Hallo,
Nur wenn sich insgesamt mindestens soviele Ärzte bewerben würden, wie es Kassenzulassung neu zu vergeben gibt. Da dies aber nicht der Fall ist, bleiben Zulassungen ungenutzt.
Das wundert mich doch ein wenig. Weiter unten schreibst du, dass die Zahlen, anhand derer die Zulassungen vergeben werden rund 20 Jahre alt sind, also so ca. 1990. Damals hatten es in D so ca. 280 Ärzte pro 100.000 Einwohner und wir waren gerade durch die Ärzteschwemme der 80er Jahre durch (in denen es weniger Ärzte gab als um 1990). Heute haben wir dagegen ca. 370 Ärzte pro 100.000 Einwohner und angeblich einen Ärztemangel. Irgendwo stimmt doch da der Zusammenhang nicht.
Älterwerdende Bevölkerung hin oder her, so groß wird der Arztmangel nur durch mehr Senioren bestimmt nicht. Und zweitens: Wenn wir heute mehr Ärzte haben als 1990, die Zulassungen aber auf grunf von Zahlen auf Basis 1990 erteilt werden, kann es ja nicht sein, dass Zulassungen übrig bleiben. Immerhin haben wir heute deutlich mehr Ärzte für dieselbe Zahl an Zulassungen.
Wo also liegt der Fehler?
Ich möchte es nicht Fehler nennen, sondern gerne mehrere Aspekte ansprechen.
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Die Unterversorgung tritt insbesondere in ländlichen Gebieten und hier verstärkt im Osten auf. Durchschnittszahlen von Ärzten besitzen da nur bedingt eine Aussagekraft, da die Überversorgung in München dem Rentner auf dem flachen Land im Osten nicht viel nutzt.
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Vor 20 Jahren wurden Kassenzulassungen anhand eines bestimmten Bedarfs entwickelt, der sich mal ganz einfach ausgedrückt, eben aus der durchschnittlichen Krankeheitshäufungen in der damaligen Bevölkerung ergab. Sagen wir jetzt mal als Hausnummer eine Kassenzulassung für einen Kardiologen pro 10.000 Einwohner. (Bitte nicht an den konkreten Zahlen festmachen, ich kenne sie nicht.) Inzwischen hat sich aber der Bedarf nach Kardiologen bezogen auf 10.000 Einwohner in einem Landkreis im Osten verdreifacht, weil die Leute im Durchschnit ohnehin älter geworden sind UND im Osten auch noch besonders viele junge Leute weggezogen sind. Aber nun gibt es keine zwei Zulassungen mehr, sondern es bleibt bei der einen. Und schon gibt es einen Mangel. Und das wäre sogar so, wenn sich die Kassenzulassungen verdoppelt hätten.
Wer sich das nicht vorstellen kann, sollte sich mal die Gesundheitsberichterstattung des Bundes ansehen. Ich ziehe jetzt mal willkürlich einen winzigen Aspekt dort heraus, um die Problematik zu vereutlichen. http://www.gbe-bund.de/gbe10/owards.prc_show_pdf?p_i…
Da gibt es eine Tabelle zu Herzinfarkten (S. 37) Demnach erleiden in der Altersgruppe 40-44 von 100.000 Einwohnern 22,8 Leute einen Herzinfarkt. In der Altersgruppe 20 Jahre weiter, also 60-64 sind das dann schon 201,3, also fast 10mal soviele. Das bedeutet also auch, dass da 10mal soviel Behandlungsbedarf entsteht. Das kann man jetzt natürlich nicht auf alle Erkrankungen pauschal hochrechnen. Aber ich denke, dass es einen Eindruck vermitteln kann, was eine älter werdenden Bevölkerung in Bezug auf den Behandlungsbedarf bedeuten kann.
Nun treiben wir das ganze noch auf die Spitze und schauen uns Entwicklung der Altersverteilung in Meck-Pomm an. 1995 waren da von 1.818.813 Einwohnern 287.494 Leute zwischen 60 und 85 Jahren alt. In 2007 waren bei 1.686.718 Einwohnern bereits 406.817 in dieser Altersgruppe. http://www.statistik-mv.de/cms2/STAM_prod/STAM/_down…
Wenn man das dann mal mit den Herinfarkthäufigkeiten in dieser Altersgruppe vergleicht, dann kann man so ungefähr nachvollziehen, was das für den Bedarf an Kardiologen bedeutet. Natürlich muss da der Fortschritt in der Medizin wieder irgendwie rausgerechnet werden. Keine Ahnung, wie hoch dieser Einfluss auf den Behandlungsbedarf ist.
3. Mir ist auch nicht ganz klar, wie man es in Deutschand immer wieder hinbekommt, nahezu übergangslos von einer Schwemme zu einem Mangel bei Hochqualifizierten hinzukommen. Irgendwas paßt da nicht ganz. So richtig kann ich da nicht ganz dran glauben, dass es in den 1980ern eine Schwemme gegeben haben soll. Außerdem vermute ich mal, dass sich die Zahlen nicht nur auf niedergelassene Kassenärzte sondern auf alle Ärzte beziehen, was also wieder ein Durchschnittsproblem ist.
PS: In D gibt es fast doppelt soviel Ärzte pro Einwohner wie in den Niederlanden und die beklagen sich keineswegs über ihre Versorgung.
Die rennen auch nicht annähernd so oft zum Arzt wie die Deutschen. Das ist durchaus auch ein Aspekt, über den mal nachgedacht werden sollte.
Also insgesamt kann man das Thema Ärztemangel so sehen, dass es nicht DEN Ärztemangel gibt, sondern einen Mangel bestimmter Ärzte in bestimmten Regionen. Angesichts der demografischen Entwicklung und den begrenzten Einnahmen der Krankenkassen besteht allerdings zu befürcht, dass sich diese Problematik immer weiter ausbreitet, wenn alles so gelassen wird, wie es ist. Und da sind wir ja besonders groß.
Grüße