Mir ist Angst! [muss noch mehr Zeichen eingeben...]

Hallo,

hier in meiner Gegend (Oberpfalz, östliches Bayern), ist es sehr verbreitet, zu sagen: „Mir ist angst.“ statt „Ich habe Angst.“ Oder auch „Mir wird angst.“ statt „Ich bekomme Angst.“ (Nur nebenbei gefragt: Es ist richtig, dass in den ersten Fällen „angst“ klein geschrieben werden muss, oder?)

Mich würde nun zum einen interessieren, wo das überall verbreitet ist. Zum anderen hätte ich gerne bestätigt (oder widerlegt), dass das auch im Standarddeutsch grammatikalisch zulässig ist. Ich muss da an den Ausdruck „Mir wird angst und bange.“ denken. Selbst wenn jemandem „Mir ist angst.“ komisch vorkommt, ist ihm das bestimmt geläufig, oder? Ist das nun eine eher veraltete, in vielen Gegenden unüblich gewordene Form, die sich eben in bestimmten festen Wendungen erhalten hat?

Und zum Schluss noch eine Frage, die mich eigentlich erst auf dieses Thema gebracht hat: Kürzlich las ich in unserer Tageszeitung ein Zitat, das in etwa lautete: „Dou is ma koi Angst.“ Abgesehen davon, dass ich auch hier glaube, „angst“ müsste klein geschrieben werden, empfinde ich das „koi“ als falsch. „Mir ist keine angst.“ geht doch nicht, oder? Meinem Gefühl nach müsste man sagen: „Mir ist nicht angst.“ Seh ich das richtig? Ich vermute, dass es damit zusammenhängt, dass „angst“ in diesem Fall eben kein Substantiv ist, oder?

Vielen Dank für eure Aufklärung.

Gruß
M.

Moin,

das mag zwar in einigen Gegenden häufiger zu hören sein als in anderen, ist aber durchaus in der deutschen Standardsprache korrekt.
Die Neubearbeitung vom Grimm (Bd. 2, Spalte 1002) führt das Adj. angst auf, das „häufig in der verbindung angst und bange“ und überhaupt meist in den verbindungen jmdm. (auch jmdn., etwas) angst machen ‚Furcht einflößen, in Angst versetzen‘, jmdm. ist, wird angst ‚ihm ist, wird ängstlich zumute‘ und jmd. ist, wird angst ‚jmd. hat, bekommt Angst, Sorgen‘ gebraucht wird.
Auch der Duden führt das Adj. angst auf: „in den Wendungen jmdm. ist, wird (es) angst (und bange)“.

Und da es sich um ein Adjektiv handelt, liegst Du mit der Annahme, es müsse klein geschrieben werden, ganz richtig. Allerdings dürfte vielen Sprechern besonders in der Verbindung jmdm. ist, wird angst nicht auf den ersten Blick klar sein, daß es sich hier um das doch eher seltenere Adjektiv und nicht um das Substantiv handelt. Daher eben auch öfter groß geschrieben zu finden…

LG

Hi,

wenn du die alte Formulierung „Angst und Bange“ nimmst, passt wieder. (Mir ist Angst und Bange)

Da wir in der OPf praktisch alle 3km einen anderen Dialekt haben, kann es sein, daß das nur in eurer Gegend geläufig ist.

Ich selber ho imma Angst (präsent) aber mir woa niad angst (perfekt). Ich weiß nicht, ob allein ich die Unterscheidung mache oder ob das bei uns (AS) allgemein so gehandhabt
wird.

Vielleicht weiß Prof. Zehentner was genaues darüber, den kann man einfach anschreiben.

Grüße
miamei

Ich selber ho imma Angst (präsent) aber mir woa niad angst

(perfekt). Ich weiß nicht, ob allein ich die Unterscheidung
mache oder ob das bei uns (AS) allgemein so gehandhabt
wird.

Hi,

ich kenne: i ho Angst und i ho koa angst ghabt. Ebenfalls im Raum AS.

Gruß
Tina

Liebe Christiane,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

das mag zwar in einigen Gegenden häufiger zu hören sein als in
anderen, ist aber durchaus in der deutschen Standardsprache
korrekt.

Über eine Verteilung weißt du vermutlich nichts Genaueres, oder?

Allerdings dürfte vielen Sprechern besonders in der Verbindung
jmdm. ist, wird angst nicht auf den ersten Blick klar sein,
daß es sich hier um das doch eher seltenere Adjektiv und nicht
um das Substantiv handelt.

Okay, heißt das dann auch, dass der Satz „Mir wird keine angst.“ falsch ist? Könnte dieser Fehler (wenns denn einer ist) auch daher kommen, dass es als Substantiv gesehen wird? Oder liege ich doch falsch, wenn mir mein Gefühl sagt, es müsste hier „nicht“ statt „keine“ heißen?

Liebe Grüße
M.

Hallo miamei,

Ich selber ho imma Angst (präsent) aber mir woa niad angst
(perfekt). Ich weiß nicht, ob allein ich die Unterscheidung
mache oder ob das bei uns (AS) allgemein so gehandhabt
wird.

Danke dafür. Ich würd wohl auch eher sagen: „I ho Angst.“ statt „Mir is angst.“ Obwohl es kommt irgendwie drauf an… Ich find es geht auch im Präsens. Wenn ich z. B. sage: „O wej, dou is ma schon a weng angst!“ Aber mir scheint auch: „Mir woa angst.“ oder auch „Mir is angst worn.“ gängiger zu sein. Interessant finde ich vor allem, dass du auch schreibst: „Mir woa niad angst.“ Würdest du „Mir woa koi angst.“ auch als falsch empfinden?

Vielleicht weiß Prof. Zehentner was genaues darüber, den kann
man einfach anschreiben.

Danke, vielleicht mach ich das mal. :smile:

Liebe Grüße
M.

Hi Tina,

ich kenne: i ho Angst und i ho koa angst ghabt. Ebenfalls im
Raum AS.

Wenn ich mich richtig erinnere, bist du „a Zougroaste“, oder? Wahrscheinlich kommt es eben auch bei uns inzwischen nur noch selten vor, dass angst als Adjektiv benutzt wird. So dass du auch hauptsächlich die übliche Variante als Substantiv kennst…

Übrigens würde es mich wundern, wenn die Leute „koa“ sagen. Die einzigen Oberpfälzer, die ich kenne, die das tun, lehnen sich in ihrer gesamten Sprache irgendwie sehr an eine Art Standard-Bairisch (Fernseh-Bairisch) an. Kommt mir zumindest so vor…

Liebe Grüße
M.

Hallo,

„koi“ empfinde ich als Nieder- bzw Oberbairisch.

Oberpfälzisch koa oder koane für kein/keine, oder eben niad für nicht.

Und niad weil angst hier als Adjektiv verwendet wird, aber das ist ja das schwierige in der OPF, jeder machts anders und immer ist es richtig und falsch zugleich.

Grüße
miamei

koa - koi

„koi“ empfinde ich als Nieder- bzw Oberbairisch.

Oberpfälzisch koa oder koane für kein/keine, oder eben niad
für nicht.

Ehrlich? Das empfinde ich genau umgekehrt! Man lernt doch nie aus. :smile:

Dann hab ich Engelchen wohl Unrecht getan… Wenn ihr beide aus dem Raum AS kommt, ist das dort vielleicht tatsächlich anders als in SAD.

„koi“ empfinde ich als Nieder- bzw Oberbairisch.

Oberpfälzisch koa oder koane für kein/keine, oder eben niad
für nicht.

Ehrlich? Das empfinde ich genau umgekehrt! Man lernt doch nie
aus. :smile:

Aber manchmal lernt man falsch dazu …
„koi“ ist zwar ganz am westlichen Rand Oberbayerns, insbesondere im Landkreis Landsberg am Lech, verbreitet, aber nur, weil das ein Übergangsgebiet bairisch-schwäbischer Dialekte ist … „koi“ ist schwäbisch".

Gruß
F.

Hi,

ich kenne: i ho Angst und i ho koa angst ghabt. Ebenfalls im
Raum AS.

Wenn ich mich richtig erinnere, bist du „a Zougroaste“, oder?

das käme jetzt drauf an, wie Du „Zuoagroaste“ definierst. :stuck_out_tongue: Bis zu meinem 7. Lebensjahr bin ich in einem „Handvollhäuserdorf“ im Raum 92265 aufgewachsen. Dann hielt ich mich im Großraum N/ER auf, war aber jede Ferien im Raum 92265 gewesen, meist die ganzen Ferien. Direkt nach der Schule bin ich mit meiner besseren Hälfte zusammengekommen, der stammt aus dem Amberger Raum. Ich habe jedes Wochenende hier verbracht. Seit 1994 lebe ich ganz hier. D. h. ich bin mit dem opf. Dialekt aufgewachsen und war auch nie wirklich weg.

Richtig ist aber, das ich kein Dialektsprachler bin.

Übrigens würde es mich wundern, wenn die Leute „koa“ sagen.
Die einzigen Oberpfälzer, die ich kenne, die das tun, lehnen
sich in ihrer gesamten Sprache irgendwie sehr an eine Art
Standard-Bairisch (Fernseh-Bairisch) an. Kommt mir zumindest
so vor…

Jetzt mußte ich aber schon lachen :smile:). Der Angeheiratete ist ein Ur-Oberpfälzer, die Wurzeln seiner Familie lassen sich bis ins 17. Jahrhundert hier in die Oberpfalz zurückverfolgen, hat der Cousin meines Mannes irgendwann mal recherchiert.

Der Angeheiratete, ich habe ihn extra nochmal gebeten für mich kein auf Dialekt zu sagen = koa. Ein Freund mit dem ich öfter maile schreibt Dialekt, auch hier: koa.

Koi wird hier so gut wie nicht verwendet.

Kann es sein, daß Du aus dem Raum NEW stammst?

Was ich feststelle, ist das der Dialekt „angepasster“ wird. Es besteht auch für Nichteinheimische die Möglichkeit diesen Dialekt zu verstehen. Bei den Älteren tut sich manch jüngerer, hier aufgewachsener oft schwer. (Ich brauch dann meinen Mann als Übersetzer und selbst der tut sich manchmal schwer).

Gruß
Tina

Dann hab ich Engelchen wohl Unrecht getan… Wenn ihr beide

Jaahaaa, ich bin schon ganz traurig. :wink:

aus dem Raum AS kommt, ist das dort vielleicht tatsächlich
anders als in SAD.

Das Problem ist, es gibt keinen einheitlichen oberpfälzer Dialekt. Alleine für das Wort hinunter (gehen) kenne ich folgende Begriffe

unte (auch unta)
euchi
oba (auch owi und obi)

Und das in einem Umkreis von nur wenigen km.

Gruß
Tina

Moin,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Gerne!

Über eine Verteilung weißt du vermutlich nichts Genaueres,
oder?

Sorry, da habe ich in der Tat keinen Überblick. Bin leider keine Dialekforscherin…

Okay, heißt das dann auch, dass der Satz „Mir wird keine
angst.“ falsch ist? Könnte dieser Fehler (wenns denn einer
ist) auch daher kommen, dass es als Substantiv gesehen wird?
Oder liege ich doch falsch, wenn mir mein Gefühl sagt, es
müsste hier „nicht“ statt „keine“ heißen?

Da liegtst Du ganz richtig. Da in diesen Konstruktionen angst ein Adjektiv ist, wird es mit nicht negiert.
Da das Adjektiv aber sonst recht selten ist, werden viele, die es als Substantiv Angst empfinden, es auch als Substantiv negieren - sprich: mit keine.
Wenn man aber ganz korrekt - so wie Du - das Wort klein schreibt und als Adjektiv erkennt, dann ist kein falsch.

LG