Mobbing Teil 2

Hallo,

ich kann gut verstehen, wenn man als Elternteil eines gemobbten Kindes eingreifen will. Besonders dann, wenn man erlebt, dass von Seiten der Schule nichts läuft. Dennoch bin ich der Meinung (und habe wie auch schon beschrieben) die Erfahrung gemacht, dass so eine „Einmischung“ eher das Gegenteil bewirkt. Trotzdem nachvollziehbar.

Du schreibst:

Keine Ahnung, meine Tochter hatte ihre Ruhe!

Genau das ist die Frage: Will das deine Tochter? Oder will sie Verbundenheit erfahren?
(Wobei das eine das andere auch nicht ausschließen muss!!!)

LG
Stefan

Hallo zurück

Aus meiner praktischen Erfahrung mit Mobbing kann ich
berichten, dass in ALLEN Fällen in denen Eltern von Opfern
Kontakt mit den Tätern (oder eben deren Eltern) aufnahmen, das
Mobbing schlimmer wurde. Dies wird auch in den mir bekannten
Fachbüchern so beschrieben.

Ich denke auch, dass wir kein klassischer „Mobbingfall“ waren (so es denn sowas gibt), und ich habe deshalb gezögert, ob ich überhaupt davon schreiben soll. Aber es zeigt doch, dass in gewissen Konstellationen auch Kinder und Jugendliche, die eigentlich gar nicht zu Mobbing neigen würden, auf diese Schiene geraten können. Und es zeigt auch, wenn man meinen Artikel im unteren Thread liest, dass dasselbe Kind vom Opfer zum Täter und wieder zum Opfer werden kann.

Meine Erfahrung hat mich auch gelehrt, dass „Opfer“ in der
Regel nicht nur in Ruhe gelassen werden wollen (weil das auch
eine Form von Ausgrenzung sein kann), sondern in vielen Fällen
eigentlich genau zu der Gruppe dazu gehören wollen, von denen
sie gemobbt werden.

Oh ja, so ging es mir auch. Als in der Grundschule die Klassen neu gemischt wurden, war ich auch tief traurig, weil die Mädchen, die mich in der 1. und 2. (bis zum Eingreifen meines Bruders, vgl. ebenfalls Thread unten) gemobbt hatten, alle in der Parallelklasse landeten. Dabei war es ein Glücksfall, denn unsere Klasse mit ihren vielen unauffälligen, „langweiligen“ Kindern entpuppte sich als richtig toll.

Gruss
Qu.

Das Drumherum
Hallo Stefan,

ich bin Lehrerin mit Unterrichtserfahrung an verschiedenen Schultypen (GS, HS (staatlich und privat), Gymnasium, Akademie).

Meine Berührungen mit Mobbing sind ebenso vielfältig, wie die Erfahrungen daraus eindeutig sind:

  1. Lehrer machen Mobber.
    Nach meiner Überzeugung hat die Atmosphäre an einer Schule einen entscheidenden Einfluss auf die Bereitschaft zum Mobbing. Die Person des Lehrers steht dabei in vorderster Front. Lehrer, die - aus welchen Gründen auch immer - sarkastisch, zynisch, ironisch oder bösartig sind, fungieren als Modell. In dem Augenblick, wo ein Lehrer Schüler bloßstellt, lächerlich macht oder als Sündenbock erwählt, erzeugt er einen Sog, der alle mit sich reißt, die sich davor schützen möchten, in die Position des Verlierers zu geraten.

In einer Schule betrifft diese Angst 80 Prozent aller Schüler, weil sie mitten in der Persönlichkeitsentwicklung stecken und ihre Position in der Gruppe ständig neu definieren müssen.

Das bedeutet, dass die Psychohygiene der Lehrer ein wesentlicher Punkt bei der Bekämpfung von Mobbing (und anderen Gewaltstrukturen) ist. Supervision als selbstverständlicher Bestandteil der Lehrertätigkeit wäre eine gute Idee. Da diese aber nicht ohne weiteres realisierbar ist, können auch kleinere Interventionen helfen. Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit „Trainingsstunden“ für Lehrer gemacht. Näheres dazu auf Anfrage :smile:

  1. Mobbing unterliegt anderen Gesetzen als andere Streitmuster.
    Streitschlichterprojekte, Patenschaften, Mediationen sind tolle Ideen, wenn es um die Klärung von Konflikten geht. Bei Mobbing greifen sie nicht, weil die Dynamik des Mobbings eine systemische ist. Es gibt zwischen dem „Täter“ und dem „Opfer“ eine ganze Reihe weiterer Personen und Funktionen, die Mobbing zu dem machen, was es ist und ohne die es nicht funktionieren würde. Diese finden aber in klassischen Modellen zur Konfliktlösung keine Beachtung.

  2. Der Schrei nach Rache.
    Es ist immer wieder zu beobachten, dass es in unserem Bewusstsein von Gerechtigkeit der Schuldige gefunden und bestraft werden muss. Opfer von Gewalt finden nicht selten erst dann Ruhe, wenn der Täter verurteilt wurde. Das archaische Denken von „Auge um Auge…“ gewinnt dabei häufig ein enormes Gewicht. Letzten Endes zeigt es aber nur eines: Gewalterleben zieht Gewalttätigsein nach sich. Wie du mir, so ich dir (oder stellvertretend der Richter/ Lehrer…).

Abgesehen davon, dass es grundsätzlich zu hinterfragen wäre, warum wir lieber Köpfe rollen sehen als (Re-) Sozialisierung betreiben wollen, ist es für die Opfer von Mobbing höchstens die zweitbeste Lösung. Sie wollen - wie auch in den Posts zum Thema schon öfter zu lesen - viel lieber dazugehören. Und genau hier greifen Ansätze wie der „No Blame Approach“, den du ja selbst praktizierst, nach meiner Erfahrung ganz hervorragend. Ich habe bislang nichts gesehen, was bei der Unterbrechung von Mobbing erfolgreicher für ALLE Beteiligten gewesen wäre.

Heißt: Die große Herausforderung besteht in meinen Augen darin, an den Strukturen zu arbeiten, die Mobbing begünstigen. Der erste Ansatz könnte in der Ausbildung und Begleitung von Lehrern liegen. Hier einen Fuß in die Tür zu kriegen, ist möglicherweise erfolgversprechender als auf eine Strukturveränderung in der Schullandschaft zu hoffen.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo Jule,

besser kann man es nicht in Worte fassen - chapeau!

Herzliche Grüße

Helmut

Hi,

nur ein Einwurf zu dem, was Du über Lehrer sagst: Ich glaube, du überbewertest das etwas. Natürlich haben Ironie etc. bei einem Lehrer wenig zu suchen. Wiederum sorgt man durch die komplette Entfernung jeglicher Ironie, jeglichen Sarkasmus, … nicht dafür, dass Mobbing weniger wird - es wird nur nicht mehr (ich habe in meiner Schulzeit keine solchen Lehrer gehabt, und trotzdem gab es Mobbing. Ich war ja auch nicht die Einzige).

die Franzi

Liebe Franzi!

Ich hätte sie mit
Fassung getragen, nach Leibeskräften versucht, darüber zu
lachen, und gut wär’s gewesen.

Nein - ich glaube nicht, daß es dann gut gewesen wäre. Letztendlich hättest du es nur runtergeschluckt. Das habe ich häufig gemacht, und das Endergebnis unterscheidet sich nicht wesentlich von deinem, wie wir festgestellt haben. Frag mich aber nicht, wie eine wirklich gute Lösung hätte aussehen können.

Das fatale am Mobbing ist ja: Egal, was das Opfer macht, wie es reagiert, es kann alles zu seinen Ungunsten verwendet werden. Das Opfer schluckt alles runter? Cool, da können wir weiter machen … Das Opfer wehrt sich? Mann, was bist Du denn für eine Humorbremse, verstehst auch gar keinen Spaß … Das Opfer lässt sich helfen? Mamasöhnchen, Mamasöhnchen. Das Opfer lässt sich nicht helfen? Coool, wir können weiter machen … DAS ist das Wesen von Mobbing. Jedes Zappeln lässt einen noch tiefer in den Sand rutschen, mit jedem Befreiungschlag wickelt sich das Spinnennetz noch enger um Dich.

Es ist völlig egal, was das Opfer tut, wenn es einmal als Opfer auserkoren wurde. Deswegen sind such Ratschläge wie: „Ja dann lass das doch, dann wirst Du auch nicht ausgelacht!“ völlig sinnlos. Wer ausgelacht wird, weil er die falschen Klamotten trug, wird auch ausgelacht, wenn er die richtigen Klamotten trägt: „Guckt mal, die kleine Franzi hat sich verkleidet! Hahaha …“ Wer fett ist, wird genauso ausgelacht, wenn er Diät macht. Auf einem Geburtstag nehmen sich alle Kinder zwei Stück kuchen, der Fette nur eins: „Hahaha, du willst wohl abnehmen …?“ Nimmt er zwei wie alle anderen: „Guckt mal, wie verfessen der ist!!!“ Als Mobbingopfer hast Du keine Chance.

Ich glaube, der wirksamste Schutz gegen Mobbing ist es, Kindern Selbstbewusstsein und Souveränität zu vermitteln und das Gefühl, so wie sie sind in Ordnung zu sein. Dann wäre vielleicht über Dich gar keine Bemerkung dringestanden. Oder ein einziger, souveräner Satz von Dir hätte genügt, daß die Bemerkung gelöscht wird. Oder die Bemerkung wäre voll nach hinten losgegangen und alle hätten auf den Autor geschimpft, der voll blöd ist, weil er so etwas schreibt …

Ich halte es für fatal, daß „Schuld“ und „Ursache“ und „Grund“ und „Verantwortung“ so oft miteinander verquickt wird. Kein Opfer ist an seinem Mobbing schuld. Aber die Ursache kann durchaus im Opfer liegen - und damit meine ich nicht die falschen Hosen oder die roten Haare, sondern Selbstbewusstsein und Souveränität. Mobbing schafft sich dadurch auch seine eigenen Daueropfer. Wie Wasser, das - einmal durch einen kleinen Riß in ein Mauerwerk eingedrungen - immer weitere Risse schafft, durch die immer mehr Wasser eindringt, bis irgendwann der Stein vollkommen zerstört ist.

einfach zu wissen, das Unterstützung da ist

Seufz. Ja. :smile: Die Leute, die links und rechts und hinter einem stehen …

Gruß,
Max

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Hallo,

Auch Hallo!

Keine Ahnung, meine Tochter hatte ihre Ruhe!

Genau das ist die Frage: Will das deine Tochter? Oder will sie
Verbundenheit erfahren?
(Wobei das eine das andere auch nicht ausschließen muss!!!)

Ich finde, meine Geschichte ist kein klassisches Mobbing. Es ging ja nicht um Ausgrenzung oder ähnliches, sondern um Körperverletzung. Ich glaube aber, dass sich Einmischung der Eltern lohnt. Kinder sind doch nicht/selten abgrundtief schlecht! Sie müssen aber sofort Konsequenzen erfahren! Damit meine ich kein stupides „Draufhauen“…
Mit freundlichen Grüßen
Dino

Hallo,

Ich glaube aber, dass sich Einmischung der Eltern lohnt.

Das ist die Frage. Es mag sein, dass vordergründig bestimmte Handlungen unterbunden werden. Manchmal mag das genügen. Im Fall von Mobbing bringt es nach meiner Erfahrung eher gegenteilige Effekte. Das Kind wird zwar möglicherweise in Ruhe gelassen, ausgegrenzt bleibt es aber trotzdem.

Im günstigsten Fall bleibt es dabei. Wenn man Pech hat, geht das Mobbing weiter - nur subtiler und/oder noch bedrohlicher für das betroffene Kind.

Viel sinnvoller ist es, auf Strafen zu verzichten und stattdessen die mobbenden Kinder dabei zu unterstützen, ihr Verhalten zu ändern.

Schöne Grüße,
Jule

1 Like

Hallo Jule,

danke für diesen tollen Beitrag.

Kann ich auch fast unterschreiben, außer wie Franzi schon sagt, glaube ich auch, dass die Rolle des Lehrers in der Entstehung von Mobbing nicht sooo bedeutend ist.

Ich würde folgendes ändern:

Aus

Lehrer machen Mobber

würde ich machen:

„Lehrer haben einen Einfluss auf das Mobbingsystem!“

und

… hat die Atmosphäre an einer Schule einen entscheidenden Einfluss auf die Bereitschaft zum Mobbing

Da würde ich das Wort „entscheidenden“ weglassen.

Ist jetzt vielleicht etwas kleinkarriert von mir, aber ich finde es macht einen bedeutenden Unterschied.

Mindestens ebenso stark für die Entstehung von Mobbing halte ich das private soziale Umfeld der Betroffenen. So ist es z.B. erwiesen, dass Kinder, die einen (sexuellen) Missbrauch erlebt haben wesentlich leichter zu Täter wie auch Opfer werden können. Ebenso verhält es sich mit der Erfahrung von häuslicher Gewalt (auch psychische).

Eine sehr wichtige Rolle des Lehrers sehe ich in der Erkennung und Auflösung von Mobbing.

LG
Stefan

Hi,

so sehe ich das auch, wobei ich doch bitten möchte, die mobber nicht allzusehr zu unterstützen. Vor allem in Fällen, wo körperliche Gewalt ausgeübt wird und das gesehen wird, dann muss schnell und konsequent eingegriffen werden.

DasSternche ngab es hierfür:

Es mag sein, dass vordergründig bestimmte Handlungen unterbunden werden. Manchmal mag das genügen. Im Fall von Mobbing bringt es nach meiner Erfahrung eher gegenteilige Effekte. Das Kind wird zwar möglicherweise in Ruhe gelassen, ausgegrenzt bleibt es aber trotzdem.

die Franzi

1 Like

Hallo Max,

toller Beitrag!!! Danke!

Das Schlimme ist:

Beim Opfer entstehen dabei Gefühle wie Schuld und/oder Scham und beide Gefühle wirken verdammt stark selbstdestruktiv!

LG
Stefan

Hi,

es wäre schon gut gewesen - es waren nur noch wenige Wochen bis zum Schuljahresende, und die peinliche Situation hätte ich mir gerne gespart.

Das fatale am Mobbing ist ja: Egal, was das Opfer macht, wie es reagiert, es kann alles zu seinen Ungunsten verwendet werden.

Nicht alles. Wenn man seinen Weg findet, sich zu distanzieren, oder sich durchzusetzen, oder beides, dann bekommt man Respekt.

die Franzi

Nicht alles. Wenn man seinen Weg findet, sich zu distanzieren,
oder sich durchzusetzen, oder beides, dann bekommt man
Respekt.

Und wenn man diesen Weg nicht findet? Mir ist heute, beim Lesen der Beiträge hier und weiter unten, bewusst geworden, daß das Bewusstein, nie diesen Weg gefunden zu haben, mich fast noch mehr belastet wie das, was geschehen ist. –

Ich habe heute nachmittag viel darüber nachgedacht. Ich war immer überzeugt, daß man sich nur Respekt verschaffen muß, um kein Opfer zu werden. Und eigentlich habe ich mich immer dafür verurteilt, ncht souverän genug gewesen zu sein. Heute, beim Lesen von Kastes Beiträgen, habe ich mich gefragt: Was, wenn das nun wirklich pure Willkür war? … und ich habe mich mit einem Male so erleichtert gefühlt …

Vielleicht gab es da keinen Riss in meinem Mauerwerk, durch den Wasser eingedrungen ist - nur jemanden, der mit dem Meißel Löcher reingehauen hat und dann den Rest der Natur überlassen hat.

Gruß,
Max

2 Like

Hi,

es ist schon pure Willkür - die Kinder wissen ja nicht, was sie tun. (Auch wir Erwachsenen müssen den Raum, den wir brauchen bzw. anderen lassen,immer neu verhandeln. Nur wissen wir - oder sollten es zumindest - dass es Grenzen gibt. Aber auch wir müssen scheitern, weil jeder von uns eigene Empfindlichkeiten hat, sein eigenes inneres Kind mit sich trägt, seine eigene Lebensgeschichte. Was den einen kaltlässt, verletzt den anderen tödlich).

Und der eine findet schneller heraus, wie man sich Respekt verschafft, und der andere langsamer. So ist das. Wir sind alle auf unterschiedlichen Gebieten begabt oder talentfrei.
Was, wenn man den Weg nicht findet, hat Du gefragt - nun, solange man sucht, muss man die Unterstützung zu Hause haben. Eltern sollten ihren Kindern Liebe vermitteln, ihnen Unterstützung und REspekt geben, aber ihnen nicht die Arbeit abnehmen. Genauso, wie Englischvokabeln nur lernen kann, indem ich mich selber auf den Hosenboden setze, kann ich auch nur selbst lernen, wie ich mir Respekt verschaffe. Ich werde in Englisch nciht besser, wenn meine Mutti mir die Hausaufgaben macht. Und ich lerne nicht, mich durchzusetzen, wenn meine Mutti die Klassenleiterin anruft und die mich dann vor die Klasse stellt und die Klasse zusammenstaucht. Ich muss die zusammenstauchen - oder eben nicht.

Das ist auch gemeint mit dem schicken pädagogischen Schlagwort „Selbstwirksamkeit erfahren“.

Und stell Dir doch mal vor, alle Welt wäre voller Hippies und jeder fände jeden und alles voll cool ey. Abgesehen davon, das ich das zum Kotzen fände, ist es unmöglich. Kinder lernen soziales Verhalten. Sie kommen an und können nichts, null, nadaa, niente. Wie sollen sie es denn lernen, außer durch probieren? Die ERwachsenen sollten nur dabeisein, um gewisse Grenzen zu setzen, aber nicht, um den Kindern jede Arbeit abzunehmen.

Und was ich oben gersagt habe, mit dem innern Kind und so… wir sind jeder von unbs das, was das Leben aus uns gemacht hat. Mit jedem Teil von uns, den wir nicht leiden können undabschaffen wollen, würden auch mehrere Teile verschwinden, die uns sehr lieb sind. Wenn ich nicht gemobbt worden wäre, wäe ich sicher selbstbewusster und würde mehr Diskussionen gewinnen, (im Moment verliere ich meistens, obwohl ich mich nur einmische, wenn ich recht habe…) aber ich verlöre auch meine Fähigkeit, Gedanken zu „lesen“, und ich könnte nicht mit so spielender Leichtigkeit Kontakt zu meinen Schülern finden. Und ich müsste mir meinen REspekt bei den Kollegen arbeitsreicher erkämpfen (ich halte mich aus Klatsch und Tratsch raus, weil ich nciht mehr petzen möchte und weil ich die geheimen Taktiken des korrekten Tratschens und Networking nicht beherrsche… was ankommt, ist, dass ich über den Dingen stehe und vertrauenswürdig und zuverlässig bin. Cool. Ganz ohne Anstrengung. Einfach mit der in Kindertagen erlernten Vermeidungsstrategie. - Psst. Aber nicht weitersagen :wink: …)

die Franzi

Hallo,

Mobbing ist etwas ganz hässliches Austreiben des menschlichen Verhaltens. Das Schlimme ist, dass es kaum in der Entstehung kontrollierbar ist.

Ich denke, dass man zwischen den Altersstufen differenzieren muss, wie man an die jeweiligen Betroffenen herankommt - im Elternhaus wird der Grundstein gelegt: wie gehen die Eltern miteinander um und wie mit anderen, wie wird mit Andersartigkeit umgegangen und wie drückt man Gefühle aus. Im Kindergarten wird wohl kaum gemobbt (dachte ich zumindest bis ich hier einige Berichte gelesen habe). Richtig interessant wird es aber in der Grundschule. Jetzt entsteht das Bewusstsein für das was Norm ist und was nicht - daher auch einen großen Bonus für Klassen die heterogen sind in Bezug auf Geschlecht, Herkunft (sozial und ethnisch), Behinderungen, Gewicht und so „banale“ Eigenschaften, wie Brillen, Mädchen will lieber ein Junge sein, Kinder mit Konzentrationsstörungen und „Nerds“ - bekommt man die alle in eine Gemeinschaft, kann kaum etwas schief gehen - aber welcher Schulleiter kann schon darauf achten - das wäre übermenschlich.

Wir hatten in der zweiten Klasse ein Anti-Gewalts-Training. Da ging es im wesentlichen darum das Selbstbewusstsein zu stärken - denn das ist gestört bei sowohl den Tätern als auch den Opfern bei Mobbing. Es wird geübt „nein“ zu sagen - „nein“ zu ich muss da nicht mitmachen und „nein“ wenn es um die eigene Sicherheit geht (auch fremden Erwachsenen gegenüber). Das wurde in schriftlichen Hausaufgaben thematisiert, wo die Eltern einen erheblichen Teil beizutragen hatten und als Rollenspiele - wie FÜHLT es sich an angegriffen zu werden und wie FÜHLT es sich an jemanden anzugreifen. Wer das erfährt, ist einen Schritt weiter.

Das Schlimme an Mobbing ist nicht nur die Angst und Demut, die die Opfer erleiden, sondern auch die aggressiven Gefühle, die sie verursachen - Opfer können dadurch später selbst zu Tätern werden.
Deswegen sollte die Kernarbeit in der Prävention liegen und nicht erst beginnen wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dafür braucht man aber als Lehrer, Eltern oder später als Arbeitgeber sehr viel Aufmerksamkeit. Dein Job, vermute ich, setzt eben erst später ein - oder siehst Du da Möglichkeiten früher einzugreifen?

Viele Grüße

Hallo,

die Verbundenheit mit den Kind steht ganz weit oben. Das eigene Kind darin zu stärken sich zu wehren, gleich darunter. Ein „hier kommt Mama“ geht sicher oft nach hinten Los, wenn sie an die Mobber direkt antritt. Etwas schlauer kann man es anstellen, wenn man mit dem Busfahrer spricht, mit den Lehrern oder mit den Eltern der entsprechenden Kinder. Man muss als Eltern / Vertrauensperson sehr sensibel abwägen wo man einem Kind es zumutet es alleine zu bewältigen und wo man selbst eingreifen sollte.

Viele Grüße

Hi

Abgesehen davon, dass es grundsätzlich zu hinterfragen wäre,
warum wir lieber Köpfe rollen sehen als (Re-) Sozialisierung
betreiben wollen, ist es für die Opfer von Mobbing höchstens
die zweitbeste Lösung. Sie wollen - wie auch in den Posts zum
Thema schon öfter zu lesen - viel lieber dazugehören. Und
genau hier greifen Ansätze wie der „No Blame Approach“, den du
ja selbst praktizierst, nach meiner Erfahrung ganz
hervorragend. Ich habe bislang nichts gesehen, was bei der
Unterbrechung von Mobbing erfolgreicher für ALLE Beteiligten
gewesen wäre.

Schöne Grüße,
Jule

Für meinen persönlichen Fall stimme ich da nicht ganz zu. Eine echte Resozialisierung der Angreifer hätte ich toll gefunden. Es gab ja auch eine kleine Anzahl Personen, die sich über die Jahre rumgedreht haben, und wenn es nur aus Mitleid war.

Gerührt hat mich ein Junge, der ein richtiger Schläger war. Er war gefürchtet wegen seiner Ausbrüche, aber auch der Chef. Er hat öfter andere fertig gemacht, sich bei mir aber zurückgehalten. Er kam dann eines Tages auf mich zu, als einige Typens sich um mich mal wieder versammelt hatten. Er fragte „Ärgern sie dich wieder?“ und dann schnappte er sich den Größten, packte ihn am Kragen und knallte ihn gegen die Wand: „Dann musst du das SO machen!“ er drohte dem Typen mich in Ruhe zu lassen und „instruierte“ mich wie man Leute richtig an die Wand klatscht. Das war natürlich nicht die feine Englische, ich habe das nie angewendet und hätte es auch nicht getan, aber es gab mir Mut es theoretisch zu können. Das war das erste Mal an jener Schule, dass ein Schüler offen das Wort für mich ergriffen hatte und in den folgenden Jahren hat das schon einiges von mir abgehalten.
Das jetzt kein pädagogisch wertvoller Beitrag, aber mir war dieser Moment des Eingreifens lieber, als wenn die Typen die mich niedermachen wollten noch so oft verprügelt oder von einem Lehrer nach Hause geschickt worden wären.

Auf dem Gymnasium war es gerade die Gruppe der Alpha-Weibchen die sich schließlich um mich kümmerte. Ich habe einiges von ihnen aushalten müssen und darum sehr lange gebraucht um zu glauben, dass keine Hinterhältigkeit hinter ihrem Verhalten steckte. Aber sie haben versucht mich sozial verträglicher zu machen und mich in dem Moment, als geglaubte Freunde sich gegen mich wandten, beschützt. Dafür war ich ihnen sehr dankbar und zum Abschluss hatten wir ein fast freundschaftliches Verhältnis (auch wenn ich nicht zur Clique gehörte).

Es gibt aber auch Situationen, da ist der Höhepunkt erreicht, da ist Resozialisation aus Sicht des Opfers einfach nicht mehr möglich.

Würdest du einen Serienmörder „rehabilitiert“ im Nachbarhaus wohnen haben wollen?
Nein, Mobber sind keine Mörder (meistens), aber gerade im Falle von wiederholter Körperverletzung und ausführlichster psychischer Grausamkeit erreicht jedes Opfer sein Maximales Leidenspotential.
Und wenn dieser Leidenspunkt erreicht ist, ist verzeihen außer Frage.

Es gibt so 3-4 Personen, die könnten auf Knien angekrochen kommen und versprechen sie hätten sich geändert, ich würde ihnen niemals glauben. Dazu haben sie mich zu sehr verletzt, v.a. körperlich. Sie haben wiederholt und auch hinterhältig Grausam gehandelt, wo soll das Vertrauen bitte herkommen, dass sie sich geändert haben?
Gerade die Person z.B. die mich vor eine Bahn schubsen wollte, wie soll man so einer Person verzeihen? Ich lebe noch, aber ich hätte auch tot sein können, aus einer Laune heraus, mein Leben wäre aus „weiß auch nicht“ beendet gewesen.

Wie soll man sowas verzeihen?
Vielleicht kann man so Leute rehabilitieren, ich persönlich kann nicht daran glauben, und sollte sowas doch möglich sein, so bitte ich darum mich als Opfer damit zu verschonen. So eine Person könnte sich zu Ghandi entwickeln und wäre für mich trotzdem der schlimmste Peiniger in meinem Leben.

In dem Falle würde ich alle Lehrer, Betrauer und sonstwen der sich zuständig fühlt bitten, bitte, bitte nicht mit solchen Personen an meiner Haustür zu erscheinen und die Person sich mehr oder weniger glaubwürdig entschuldigen zu lassen, und mich in die schreckliche Situation zu bringen, dem Täter vor der Nachbarschaft verzeihen zu müssen. (Was zum Glück nicht der Bahnschubser war, sondern nur ein Mitläufer. Und ich sagte ich verzeihe ihm, damit er auf die Füße kommt. Aber ich weiß nicht was passiert wäre, wenn es der Schubser gewesen wäre, ich glaube dann wäre ich ausgerastet).

lg
Kate

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Hallo Kate,

was ich aus deinem Posting herauslese - bitte korrigiere mich, wenn ich mich irre - ist, dass es dir gut getan hat, wenn Mitschüler für dich eingetreten sind und dass du sogar deinen Peinigern ein Stück weit vertrauen konntest, nachdem sie dich glaubhaft davon überzeugt haben, auf deiner Seite zu sein.

In den Fällen, wo aber die Täter während dieser Zeit unverändert grausam waren und dich wieder und wieder verletzt haben und wo möglicherweise sogar aufkeimendes Vertrauen von deiner Seite durch sie erneut verraten wurde, sind die geschlagenen Wunden so tief, dass Versöhnung oder Verzeihen nicht mehr denkbar sind. Was hier geblieben ist, ist möglicherweise nur noch der Wunsch nach Rache, auch wenn du diese nicht selbst ausüben würdest.

Und genau das ist der Punkt, wo eine gelungene Mobbingintervention ansetzt: Verbündete zu finden, die dem Opfer zur Seite stehen und damit den Tätern die Chance geben, sich quasi gleichzeitig mit dem Opfer selbst zu sozialisieren.

Nach meiner Erfahrung entstehen die Rachegelüste der Opfer tatsächlich erst dann, wenn es keinen Ausweg gegeben hat und wenn die Sehnsucht nach Integration und Respekt dauerhaft unerfüllt geblieben ist. Genau das passiert aber häufig sowohl dann, wenn überhaupt keiner sich darum kümmert oder wenn die große Empörung um sich greift und irgendein Erwachsener (nicht selten die Eltern) Köpfe rollen sehen wollen.

Zu den wenigen Fällen, bei denen diese Art von Mobbingintervention gescheitert ist, zählen auch einige, wo Eltern des Opfers soviel Abwehr gegen die Täter gezeigt haben, dass es dem Opfer nicht möglich war, sich gegen die eigenen Eltern zu wehren und einen eigenen Weg zu finden.

Und eines ist klar: Wenn jemand Mist gebaut hat und diesen bereut, dann kann er natürlich versuchen, sich beim Opfer zu entschuldigen. Er sollte aber damit rechnen, dass ihm genau das verwehrt wird und muss dann auch damit leben, dass ihm diese Schuld nicht mehr von den Schultern genommen wird. Aus diesem Grund geht es gar nicht, ein (ehemaliges) Opfer einfach mit seinen Vergebungssehnsüchten zu überfallen. In diesem Fall ginge es ja wieder nur um die Bedürfnisse des (ehemaligen) Täters. Hier ist es angebracht, erst mal vorsichtig abzuklären, ob auf der Seite des Opfers überhaupt ein Bedürfnis nach Aussprache besteht. Wenn nein, dann ist das so zu akzeptieren.

Kennst du eigentlich den No blame approach? Wenn nein: Hätte dir das helfen können?
http://www.no-blame-approach.de/noblameapproach1.htm…

Schöne Grüße,
Jule

1 Like

Hi,

Mobbing ist etwas ganz hässliches Austreiben des menschlichen Verhaltens.

Nein, es ist normales Verhalten. Hier im Forum, unter den Erwachsenen, wird gemobbt, und nicht gerade von denen, die unfähig sind, sinnvolle Postings zu schreiben. Das macht es sicher nicht schöner - aber Deine Formulierung klang mir sehr nach „das machen nur ein paar Idioten“

die Franzi

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2 weitere Fragen
Hallo Allerseits,

ich hätte da noch zwei Fragen und eine Anmerkung:

1.) Ist gezielte Gewalt eine Maßnahme, mit dem ein Kind verhindern kann Mobbingopfer zu werden?
Werden auch Kinder, die schnell Zuschlagen oder sich gerne Raufen, Mobbingopfer? (Damit meine ich nicht ungezieltes cholerischen Rumtoben, wie es auch beschrieben wurde.)

Ich kann mir aufgrund dessen, was ich meiner Schulzeit und anhand aller Berichte vorstellen, dass sich Kinder kein Opfer suchen, bei dem sie eines auf die Nase bekommen können.

2.) Kann es sein, dass psychiches und subtiles Mobbing bei Mädchen häufiger vorkommt?

3.) Gestern habe ich in Fernsehen einen spannenden Bericht gesehen. Ein Forscher beobachtet über viele Jahre Schimpansen. Er konnte zeigen, dass die Schimpansen gemeinsam Jagd auf eine andere Affenart machte. Seiner Meinung nach sind die Schimpansen nicht auf diese Jagden zur Ernährung angewiesen. Diese Jagden sollen dazu dienen die Gemeinschaft zu stärken.
Es wurde auch ein Jagd gezeigt, die Schimpansen jagd auf einen anderen kleinen Schimpansen ihrer Gruppe machte. Zum Schluß schlugen ca. 20 Schimpansen gemeinsam den Gejagden tot.
Es war eine hässliche Szene, und hat mich irgendwie an Menschen erinnert.

Gruß
Carlos