Blutrechtliche Tiefenstruktur des Abendmahls
Hi.
Über die Bedeutung des „Neuen Bundes“, soweit diese aus der biblischen Textoberfläche hervorgeht, hat Metapher bereits geschrieben. Die Frage bleibt, ob man unterhalb der Textoberfläche Hinweise auf eine ganze andere Bedeutungsschicht finden kann, die einer ursprünglicheren Überlieferung, durch redaktionelle Modifizierungen aber kaum noch erkennbar, entspricht.
Solche Hinweise finden sich tatsächlich und könnten die Theorie stützen, dass Jesus bzw. seine eventuelle historische Referenzfigur Anführer einer zelotischen Gruppe war.
Es geht um die Passagen der Ev, die sich dem letzten Abendmahl widmen. Im Zentrum des Rituals steht die „Schüssel“ mit dem geschlachteten Lamm. Bemerkenswert im Umgang der Feiernden damit sind zwei Dinge:
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Im Talmud wird ausdrücklich vorgeschrieben, dass jeder Esser des Opferlamms aus einer eigenen Schüssel zu essen habe.
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Beim Abendmahl aber essen Jesus und die Jünger aus einer gemeinsamen Schüssel.
Schon dieses Detail zeigt, dass das Ritual der Versammelten im Widerspruch zur jüdischen Orthodoxie steht - ähnlich dem Verhältnis der Zeloten zur offiziellen pharisäischen Priesterschaft. Mehr noch: Das von Jesus veranstaltete Ritual des gemeinsamen Essens aus einer Schüssel entspricht einem traditionellen altsemitischen Verschwörungsritual. Darüber berichtet z.B. W. Atallah in:
http://www.jstor.org/discover/10.2307/4056005?uid=37…
Hier sind Referenzstellen aus den Ev:
Mk 14,20: Er antwortete und sprach zu ihnen: Einer aus den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel taucht.
Mt 26,23: Er antwortete und sprach: Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten.
Joh 13,26: Jesus antwortete: Der ist’s, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er tauchte den Bissen ein und gab ihn Judas, Simons Sohn, dem Ischariot.
Dass am Passahfest Aufstände wahrscheinlicher waren als zu anderen Zeiten, zeigen die Verse:
Mt 26,3: Um die gleiche Zeit versammelten sich die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes im Palast des Hohenpriesters, der Kajaphas hieß,
Mt 26,4: und beschlossen, Jesus mit List in ihre Gewalt zu bringen und ihn zu töten.
Mt 26,5: Sie sagten aber: Ja nicht am Fest , damit kein Aufruhr im Volk entsteht.
Hinweise auf den zelotischen Hintergrund der Jesus-Bewegung gibt es darüber hinaus nicht wenige (ich erwähnte einige in einem früheren Artikel). Der christentumkritische römische Historiker Sossianos Hierocles (um 300) spricht von 900 „Räubern“ (gemeint sind Widerstandskämpfer) im Gefolge des JC.
Ich belasse es für den Moment bei diesen Hinweisen, die nur zeigen sollen, dass das Motiv des „Neuen Bundes“, sowie wie es an der neutestamentlichen Textoberfläche erscheint, in ihrer Tiefenstruktur ein ganz anderes Gesicht hat. Die Motivik der Jesus-Mythologie kann so gut wie überall auf externe Motive zurückgeführt werden, mutmaßlich also auch beim Abendmahl.
Chan