liebe claudia,
ich war mehr als 20 jahre aktiv und davon viele jahre ämterbeladen in der kommunalpolitik in NRW tätig.
und ich spreche auch hier von der ehrenamts-ebene! aber da muß man normalerweise durch auf dem weg zum berufspolitiker. es sei denn, man/frau studiert politologie und bewirbt sich für ein - bezahltes - parteiamt wie für einen job in irgendeiner firma. die ideologie ist dann egal. es zählen nur die konditionen.
meine erfahrung ist, daß die frauen, die sich trotz kind & kegel in die (lokal-)politik trauen, zu einem großen teil bei der herstellung von kartoffelsalat und/oder orga samt kinderbetreuung für die vereinsfeste aufreiben. keine frage, sie sind unverzichtbar für den er- und zusammenhalt der jeweiligen ortsgruppe, leisten unermüdlich arbeiten, die sonst keiner machen will - aber „richtige“ politik machen sie dabei nicht. dazu kommen sie gar nicht mehr.
auch den „kolleginnen“, die sich in kaffeekränzchen namens „AsF“ (arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer frauen) oder dem jeweilgen pendant anderer parteien hochmotiviert betätigen und frauenpolitik machen wollen, geht es kaum besser. sie schmoren dort im eigenen saft und beschließen auf den monatlichen treffen neben der anzahl der noch zu backenden apfelkuchen für das nächste kinderfest meist nur die tagesordnungspunkte für die nächste versammlung.
der nächste schritt wäre die mitgliedschaft und mitarbeit in politischen gremien, parteiorganen u.a. der jeweiligen partei. da gibt es erst mal eine große zahl von „zählämtern“, d.h. ämter die besetzt werden müssen - dahinein würde aber auch ein besenstiel gewählt werden, wenn er unter irgendeine quotenregelung fällt. klangvolle bezeichnungen für die inhaber(innen) solcher ämter sind z.b. „unterbezirksdeligierte“ oder gar deren stellvertreter (muß sein!). einmal im jahr haben die sich zu versammeln und ihr votum abzugegeben zu fragen, die sie durch den bierzeltartigen tumult akustisch gar nicht verstehen können. aber keine angst, einfaches handzeichen reicht.
dann gibt es natürlich auch ausschüsse, in denen „richtige“ politik gemacht wird, aber zumeist erst nach dem ausschuß in der kneipe - was aber gar nicht abwertend gemeint ist. es lassen sich in entspannterer atmosphäre einfach effektiver beschlüsse fassen.
bis hierhin kostet das alles schon viel viel zeit, die neben job und familie erübrigt werden muß! will man jetzt noch an stellen, wo man wirklich was bewirken kann, treten job und familie total in den hintergrund. jetzt muß man/frau jede kneipe in seinem wahlbezirk kennen (und nicht nur von außen), zur jahresfeier jedes dackelzüchtervereins, und immer vor ort sein, wenn die lokalpresse über eine wackelnde gehsteinplatte berichtet. kein selbstbestimmtes wochenende mehr! tante käthe wird 80? vergiß es - ohne dich! hochzeitstag, geburtstag? war da nicht ne ausschußsitzung?
DAS KOSTET NICHT NUR ZEIT, SONDERN AUCH KRAFT! das macht auch nicht jeder partner mit, wie man sich denken kann. und jeder job verträgt das auch nicht - besonders nicht in der privatwirtschaft (die im öffentlichen dienst werden ja noch für einige politische aktivitäten freigestellt, ohne daß sie nachteile zu erwarten haben.)
so. und jetzt muß man bei alledem noch wissen, daß politik ein fürchterlicvh langsames und zähes geschäft ist. bis ein mangel erkannt, behoben und gesetzlich manifestiert ist, vergehen oft jahrzehnte. wenns überhaupt soweit kommt.
ein beispiel: anfang der 80er hab ich mich sehr engagiert für verlängerte kindergartenöffnungszeiten, ganztagsbetreuung usw. und wurde von den eigenen genossinnen deswegen angefeindet (denn eine richtige mutter geht nicht arbeiten und ist bei ihren kindern.) wenn ich mich recht erinnere, war es mitte der 90er, als CDU -frauen endlich den rechtsanspruch auf kindergartenplätze durchsetzten.
auch hier gilt: soviel zeit hat frau normalerweise nicht.
die politikerinnen, die ich persönlich kenne, haben entweder (noch) keine kinder und familie oder haben beides schon hinter sich gelassen. mir ist keine einzige bekannt, die job, familie UND politik zugleich dauerhaft auf die reihe gekriegt hat.
ja, claudia, ich denke auch, männer sind da rigoroser. (die müssen auch nicht zum elternsprechtag.)
gruß
ann