Merkel lässt Ermittlungen gegen Böhmermann zu!

Nur leider berichten die Medien in TR zu 90% „Merkel unterstützt Erdogan“. Ihre Ausführungen zur Pressefreiheit etc. kamen da sicherlich nicht so an wie von ihr vorgesehen. Und ob hier ein § abgeschafft wird oder nicht interessiert dort auch nicht. Punktgewinn für Erdogan der sich feiern lassen kann und Balsam für die stolze türkische Volkseele dass Mutti vor der mächtigen Türkei eingeknickt ist.

Wenigstens hat sie Schadensbegrezung betrieben und will diesen unseeligen § 103 STGB abschaffen.

Causa BöhmermannMerkels Erklärung im Wortlaut

Meine Damen und Herren,

mit Schreiben vom 7. April 2016, eingegangen im Auswärtigen Amt am 8. April 2016, hat die Republik Türkei ein Strafverlangen hinsichtlich des Moderators Jan Böhmermann wegen dessen Sendungsabschnitts über Präsident Erdoğan gestellt.

Gesetzliche Voraussetzung für die Strafverfolgung des speziellen Delikts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten ist eine Ermächtigung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat dieses Ersuchen entsprechend der Staatspraxis geprüft. An dieser Prüfung waren das Auswärtige Amt, das Bundesjustizministerium, das Bundesinnenministerium und das Bundeskanzleramt beteiligt. Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD. Im Ergebnis wird die Bundesregierung im vorliegenden Fall die Ermächtigung erteilen.

Ich möchte dazu gerne näher Stellung nehmen: Die Türkei ist ein Land, mit dem Deutschland eng und freundschaftlich verbunden ist - über die vielen Menschen mit türkischen Wurzeln hier im Land, über enge wirtschaftliche Verflechtungen und über unsere gemeinsame Verantwortung als Alliierte in der Nordatlantischen Allianz. Die Türkei führt Verhandlungen für einen Beitritt zur Europäischen Union. In dieser engen Partnerschaft sind die gegenseitige, auch völkerrechtlich geschuldete Achtung ebenso wie der offene Austausch zu den Entwicklungen des Rechtsstaats, der Unabhängigkeit der Gerichte und des Meinungspluralismus von besonderer Bedeutung. Umso mehr erfüllen uns die Lage der Medien in der Türkei und das Schicksal einzelner Journalisten wie auch Einschränkungen des Demonstrationsrechts mit großer Sorge.

Die Bundesregierung wird auch in Zukunft auf allen Ebenen die Postulate von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus gegenüber der Türkei anmahnen. Wir treten dafür ein, dass bei unseren Partnern und Verbündeten die Freiheit der Meinung und die Unabhängigkeit der Justiz in gleichem Umfang wie in Europa und anderen Ländern der demokratischen Welt gewährleistet sein müssen. Wir setzen uns gegenüber anderen Staaten dafür ein, Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Kunstfreiheit und die Pressefreiheit zu achten. Wir fordern ihre Achtung und ihren Schutz auch von der Türkei ein.

Wir fordern das, weil wir von der Stärke des Rechtsstaats überzeugt sind. Im Rechtsstaat sind Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Kunstfreiheit und die Pressefreiheit elementar. Sie sind elementar für Pluralismus und Demokratie. Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. In ihm ist garantiert, dass die Verfahrensrechte des Betroffenen gewahrt werden. In ihm gilt die Unschuldsvermutung.

Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen. In ihm bedeutet die Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung des speziellen Delikts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten weder eine Vorverurteilung des Betroffenen noch eine vorgreifende Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit, sondern lediglich, dass die rechtliche Prüfung der unabhängigen Justiz überantwortet wird und nicht die Regierung, sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort haben werden.

Genau in diesem und in keinem anderen Verständnis, genau in diesem und in keinem anderen Gesamtrahmen wird die Bundesregierung im vorliegenden konkreten Fall hinsichtlich des Moderators Jan Böhmermann die von mir eingangs vorgetragene Ermächtigung erteilen.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass unabhängig von diesem konkreten Verfahren die Bundesregierung der Auffassung ist, dass § 103 StGB als Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für die Zukunft entbehrlich ist. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf zu seiner Aufhebung vorlegen. Der Gesetzentwurf soll noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten. Vielen Dank.

Quelle: n-tv.de

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Mit unterschiedlicher Wahrnehmung und Interpretation wird man leben müssen und können. Mit seltsamen Ehrbegriffen und einem gestörten Verhältnis zu freien Medien ist die türkische Führung im Begriff, sich von Europa und einem irgendwann vielleicht möglichen EU-Beitritt zu entfernen. Erdogan schoss sich ins eigene Knie, bemerkt es aber noch nicht.

Im Moment gibt es die politische Situation kaum her, mit Herrn Erdogan Tacheles zu reden. „Gar nicht ignorieren“ wäre noch möglich gewesen, bevor es Frau Merkel für nötig hielt, sich zum Machwerk des Herrn Böhmermann überhaupt zu äußern und statt dessen durchblicken zu lassen, dass man keine Veranlassung sehen wird, sich mit solchem Kram zu beschäftigen.

Das Ganze passt eher in einen Kindergarten.

Gruß
Wolfgang

Merkels Übereinstimmung mit Erdogan am Telefon war richtig, empathisch und OK. Dies zu veröffentlichen war politisch dumm.

Die Ermächtigung zur Strafverfolgung m.E. nur ein formaler notwendiger Akt, wie die Aufhebung der Immunität bei einem Gramm Meth.

Wie bei der Immunität gibt es viele Gründe, nicht zuzustimmen. Aber davon sehe ich hier keinen. Es sollten sich doch alle freuen, dass das Recht am Ende maßgeblich ist.

naja, Böhmermann ist kein Alleinunterhalter. Die Rechtsabteilung des ZDF wird zu genau dieser Einschätzung schon vor der Sendung gelangt sein. Und nun möchte halt jemand diese Einschätzung gerichtlich überprüfen lassen, da sich manche auch mal verschätzen.

Und wieso ist dieser Paragraph in Zukunft entbehrlich, muss jetzt aber noch angewendet werden?
Wieso kann man nicht einfach sagen, dass die ja bereits angestrengte Privatklage völlig ausreichend sei, und man sogar Herrn Erdogan trotz seines herrschaftlichen Gehabes keine Sonderrechte wegen Majestätsbeleidigung zugestehen wolle?

Weil Anlassgesetzgebung selten eine gute Idee ist. Und wenn diese auch noch rückwirkend gelten soll, ist es um die Rechtssicherheit schlecht bestellt.

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Über den § 103 wurde ja schon geschrieben, aber ich möchte hier mit dieser Halbwahrheit aufräumen, dass es eine Entscheidung der Kanzlerin war. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert waren an der Entscheidungsfindung „neben dem Kanzleramt auch das Innen-, das Außen- und das Justizministerium sowie Vizekanzler Sigmar Gabriel beteiligt“.

Tun wir also bitte nicht so, als ob Merkel hier im Alleingang entschieden hätte. :wink:

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Nicht äußern geht schlecht, wenn man gefragt wird. Natürlich könnte die auch auf jede Frage antworten, dass sie sich dazu überhaupt nicht äußern wird. Dann meckern auch wieder alle. Wenn der deutsche Botschafter einbestellt wird und/oder ein ausländischer Staats- oder Regierungschef etwas anspricht, dann gehört es möglicherweise zu den Gepflogenheiten nicht wie im Kindergarten nur bockig mit dem Kopf zu schütteln, sondern auch eine Antwort zu geben.
Das hat sie also im Telefonat mit den türkischen Ministerpräsidenten gemacht, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sowas in Deutschland nun mal möglich und üblich ist, weil Meinungs- und Pressefreiheit eine andere Gewichtung haben als anderswo. Kindergarten wäre es, wenn man dann einfach nur bockig mit dem Kopf schüttelt.

Ich könnte mich übrigens köstlich amüsieren, dass hierzulande so ziemlich jeder Böhmermann beipflichtet, dass man das dürfe und vielleicht sogar müsse.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das bei einem Teil der üblichen Berufsbetroffenen, Bedenkenträger und vor Wasser auf die Mühlen der Falschen Warnenden ganz anders aussehen würde, wenn da nicht Erdogan sondern irgendein anderer aus dessen Kulturkreis stammender aber sich inzwischen hier aufhaltender Mensch angesprochen worden wäre, der hier weiter den Einstellungen und Verhaltensweisen seines Kulturkreises nachgeht.
Da wäre gleich von Beleidigung, Herabsetzung, Fremdenfeindlichkeit, kulturelle Bereicherung nicht erkennen wollen, Volksverhetzung, Rassismus, Wasser auf die Mühlen von AfD, Pegida, NPD die Rede gewesen und vor allem davon, dass man das überhaupt gar nicht dürfe. Böhmermann wäre seinen Job los und Volker hätte gleich Strafanzeige gestellt, wenn er nicht gerade selber eine große Dummheit begangen hätte.

Grüße

Doch das war sie!
Die SPD Minister haben dagegen gestimmt und Merkels Stimme war aussschlaggebend. ramses90

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Wer war was??

Das bedeutet aber, dass aber zwei weitere Stimmen für die Ermächtigung waren. Nicht die Definition von Alleingang, die ich kenne…

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Du solltest Dich besser informieren!
An der Entscheidung waren Steinmeier und Gabriel = SPD, sowie Merkel und De Maiziere = CDU beteiligt, sonst niemandI
hre Stimme als Kanzlerin war ausschlaggebend! ramses90

Stimmt, da hast du Recht. Trotzdem war es eben nicht Merkels alleinige Entscheidung.

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Das war ihre Aufgabe.

Wie bitte?

Dieser Paragraph - anders als alle anderen Paragraphen - wird doch nur angewendet, wenn die Regierung das möchte.
Und wenn die Regierung sagt, dieser Paragraph sollte abgeschafft werden (was sie ja gesagt hat), aber dennoch die Anwendung dieses Paragraphen veranlasst (was sie ebensogut sein lassen könnte), dann finde ich das absoluten Quatsch.

Richtig finde ich allerdings, dass dieser Paragraph abgeschafft werden sollte. Und bis dahin sollte er auch nicht angewendet werden.

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Eben, und deswegen ist dieser ganze Paragraph äußerst befremdlich.
Weil die Exekutive hier entscheidet, ob ein Verfahren zugelassen wird oder nicht.

Da der vorliegende Fall auch mit Hilfe eines normalen Paragraphen juristisch verfolgt werden kann, sollte die Exekutive diesen unnormalen Paragraphen nicht zur Anwendung kommen lassen, zumal darin geregelt ist, dass jemand, der eine Majestät beleidigt, wesentlich härter bestraft werden muss als jemand, der einen normalen Mitbürger beleidigt. - Schon allein deswegen dürfte eine demokratisch gesinnte Regierung ein solches Verfahren nicht zulassen.

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Wenn eine Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten eines anderen Staates anruft, ihre persönliche Meinung äußert und dies öffentlich durch ihren Regierungssprecher verlauten lässt, dann ist das etwas völlig anderes als lediglich die Äußerung einer persönlichen Meinung.

Hi,

durch die Erlaubnis zur Anwendung von Paragraph 103 wird absolut deutlich gemacht, das Gerichte entscheiden und somit der Rechtsstaat tätig wird, es besteht keine Möglichkeit mehr, der Regierung Zensur vorzuwerfen (Zensur wäre, wenn die Regierung die Gerichte übergeht und gegen Böhmermann eine Strafe ausspricht. Ein Gerichtsverfahren an sich ist keine Strafe im rechtlichen Sinne). Gleichzeitig tut die Regierung das, was ihr als Teil des gesetzgebenden Organs zusteht, nämlich einen verstaubten Paragrafen abschaffen bzw. dessen Abschaffung ankündigen. Das hat den hübschen Nebeneffekt, dass das Verfahren gegen Böhmermann wg. §103 höchstwahrscheinlich ziemlich schnell nach Eröffnung eingestellt wird - das gesetzgebende Organ hat ja die Abschafffung des Paragraphen angekündigt, es besteht dahingehend Einigkeit zwischen Opposition und Regierung, es wird also dazu kommen. Solche Verfahren sparen sich Gerichte.
Das Verfahren wegen Beleidigung folgt einem anderen Paragrapehn, der in vielen Ländern der westlichen Welt so oder ähnlich existiert, der mit sehr viel geringeren Strafen (Geldstraafe, Unterlassung, …) verbunden ist, und mit dem die Regierung nichts weiter zu tun hat, als dass sie ihn als gesetzgebende Instituion erlassen hat. Jeder kann jeden wegen Beleidigung anzeigen, ohne die Regierung um Erlaubnis fragen zu müssen oder zu können. Auch du kannst Erdogan anzeigen, weil er dich in deinem Rechtsempfinden beleidigt, und niemand kann und darf dich dabei stören. Es ist Deine Zeit und Dein Geld - ob du recht kriegst, steht auf einem anderen Blatt. Aber dürfen darfst Du.

die Franzi

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Ja, vor dieser Aufgabe steht sie nunmal, weil mal irgendwann vor X Jahren jemand dieses Gesetz erdacht hat. Nicht mal der aufgeregte Justizminister hat das bisher erkannt und auf Abschaffung gedrängt. Konsequentwerweise müssten auch gleich die §§ 90, 90a und 90b mit abgeschafft werden?
Eine Nichtentscheidung gab es daher nicht. Also hat sie die Alternative gewählt, die weniger nach Willkür aussieht. Einfach indem sie solche Dinge, wie hierzland ansonsten auch üblich, der Justiz überlässt. Nur um dieses Signal Richtung Erdogan geht es doch auch.
Diese Entscheidung ist eben auch kein Urteil, das fällt jetzt die Justiz. Das Verbieten von Ermittlungen geht in die gleiche Richtung, wie das Vorgeben von Urteilen. Das hat sie unterlassen. Mehr ging in dieser Situation nicht.
Man könnte bestenfalls meckern, dass sie nicht schon vorher erkannt hat, dass dieser spezielle § abgeschafft gehört. Aber sie kann eben auch nicht alles auf dem Schirm haben. Dafür hat sie Leute, die sich auch um solche Nebensächlichkeiten kümmern. Hier wäre zuerst der Justizminister gefragt. Aber der hat ja ganz andere Heavypoints auf seiner Agenda.

Grüße

Aber das passt viel besser, wenn man von der Bundesdiktatorin sprechen will. Eine Nichtentscheidung gab es eben nicht. Außerdem wäre bei der beschriebenen Situation nach @ramses90s Definition auch die Entscheidung gegen Ermittlungen ein Alleingang gewesen. Also Wie sie es auch gemacht hätte, es wäre als Alleingang definiert worden, was dann wohl böse, schlecht, kritikwürdig ist. Es hätte also immer über einen Alleingang gemeckert werden können. Wie schön.

Grüße