Moin
Haben Philosophen des „Neuen Realismus“, wie Marcus Gabriel und insbesondere Maurizio Ferraris, den „Konstruktivismus“ widerlegt?
Ferraris: "Der Realist beschränkt sich nicht darauf, zu sagen, dass die Wirklichkeit existiert.
Er verficht eine These, die Konstruktionisten (Konstruktivisten) bstreiten, nämlich dass es nicht wahr ist, dass Sein und Wissen sich entsprechen, ja, dass zwischen Ontologie und Epistemologie zahlreiche wesentliche Unterschiede bestehen, denen die Konstrukt. keine Aufmerksamkeit schenken.
Der K. behauptet, ob das Feuer brennt, das Wasser nass und der Pantoffel auf dem Teppich ist, hänge von Begriffsschemata ab. Natürlich ist das nicht so.
Es hängt von der Tatsache ab, dass das Feuer brennt usw. - dies sind ontologische Merkmale, keine epistemologischen. "
Ich finde dies schlüssig. Wie seht ihr den Streit zwischen N.R. und K. ?
Gruß,
Branden
Wenn ich es richtig verstanden habe, sagt der Konstruktivismus nichts über die Welt aus, sondern geht nur davon aus, dass menschliche Vorstellungen von der Welt zwangsweise nicht deckungsgleich sind mit der Welt.
Gabriel scheint die menschliche Sicht auf die Welt in den Mittelpunkt zu rücken - das was der Mensch sich unter der Welt vorstellt, ist die Welt; eine Welt außerhalb dieser Sicht existiert garnicht. Gabriel lehnt díe Idee von Außen (Welt) und Innen (menschliche Wahrnehmung und Erkenntnis) vollkommen ab, da sie eine Sicht von außen (gleichzeitig auf die Welt und den Betrachter) vorraussetzt. Diese (versuchte) Sicht von außen existiert aber ebenfalls nur im Innen, genauso wie der imaginäre Beobachter, der diese Sicht einnimmt.
Aber wird dieser imaginäre Beobachter dann nicht zum „realen“ Teil der Welt, wenn es nur die innere Welt gibt? Ist die Ablehnung der Sicht von außen, weil sie nicht möglich ist, gerade eine Bestätigung vom Innen und Außen und damit eine Bestätigung des Konstruktivismus?
Moin
Ist die
Ablehnung der Sicht von außen, weil sie nicht möglich ist,
gerade eine Bestätigung vom Innen und Außen und damit eine
Bestätigung des Konstruktivismus?
Über Gabriels Vorstellungen kann ich wenig sagen; ich habe deshalb auch „insbesondere M. Ferraris“ geschrieben und denselben dann zitiert. Gabriel ist mir weitgehend unverständlich, wirkt irgendwie zu mystifizierend auf mich. Mit Ferraris klarem Neuen Realismus hingegen kann ich was anfangen.
Vielleicht sagst du nochmal was zu dem Zitierten.
Es grüßt dich
Branden
Zusatz
Noch etwas wichtiges :
„wenn es wahr wäre, dass der Gedanke die Realität erschafft, sähen wir nicht nur das, was wir wollten und was uns gefiele - und wir wären niemals überrascht.“
das ‚nicht‘ in dem Satz streichen!
Sonst würde es noch komplizierter werden…
Wenn ich es richtig verstanden habe, sagt der Konstruktivismus
nichts über die Welt aus, sondern geht nur davon aus, dass
menschliche Vorstellungen von der Welt zwangsweise nicht
deckungsgleich sind mit der Welt…
Ist die :Ablehnung der Sicht von außen, weil sie nicht möglich ist,
gerade eine Bestätigung vom Innen und Außen und damit eine
Bestätigung des Konstruktivismus?
Was wirklich wirklich ist, weiss mensch nun wirklich nicht?
Hier ein Versuch:
Nur wir Menschen bringen eine (menschliche) Ordnung in das Sein.
Wir gehen von Kausalitaet und Zufall aus.
Und dem ist so, so verhaelt sich unser Sein, das sein.
Modell:
Das Sein ist so strukturiert:
2, 9, 17, 29,48,66,77,89 u.s.w.
SO sehen wir es (vermeintlich empirisch).
Wir koennen natuerlich, wenn wir die Struktur kennen diese „fortschreiben“.
So wie 2,4,6,8… etc.
ist prinzipiell JEDE Struktur - egal wie sie aussieht - fortschreibbar und „vernuenftig“ interpretierbar.
Das Problem aber ist:
Wie ist die jeweilige Struktur denn entstanden?
Kann Zufall sein, kann eine Intention dahinterstecken u.s.w.
Wir wissen es nicht und werden es nie wissen koennen.
Wichtig aber:
Alles was wir vorfinden und „erkennen“ koennen bleibt unserer menschlichen Struktur des Seins verhaftet!
Um jetzt wieder auf dei Zahlenfolge zu kommen.
Wuerfelt so oft wir wollt und Ihr werdet immer wieder neue Zahlenkolonnen finden, unendlich viele…
Wir und unsere Erklaerung vom SEIN ist nur eine von UNENDLICH vielen -
und bleibt auf UNSERE Struktur beschraenkt!
MultiVista
Noch etwas wichtiges :
„wenn es wahr wäre, dass der Gedanke die Realität erschafft,
sähen wir nicht nur das, was wir wollten und was uns gefiele -
und wir wären niemals überrascht.“
Was in mEINEM Kopf vorgeht ist „wahr“ (also halte ich fuer real).
Da es aber in meinem Kopf nicht immer lustig zugeht ist die von meinem Kopf geschaffene Welt (Sicht) auch nicht immer, das was mir gefaellt.
Zudem bin ich immer wieder uberrascht, was mein Kopf sp produziert (im negativen und im positiven Sinne)…
„Sonst würde es noch komplizierter werden… “
Unsere (Sicht der…)das Sein
ist (erscheint) deshalb so kompliziert,
weil der Mensch ein sehr kompliziertes wesen zu sein scheint…
Hallo,
„wenn es wahr wäre, dass der Gedanke die Realität erschafft,
sähen wir nicht nur das, was wir wollten und was uns gefiele -
und wir wären niemals überrascht.“
ich denke, daß es nicht die Position ‚des‘ Konstruktivismus (welches? des radikalen Konstruktivismus?) ist, daß wir nur das sähen, was wir wollten und was uns gefiele, wenn der Gedanke die Realität erschafft, sondern daß die Realität im Sinne des R.K. die mentale Konstruktion eines Erlebens ist, das sowohl von Außenreizen als auch von Innenreizen (Körper, insbesondere Nervensystem) abhängt. Dieser Prozeß kann zu unterschiedlich viablen, d.h. funktionalen, Resultaten führen.
Bei dem oben kolportiertem reinen Wunschdenken, das die Außenreize völlig unberücksichtigt läßt, wäre mit geringer Viabilität zu rechnen, was früher oder später zu einer viableren Konstruktion der Realität im Sinne des Erlebens oder zum Tod führen sollte.
Das Radikale am R.K. besteht wohl darin, daß der R.K. annimmt, daß von der konstruierten Realität nicht auf die Außenwelt geschlossen werden kann. Daran habe ich meine Zweifel, weil es viablere und weniger viable Konstruktionen gibt, und ich bezweifle, daß es eine große Menge gleich viabler Konstruktionen gibt, so daß es früher oder später zu einer Selektion der unterschiedlich viablen Konstruktionen kommt.
Beste Grüße
Oliver
Hallo,
Da es aber in meinem Kopf nicht immer lustig zugeht ist die
von meinem Kopf geschaffene Welt (Sicht) auch nicht immer, das
was mir gefaellt.
das ist ein wertvoller Gedanke, weil Reizdeprivationsexperimente zeigen, daß Menschen anfangen zu halluzinieren und auf längere Sicht psychische Schäden auftreten, wenn man sie von Außenreizen abschottet. Deshalb ist die gewöhnliche und funktionale Konstruktion der Wirklichkeit keine nur von Innenreize gesteuerte, sondern auf den Zustrom von Außenreizen angewiesene. Auch das belegt das Mißverständnis in Brandens Zitat, daß ‚der‘ Konstruktivismus annehme, die Realität beruhe nur auf eigenen Gedanken.
Beste Grüße
Oliver
„wenn es wahr wäre, dass der Gedanke die Realität erschafft,
sähen wir nicht nur das, was wir wollten und was uns gefiele -
und wir wären niemals überrascht.“
Ein Gedanke ist das Ergebnis eines Prozesses „Denken“, der dem Erleben/der Wahrnehmung des Bewusstseins stets nachgeordnet ist. Der „Gedanke“ wertet , indem er aktuelle Wahrnehmungen/Erlebnisse mit früheren oder noch nicht bekannten vergleicht. Daher ist man immer wieder auch mal überrascht.
Die „Realität“ wird durch das Bewusstsein zum Zeitpunkt des Erlebens oder der Wahrnehmung erschaffen. Nicht durch Denken oder Gedanken.
pasquino
Die „Realität“ wird durch das Bewusstsein zum Zeitpunkt des
Erlebens oder der Wahrnehmung erschaffen. Nicht durch Denken
oder Gedanken.
Die Realität existiert unabhängig vom Erleben oder der Wahrnehmung eines Lebewesens.
Moin Oliver
Auch das belegt das
Mißverständnis in Brandens Zitat, daß ‚der‘ Konstruktivismus
annehme, die Realität beruhe nur auf eigenen Gedanken.
Ferraris sagt nicht, dass der Konstruktivismus meint, dass die Realität nur auf eigenen Gedanken beruht. Er unterscheidet zunächst einmal zwischen dem, was real ist und dem, was Lebewesen sich da im Hirn konstruieren.
Ich stimme mit Ferraris darin überein, dass die Wirklichkeit und das, was wir wahrnehmen, zwei Paar Schuhe sind.
Gruß,
Branden
Hallo,
Ferraris sagt nicht, dass der Konstruktivismus meint, dass die
Realität nur auf eigenen Gedanken beruht.
so verstehe ich aber diesen von Dir oben zitierten Satz
„wenn es wahr wäre, dass der Gedanke die Realität erschafft, sähen wir nur das, was wir wollten und was uns gefiele - und wir wären niemals überrascht.“
Er unterscheidet zunächst einmal zwischen dem, was real ist und dem, was
Lebewesen sich da im Hirn konstruieren.
Der Punkt ist, daß der R.K. unter „Realität“ die mentale Konstruktion versteht. Er meint, daß wir an die Außenwelt (das, was anscheinend Ferraris „real“ nennt) gar nicht herankommen. Insofern unterscheiden sich R.K. und Ferraris (und Du) anscheinend in dem, was sie real nennen.
Beste Grüße
Oliver
Hallo,
Haben Philosophen des „Neuen Realismus“, wie Marcus Gabriel
und insbesondere Maurizio Ferraris, den „Konstruktivismus“
widerlegt?
Ich denke nicht, das ein „Konstruktivismus“ widerlegt werden kann.
Für den K. ist Objektives ja nicht existent oder zumindest nicht erfahrbar. D.h . alles was seine Gegner vorbringen um ihn zu widerlegen ist für ihn schon Konstrukt. Konstrukte die in Relation zu anderen Konstrukten gesetzt werden.
Ferraris: "Der Realist beschränkt sich nicht darauf, zu sagen,
dass die Wirklichkeit existiert.
Er verficht eine These, die Konstruktionisten
(Konstruktivisten) bstreiten, nämlich dass es nicht wahr ist,
dass Sein und Wissen sich entsprechen, ja, dass zwischen
Ontologie und Epistemologie zahlreiche wesentliche
Unterschiede bestehen, denen die Konstrukt. keine
Aufmerksamkeit schenken.
Der R. verficht also die These, das es falsch sei, das Sein und Wissen sich entsprechen.
Der K. hat also die These, das es richtig sei, das Sein und Wissen sich entsprechen.
Wenn Sein und Wissen sich entsprechen ist das gleichbedeutend damit, das zwischen dem Seienden und der Erkenntnis über dieses Seiende, Unterschiede bestehen.
Dem also schenkt der K. keine Aufmerksamkeit.
Ist das nicht trivial?
Für den K. gibt es ja eben kein (erfahrbares) Seinendes.
Wie soll er da Unterschiede zu diesem nicht Vorhandenen finden?
Der K. behauptet, ob das Feuer brennt, das Wasser nass und der
Pantoffel auf dem Teppich ist, hänge von Begriffsschemata ab.
Natürlich ist das nicht so.
Was bedeutet hier „Begriffsschemata“?
Es hängt von der Tatsache ab, dass das Feuer brennt usw. -
dies sind ontologische Merkmale, keine epistemologischen. "
Ich finde dies schlüssig.
Ich denke, das Verständnisproblem setzt dort an wo von „ontlogischen Merkmalen“ gesprochen wird.
Für einen K. müssen diese - von anderen als ontologisch bezeichneten Merkmale - doch Konstrukte sein.
Grüße
K.
„…dass die Wirklichkeit und
das, was wir wahrnehmen, zwei Paar Schuhe sind.“
DAS ist es eben!
Was wirklich wirklich ist, weiss Mensch nun wirklich nicht!!
MultiVista 2005
Genau! Wichtiger Unterschied!
Moin
Der Punkt ist, daß der R.K. unter „Realität“ die mentale
Konstruktion versteht. Er meint, daß wir an die Außenwelt
(das, was anscheinend Ferraris „real“ nennt) gar nicht
herankommen. Insofern unterscheiden sich R.K. und Ferraris
(und Du) anscheinend in dem, was sie real nennen.
Das sehe ich auch so.
Mir ist dabei nach wie vor wichtig, dass es eine objektive Realität gibt - insbesondere in der Psychiatrie benötige ich das, denn je näher wir an der Realität sind, desto gesünder sind wir. Und wir können die Neurotiker und insbesondere die Psychotiker umso besser erkennen, je weiter sie von der objektiven Wirklichkeit entfernt sind.
Es grüßt dich
Branden
Je klarer im Kopf, dest näher an der objektiven Realität
Moin
Was wirklich wirklich ist, weiss Mensch nun wirklich nicht!!
Je psychisch gesünder der Mensch ist, desto dichter ist er an der objektiven Realität dran.
Das kann dir jeder Psychiater und auch jeder Zen-Buddhist bestätigen.
Siehe auch meine Antwort drunter: „Genau!..“
Gruß,
Branden
Moin
Für den K. ist Objektives ja nicht existent oder zumindest
nicht erfahrbar. D.h . alles was seine Gegner vorbringen um
ihn zu widerlegen ist für ihn schon Konstrukt. Konstrukte die
in Relation zu anderen Konstrukten gesetzt werden.
Ja, genau da fängt der Irrsinn ja an.
Je klarer (psychisch gesünder) jemand ist, desto näher ist er an der objektiven Realität dran. Du erkennst das am besten an den Wahnvorstellungen und Halluzinationen der Psychotiker, wie weit sie eben von der Realität entfernt sind. Siehe meine Ausführungen weiter unten.
Für den K. gibt es ja eben kein (erfahrbares) Seinendes.
Wie soll er da Unterschiede zu diesem nicht Vorhandenen
finden?
Das ist das Problem des K.
Und er hat noch mehr Probleme. Auch deshalb bin ich kein K.
Was bedeutet hier „Begriffsschemata“?
Konstruierte Begriffe , die wir im Kopf haben.
Es hängt von der Tatsache ab, dass das Feuer brennt usw. -
dies sind ontologische Merkmale, keine epistemologischen. "
Ich finde dies schlüssig.Ich denke, das Verständnisproblem setzt dort an wo von
„ontlogischen Merkmalen“ gesprochen wird.
Für einen K. müssen diese - von anderen als ontologisch
bezeichneten Merkmale - doch Konstrukte sein.
Ja, genau. Aber eben nur für den K.
Gruß,
Branden
… von der
objektiven Wirklichkeit entfernt sind.
Ich bin mir nicht so sicher, dass es eien OBJEKTIVE Realitaet uberhaupt gibt!
Subjektiv/Objektiv sind ggf. nur worte fuer das selbe.
Ich ziehe es sowieso vor von Intersubjektivitaet statt von Objektivitaet zu sprechen.
Zugegeben: Bayern ist gerade objektiv aus der CL geflogen…
aber das ist eien andere kategorie.