Narzistische Störung

Liebes Expertenforum
Kann mir bitte jemand mit möglichst einfachen Worten erklären,
worum es sich bei einer narzistischen Störung der Persönlichkeit
handelt, was sind die ‚Symptome‘ und wie manifestiert sie sich??
Die Erklärungen der grossen Psychologie-Gurus sind für einen
Laien schwer verständlich. Vielen Dank im voraus!!

Hallo Corinne,

Kann mir bitte jemand mit möglichst einfachen Worten erklären,
worum es sich bei einer narzistischen Störung der
Persönlichkeit
handelt, was sind die ‚Symptome‘ und wie manifestiert sie
sich??

Ganz einfach beschrieben: Krankhafte Selbstliebe!

(nach Narziß, dem Jüngling aus der griechischen Sage, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte).

Viele Grüße
Jana

Narzißtisch gestörte Persönlichkeit

Hi Corinne

Wenn du mit den großen Gurus (bzgl. narzi ß tischer Persönlichkeitsstörung) Kernberg, Kohut oder auch z.B. Alice Miller usw. meinst: Das ist natürlich schwer, selbst wenn du dich durch diese Werke durchwühlen würdest, sich ein Bild zu machen, worum es geht.

Wie alle sogenannten Persönlichkeitsstörungen zeigt sich auch die narzißtische hauptsächlich im zwischenmenschlichen Verhalten. Sie sind alle weniger ein Problem für die Betroffenen als vielmehr für deren Umgebung. Eine Person mit diesen Eigenschaften wird selten aus einem eigenen (inneren) Leidensdruck therapeutische Hilfe suchen, vielmehr höchstens dann, wenn die Heftigkeit und Häufigkeit der Konflikte mit den Mitmenschen unerträglich geworden ist.

Bei der Beschreibung (die hier natürlich nur in kurzen Andeutungen bestehen kann), muß man berücksichtigen, daß die Ausprägung der Merkmale sehr unterschiedlich stark sein kann … Ich beschreibe hier mal extreme Erscheinungen:

Narzißtisch gestörte Persönlichkeiten leben in einem Großartigkeitswahn. Sie nehmen sich selbst enorm wichtig, was sich meist in einem großspurigen, arroganten Verhalten anderen gegenüber zeigt. Sie stellen ihre Leistungen, ihr Wissen und Können, ihre Bedeutsamkeit nicht nur besonders heraus (sie bemerken aber nicht, daß sie sich dadurch auch der Lächerlichkeit preisgeben), sondern werten auch andere gleichzeitg herab, z.B. „klar, daß du das nicht wissen kannst, das können ja auch nur Leute wie ich“.

Alles, was sie tun oder erleben, ist von einer unvergleichlichen Großartigkeit: Wenn sie lieben, ist ihre Liebe ideal und grandios. Ihrem Wissen gegenüber ist das von anderen minderwertig. Sie prahlen mit der Bekanntschaft von berühmten Persönlichkeiten, um ihren eigenen Wert dadurch zu untermauern. Sich mit unbedeutenden Menschen zusammenzutun ist ein Gnadenakt ihrerseits. Natürlich sind ihre Lehrer, ihre Ärzte, ihre Therapeuten, aber auch alles andere Hab und Gut, unvergleichlich bedeutend.

Das Feedback und die Bewunderung durch andere empfinden sie nie als angemessen genug, was natürlich an dem allzugeringen Einschätzungsvermögen der anderen liegt. Ihre Antworten begeben sich immer auf dein - natürlich niedrigeres - Niveau, nicht ohne deutliche Signale, daß du dir dumm, zumindest inkompetent, vorkommen solltest.

Ein unerschöpfliches Bedürfnis danach, daß das Bild, das andere von ihnen haben, ihnen angemessen ist. Sie leiden heftig, wenn es an Bewunderung, an Komplimenten, an positiver Beachtung und Aufmerksamkeit fehlt. Andere Menschen verdienen die Achtung solcher Persönlichkeiten nur dadurch, daß sie der Steigerung des Selbstwertes dienlich sind. Andere werden verachtet und abgewertet.

Immer wieder wird behauptet, daß es diesen Persönlichkeiten an Empathie (grob gesagt: Einfühlungsvermögen) fehle, daß es ihnen an Fähigkeit fehle, die Gefühle, Wünsche anderer zu erfassen. Ich bestreite das: Sie haben - ähnlich wie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung - im Gegenteil oft eine überragende Empathiefähigkeit, allerdings weigern sie sich, diese zu zeigen oder gar darauf einzugehen. Eigene Probleme (falls überhaupt vorhanden) stehen im Vordergrund des Gesprächs, natürlich mit dem Tenor: Entweder versteht sie niemand oder niemand kann ihnen helfen (Hilfe haben sie auch nicht nötig), die Probleme von anderen dagegen lohnen der Erwähnung nicht, sie sind vielmehr Zeichen der Schwäche und daher Anlaß der Geringschätzung oder sogar der Verachtung.

Selbst die geringste kritische Bemerkung anderer ihnen gegenüber ist Anlaß quälender Gefühle der Wertlosigkeit und Erniedrigung. Entsprechend heftig fällt die Reaktion aus, die nie lange auf sich warten läßt: Sie reagieren arrogant aggressiv und verachtend. Aus Furcht vor Herabwürdigung oder zumindest unangemessener Würdigung vermeiden sie häufig überhaupt menschlichen Kontakt, weil sie dann ungefährdet ihre Großartigkeit hegen können. Die Folge ist dann im späteren Leben eine Unfähigkeit, Unbeholfenheit, Ungelenkheit und Naivität im zwischenmenschlichen Umgang.

Das wären ein paar Stichworte zu den deutlichsten und heftigsten Erscheinungsformen der narzißtisch gestörten Persönlichkeit. Sie ist sich selbst oft dieser Eigenschaften nicht bewußt und hat dementsprechend auch keine Einschätzung darüber, was sie ihrer Umwelt zumutet und wie schwierig der Umgang mit ihr ist.

Gruß

Metapher

Hi Corinne,

leider kann ich es Dir nur laienhaft versuchsweise erklären.

„Narzißmus“ geht auf die griechische Sage von Ovid zurück: Narziss ist ein wunderschöner Knabe. Ihm wurde weisgesagt, dass er ein langes Leben haben werde, wenn er sich nicht selbst erkennt. Alle, Frauen wie Männer, lieben ihn. Doch er verschmäht sie alle. Auch Echo, die ihre eigenständige Stimme verloren hat, verliebt sich in ihn. Nach kurzem Gespräch weist Narziss jedoch auch sie ab. Echo wird von ihrem Liebeskummer aber so sehr gequält, dass sie stirbt. Schließlich fleht einer der Verschmähten Nemesis an, Narziss möge das gleiche erleiden, was er anderen angetan hat, nämlich unerfüllte Liebe."

Stichworte die auf Narzissten zutreffen können: selbstverliebt, egoistisch, egozentrisch, abhängig von der Bewunderung und Anerkennung anderer Menschen bei gleichzeitiger Abwertung derselben, Selbstwertproblematik, beziehungsgestört, „Schauspieler“, Idealisierung des Partners, sehen sich mehr wie sie gerne wären als dass sie tatsächlich sind, verliebt in ein Bild von sich, doch mögen / lieben sich selbst nicht wirklich…

Deine Frage finde ich nicht einfach zu beantworten, da es verschiedene Grade von Narzissmus gibt und nicht jeder Narzissmus ist pathologisch. Schließlich sind wir alle etwas narzisstisch und ein gesunder Narzissmus (Eigenliebe, positive Einstellung zu sich selbst, sich so zu anzunehmen wie man ist…) ist etwas Elementares um ein glückliches und zufriedenes Leben führen zu können.

Interessant finde ich folgenden Link: http://irrer.online-in.de/narz/narz1.html, der Parallelen und Unterschiede zu einer Borderline-Störung aufzeigt bzw. auch zum ICD-10 und zum
http://www.selbsthass.com/narziss.htm

Ciao,
Romana

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Die Bezeichnung …

… leitet sich natürlich von der griechischen Sage des Narzissos her. Wichtig ist aber vielleicht noch zu wissen, daß man in der Psychologie unter „Narzißmus“ eine wichtige und notwendige(!) Phase der frühkindlichen Persönlichkeitsentwicklung versteht.

Wenn es in dieser narzißtischen Phase eine Entwicklungs- Störung gibt (meist ein Konflikt mit dem elterlichen Verhalten und Reagieren), dann kann das eben zu diesen beschriebenen späteren Erscheinungen führen, die man deshalb narzißtische Störung nennt.

großartig beschrieben! (owT mit *)
*

Wieder mal super erklärt in einer Nußschale, Metapher.
Danke und *
Vielleicht kann man noch hinzufügen, dass so einen kleinen narzißtischen Komplex fast jeder von uns mit sich herumträgt, wer möchte nicht gern bewundert werden :smile:
Diejenigen, bei denen dieses Merkmal etwas ausgeprägter ist, begeben sich dann gern in die Politik, den Journalismus oder werden Schauspieler.
Grüße
Eckard.

Hallo Metapher!

Auch ich finde Deine Beschreibung der Narzißtischen Persönlichkeitsstörung ganz hervorragend. Sie ist ähnlich gut wie Dein sehr gutes Posting zur Borderline-Störung.

Als kleine Ergänzung möchte ich noch anmerken, daß die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Narzißtischer Persönlichkeitsstörung sehr gering sein kann und die mangelnde Risikobereitschaft in Leistungssituationen (Angst vor Mißerfolg) widerspiegelt. Daher können solche Menschen sich auch überdauernd schämen und Demütigung empfinden, was mit sozialem Rückzug einhergehen kann. Depressive Stimmung, Dysthymie und Depression sind Störungen, die häufiger mit Narzißtischer Persönlichkeitsstörung einhergehen.

Wie bei allen Persönlichkeitsstörungen liegen auch bei der Narzißtischen Persönlichkeitsstörung die Ursachen weitgehend im Dunkeln. Die tiefenpsychologischen Erklärungsansätze, wie Du sie angedeutet hast, sind mehr Spekulation als gesicherte Erkenntnis.

Grüße,

Oliver Walter

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Hi Corinne,

nach diesen „Expertenmeinungen“, interessiert dich vielleicht auch mal die Sicht eines Betroffenen.

Die erklärungen von Methaper oder Oliver Walter sind zwar richtig, doch stellen sie so allein den Narzißten als ziemliches „Ekelpaket“ dar. (Nicht die beiden, sondern die Definition).

Was nicht zum ausdruck kommt, ist jedoch der Beweggrund, warum Narzißten sich so verhalten.

Arroganz: Es wurde ja auch beschrieben, daß ein gewisses Maß an Arroganz zum Selbstbewußtsein gehört. Bei Narzißten ist die Arroganz jedoch Ersatz für das Selbstbewußtsein. Sie entspringt letztendlich aus dem Bedürfnis nach Perfektion. Störendes oder Unkalkulierbares wird vermieden, also auch die eigenen Gefühle. die gesamte Orientierung findet an erlerntem und immerwieder umgelerntem statt.

Begegnet ein Narzißt jetzt einem normalen Menschen, der gefühlsmäßig auf etwas reagiert (z.B. mit Freuede) erwartet der Narzißt diese Reaktion immer. Reagiert ein zweiter aber auf das gleiche mit Ärger, ist die Verwirrung vollkommen.

Widerstand, Widerspruch oder schlicht eine andere Meinung sind persönliche Kränkungen.

Die totale Distanz zum eigenen Gefühl wird ja auch in der Narziß-Sage beschrieben. Als er sich mit seinem spiegelbild vereinen will und ins Wasser geht, sieht er an sich herab und sieht einen zerbrochenen Stab (so heißt es in einem Gedicht von Jacques Prevert).

Das Problem ist tatsächlich, mit seiner Unzulänglichkeit zu leben, während es anderen offenbar einfach gelingt, obwohl sie „andauernd“ Fehler machen.

Ganz im Gegenteil, wenn der Narzißt hingeht und anderen (un)eigennützig hilft (verbessert) so erntet er sowohl von dem, dem er geholfen hat als auch von anderen (Chef z.B.) gleich doppelten Ärger.

Eigentlich will er Gutes tun und erreicht nur das Gegenteil, was zwangsläufig zu sozialen Phobien und Depressionen führt.

Nie zu genügen ist der Fluch der Narzißten und Leben ist eine Sysiphos-Arbeit, bis sie ausgebrannt sind.

gruss
winkel

Ich assoziiere damit: Dieter Bohlen! :smile:)) (owT)
Darf ich noch ein paar Grüße sagen? Also ich grüße meine Mama, meinen Papa, meine Oma, und die Klasse 6a aus dem Aldi-Gymnasium.

Bewunderung, Exhibitionismus and all that
Hi Eckard

Vielleicht kann man noch hinzufügen, dass so einen kleinen
narzißtischen Komplex fast jeder von uns mit sich herumträgt,
wer möchte nicht gern bewundert werden :smile:

Das ist richtig, ja. Zumindest genießt es wohl jeder, hinundwieder mal auch Objekt einer Bewunderung zu sein. Das ist die (sicher auch lebensnotwendige) sich-selbst-genießende „narzißtische“ Komponente in jedem gesunden Selbstgefühl (ich nehme hier absichtlich keine psychologischen Fachwörter).

Da es zum ungestörten Selbstgefühl gehört, wird es sicher auch als Mangel empfunden, wenn soetwas allzulange fehlt.

Umgekehrt würde es aber unter die „narzißtische Gestörtheit“ zu zählen sein, wenn jemand an sich hinreichend oder sogar im Übermaß Bewunderung bekommt, sich aber innerlich in Qualen windet, wenn sie einmal ausbleibt, oder auch nur ein geringstes Wörtchen negativer Kritik gegen ihn gerichtet wird.

Das ist von der Struktur her ganz ähnlich wie bei Süchten: Alkoholiker z.B. ist nicht unbedingt jemand der viel Alk konsumiert - kritisch ist vielmehr, was in ihm abgeht, wenn er mal einen Tag, eine Woche lang keinen Alk bekommt …

Diejenigen, bei denen dieses Merkmal etwas ausgeprägter ist,
begeben sich dann gern in die Politik, den Journalismus oder
werden Schauspieler.

Natürlich würde niemand ohne die (narzißtische) Lust am Exhibitionismus (der eigentlich die Begierde danach ist, heftiges persönlichbezogenes feedback zu bekommen) den Antrieb haben, sich in die anonyme Öffentlichkeit zu begeben - sei es im Kontext von Macht, Ruhm, Schönheit, Kunst … oder als Amokläufer.

„gestört“ im Sinne des Themas wäre aber sicher ein Politiker, der bei einer verlorenen Wahl zusammenbricht und alles aufgibt, oder ein Autor bei einem negativen Leserbrief, oder ein Schauspieler bei einer gefloppten Aufführung, oderein Wissenschaftler bei einer Widerlegung seiner Resultate …

Gruß

Metapher … der dir fürs feedback dankt :smile:

5 Like

Hallo Metapher,

deine Beschreibung trifft in erschreckender Weise auf einen unserer Freunde zu (falls ein Mensch mit dieser Störung überhaupt jemandes Freund sein kann…?).
Ich habe jetzt noch ein paar laienhafte Fragen:
Ist es denkbar, dass eine Partnerschaft zwischen zwei „Narzissten“ zustande kommt und sich das Ganze dadurch „multipliziert“? Wenn ja, wie könnten die Prognosen für deren „Haltbarkeit“ aussehen? Kann es beiden gelingen, auf die Dauer das Selbstwertgefühl des anderen zu bedienen? - Mir scheint, dass sich die Symptome, seit er mit der Frau zusammen ist (Frühjahr dieses Jahres; jetzt sind sie verheiratet) noch
verstärkt haben.
Und: Kann dieser Rückzug aus der Realität so weit gehen, dass
einer konsequent auf den wirtschaftlichen Ruin zusteuert (u.a. weil er für keinerlei Hilfsangebote mehr zugänglich ist)?

Sie sind alle weniger ein Problem für die
Betroffenen als vielmehr für deren Umgebung.

Es ist wohl auch nicht zu erwarten, dass irgendwann eine Verhaltensänderung durch „Einsicht“ stattfindet?

Sollten wir uns künftig aller Ratschläge enthalten (wohlgemerkt,
es handelte sich bisher stets um konkrete Lösungsvorschläge in ganz bestimmten Situationen, die alle außer ihm als verfahren erkennen konnten)?

Für weitere Aufklärung wäre ich sehr dankbar!

Gruß
Kreszenz

Narzißten-Paarung, Einsicht, Ratschläge …
Hi Kreszenz

… (falls ein Mensch mit dieser Störung überhaupt jemandes Freund sein kann…?)

Ja, natürlich kann ein Narzißt eines anderen Freund sein. Schwieriger ist es schon, von einem solchen als Freund anerkannt zu werden … oder auch nur sein Vertrauen zu gewinnen, wenn das, was du für ihn darstellst, nicht in seine Wertkategorien fällt.

Ist es denkbar, dass eine Partnerschaft zwischen zwei
„Narzissten“ zustande kommt und sich das Ganze dadurch
„multipliziert“?

Ja, das gibt es sogar häufig. Öffentlich bekannt ist das Phänomen besonders durch Partnerschaften in der Filmbranche. Extrem kurze, aber heftige Beziehungen, extrem häufiger Partnerwechsel (wegen „laufender Verfahren“ sollte man keine Namen nennen *g*). Allerdings ist nicht jeder, der auf den Schaumkronen des Ruhms schwimmt, ein Narzißt (siehe das Posting an Eckard).

Es gibt auch umgekehrt Beispiele von sehr „tiefen“ und sogar lebenslangen Beziehungen:

Laurence Olivier & Vivian Leigh (die allerdings dann doch zerbrach)
Katherine Hepburn & Spencer Tracey
Humphrey Bogard & Laureen Bacall
Steve McQueen & Aly McGraw

Aber in den Sphären des Ruhms gehört das Drama eher zu den Spielregeln. Die wirklichen psychischen Katastrophen (für die Brut) spielen sich in „gutfunktionierenden“, nach außenhin unscheinbaren bürgerlichen Familien ab.

Wenn ja, wie könnten die Prognosen für deren „Haltbarkeit“ aussehen?

Diese Partnerschaften sind in der Regel extrem kurz aber auch extrem heftig.

Kann es beiden gelingen, auf die Dauer das Selbstwertgefühl des anderen zu bedienen?

Nein, das kann nicht gelingen: Das Kriterium der Attraktivität besteht ja nicht darin, daß ich dein, sondern daß du mein Selbstwertgefühl zu bedienen vermagst.

Mir scheint, dass sich die Symptome, seit er mit der Frau zusammen ist … noch verstärkt haben.

Es ist denkbar, daß es ihnen gelingt, sich selbst bzw. sich miteinander eine Zeitlang als „Traumpaar“ oder „Götterpärchen“ zu genießen. Ich kenne zahlreiche Paare diesen Typs, die auseinandergefallen sind, sobald sich ihr Freundes-Einzugsgebiet nicht mehr für sie interessierte, bzw. sie nicht mehr als Traumpaar feierte …

Und: Kann dieser Rückzug aus der Realität so weit gehen, dass
einer konsequent auf den wirtschaftlichen Ruin zusteuert (u.a.
weil er für keinerlei Hilfsangebote mehr zugänglich ist)?

Ja - das kann soweit gehen. Es ist übrigens dann die Schuld der Umwelt, weil sie seine Grandiosität nicht zu erkennen und zu goutieren vermochte.

Es ist wohl auch nicht zu erwarten, dass irgendwann eine Verhaltensänderung durch „Einsicht“ stattfindet?

Viele narzißtische Persönlichkeiten brüsten sich sogar mit ihrem Narzißmus. Zumindest in den psychoanalytisch-tiefenpsychologischen Schulen weiß man, daß Einsicht zwar die notwendige Bedingung für Verhaltensänderung ist, aber auch, daß sie ist allein nicht hinreichend ist. Daran scheitern meistens auch eben diese Art von Therapien, weil sie bei der (oder für die) Umsetzung des Eingesehenen in reale Verhaltensänderung ihre Inkompetenz erklären: Sie bauen dabei auf die (eben oft gestörte) Verfügung des Patienten über seine Willensstruktur.

Sollten wir uns künftig aller Ratschläge enthalten (wohlgemerkt, es handelte sich bisher stets um konkrete Lösungsvorschläge in ganz bestimmten Situationen, die alle außer ihm als verfahren erkennen konnten)?

Meine Erfahrung sagt: ja! Ratschläge und realistischer Sachverstand sind das schlimmste Gift für solche Persönlichkeiten. Ebenso wie Druck machen auf Einsicht. Die Begründung würde hier zu weit führen. (u.a. aus solchen Gründen habe ich vor langer Zeit eine ganz andere Form des (quasi-therapeutischen) Dialogs entwickelt.

Grüße

Metapher

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…oje…

Hi Metapher,

danke für die ausführliche und auch für einen Laien verständliche Antwort!

Darf ich dir zu dem Thema eine Mail schicken? Das Problem liegt mir sehr am Herzen, aber ich befürchte, so ein Einzelfall ist für das Forum nicht übermäßig interessant.

Viele Grüße
Kreszenz

@Nike, wär das nicht was für die FAQs?
Huhu,

ich weiß ja nicht, ob die Frage hier so wirklich „frequently“ kommt, aber ich finde diese Erklärung viiieeel zu schade um einfach im Archiv zu verschwinden.

Liebe Grüße

Petzi

ganz im Gegenteil …
Hallo,

ich befürchte, so ein
Einzelfall ist für das Forum nicht übermäßig interessant.

ich denke, dass das keineswegs so ist, sondern dass das Thema für viele User sehr interessant ist. Das zeigt ja auch die Anteilnahme am Thread. Gerade am Einzelfall lassen sich ja generalisierende Theorien prüfen bzw. belegen.

(Wenn du die Geschichte natürlich als zu persönlich ansiehst, verstehe ich, dass du sie nicht öffentlich besprochen wissen willst.)

Herzliche Grüße

Thomas Miller

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Hallo Thomas,

nein, es ist nicht zu persönlich, und ich bin dankbar für jeden hilfreichen Hinweis.
Dass wir unserem Freund nicht konkret helfen können, ist mir jetzt klar - also können wir bestenfalls vermeiden Salz in seine Wunden zu streuen, indem wir möglichst alles vermeiden, was er als Kritik an seiner Vollkommenheit auffassen könnte. Ob das aber funktioniert?
Mit welcher Reaktion muss man bei so einer Persönlichkeit rechnen, wenn tatsächlich seine Existenz bedroht - oder schlimmstenfalls vernichtet - ist? Depression? Offene Aggression? - Es ist davon auszugehen, dass er in seiner Sicht der Dinge (die böse verständnislose Umwelt ist schuld) von seiner Frau bestärkt wird - jedenfalls vorläufig noch.
Ich wäre dankbar, wenn man mir raten könnte, wie wir uns im schlimmsten Falle verhalten sollen.

Viele Grüße

Kreszenz

Euer Wunsch ist mir Befehl… :wink:
Hi Petzi,

16 Sternchen sind Indit genug, daß nicht nur Du das findest. Da metapher schon vorher FAQ-Einträge geschrieben hat (oder Einträge einer blutigen Laiin wie mir überprüft hat - daaanke!) habe ich den Beitrag gleich mal eingefügt.

[FAQ:920]

Liebe Grüße,
Nike

Hi kreszenz,

Dass wir unserem Freund nicht konkret helfen können, ist mir
jetzt klar - also können wir bestenfalls vermeiden Salz in
seine Wunden zu streuen, indem wir möglichst alles vermeiden,
was er als Kritik an seiner Vollkommenheit auffassen könnte.
Ob das aber funktioniert?

Packt ihn bloß nicht in Watte, daß würde ja sein Verhalten nur noch bestärken. Harte rückhaltlose Kritik, die ihn dazu zwingt tatsächlich einmal nachzudenken, ob sein Tun richtig ist, ist der Weg. Nicht das Beschönigen sondern die kalte Konfrontation ist der Weg.

Mit welcher Reaktion muss man bei so einer Persönlichkeit
rechnen, wenn tatsächlich seine Existenz bedroht - oder
schlimmstenfalls vernichtet - ist?

Ich weiß garnichtmal ob dein bekannter nun wirklich Narzißt ist!?
wie würdest du reagieren? Es ist eine Möglichkeit, daß er kämpft um zu erhalten, was er mal aufgebaut hat, aber in der Falle ist, zwanghaft das falsche zu tun. wie er „nach dem Scheitern“ reagiert ist Spekulation.

Depression? Offene

Aggression? - Es ist davon auszugehen, dass er in seiner Sicht
der Dinge (die böse verständnislose Umwelt ist schuld) von
seiner Frau bestärkt wird - jedenfalls vorläufig noch.

Wenn er das glaubt und seine Frau ebenfalls, sehe ich da eigentlich kein Problem. Warum übernimmst du die Verantwortung dafür, daß er richtig handelt? Das sagt eher etwas über deinen „Narzißmus“ aus.

Ich wäre dankbar, wenn man mir raten könnte, wie wir uns im
schlimmsten Falle verhalten sollen.

Verhaltet euch normal. Bleibt Freunde wenn ihr Freunde seid. Sagt nie so etwas wie „das hab ich gewußt“ „das hab ich dir immer schon gesagt“.

Geht eher den Weg: Scheiße, daß das schief gegangen ist! wie kann ich dir helfen?

Er wird das angebot wahrscheinlich nicht annehmen. Aber er bleibt wieter im sozialen Kontakt und das ist wichtig.

gruss
winkel

1 Like

Hi Metapher und Kreszenz,

… (falls ein Mensch mit dieser Störung überhaupt jemandes Freund sein kann…?)

Ja, natürlich kann ein Narzißt eines anderen Freund sein.
Schwieriger ist es schon, von einem solchen als Freund
anerkannt zu werden … oder auch nur sein Vertrauen zu
gewinnen, wenn das, was du für ihn darstellst, nicht in seine
Wertkategorien fällt.

Narzißten sind die besten Freunde, denn sie helfen dir bis zur Selbstaufgabe ohne eine Gegenleistung zu erwarten! erhoffen tun sie diese schon, aber nicht einfordern!

Ist es denkbar, dass eine Partnerschaft zwischen zwei
„Narzissten“ zustande kommt und sich das Ganze dadurch
„multipliziert“?

Ja, das gibt es sogar häufig. Öffentlich bekannt ist das
Phänomen besonders durch Partnerschaften in der Filmbranche.
Extrem kurze, aber heftige Beziehungen, extrem häufiger
Partnerwechsel (wegen „laufender Verfahren“ sollte man keine
Namen nennen *g*). Allerdings ist nicht jeder, der auf den
Schaumkronen des Ruhms schwimmt, ein Narzißt (siehe das
Posting an Eckard).

Hier möchte ich widersprechen: Ich denke Narzißten wären gerne Schauspieler, weil dieser Beruf es ihnen ermöglichen würde, Gefühle auszudrücken, die sie sich im „Real-Life“ verbieten. Aber sie werden nicht Schauspieler, weil sie es nicht ertragen könnten ihre eigenen filme zu sehen und sich ihrere eigenen Kritik aussetzen zu müssen. Der einzige Schauspieler, der brutal seinen Narzißmus gelebt hat war wohl Klaus Kinski.

Es gibt auch umgekehrt Beispiele von sehr „tiefen“ und sogar
lebenslangen Beziehungen:

Laurence Olivier & Vivian Leigh (die allerdings dann doch
zerbrach)
Katherine Hepburn & Spencer Tracey
Humphrey Bogard & Laureen Bacall
Steve McQueen & Aly McGraw

Warum sind das Narzißten?

Aber in den Sphären des Ruhms gehört das Drama eher zu den
Spielregeln. Die wirklichen psychischen Katastrophen (für die
Brut) spielen sich in „gutfunktionierenden“, nach außenhin
unscheinbaren bürgerlichen Familien ab.

Wenn ja, wie könnten die Prognosen für deren „Haltbarkeit“ aussehen?

Diese Partnerschaften sind in der Regel extrem kurz aber auch
extrem heftig.

Falsch, ich weiß nicht wie du zu dieser Annahme kommst! Da sich Narzißten in eher anale Beziehungsmuster begeben, sind diese eigentlich sehr haltbar. Und gerade, wenn zwei Gebende sich finden bleibt die Beziehung eigentlich optimal. Schlimm ist es allerdings wenn der eine Partner nur fordert und der Narzißt mit dem Geben nicht hinterherkommt.

Kann es beiden gelingen, auf die Dauer das Selbstwertgefühl des anderen zu bedienen?

Nein, das kann nicht gelingen: Das Kriterium der Attraktivität
besteht ja nicht darin, daß ich dein, sondern daß du
mein
Selbstwertgefühl zu bedienen vermagst.

Mir scheint, dass sich die Symptome, seit er mit der Frau zusammen ist … noch verstärkt haben.

Ich gehe eher davon aus, daß seine Frau ein beherrschender Charakter ist. Er hat ihr die Sterne vom Himmel versprochen, sie fordert diese hemmungslos ein und er ist nicht in der Lage zu sagen: Ej, ich hab doch nur geflunkert! Er sieht sich und steht in der Verantwortung dieses zu tun. ( siehe auch mal „anale Beziehungsmuster“)

Und: Kann dieser Rückzug aus der Realität so weit gehen, dass
einer konsequent auf den wirtschaftlichen Ruin zusteuert (u.a.
weil er für keinerlei Hilfsangebote mehr zugänglich ist)?

Ja - das kann soweit gehen. Es ist übrigens dann die Schuld
der Umwelt, weil sie seine Grandiosität nicht zu erkennen und
zu goutieren vermochte.

Falsch, er hätte durch Annahme von Hilfe eingestehen müssen, daß er nicht unfehlbar ist, das ist die Krux. Hier wird natürlich auf die Umwelt verwiesen, aber als „Ausrede“, die ihm bewußt ist als Ausrede. Er begibt sich doch hier in die steigernde Gefahr, daß er ertappt wird.

Es ist wohl auch nicht zu erwarten, dass irgendwann eine Verhaltensänderung durch „Einsicht“ stattfindet?

doch er hat es vielleicht sogar bereits eingesehen, es ist ihm jedoch nicht möglich diese Niederlage zu bestätigen. Niocht wegen der peinlichkeit, sondern wegen des Selbstentthronung, die damit einhergeht.

Viele narzißtische Persönlichkeiten brüsten sich sogar mit
ihrem Narzißmus. Zumindest in den
psychoanalytisch-tiefenpsychologischen Schulen weiß man, daß
Einsicht zwar die notwendige Bedingung für Verhaltensänderung
ist, aber auch, daß sie ist allein nicht hinreichend ist.
Daran scheitern meistens auch eben diese Art von Therapien,
weil sie bei der (oder für die) Umsetzung des Eingesehenen in
reale Verhaltensänderung ihre Inkompetenz erklären: Sie bauen
dabei auf die (eben oft gestörte) Verfügung des Patienten über
seine Willensstruktur.

Wie du zu dieser Aussage kommst ist mir schleierhaft.

Meine Erfahrung sagt: ja! Ratschläge und realistischer
Sachverstand sind das schlimmste Gift für solche
Persönlichkeiten. Ebenso wie Druck machen auf Einsicht. Die
Begründung würde hier zu weit führen. (u.a. aus solchen
Gründen habe ich vor langer Zeit eine ganz andere Form des
(quasi-therapeutischen) Dialogs entwickelt.

Nein. Es ist kein gift! Und wenn, dann das Schlangengift in Dosen, das ein heilsame Wirkung hat.

gruss
winkel

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