Und hier begrüßt dich wieder der Salzmann,
ich frage mich jetzt: „Bin ich ein einschlägiger Linker?“
Dieses Pauschalurteil finde ich falsch.
Das erleichtert mich - wo mich doch sog. „Linke“ als „Rechten“ bezeichnen…
Betroffenheit lähmt die Entscheidungskraft. Dies kann nicht
gut sein, denn trotz allen Leidens dreht sich die Welt weiter.
Sicherlich ist Sie verübergehend angebracht, da verständlich,
aber nutzen tut sie niemandem.
Du hast natürlich Recht, dass Betroffenheit allein nicht „nützt“.
(Wobei das wohl vordergründig für jedes Gefühl zutrifft.)
Aber eigentlich war das ja nicht das Thema, oder?
Es ging darum, dass ich über deinen Zynismus betroffen war und dies geäußert habe. Ich hatte nicht beabsichtigt, etwas direkt „Nützliches“ zu unternehmen.
Wobei die Frage dann natürlich ist, in wieweit Zynismus nützt.
…Nur wem nützt es, daß du betroffen
bist?
Den Opfern? - Niemals.
Dir? - Eigentlich auch nicht.
Ich weiß nicht, ob die Welt nicht wohnlicher wäre, wenn die Menschen nicht alles - sogar ihre Gefühle - unter den Scheffel des Nutzen stellten.
Sicher haben die Opfer keinen Nutzen davon.
Ich vielleicht schon, weil ich denke, dass das Empfinden von Mitleid auch der eigenen geistigen Gesundheit dient.
Aber wie gesagt: Mir ging es hier gar nicht um den Nutzen…
Bei all dem was jeden Tag geschieht, dürften wir keinen Tag
mehr glücklich sein.
Zum Glück kann der menschliche Geist gar nicht soviel (wirkliches und nicht nur geheucheltes) Mitleid fassen, wie man haben müsste…
Darum ist ein so langanhaltende Betroffenheit wegen eines
Einzelschicksals, daß dich nicht mal persönlich betrifft, m.E.
heuchlerisch und unfair gegenüber der anderen Opfer.
Und genau das lehne ich ab:
Erstens, weil ich es Beleidigung auffasse, wenn man mir Heuchelei unterstellt.
Und zweitens, weil es m.E. eine böswillige Unterstellung ist, dass das Mitleid mit dem einen Opfer die Nichtachtung des anderen Opfers bedeutet.
Wenn das so wäre, müsste man dieses Gefühl des Mitleids generell für falsch halten. Denn dann müsste man ja (was schon objektiv unmöglich ist) bei jeder Bekundung dieses Gefühls alle Opfer weltweit persönlich aufzählen.
Und drittens (aber da wiederhole ich mich) ist es einfach so, dass wirklich gefühltes Mitleid nur anhand konkreter Fälle erlebbar ist. Es ist so unglaublich müßig und deprimierend immer wieder sagen zu müssen, dass ich auch bei konkret geschilderten Fällen von Opfern des Anschlags auf das WTC Mitleid empfunden habe. Und das nicht etwa in geringerem Maße als bei dem Fall, um den es hier geht. Etwa weil es ja Amerikaner waren und ich antiamerikanisch eingestellt wäre…
Denn dieser Antiamerikanismus wird ja heutzutage gern als Vorwurf benutzt und dem Diskussionspartner unterstellt…
am besten konte man dies im Brett Militärpolitik sehen: da
wurde noch über ein ende der Trauer im Boardeinstieg geredet,
als die Amerikaner schon wieder zum Alltag über gegangen sind.
Natürlich widerspreche ich dir nicht, dass es Betroffenheitsrituale - gerade bei den Deutschen - gibt, die ins Peinliche abgleiten.
Irgenwann sollte man sich eben nicht mehr hinter der
Betroffenheit verstecken.
Ich kann naturgegebener Maßen nur für mich sprechen:
Ich habe nicht das Gefühl, mich hinter meiner Betroffenheit zu verstecken.
Ich versuche aber auch nicht, meine Betroffenheit aus Gründen der „Nützlichkeit“ hinter Zynismus zu verstecken. Das empfände ich für mich persönlich als unehrlich.
Natürlich ist sie Mittel zum Zweck. Schließlich ist Sie gut
vermarktbar (die Nr.1 in den deutschen Charts und die
Zeitungen sind voll damit)
Wie gesagt, die Vermarktung von Leid halte ich auch für in höchstem Grade verwerflich.
Außerdem kann man betroffene Menschen leichter beeinflussen,
was seine Ziele angeht. Oder wie kommt es, daß hier so viele
gegen den US einsatz in Afghanistan sind wegen der zivilen
Opfer, obwohl noch keiner von Ihnen eine alternative Lösung
weiss?
Abgesehen davon, dass ich nicht explizit gegen die Angriffe der USA bin, weil ich die Beweise nicht kenne, die den USA vorliegen (und ich erstmal davon ausgehen muss, dass Bush nicht lügt), ist dein Argument m.E. trotzdem nicht haltbar:
Wenn man ein Mittel für ungeeignet hält, dann wäre es ja Heuchelei, dessen Einsatz zu begrüßen, nur weil man kein anderes Mittel kennt.
A:„Elektroschock hilft gegen Krebs“
B.„Glaube ich nicht.“
A:„Musst du aber, oder hast du ein Besseres??“
Gruß,
Salzmann