→Henotheismus und →Monotheismus
„Die klassisch monotheistischen Religionen bzw. Lehren erkennen nur einen einzigen Gott an.“
Hi Ulf,
jetzt wird der Anlaß deiner Frage klarer. Es liegt an der (religionswissenschaftlich) sehr unprofessionellen Formulierung des Wiki-Artikels (der teilweise sogar falsch ist, z.B. bei der Einschätzung des Zarathustrismus).
Zumindest für die drei sog. „abrahamitischen“ Religionen gilt, daß es überhaupt nur einen Gott gibt. Mit anderen Worten wäre zu sagen: Für sie wäre die Rede von anderen Göttern schlicht Unsinn, oder Phantasie, oder günstigenfalls metaphorische Rede.
Wenn man aber nun historisch an die Anfänge dieser Geschichte der Gottesbegriffe geht, dann entsteht tatsächlich ein Interpretationsproblem (zumindest für den Laien bzw. den Außenstehenden) bei den ersten Sätzen des sog. Dekalogs. in 2. Mose 20.3-6. Das sind die Passagen, die bei Juden als das 2. Gebot gefaßt werden, bei Katholiken und Lutheraner unter das 1. Gebot zählen.
20.3 wird üblicherweise übersetzt mit
„du sollst keine anderen Götter neben mir haben“.
Wörtlich heißt es:
„Nicht gebe es dir [oder: soll es für dich geben] andere Götter [oder: Götter andere r (sc. Kulte/Stämme)] gegenüber meinem Angesicht [oder: vor mir; oder: mir zum Trotz]“.
Die folgenden Verse führen dann aus, was damit gemeint ist. In Kurzform:
„Du sollst nicht an der kultischen Verehrung anderer Götter teilnehmen“.
Die Formulierung stammt aus eine Epoche der Entwicklung des israelitischen Gottesbegriffs, in der es zwar andere Kulte gab, auch in den israelitischen Stämmen, aber mit der Mosaischen Erneuerung nur noch die kultische Verehrung dieses einen Gottes eingeführt wurde.
Daß es in einem Stamm einen Gott „gibt“, hängt also allein damit zusammen, ob es Kulte dieses Gottes (d.h. Rituale usw.) gibt. Wenn es demnach andere Kulte, mithin andere Götter „gibt“, aber nur der Kult eines einzigen erlaubt, oder gültig ist, dann spricht man von einem Heno theismus: Nur einer (griech. hen, henos) hat Gültigkeit, Anerkennung - oder von einer Mono latrie (nur einer hat einen Kult, nur einer wird verehrt). In diesem Fall stimmt dann auch die Formulierung „nur einer wird anerkannt“.
Und damit wird dann auch die Formulierung in 2. Mose 20.5 „denn ich, jhwh elohim, bin ein eifernder [oder: eifersüchtiger] Gott …“
Mit der Entwicklung dieses Gottesbegriffes wird dann (insbesondere in den Jahrhunderten der Arbeit der sog. Propheten) die Vorstellung immer deutlicher: Für diese Religion „gibt“ es überhaupt nur einen einzigen Gott. Und das heißt jetzt: Wo es einen anderen Kult gibt, dort unterliegen die Stämme, Völker einem Irrtum.
Die harmlose Variante dieser Auffassung findet sich auch vielfach noch heute: „Die andere verehren eigentlich doch den richtigen Gott, aber sie wissen es bloß noch nicht“.
Diese Auffassung, es gibt überhaupt nur einen Gott, alles andere ist Unsinn, oder Frevel, nennt man dann im Unterschied zu dem vorigen Mono theismus (griech. monos „allein, einzig, nur“).
Und vor diesem Hintergrund ist die Formulierung von 2. Mose 20.3. tatsächlich mit Vorsicht zu genießen und deine Irritation durchaus verständlich. Aber der Übergang vom Henotheismus zum reinen Monotheismus ist im Judentum spätestens in der nachexilischen Zeit vollzogen.
In den Anfängen des Christentums ist dieser - jetzt monotheistische, nicht nur henotheistische - Gottesbegriff ebenflls vorausgesetzt und bei ihm bleibt es dann auch. Die Problematik der Bestimmung Jesu als „Sohn Gottes“ und in Folge dann die christliche Trinitätslehre tut dem keinen Abbruch - obwohl das in der jahrhundertelangen Diskussion darüber nicht immer so klar verstanden wurde und von bestimmten Richtungen auch bestritten wurde (wie z.B. bei den schon erwähnten Ariannern). Trinität ist jedenfalls in ihrem Selbstverständnis keine Drei-Gott-Lehre (= Trinität ist keine Triade).
Die Trinitätslehre ist vor dem Hintergrund einer weiteren Weiterentwicklung eine Gottesbegriffes zu sehen: Von einem „alleinigen“ Gott zu einem „absoluten“ Gott.
Nicht der schlußendlichen Konzeption der Trinität entspricht übrigens die hier vorgebrachte Formulierung, der Christus sei eine „Erscheinungsform“ Gottes - das sei nur nebenbei angemerkt, es ist sogar als regerecht falsch zu bezeichnen.
Gruß
Metapher