H wie Hola.
Dann erkläre mir bitte mal, was Du unter Frontalunterricht
verstehst. So wie ich den Begriff kenne, ist es dabei nämlich
nur sehr schwierig möglich, auf die individuellen Unterschiede
der Schüler vernünftig einzugehen.
Wie es scheint, hat man es tatsächlich geschafft, den jetzigen Eltern mit Erfolg Bilder des Schreckens in den Kopf zu implantieren.
Anscheinend habe ich auch ständig die besten der besten Lehrer erwischt.
Ich kenne Frontalunterricht aus meiner Schulzeit schlichtweg nicht anders, als daß der Lehrer durch viel Eigenverantwortung (Gestaltung, Unterrichtsstil) das Leistungsgefälle ausgleicht. Eine Selbstverständlichkeit.
Zugegeben, je weiter weg im Werdegang das ehemalige DDR-System rückte, desto mehr nahm dieser Förderungseffekt ab. Man muß allerdings auch einräumen, daß man älter wurde und nicht mehr getätschelt werden konnte.
Beispielsweise war es bei mir in den ersten Klassen - also was zu Anfang Polytechnische Oberschule war, dann erst einmal nur umbenannt und soweit es ging in der alten Struktur weiterbetrieben wurde, bis sukzessive der Umbau in eine „echte“ heutige Grundschule erfolgte, was mich Gott sei Dank nicht mehr betraf - jedenfalls war es so, daß strikt Leistung eingefordert wurde. Man kam aus einem Kindergarten, wo intensiv Erziehung und Bildung stattgefunden hatte. Zensuren und Kopfzensuren ab Klasse 1. Die Lehrerin verstand es immer, die guten Schüler (das waren *nicht* wenige!) sinnvoll und **fordernd** zu beschäftigen, während die anderen am Standardstoff gearbeitet haben beziehungsweise sie genügend Zeit hatte, sich um die etwas schwächeren Schüler zu kümmern (von denen es einige wenige gab). Wir waren übrigens über 30 Mann.
Es gab auch manchen Krawallschüler, klar.
Doch das hatte ganz andere Dimensionen - der Lehrer muß inzwischen teilweise ja schon zittern, daß er von so einem verhaltensauffälligen „Spezi“ kein Messer auf den Tisch gelegt bekommt, oder noch Schlimmeres…
Selbstverständlich waren das auch andere Zeiten in bezug auf Erziehung und Benehmen. Im Vergleich zu den eingeforderten und durchgedrückten Disziplinarmaßstäben tanzt heute weitenstgehend der Bär auf dem Tisch.
Auf der anderen Seite war es ein sehr freundliches und leistungsorientiertes Klima - jeder, auch die guten bis sehr guten, wurden immer wieder motiviert, ermahnt, subtil angestachelt, besser zu werden. Es gab keine Zensur ‚6‘ - folgerichtig war eine ‚4‘ eine schockartige, gefühlte Katastrophe; bei einer ‚3‘ wurde nie locker gelassen - ganz im Gegensatz zu heute; eine ‚2‘ wurde als wirklich solide - eben „gut“ - empfunden, nur um sofort anzutreiben, sich beim nächsten Mal weiter zu steigern.
Doch nicht wie in den asiatischen Schulen mit militärischem Drill, sondern eher durch die Blume und unter Ausnutzung natürlicher Reaktionen von Kindern. Auch gewecktes Konkurrenzdenken zwischen manchen Schülern gehörte dazu.
Ebenso wurde darauf geachtet, daß keine Ungerechtigkeiten auf Grund der Leistungsunterschiede aufflammten. Selbst vor guten Schülern wurde mit Ermahnung oder Tadel nicht zurückgeschreckt - das ganze Gegenteil von heute. Umgekehrt wurde aber auch sämtliches Lob immer mit Umsicht und Sachlichkeit verteilt. Auch bereits gute Leute konnten so für entsprechende Leistung die gebührende Anerkennung erhalten. Sogar geregelte Auszeichnungen für herausragende Leistungen waren bekannt.
Es war eine sehr gesunde, förderliche und motivierende Art der Gleichbehandlung von einem berechtigen Standpunkt aus. Ebenfalls das ganze Gegenteil von heute.
Auf dem Zeugnis erschienen von Anfang ehrliche, facettenreiche (knallharte) Beurteilungen in ca. 100 bis 200 Worten über Betragen, Charakter, Verhalten in der Klasse und im Unterricht, Kenntnisstand, Wissen und und und. Kurz, präzise, das Wesentlich erfaßt. Die Eltern standen weitestgehend hinter der Schule, es gab Hausbesuche mit ausführlichen Gesprächen zwischen Klassenleiter und Eltern. Elternabende waren defacto Pflicht und reichhaltig besucht. Es wurde offen mit konkreten Namen und konkreten Aussagen zu einzelnen mitsamt deren Noten vor allen Anwesenden gesprochen. Die Schule war strukturell eine Kommunalschule - heißt, in fast in jedem Dorf gab es eine Schule, die man von Klasse 1 bis zum Abschluß in der Klasse 10 besuchen konnte. Schulweg bei mir in den ersten Klassen: 1 Minute Fußweg normalen Tempos. Nichts da mit stundenlangem Pendeln und Busfahrten „durch die Botanik“.
Zugegebenermaßen spielten auch hier die völlig anderen Randbedingungen hinein. Es gab die alljährlichen sogenannten „Kulturprogramme“. Muß man sich als eine Art geregelte Schulveranstaltung/Schulaufführung, wie bspw. oft in den USA üblich, vorstellen. Sprich, es fand kulturelles, thematisches Leben außerhalb der Schule mit Verbindung zur Schule statt - freilich etwas von oben verordnet, doch eben gefördert. Neudeutsch: ein Event. Diese Sache brach schnell völlig weg und ist heute absolut unüblich in der gesamten Bildungslandschaft. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Natürlich kam des weiteren noch der Hort dazu: kompetente erzieherische und fachliche Betreuung beim geregelten Verrichten der Hausaufgaben. Nachmittagsbetreuung, Spielen können et cetera et cetera et cetera. Eine ganze andere Welt als heute.
Vom Samstagunterricht, bindenden Lehrplänen, hohem Ausbildungsniveau, Versorgung mit Mahlzeiten zu Spottpreisen ganz zu schweigen.
Was inzwischen also gerne - auch hier sehr intensiv! - als unmöglich abgestempelt wird, Frontalunterricht in einer großen Klasse mit konstruktivem Ausgleich des Leistungsgefälles, **ist** möglich - ich selbst habe es erlebt - in dem Alter, wo es drauf ankommt.
Selbstverfreilich geht das nur, wenn wie beschrieben gewisse Voraussetzungen vorhanden sind. Und selbstverständlich war es auch straffer, als heute allgemein mit Schule umgegangen wird. Trotzdem gab es (freiwilligen) Förderunterricht, falls notwendig.
Nur wurde eben nicht bei jeder Kleinigkeit so weichgetan wie heute, wo bei jedem Husten eine Mücke zum Elephanten aufgebauscht wird. Der ganze Ablauf war straffer, besser organisiert, nicht so weichgespült oder gleichgültig wie dieser Tage. Alleine schon das Thema Pünktlichkeit aller Beteiligten.
Von den aktuellen Zuständen ausgehend im Rückblick würde man sicher von einer gewissen „Strenge“ sprechen.
Mir geht zum Beispiel schon immer innerlich der Hut hoch, wenn ich die heutigen Sotzordnungen sehe; kreuz und quer, mit zusammengeschobenen Tischen, an denen die Kinder ringsherumsitzen, oft mit dem Rücken zur Tafel und lauter solcher zum Himmel schreiender Stuß.
Sieht man von der Schattenseite ab, also der ideologischen Verwertung der Schule in manchen Situationen, rein bildungstechnisch unverholen paradiesische Zustände im Vergleich. Klar, man warf bspw. im Sportunterricht irgendwann keine Schlagbälle mehr, sondern Handgranaten (ich nicht mehr); wobei der Sportunterricht in seiner Organisation und Umsetzung auch nochmal eine Geschichte für sich ist.
Es gab dieses nervige Pionierzeug und „haste nicht gesehen“…
Und es ist auch bekannt, das die Beschreibung oben nicht auf jede damalige Schule zutraf. Dann gab es noch einige Unterschiede zwischen Städten und ländlichen Gebieten. In Berlin war zum Beispiel durchaus Usus, den Samstagsunterricht von den Eltern unterstützt zu schwänzen, nur damit man das Wochenende ins Grüne sausen konnte.
Vor mir brauch sich trotzdem niemand aufbauen (wie mancher hier im Forum), um mich bei diesen Sachen belehren zu wollen, bei denen ich unter jedem Aspekt die besseren Karten habe.
MfG