Liebe Leute!
Ich habe gerade mit zunehmendem Magengrummeln die Artikel unter „Neue Lehrer …“ und „Mitten daneben …“ gelesen. Hier nun meine Eigene bescheidene Meinung zum Thema.
„[…] Die Schule als Dienstleistungsangebot in der freien Marktwirtschaft könnte so schwerlich bestehen.“ ist dort zu lesen. Das ist sicherlich so nicht von der Hand zu weisen. Ganz abgesehen davon, dass in der Bundesrepublik Deutschland nur eine Handvoll Unternehmen in einer freien Marktwirtschaft ueberlebensfaehig waeren (von Nieten in Nadelstreifen moechte ich aber hier nicht anfangen), frage ich mich, ob Schule ueberhaupt diesen Anspruch haben sollte.
Wenn Schule stets aktuelle Forschung und den Puls der Zeit vermitteln soll, kann sie nur versagen.
Ich finde, dass vielmehr zeitloses Wissen gelehrt werden sollte. Es kann nicht Aufgabe der Schulen und Universitaeten sein, moeglichst stomlinienfoermiges Menschenmaterial zu produzieren, das dann augenblicklich in irgendwelchen Controlling Abteilungen den „Share-Holder-Value“ mehrt.
Was ist denn bitteschoen das Wissen um eine spezielle Computerhadrware im Vergleich zum Wissen um die Weltgeschichte, die meisterhafte Sprache der klassischen Literatur oder auch die Faszination Newtonscher Mechanik. (Ich bin im uebrigen davon ueberzeugt, dass die meisten Mitarbeiter von McKinsey von theoretischer Elektrotechnik nicht mehr Ahnung haben, als ein Elektroingenieur von Betriebswirtschaftslehre – das muessen sie auch nicht).
Aber nicht einmal an den Gymnasien sind heute noch Schueler zu finden, die allen ernstes Interesse fuer das Lernen mitbringen. An anderen Schulen sieht es noch schlimmer aus. Warum soll denn ein Lehrer Videofilme vorfuehren, wenn die Schueler Muehe haben, ihren eigenen Namen zu schreiben? Und warum soll eine Lehrerin die neuesten Lerngimmicks von Microsoft auf dem niegelnagelneuen Pentium III vorfuehren (Diese Georaphiestunden wurde Euch praesentiert von … DelPack, den Experten fuer geile Quake Tourniere!), wenn die allerwenigsten Schueler der gymnasialen Oberstufe schon mal eine Bibliothek besucht haben?
Lernen ist eben keine Dienstleistung, die wie Haare schneiden konsummiert werden kann. Lernen ist ein aktiver Prozess der anstrengend ist, Aufmerksamkeit und Mitarbeit erfordert. Nuernberger Trichter sind trotz modernster Technik noch nicht erhaeltlich.
Als Lehrer sieht man sich aber immer haeufiger mit den hibbeligen, VIVA zugedroehnten, konsumorientierten „Kids“ konfrontiert, die mit dem neuen Handy den Einkaufsbummel am Nachmittag organisieren, anstatt sich am Unterricht zu beteiligen.
Wenn es interessierte Schueler gibt, werden sie von ihren Mitschuelern als „Streber“ diffamiert und als Aussenseiter abgestempelt. Wenn sie dann noch die falschen Klamotten tragen, ist der gesellschaftliche Abstieg scheinbar vorprogrammiert.
Das liegt vor allem am Elternhaus, wo immer haeufiger der Fernseher als Kommunikationsersatz herhalten muss. Aus Bequemlichkeit, weil man ja dank der so erstrebenswerten 100 Stunden Woche bei McSonstwem sowieso zu erschoepft ist, um sich um ein Privatleben zu kuemmern. So beugen sich die Eltern willenlos dem Konsumterror und waelzen die Erziehung auf die Schule ab.
Die „Erfolge“ dieses Trends bekommen mittelstaendische Firmen bereits jetzt zu spueren. Immer mehr Lehrstellen bleiben unbesetzt – nicht etwa aus Mangel an Bewerbern oder Geld – sondern weil die Bewerber einfach zu dumm sind, einen Eimer Wasser umzukippen!
In der Oberstufe faengt dann das sogenannte Punktejagen an. Wie erreiche ich moeglichst hohe Punktzahlen, um ja keine „Zukunftschancen“ zu verbauen. Interesse am Fach ist da allenfalls noch ein angenehmer Nebeneffekt.
Ich wundere mich, dass nicht ein Aufschrei durch die Lehrerschaft geht, damit Schluss zu machen. Selbststaendigkeit, Lesen, Schreiben und die vier Grundrechenarten sollten vermittelt werden. Neugierde auf mehr sollte geweckt werden. Wenn man danach noch nicht den Spass am Lernen gaenzlich abgetoetet hat, kommt der Rest fast von alleine. Ich sage bewusst fast, denn hier ist der Lehrer gefragt. Als Lenker und Vermittler von Wissen sollte er in erster Linie dienen.
Das man aber gerade in den neuesten Zeiten, die von starkem Wandel gebeutelt sind (Globalisierung, technische Revolution …) nur mit geistiger Flexibilitaet und geschutem Verstand ueberleben kann, wird wie so oft zugunsten kurzfristiger Gewinne uebersehen.
Es war immer ein Privileg der Kindheit, ein Stueck heile Welt geboten zu bekommen. Doch genau das wird zunehmend von perversen Wirtschaftlern und kurzsichtigen Politikern zerstoert, die im Menschen nur noch einen Produktionsfaktor oder Kaeufer ihrer sinnlosen Produkte bzw. leeren Phrasen sehen.
Damit ein Frohes Neues Jahr und Gruss
Jens