was starke Emotionen nur durch seine Existenz hervorruft - reines Kopfschütteln ist aber nicht gerade eine starke Emotion, passt jedoch zu der Initiatorin des Dings.

Gruß,

Malte.

Hallo, Malte,
warum nur, warum muß ich bei diesem Werk an http://gutenberg.spiegel.de/andersen/maerchen/Druckv…
denken?
Gruß
Eckard

Hallo,

An anderer stelle wurden hier beuys arbeiten mit fett kritisiert.

es war nur ein Beispiel. Gebe aber zu, dass ich mich bei der „Butterinstallation“ besonders schwer tue, wenn ich in diesem Zusammenhang auch noch das Wort Arbeit lese.

Ist „so etwas“ kunst?
Ja, natürlich!!!
Man muss sich nur die zeit nehmen…

Bei dieser Herangehensweise wird Kunst beliebig. Selbst den allergrößten Unfug kann ich damit zur „Kunst“ erklären, wenn ich den Betrachter nur auffordere, sich mal bitte „Zeit dafür zu nehmen“.

Kerkeling hat das in seiner Parodie „Hurz“ auf den Punkt gebracht. Nach Ende der Gesangsvorstellung bemerkt eine Zuhörerin vorsichtig, dass sie mit dem vorgebrachten Liedgut wenig bis gar nichts anfangen könne. Antwort des Künstlers: „Da fählt Ihnen wohl därrr intärrrlektuelle Zugang.“

Keine Frage: Über Kunst lässt sich nicht streiten. Trotzdem würde ich gerne mal wissen, wieviele angebliche Künstler sich beim Farben-, Ton- oder Buttermatschen gar nichts dachten und dabei Zufallsergebnisse produzierten, über die sich später „Kunstsachverständige“ und „Kenner“ in höchsten Tönen das Maul zerrissen - während der Künstler still feixend danebenstand.

Gruß,
Andreas

Keine Frage: Über Kunst lässt sich nicht streiten.

…nicht beim Betrachten der Bilder meiner Frau sagen. Sonst Beule!

Gruß

Sancho

ach nöö…

Zum Ermahnen an die Verbrechen der Nazizeit hätte man auch
wesentlich sinnvolleres schaffen können.

moin malte,

ermahnt wird doch nun allerorten und ständig ausführlichst.
ich finde es ganz gut gelöst, so, wie es nun ist.
es handelt sich doch eher um eine politische installation, die
irgendwie künstlerische beigabe benötigte.
der kompromiß scheint mir gelungen.

da ich aber nur die baustelle kenne, behalte ich mir eine engültige
meinung noch vor.

immerhin wurde berlin verschont vor aufgeblasenen kollwitz-altaren,
die tatsächlich beleidigend wirken.

gruß,
frank

Also ich finde folgende Aussage einfach genial:

_SPIEGEL ONLINE: Haben Sie ein Lieblings-Mahnmal?

Eisenman: Eigentlich bin ich gar nicht so begeistert von Mahnmalen. Ehrlich gesagt, mache ich mir gar nicht so viele Gedanken über sie. Ich denke mehr an Sport._

BTW Seltsam, bei dem Wort ‚ästhetisch‘ sehe ich nur die Sportlerbilder von Leni Riefenstahl vor meinem inneren Auge. Sonst kann ich mit dem Wort nicht sehr viel anfangen, mein Kunstgeschmack ist aber auch durch DADA und Punk verpfuscht worden.

Gruss Jan

Du sprichst mir aus dem Herzen, exakt so sehe ich das auch. Je mehr darüber spekuliert wird, desto mehr erfüllt es seinen Anspruch.

mfg
Simon

Hi Malte,

Wirkliche Kunst ist imho etwas, was starke Emotionen nur durch
seine Existenz hervorruft - reines Kopfschütteln ist aber
nicht gerade eine starke Emotion, passt jedoch zu der
Initiatorin des Dings.

grundsätzlich halte ich das Mahnmal in seinem Ziel für überflüssig, da ich andere, dezentrale Formen der Mahnung in diesem Zusammenhang für besser halte.
Allerdings wage ich aktuell kein Urteil darüber zu fällen, ob dieses Stelenfeld für mich persönlich Kunst ist. Dazu müßte ich es mir erst einmal in Realität anschauen. Ich habe nämlich durchaus eine klare Meinung, was für mich Kunst ist oder nicht, kann mir aber eigentlich immer erst die Meinung bilden, wenn ich direkt davor, darin o.ä. stehe. Fotos zu betrachten oder Meinungen zu lesen ist dagegen so gefiltert, dass dies für meine Meinungsbildung sicher nicht ausreichend ist. Hierbei bin ja nicht ich der Betrachter, sondern ich betrachte nur einen Betrachter beim Betrachten:wink:

Ich bin aber ziemlich sicher, dass ich das Erleben des Feldes zumindest interessant fände, was ja schon mal ein guter Start ist:wink:

Grüße
Jürgen

Gebe aber zu, dass ich mich bei der
„Butterinstallation“ besonders schwer tue, wenn ich in diesem
Zusammenhang auch noch das Wort Arbeit lese.

Keine Frage: Über Kunst lässt sich nicht streiten. Trotzdem
würde ich gerne mal wissen, wieviele angebliche Künstler sich
beim Farben-, Ton- oder Buttermatschen gar nichts dachten und
dabei Zufallsergebnisse produzierten, über die sich später
„Kunstsachverständige“ und „Kenner“ in höchsten Tönen das Maul
zerrissen - während der Künstler still feixend danebenstand.

Hallo Andreas,
es war Schmalz und keine Butter. Bei kalten Kriegserlebnissen hat Beuys die Wichtigkeit von Fett und Filz erkannt. Diese Materialien findet man dann immer wieder bei ihm. Ich bin dafür, an einer Stele eine Fettecke zu platzieren. Fett und Filz hat sich mancher Jude im Konzentrationslager gewünscht.
Mit freundlichen Grüßen

Ulf

KZ und Filz
Hallo Ulf,

es war Schmalz und keine Butter.

Butter wäre auch kaum ertragbar für die Besucher gewesen, wegen dem Geruch.

Fett und
Filz hat sich mancher Jude im Konzentrationslager gewünscht.

Du weisst das die NS Vernichtungsindustrie, nicht nur Seife sondern u.a. auch Filz aus ihrem Opfern hergestellt hat?

Gruss Jan

Du weisst das die NS Vernichtungsindustrie, nicht nur Seife
sondern u.a. auch Filz aus ihrem Opfern hergestellt hat?

Hallo Jan,
ich weiß. Auch Lampenschirme aus der tätowierten Haut. Aber ich glaube schon, dass Du es verstanden hast, wie ich es meine.
Mit freundlichen Grüßen

Ulf