Hallo Tychiades
Konstruierte Traditionsketten sind kein ungewöhnliches
religiöses Phänomen […]
Hier stocherst Du im Dunkeln und setzt deine persönlichen
Vorstellungen über diese Ketten zum Maßstab
Im Gegenteil - Du bist es, der hier persönliche Vorstellungen zum Maßstab setzen will. Ich habe mir lediglich erlaubt,darauf hinzuweisen, dass Deine Behauptung
dass sich anhand der mutawâtir-Überliefererketten zweifelsfrei nachweisen lässt, dass der Koran […] sich mit jedem Buchstaben auf Mohammed (s) zurückführen lässt,
auf der Voraussetzung beruht, dass diese Überlieferungsketten echt und nicht nachträglich fabriziert sind. Insofern kann da von „zweifelsfrei“ nicht die Rede sein. Einmal davon abgesehen, dass selbst im Falle, dass Deine Voraussetzung stimmen würde, dies diesen daraus gezogenen Schluss in solcher Absolutheit nicht zulassen würde.
Die Analyse und
Authentifizierung von Überliefererketten ist aber Kern einer
voll ausgereiften Wissenschaft, die in ihrer Exaktheit den
Vergleich mit Chemie oder Biologie nicht zu scheuen braucht.
Das ist Unsinn. Mit einem modernen Wisenschaftsverständnis hat das nicht viel zu tun. Selbst, wenn es sich hier um eine historisch-hermeneutische Wissenschaft im modernen Sinne handeln würde, wäre der Vergleich mit Naturwissenschafen immer noch absurd.
u.a. ein sog. kechimiyaku, einen ‚Stammbaum‘, in dem die Linie
meiner Lehrer in ungebrochener Tradition bis zum historischen
Gautama Buddha hinauf verzeichnet ist. Das ist durchaus nicht
ohne Bedeutung (und die Korrektheit eines solchen kechimiyaku
steht für traditionelle Buddhisten völlig außer Zweifel) -
aber einer historischen Analyse hält diese Kette in
verschiedenen Abschnitten nicht stand.
Was hat das mit tawâtur zu tun?
Das ist tawâtur - Konstruktion einer Überlieferungskette aufgrund verchiedener gesammelter mündlicher Überlieferungen mit einem prämodernen Wissenschaftsverständnis.
Dass der Koran einer historischen Entwicklung unterworfen war,
belegen im Übrigen spätestens die in Sana’a 1972 entdeckten
Palimpseste, deren Auswertung allerdings noch im Gange ist.
Auf eine Auswertung, die besonders viel Neues zu Tage bringt,
kannst du warten, bis du schwarz wirst. Gerade diese
Manuskripte bestätigen, dass der Koran bis heute Wort für Wort
unverändert geblieben ist. Kein einziger Vers konnte gebracht
werden, der sich nicht im heutigen Koran befindet
Das glaubst Du doch jetzt nur, oder? Für Interessierte, denen der schon mehrfach erwähnte Bericht vom Berliner Symposium zu akademisch ist:
http://www.theatlantic.com/magazine/archive/1999/01/…
Money Quote:
„Some of the parchment pages in the Yemeni hoard seemed to date back to the seventh and eighth centuries A.D., or Islam’s first two centuries — they were fragments, in other words, of perhaps the oldest Korans in existence. What’s more, some of these fragments revealed small but intriguing aberrations from the standard Koranic text. Such aberrations, though not surprising to textual historians, are troublingly at odds with the orthodox Muslim belief that the Koran as it has reached us today is quite simply the perfect, timeless, and unchanging Word of God.“
Und speziell noch Andrew Rippin, einer der international renommiertesten Islamwissenschafter (man schaue sich nur einmal seine Publikationsliste an):
„Their variant readings and verse orders are all very significant. Everybody agrees on that. These manuscripts say that the early history of the Koranic text is much more of an open question than many have suspected: the text was less stable, and therefore had less authority, than has always been claimed.“
Freundliche Grüße,
Ralf
P.S: kleiner Scherz -http://www.youtube.com/watch?v=uX-Aldx-LM0