Modediagnosen und die Folgen

Hallo miteinander,

in meinem engen Umfeld hat eine Frau angeblich leichte Depressionen. Diagnostiziert vom Hausarzt, behandelt mit Johanniskraut und phasenweise leichten Antidepressiva. Soweit die Aussage der erkrankten Frau.

Ich zweifle nicht an der Tatsache, dass es sich bei Depressionen um eine ernst zu nehmende Krankheit handelt. Bei der besagten Frau aber bin ich sicher, dass ganz andere, tiefergehende psychische Störungen vorhanden sind. Der Arzt hat meines Erachtens nur nach jahrelanger Behandlung dubioser „Infekte“ – mal hat sie eine „Grippe“, mal bekommt sie gerade eine „Grippe“, mal kratzt es im Hals, immer jedoch führt es zu absoluter Erschöpfung ohne objektiven Grund – endlich auf die psychologische Schiene umgeschwenkt. Das haben übrigens seine Vorgänger auch versucht und wurden dann sofort gewechselt. Inzwischen aber ist der Zustand der Frau so schlimm, dass man eine psychische Erkrankung nicht mehr leugnen kann.

Da erscheint die Diagnose „Depression“ als diejenige, die man am ehesten vorsichtig zugeben kann, ohne gleich als „verrückt“ zu gelten.

Ich frage mich und Euch in diesem Zusammenhang: Woran liegt es, dass gewisse psychischen Krankheiten eher akzeptiert werden als andere ? Vor 20 Jahren waren auch Depressionen nicht „salonfähig“, oder irre ich mich ? Momentan ist das Thema Angst sehr „in“, vielleicht wird es in einigen Jahren möglich sein, offen damit umzugehen ?

Ist es das Ergebnis jahrelanger Aufklärung ? Liegt es daran, dass sehr viele Menschen erkrankt sind ? Führt der Weg über das Image als medienwirksame „Modediagnose“ irgendwann hin zur allgemeinen Akzeptanz ? Werden wir in 10 Jahren kaum noch Depressive, dafür aber sehr viele Angstpatienten haben ? Oder führen die Diskussionen über Psychologie letztendlich dazu, dass früher und seriöser diagnostiziert und somit auch geholfen wird - was ich hoffe ?

Viele Grüße,

Inselchen – modediagnostiziert *sfg*

Oder
führen die Diskussionen über Psychologie letztendlich dazu,
dass früher und seriöser diagnostiziert und somit auch
geholfen wird - was ich hoffe ?

Hallo,

gerade bei deiner letzten Frage und der damit verbundenen Hoffnung habe ich so meine Zweifel. Ich will versuchen, dies zu erläutern.

Wir haben auf der einen Seite eine sich dramtisch verändernde Gesellschaft. Bei der Anpassung des Individuums an diese raschen Veränderungen kann es zu Anpassungschwierigkeiten kommen. Vielleicht kann man diese Wirkungen am ehesten mit einer Orientierungslosigkeit beschreiben, die zu seelischen und/oder körperlichen Beschwerden führen kann.

Auf der anderen Seite haben wir Ärzte und Psychologen, die in viel zu kurzer Zeit, ausgehend von den Beschwerden, eine Diagnose stellen und eine Therapie vorschlagen müssen. Ich bezweifle, dass diese Diagnosen früher oder seriöser ausfallen, nur weil zB auch ein Allgemeinmediziner weiß, was eine Depression ist, ein Buch über Borderlinestörungen oder ADS gelesen hat.

Gruß,
Klaus

Moin,

Wir haben auf der einen Seite eine sich dramtisch verändernde
Gesellschaft. Bei der Anpassung des Individuums an diese
raschen Veränderungen kann es zu Anpassungschwierigkeiten
kommen.

Tatsächlich ? Das muss irgendwie an mir vorbei gegangen sein. Wo hat sich denn die Gesellschaft sagen wir mal in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert ?

Gruß
Marion, die das Leben in der Gesellschaft 1980 nicht großartig anders fand als 2000.

Gesellschaftliche Veränderungen

Tatsächlich ? Das muss irgendwie an mir vorbei gegangen sein.
Wo hat sich denn die Gesellschaft sagen wir mal in den letzten
20 Jahren dramatisch verändert ?

Hallo Marion,

gesellschaftliche Veränderungen sind mannigfaltig, diese aufzuzählen vermutlich wenig sinnvoll, weil die unterschiedlichen Bereiche das Individuum sehr unterschiedlich betreffen.

Wenn aber zB du beklagst, dass in den vergangenen Jahren von dir vielleicht ersehnte Gesellschaftsveränderungen ausgeblieben sind, dann bestände der Unterschied darin, dass du vor 20 Jahren noch auf die Möglichkeit baldiger Veränderungen gebaut hast und heute eher desillusioniert bist. Auch diesen Paradigmenwechsel kann man als dramatisch bezeichnen.

Gruss,
Klaus

Moin,

Wenn aber zB du beklagst, dass in den vergangenen Jahren von
dir vielleicht ersehnte Gesellschaftsveränderungen
ausgeblieben sind, dann bestände der Unterschied darin, dass
du vor 20 Jahren noch auf die Möglichkeit baldiger
Veränderungen gebaut hast und heute eher desillusioniert bist.
Auch diesen Paradigmenwechsel kann man als dramatisch
bezeichnen.

Sorry, aber auch diesbezüglich ist bei mir nicht viel zu holen, und ich beklage hier auch übrigens nichts. Ich fand das Leben in der Gesellschaft 1980 nämlich auch schon nicht schlecht, jedenfalls nicht wesentlich besser oder schlechter als heute.

Sicher verändert sich der Mensch und seine Einstellung im Laufe eines Lebens (wäre ja auch schlimm, wenn nicht, denn sonst würde er ja keine Entwicklung durchmachen), vielleicht mag es auch im Leben eines einzelnen Menschen drastische Veränderungen geben, die ihn aus der Bahn werfen, aber du hast ja hier von dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen geredet, und die sind mir nach wie vor nicht ersichtlich. Wär vielleicht schön, wenn du doch ein paar aufführen würdest, damit ich überhaupt eine Idee davon bekomme, was du meinst.

Gruß
Marion

Hallo Marian,

schau dir mal das Fernsehprogramm von 1984 an und dann das Programm von heute. Das spiegelt eigentlich schon sehr deutlich einige Veränderungen der Gesellschaft wieder.

Mich wundert eher, dass du keine gesellschaftlichen Veränderungen bemerkt haben willst.

Gruß,
Larina

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

statisch?
Marion?

Verwunderte Grüsse
Anonym

Beispiel

Wär
vielleicht schön, wenn du doch ein paar aufführen würdest,
damit ich überhaupt eine Idee davon bekomme, was du meinst.

Als Beispiel würde ich die Transformationsprozesse in Ostdeutschland aufführen. Die gesellschaftliche Veränderung war in den letzten 20 Jahren dort sicher dramatisch, aber auch in Westdeutschland haben sich dadurch große Veränderungen ergeben.

Gruß,
Klaus

Hallo,

ich bin immer wieder beeindruckt vom Expertenwissen auf diesem (und auch dem ein- oder anderen) Brett. Ich schreib jetzt mal, was ich
so „erlebe“.

Aus meiner Sicht ist die Depression schon immer (also seit fast 40 Jahren) eine gesellschaftlich anerkannte Krankheit, wenn es nicht ganz so schlimm ist, dann war es auch vor 30 Jahren eine „depressive Verstimmung“, wenn es ganz schlimm ist, dann ist es eine endogene, eine exogene Depression oder eine manische Depression.( so richtig?)

Eine richtige Diagnose zu treffen wäre für mich unmöglich. Wenn Ärzte heute schneller als früher die Diagnose bei Schlaflosigkeit und
Verdauungsstörungen und Eßstörungen und sonstigem mit „Depression“
festmachen, kann das verschiedene Ursachen haben.

1.) Der Arzt stellt heute eher fest, wann eine Depression da ist.
2.) Der Arzt macht es sich leicht und stellt eine Depression
fest die nicht da ist

Hier wäre hilfreich zu wissen mit welcher Eindeutigkeit solch eine Erkrankung diagnostiziert werden kann.

Wenn jemand eine schwerwiegende psychische Belastung hat, oder auch eine psychatrische Erkrankung, und er erklärt es mit „Depression“, weil er seine Krankheit nicht offenbaren will, ist das doch verständlich und hat aus meiner Sicht nichts mit einer „Modekrankheit“ zu tun. Er kann schlecht ein gebrochenes Bein vortäuschen.

Wenn ich rumhöre in unserer Familie und nach der Einstellung solchen Krankheiten gegenüber frage, stelle ich fest,dass je jünger die Menschen sind, um so aufgeschlossener und informierter sie sind. Es gibt diese schwer erfaßbaren Erkrankungen, vielleicht nicht häufiger als früher (da gibt es sicherlich auch Statistiken), aber heute wird weniger weggesteckt und zugedeckt. Wir reden darüber, wir sind vielleicht noch zaghaft, aber wir lassen diese Krankheiten mehr und mehr zu.

Keine Modediagnose.

LG, Karin

Hallo Marion,

hier mal ein paar Beispiele für dich:

  • rasante Beschleunigung des technischen Fortschritts

  • Wissen veraltet schneller

  • Veralterung der Bevölkerung, was die soziale Zukunftssicherung in Frage stellt

  • Veränderung der sozialen Werte wie Familie

  • Der Wunsch nach mehr Spielraum bei der eigenen Lebensgestaltung ist ebenso unübersehbar wie…

  • …ein Wandel des geschlechtsspezifischen Rollenverständnisses

  • Kinder wachsen nicht mehr so „behütet“ auf wie noch vor 20 Jahren, da inzwischen oft beide Elternteile berufstätig sind

  • Konsum, „Luxus“ und Freizeit wird größer geschrieben als noch vor 20 Jahren

Das nur um ein paar Beispiele zu nennen.

Gruß,
Larina

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Moin,

  • rasante Beschleunigung des technischen Fortschritts

Wieso denkst du, dass sicher der technische Fortschritt zwischen 1980 und 2000 rasanter beschleunigt hat, als zwischen 1960 und 1980 ?

  • Wissen veraltet schneller

Gleiche Frage wie oben.

  • Veralterung der Bevölkerung, was die soziale
    Zukunftssicherung in Frage stellt

Soweit ich weiß, hat sich weder die Lebenserwartung, noch die Anzahl der Kinder in den letzen 20-30 Jahren großartig verändert.

  • Veränderung der sozialen Werte wie Familie

Gleiche Frage wie oben. Auch 1980 hatte die Familie IMHO keinen großartig anderen Stellenwert als heute.

  • Der Wunsch nach mehr Spielraum bei der eigenen
    Lebensgestaltung ist ebenso unübersehbar wie…

Oh, sowohl der Wunsch, als auch die Möglichkeiten dazu waren auch 1980 durchaus gegeben :smile:

  • …ein Wandel des geschlechtsspezifischen
    Rollenverständnisses

Inwiefern ? Die entscheidenden Anstöße z.B. aus der Frauenbewegung kamen bereits in den 70er Jahren. Unsereiner gehört in den 80ern bereits zu denjenigen, die davon profitierten.

  • Kinder wachsen nicht mehr so „behütet“ auf wie noch vor 20
    Jahren, da inzwischen oft beide Elternteile berufstätig sind

Einen Zusammenhang zwischen „behütet aufwachsen“ und „Berufstätigkeit der Eltern“ vermag ich nicht so recht zu erkennen.

  • Konsum, „Luxus“ und Freizeit wird größer geschrieben als
    noch vor 20 Jahren

Frage wie oben. Ich kann mich noch erinnern, dass sich der Wert eines Menschens u.A. daran bemaß, wieviel seine Stereoanlage hergab und wie groß seine Plattensammlung war *g*.

Das nur um ein paar Beispiele zu nennen.

Meinst du wirklich, dass diese Beispiele für gesallschaftliche Veränderungen innerhalb deiner persönlichen Lebensspanne sind ? Ich hab da so meine Zweifel.

Gruß
Marion

Moin,

vielleicht schön, wenn du doch ein paar aufführen würdest,
damit ich überhaupt eine Idee davon bekomme, was du meinst.

Als Beispiel würde ich die Transformationsprozesse in
Ostdeutschland aufführen. Die gesellschaftliche Veränderung
war in den letzten 20 Jahren dort sicher dramatisch,

ok, da stimme ich zu. Allerdings fühle ich mich davon überhaupt nicht persönlich betroffen.

aber auch
in Westdeutschland haben sich dadurch große Veränderungen
ergeben.

Welche ? Wie gesagt, mir wäre da nichts bewusst.

Moin,

also ich denke, zwischen „statisch“ und „dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen, an die der Mensch sich nur schwer anpassen kann“ liegen auch noch eine ganze Menge andere Möglichkeiten *g*.

Gruß
Marion

Moin,

schau dir mal das Fernsehprogramm von 1984 an und dann das
Programm von heute. Das spiegelt eigentlich schon sehr
deutlich einige Veränderungen der Gesellschaft wieder.

Heute gibt es ein paar Sender mehr. Und ?
Die Qualität der Inhalte war 1984 jedenfalls auch nicht großartig besser oder schlechter. Im übrigen spiegelt das Fernsehen für mich keine gesellschaftliche Realität (und damit meine ich jetzt im Wesentlichen Normalität) wieder.

Gruß
Marion

Moin,

  • rasante Beschleunigung des technischen Fortschritts

Wieso denkst du, dass sicher der technische Fortschritt
zwischen 1980 und 2000 rasanter beschleunigt hat, als zwischen
1960 und 1980 ?

Weil ich mit Technik und dem technischen Umfeld mein Geld verdiene kann ich das sehr gut beurteilen. Es gab gerade im IT Bereich in den letzten 20 Jahren sehr große Veränderungen an denen auch die Gesellschaft teilnimmt (z.B. Internet).

Hast du vor 20 Jahren davon gehört, dass sich Leute über einen Chat kennengelernt haben? Gab es vor 20 Jahren das Phänomen, dass man sein ganzes Leben über den PC regeln kann und quasi nicht mehr vor die Tür müsste, wenn man nicht will. Nein, das gab es nicht, denn vor 20 Jahren war die Technik noch nicht so weit. Vor 20 Jahren ist die persönliche Kommunikation zwischen den Menschen deutlich größer gewesen als heute. Heute gibt es Chats, Mails, sms usw., der direkte persönliche soziale Kontakt ist geringer geworden. Das ist nur ein Beispiel. Glaubst du soetwas geht an einem Gesellschaftsgefüge ungemerkt vorbei. Ich finde nicht.

  • Wissen veraltet schneller

Gleiche Frage wie oben.

Das bekomme ich ebenfalls in meinem Beruf deutlich mit. Was ich heute lerne ist morgen schon wieder veraltet.

  • Veralterung der Bevölkerung, was die soziale
    Zukunftssicherung in Frage stellt

Soweit ich weiß, hat sich weder die Lebenserwartung, noch die
Anzahl der Kinder in den letzen 20-30 Jahren großartig
verändert.

So wie ich mitbekommen habe, war die Geburtenrate vor 20 oder 30 Jahren wesentlich höher als heutzutage. Die meisten Paare bekommen doch nur noch 1 Kind oder gar keins. Vor 20 oder 30 Jahren war das noch deutlich anders. In meiner Klasse waren Einzelkinder eine Seltenheit.

Die Lebenserwartung ist ebenfalls gestiegen und sie steigt weiter an.

  • Veränderung der sozialen Werte wie Familie

Gleiche Frage wie oben. Auch 1980 hatte die Familie IMHO
keinen großartig anderen Stellenwert als heute.

Hatte sie nicht? Ich würde sagen doch. Als ich in der Schule war gab es kaum Scheidungskinder oder Kinder von Alleinerziehenden. Heute ist das doch völlig normal. Da sind die Kinder aus intakten Familien eher in der Minderheit.

  • Der Wunsch nach mehr Spielraum bei der eigenen
    Lebensgestaltung ist ebenso unübersehbar wie…

Oh, sowohl der Wunsch, als auch die Möglichkeiten dazu waren
auch 1980 durchaus gegeben :smile:

  • …ein Wandel des geschlechtsspezifischen
    Rollenverständnisses

Inwiefern ? Die entscheidenden Anstöße z.B. aus der
Frauenbewegung kamen bereits in den 70er Jahren. Unsereiner
gehört in den 80ern bereits zu denjenigen, die davon
profitierten.

Dieser Wandel hat sich weiter fortgezogen. Oder glaubst du in den 80ern war plötzlich damit Schluss? Natürlich nicht. Und dieser fortschreitende Wandel macht sich natürlich in der Gesellschaft bemerkbar.

  • Kinder wachsen nicht mehr so „behütet“ auf wie noch vor 20
    Jahren, da inzwischen oft beide Elternteile berufstätig sind

Einen Zusammenhang zwischen „behütet aufwachsen“ und
„Berufstätigkeit der Eltern“ vermag ich nicht so recht zu
erkennen.

Ich schon. Es gibt viel zu viele Kinder, die den ganzen Tag über tun und lassen können, was sie wollen, da die Eltern keine Zeit haben sich um sie zu kümmern.

  • Konsum, „Luxus“ und Freizeit wird größer geschrieben als
    noch vor 20 Jahren

Frage wie oben. Ich kann mich noch erinnern, dass sich der
Wert eines Menschens u.A. daran bemaß, wieviel seine
Stereoanlage hergab und wie groß seine Plattensammlung war
*g*.

Dieser Konsumdrang ist deutlich angestiegen, da es ständig technische Neuerungen gibt, die unbedingt besessen werden müssen. Das geht doch schon bei den Kindern los: PC, Handy, Fernseher, Playstation, MP3 Player usw usw.

Das nur um ein paar Beispiele zu nennen.

Meinst du wirklich, dass diese Beispiele für gesallschaftliche
Veränderungen innerhalb deiner persönlichen
Lebensspanne sind ? Ich hab da so meine Zweifel.

Es geht nicht um meine persönliche Lebensspanne, sondern um die gesellschaftliche Veränderung in den letzten 20 Jahren, die du ja inzwischen auf 30 Jahre ausgedehnt hast :wink:

Ich werde das Gefühl nicht los, dass du mit Scheuklappen oder ähnlichem durchs Leben läufst. Das ist nicht persönlich gemeint. Einen gesellschaftlichen Wandel hat es im Laufe der Jahrtausende, Jahrhunderte und Jahrzehnte immer schon gegeben und es wird ihn weiterhin geben. Oder meinst du, dass die Gesellschaft still steht?

Gruß,
Larina

Gruß
Marion

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Hallo,

Moin,

schau dir mal das Fernsehprogramm von 1984 an und dann das
Programm von heute. Das spiegelt eigentlich schon sehr
deutlich einige Veränderungen der Gesellschaft wieder.

Ich beziehe mich nicht auf die Anzahl der Sender, sondern auf die Art der Sendungen. Schau dir das Kinderprogramm an. Damit fängt es doch schon an. Das hat sehr große Veränderungen mit gemacht. Damit meine ich wiederum nicht die Anzahl der Sendungen, sondern die Art der Sendungen.

Hat es in den 80er Jahren soviel RealityTV geben wie heute. Nein. Das hat es nicht. Und das ist Ursache der Gesellschaft und anders herum.

Hat es in den 80er Jahren soviel Sex and Crime im Fernsehen geben wie heute? Nein. Warum, s.o.

Heute gibt es ein paar Sender mehr. Und ?

S.o. ich habe mich nicht auf die Anzahl der Sender bezogen. Wobei man daraus auch ein Diskussion machen könnte.

Die Qualität der Inhalte war 1984 jedenfalls auch nicht
großartig besser oder schlechter.

Der Inhalt war ein anderer. Das ist doch der springende Punkt (RealityTV usw).

Im übrigen spiegelt das

Fernsehen für mich keine gesellschaftliche Realität (und damit
meine ich jetzt im Wesentlichen Normalität) wieder.

Dann hast du meinen Ansatz nicht verstanden. Ich meinte nicht, dass im Fernsehen die Normalität zu sehen ist, also das tagtägliche Leben. Im Fernsehen ist zu sehen auf was die Leute heutzutage „abfahren“ um es mal salop auszudrücken. Vor 20 oder 30 Jahren wäre vieles was heute im Fernsehen läuft moralisch undenkbar gewesen. Die Moral der Gesellschaft hat sich nunmal merklich verändert. Oder willst du das auch abstreiten? Deswegen spiegelt meiner Meinung nach das Fernsehen sehr wohl die Gesellschaftlichen Veränderungen wieder.

Gruß,
Larina

Gruß
Marion

Hallo Marion,

Vor 20 Jahren wollten wir mit einer EC - Karte in Frankreich bezahlen, da bekamen wir nichts.
Heute bekommst du nichts mehr ohne Karte!

Vor 20 Jahren haben wir die Post noch zur Post gebracht, heute
kaufen wir die Briefmarken beim Bäcker!

Vor 20 Jahren hast du dein Geld noch auf der Bank geholt, heute
hast du Glück, wenn du nicht erst mit dem Bus in den nächsten
Ort zu einem Automaten fahren mußt. Kannst du dir vorstellen, was
das vor allem für unsere 70 - 110 -jährigen bedeutet? Ein Geldautomat?

Vor 20 Jahren hat die Welt auf uns geschaut, als der Terror hier im Land grassierte, heute ist die ganze Welt betroffen.

Vor 20 Jahren debattierten wir über den § 218 und nicht über den Beitritt der Türkei zur EU

Ach, ich finde kein Ende. Und andere finden noch viel mehr.
Aber das Nachdenken über diesen Zeitraum ist wirklich spannend.

LG, Karin

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Moin,

Wieso denkst du, dass sicher der technische Fortschritt
zwischen 1980 und 2000 rasanter beschleunigt hat, als zwischen
1960 und 1980 ?

Weil ich mit Technik und dem technischen Umfeld mein Geld
verdiene kann ich das sehr gut beurteilen. Es gab gerade im IT
Bereich in den letzten 20 Jahren sehr große Veränderungen an
denen auch die Gesellschaft teilnimmt (z.B. Internet).

Ja, im IT-Bereich, aber sonst ? Technischer Fortschritt umfasst numal wesentlich mehr, als den IT-Bereich. Dies hängt mit den unterschiedlichen Lebenszyklen zusammen. Der IT-Bereich ist relativ jung, daher ist es normal, dass in diesem Bereich die Fortschritte besonders groß sind. In anderen technischen Bereichen hat es in den letzten 20 Jahren jedoch (zum Leidwesen vieler Unternehmen) kaum größere technische Innovationen gegeben.

Hast du vor 20 Jahren davon gehört, dass sich Leute über einen
Chat kennengelernt haben? Gab es vor 20 Jahren das Phänomen,
dass man sein ganzes Leben über den PC regeln kann und quasi
nicht mehr vor die Tür müsste, wenn man nicht will. Nein, das
gab es nicht, denn vor 20 Jahren war die Technik noch nicht so
weit.

Das mag schon sein, aber ich kenn auch heute niemanden, der sein ganzes Leben über den PC regelt. Es mag sein, dass dies als eine weitere Möglichkeit der Lebensführung hinzu gekommen ist, allerdings ist dies beileibe keine Notwenigkeit. Wer keine Lust auf PC und Internet hat, der kommt auch heute noch bestens klar.

Ich versteh nicht, warum eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Folge haben sollte, dass Menschen depressiv werden. Ich würde eher eine Restriktion der Lebensvielfalt oder eine Einschränkung der Möglichkeiten als Ursache für Depressionen vermuten.

Vor 20 Jahren ist die persönliche Kommunikation
zwischen den Menschen deutlich größer gewesen als heute. Heute
gibt es Chats, Mails, sms usw., der direkte persönliche
soziale Kontakt ist geringer geworden.
Das ist nur ein
Beispiel. Glaubst du soetwas geht an einem Gesellschaftsgefüge
ungemerkt vorbei.

Die Art der Kommunikation sagt meiner Meinung nach noch nichts über die Anzahl oder die Qualität der Kommunikation aus.

Gleiche Frage wie oben.

Das bekomme ich ebenfalls in meinem Beruf deutlich mit. Was
ich heute lerne ist morgen schon wieder veraltet.

Klar, aber das war in Berufen früher auch nicht viel anders, insbeondere dann, wenn Technik mit im Spiel war. Frag doch mal einen Arzt, was sich in den Jahren zwischen 1960 und 1980 so alles getan hat.

Soweit ich weiß, hat sich weder die Lebenserwartung, noch die
Anzahl der Kinder in den letzen 20-30 Jahren großartig
verändert.

So wie ich mitbekommen habe, war die Geburtenrate vor 20 oder
30 Jahren wesentlich höher als heutzutage.

Die größten Einbrüche beim natürlichen Bevölkerungswachstum (Geburtenrate im Verhältnis zur Sterberate) gab es Mitte bis Ende der 70er Jahre, die dramatischsten Einbrüche bei der Geburtenrate gab es Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre vermutlich im Zuge der Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln, Mitte der 80er stieg die Geburtenrate hingegen wieder.

Die meisten Paare
bekommen doch nur noch 1 Kind oder gar keins. Vor 20 oder 30
Jahren war das noch deutlich anders. In meiner Klasse waren
Einzelkinder eine Seltenheit.

Vielleicht lässt du dich hier von der Statistik täuschen, die von Durchschnittswerten an Kindern pro Familie ausgeht. Wenn der Durchschnittswert 0,8 Kind pro Familie ist, dann heißt das keineswegs, dass es vielleicht mehr Einzelkinder gibt. Das kann auch schlicht heißen, dass es viele Paare ohne Kinder gibt.

Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau ist zumindest in Westdeutschland jedenfalls seit den 80er Jahren relativ konstant:
http://www.bib-demographie.de/images/bib_broschuere2…

Die Lebenserwartung ist ebenfalls gestiegen und sie steigt
weiter an.

Das stimmt, diese ist leicht gestiegen und zwar von Mitte 70 bis etwas über 80. Aber darin sehe ich keine dramatische Veränderung der Gesellschaft mit Anpassungsprobleme für den Menschen.

  • Veränderung der sozialen Werte wie Familie

Gleiche Frage wie oben. Auch 1980 hatte die Familie IMHO
keinen großartig anderen Stellenwert als heute.

Hatte sie nicht? Ich würde sagen doch. Als ich in der Schule
war gab es kaum Scheidungskinder oder Kinder von
Alleinerziehenden. Heute ist das doch völlig normal. Da sind
die Kinder aus intakten Familien eher in der Minderheit.

Gut, die Scheidungsrate ist gestiegen. Aber auch hier sagt das IMHO nichts über die Qualität des Familienlebens und somit die Zufriedenheit der Menschen aus. Man kann diesen Wert auch durchaus so interpretieren, dass der Zwang, in unerträglichen Familiensituationen verharren zu müssen, abgenommen hat, und somit die Entwickung eher positiv war.

  • …ein Wandel des geschlechtsspezifischen
    Rollenverständnisses

Inwiefern ? Die entscheidenden Anstöße z.B. aus der
Frauenbewegung kamen bereits in den 70er Jahren. Unsereiner
gehört in den 80ern bereits zu denjenigen, die davon
profitierten.

Dieser Wandel hat sich weiter fortgezogen. Oder glaubst du in
den 80ern war plötzlich damit Schluss? Natürlich nicht. Und
dieser fortschreitende Wandel macht sich natürlich in der
Gesellschaft bemerkbar.

Ja, ich hab tatsächlich seit den 80er Jahren keine dramatischen Veränderungen beim geschlechtsspezifischen Rollenverständnis bemerkt. Was diesen Punkt angeht, würde ich sogar sagen, dass die 80er hier wesentlich „revolutionärer“ waren als die 00er, sprich: das Rollenverständnis wurde in den 70ern und 80ern wesentlich mehr erschüttert als heute.

  • Kinder wachsen nicht mehr so „behütet“ auf wie noch vor 20
    Jahren, da inzwischen oft beide Elternteile berufstätig sind

Einen Zusammenhang zwischen „behütet aufwachsen“ und
„Berufstätigkeit der Eltern“ vermag ich nicht so recht zu
erkennen.

Ich schon. Es gibt viel zu viele Kinder, die den ganzen Tag
über tun und lassen können, was sie wollen, da die Eltern
keine Zeit haben sich um sie zu kümmern.

Ja sicher, während die nicht berufstätigen Mütter beim Friseur sitzen. Sorry, aber hier machst du doch nichts anderes als alte Klischees von den bösen berufstätigen Rabenmüttern aufwärmen, die sich nicht um die Kinder kümmern. Meistens haben aber gerade die berufstätigen Mütter (aus einem Zwang heraus, die Kinder gut untergebracht zu wissen) die Kinderbetreuung wesentlich besser und professioneller geregelt, als die Nur-Hausfrauen.

Frage wie oben. Ich kann mich noch erinnern, dass sich der
Wert eines Menschens u.A. daran bemaß, wieviel seine
Stereoanlage hergab und wie groß seine Plattensammlung war
*g*.

Dieser Konsumdrang ist deutlich angestiegen, da es ständig
technische Neuerungen gibt, die unbedingt besessen werden
müssen. Das geht doch schon bei den Kindern los: PC, Handy,
Fernseher, Playstation, MP3 Player usw usw.

Das war früher nicht anders, auch da ging es schon um Stereoanlage, eigenes Auto, Markenjeans, Mofa, Reisen etc.etc.
Nur früher wie heute gab es Leute, die sich diesem Konsumterror widersetzten und Leute, die sich diesem auslieferten.

Meinst du wirklich, dass diese Beispiele für gesallschaftliche
Veränderungen innerhalb deiner persönlichen
Lebensspanne sind ? Ich hab da so meine Zweifel.

Es geht nicht um meine persönliche Lebensspanne, sondern um
die gesellschaftliche Veränderung in den letzten 20 Jahren,
die du ja inzwischen auf 30 Jahre ausgedehnt hast :wink:

Vielleicht hast du das Ausgangsposting nicht aufmerksam genug gelesen, aber hier geht es um gesellschaftliche Veränderungen, an die sich ein Mensch im Laufe der Zeit anpassen muss, das kann also nur die jeweilige Lebensspanne sein, da Veränderungen, die vor deiner Zeit stattfanden, dich wohl kaum tangieren werden. Und klar ist diese Lebensspanne in diesem Fall für mich länger als für dich, ich bin nämlich, wenn man deiner Vika glauben schenken darf, locker 10 Jährchen älter als du (daher wundern mich auch ein wenig deine vermeintlichen Kenntnisse der 80er Jahre, 1980 warst du vermutlich grade erst 5.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass du mit Scheuklappen oder
ähnlichem durchs Leben läufst. Das ist nicht persönlich
gemeint.

Nunja, deine Gefühle in Ehren, wir reden hier aber über gesellschaftliche Entwicklungen (ist jetzt auch nicht persönlich gemeint).

Einen gesellschaftlichen Wandel hat es im Laufe der

Jahrtausende, Jahrhunderte und Jahrzehnte immer schon gegeben
und es wird ihn weiterhin geben. Oder meinst du, dass die
Gesellschaft still steht?

Das war aber nicht der Punkt, Es ging hier darum, dass die vermeintlich höhere Anzahl von depressiven Erkrankungen heutzutage im Vergleich zu anderen Zeiten mit einer vermeintlich schnelleren gesellschaftlichen Veränderung heutzutage im Vergleich zu anderen Zeiten korreliert.

Gruß
Marion

Moin Marion,

Tatsächlich ? Das muss irgendwie an mir vorbei gegangen sein.
Wo hat sich denn die Gesellschaft sagen wir mal in den letzten
20 Jahren dramatisch verändert ?

Gruß
Marion, die das Leben in der Gesellschaft 1980 nicht großartig
anders fand als 2000.

ich denke, dass das ein Vorteil von Dir persönlich ist, dass Du dies (noch?!?) nicht wahrnimmst, denn es ist ein Zeichen für Deine eigene Anpassungsfähigkeit. Veränderungen nehmen wir doch eigentlich nur als solche direkt und drastisch wahr, wenn wir selber Schwierigkeiten mit der Anpassung haben.
Und ich denke schon, dass im Moment viele Menschen in Deutschland Anpassungsprobleme haben, seien es z.B. die Ostdeutschen, seien es schlecht ausgebildete, seien es zu alte…

Denn eines ist für mich klar: Wir erleben zur Zeit einen Umbruch, wie ihn zuletzt die Frühphase der Industrialisierung mit sich brachte: Den Übergang zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Und das bringt wie die Frühphase der Industrialisierung (die einen gigantischen Rationalisierungsschub in der Landwirtschaft brachte = Rationalisierung in der Industrie heute) eben Arbeitslosigkeit und Desorientierung bei anpassungsschwachen Menschen mit sich…

Grüße
Jürgen *ebenfalls noch anpassungsfähig*

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Moin,

Ich beziehe mich nicht auf die Anzahl der Sender, sondern auf
die Art der Sendungen. Schau dir das Kinderprogramm an. Damit
fängt es doch schon an. Das hat sehr große Veränderungen mit
gemacht. Damit meine ich wiederum nicht die Anzahl der
Sendungen, sondern die Art der Sendungen.

Was ist denn an der Art der Sendungen hier deiner Meinung nach anders ? (Mal abgesehen davon, dass heute viele Kinderserien zum xten Mal in der Wiederholung laufen, die es 1980 auch schon gab)

Hat es in den 80er Jahren soviel RealityTV geben wie heute.
Nein. Das hat es nicht. Und das ist Ursache der Gesellschaft
und anders herum.

In wiefern denkst du, dass RealityTV die Gesellschaft beeinflusst ?

Hat es in den 80er Jahren soviel Sex and Crime im Fernsehen
geben wie heute? Nein. Warum, s.o.

Mag sein, aber das ist für mich eine Folge der zusätzlichen Sender. In den 80er Jahren hab es auch nicht so häufig Wetterbericht im Fernsehen.

Dann hast du meinen Ansatz nicht verstanden. Ich meinte nicht,
dass im Fernsehen die Normalität zu sehen ist, also das
tagtägliche Leben. Im Fernsehen ist zu sehen auf was die Leute
heutzutage „abfahren“ um es mal salop auszudrücken. Vor 20
oder 30 Jahren wäre vieles was heute im Fernsehen läuft
moralisch undenkbar gewesen. Die Moral der Gesellschaft
hat sich nunmal merklich verändert
. Oder willst du das
auch abstreiten? Deswegen spiegelt meiner Meinung nach das
Fernsehen sehr wohl die Gesellschaftlichen Veränderungen
wieder.

Siehst du, ich denke genau hier irrst du. Ja, es stimmt, vieles von dem was heute im Fernsehen läuft, wäre „damals“ moralisch undenkbar gewesen. Allerdings ist dies keineswegs ein Spiegel der in der Gesellschaft verankerten Lebensweise. So hab ich trotz wesentlich „unmoralischer“ Fernsehinhalte heutzutage den Eindruck, dass die Moralanschauungen in der Bevölkerung (gerade bei den Jüngeren) „spießiger“, also wertkonservativer sind, als die in den 80er Jahren.

Gruß
Marion