Neuer Realismus versus Konstruktivismus

Je psychisch gesünder der Mensch ist, desto dichter ist er an
der objektiven Realität dran.
Das kann dir jeder Psychiater und auch jeder Zen-Buddhist
bestätigen.

Na Na - da unterstellst Du aber, dass Psychater die Wahrheit/Wirklichkeit gepachtet haben…

Da hab ich erhebliche Zweifel.

Denn auch die kochen nur mit dem Wasser, was wir menschl. Struktur nennen muessen…

Hallo,

Ja, genau da fängt der Irrsinn ja an.
Je klarer (psychisch gesünder) jemand ist, desto näher ist er
an der objektiven Realität dran. Du erkennst das am besten an
den Wahnvorstellungen und Halluzinationen der Psychotiker, wie
weit sie eben von der Realität entfernt sind.

Wobei ich Halluzinationen nicht mit K. in einen Topf werfen würde.
Der Psychotiker gibt der gegenwärtigen Situation etwas dazu das er aus der Vergangenheit mitbringt und was in der gegenwärtigen Situation nicht sinnvoll bzw. schädlich ist. Er verändert seine Gegenwart - nicht willentlich und nicht kontrollierbar - zu seinem Nachteil.
Der K. meint das seine Daseins-Struktur - auch wieder nicht willentlich und nicht großartig kontrollierbar - ihm die Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation auf bestimmte Art und Weise präsentiert. Also sinnlich durch die Körperlichkeit und geistig durch z.B. Erfahrungen, wird „ihm“ Gegenwart präsentiert.

Der Psychotiker würde also der gegenwärtigen Situation etwas Zusätzliches, für ihn Schädliches hinzufügen, was der „gesunde“ K. nicht tun würde.
Da Konsens darüber herrscht was der „normale K.“ als Realität erfährt - würde diese Erfahrung vom „naiven Realisten“ dann als objektive Realität bezeichnen.

Grüße
K.

Hallo,

Mir ist dabei nach wie vor wichtig, dass es eine objektive
Realität gibt -

wenn mit objektiver Realität gemeint ist, daß es eine von uns unabhängig existierende Außenwelt gibt, dann bestreitet der Radikale Konstruktivismus es gar nicht:

Da wir aber nur zu gut wissen, daß in unserer Erlebenswelt Dinge, Zustände und Verhältnisse keineswegs immer so sind, wie wir sie haben möchten, können wir uns kaum in jenen Solipsismus flüchten, wonach nur das existiert, was wir uns vorstellen“ (Ernst von Glasersfeld, Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität. In Einführung in den Konstruktivismus (1992) (S. 30). München: Piper.).

Das von Dir zitierte Argument Ferraris’

„wenn es wahr wäre, dass der Gedanke die Realität erschafft, sähen wir nur das, was wir wollten und was uns gefiele - und wir wären niemals überrascht.“

ist also gar kein Argument gegen den Radikalen Konstruktivismus, denn der R.K. vertritt nicht den Standpunkt, den Ferraris ihm unterstellt, sondern in diesem Punkt die gleiche Ansicht wie Ferraris - und Du verlierst in Deiner psychotherapeutischen Praxis nicht die Argumentationsgrundlage, daß es eine außerhalb des Patienten existierende Außenwelt gibt. Der R.K. sagt „nur“, daß wir ihr wahres Sein nicht und niemals erkennen können und daß es verschiedene funktionale Möglichkeiten gibt, in ihr zurechtzukommen (Viabilität). Deshalb konnte Watzlawick psychotherapieren und den R.K. vertreten.

Beste Grüße

Oliver

Der Intellektuelle als Gegenentwurf zum Konstruktivisten
Hallo Klaus
Meine Definition des Intellektuellen: Er ist in etwa das Gegenteil des Konstruktivisten.
Er bleibt skeptisch gegenüber allen gedanklichen und gefühlten Konstruktionen, auch (und besonders) seinen eigenen.
Er versucht, offen zu bleiben gegenüber der Wirklichkeit und nähert sich so der objekziven Wirklichkeit immer mehr an.
Gruß,
Branden

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Na Na - da unterstellst Du aber, dass Psychater die
Wahrheit/Wirklichkeit gepachtet haben…

Keineswegs - sie haben bloß gute Kriterien erarbeitet, um deutliche subjektive Verzerrungen der Wirklichkeit zu erkennen.

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Hallo,

Für den K. ist Objektives ja nicht existent

nein, das ist nicht die These des Radikalen Konstruktivismus:

Da wir aber nur zu gut wissen, daß in unserer Erlebenswelt Dinge, Zustände und Verhältnisse keineswegs immer so sind, wie wir sie haben möchten, können wir uns kaum in jenen Solipsismus flüchten, wonach nur das existiert, was wir uns vorstellen“ (Ernst von Glasersfeld, Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität. In Einführung in den Konstruktivismus (1992) (S. 30). München: Piper.).

Daß die Außenwelt nicht erfahrbar ist, behauptet der R.K. auch nicht. „Nur“ daß sie so erfahrbar ist, wie sie „wirklich“ ist und daß wir ihr wahres Sein erkennen können, das bestreitet der R.K.

Mir scheint, daß sich Ferraris zumindest in den zitierten Passagen einen Gegner aufgebaut hat, den es so nicht gibt.

Auf wen und welche Thesen bezieht sich Ferraris eigentlich? Gibt er Belegstelle an?

Beste Grüße

Oliver

Moin

Der R.K. sagt „nur“, daß wir ihr
wahres Sein nicht und niemals erkennen können

Der Witz ist aber doch dabei, dass einige von uns näher daran sind, die objektive Wirklichkeit zu erkennen als andere und dass es nicht darum gehen kann „alles oder nichts“ - man muss ja nicht den Ehrgeiz haben, sofort das ganze Universum zu erkennen - sondern, so wie wir Therapeuten einerseits und so wie die Astronomen andererseits - wesentliche Teile der Realität immer besser zu erkennen, gleichsam immer mehr zu „objektivieren“.
Gruß,
Branden

Hallo,

Der Witz ist aber doch dabei, dass einige von uns näher daran
sind, die objektive Wirklichkeit zu erkennen als andere und
dass es nicht darum gehen kann „alles oder nichts“ - man muss
ja nicht den Ehrgeiz haben, sofort das ganze Universum zu
erkennen -

darin sind wir uns einig. Das ist - wie ich schon anderswo im Thread hier schrieb - der Teil des R.K., mit dem ich nicht mehr übereinstimme.

Beste Grüße

Oliver

d’accord
freut mich, dass wir da d’accord sind.

Hallo,

Meine Definition des Intellektuellen: Er ist in etwa das
Gegenteil des Konstruktivisten.
Er bleibt skeptisch gegenüber allen gedanklichen und gefühlten
Konstruktionen, auch (und besonders) seinen eigenen.
Er versucht, offen zu bleiben gegenüber der Wirklichkeit und
nähert sich so der objekziven Wirklichkeit immer mehr an.

Für das normale Leben jenseits aller philosophischen Gedanken ist der Grundsatz nicht schlecht: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. :o)
Und in meiner praktischen Lebenswirklichkeit hat sich - trotz besseren Wissens astronomischer Vorgänge - folgende Ansicht durchgesetzt:
Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergehen, im Norden wird sie niemals stehen. :o)

Grüße
K.

Moin

Für das normale Leben jenseits aller philosophischen Gedanken
ist der Grundsatz nicht schlecht: Eine Rose ist eine Rose ist
eine Rose. :o)

Genau so ist es.
Aber ich würde zwischen dem „normalen Leben“ und der Philosophie gar keinen Trennstrich machen (siehe Wittgenstein u.a.)
Gruß,
Branden

https://www.youtube.com/watch?v=0mxwH-1lCx4

freut mich, dass wir da d’accord sind.

Schoen.

Aber deshalb ist es noch lange nicht die Objektivitaet, vielmehr INTERSUBJEKTIVITAET!

Nicht „wahr“ :smile: ??

nicht d’accord

Aber deshalb ist es noch lange nicht die Objektivitaet,
vielmehr INTERSUBJEKTIVITAET!

Nein, Intersubjektivität wäre für mich keine überzeugende Alternative.
In einer Sekte herrscht eine Intersubjektivität, die mir ganz und gar unbehaglich ist.
Mir geht es um die größtmögliche (fortschreitende) Annäherung an die Objektivität.
Wenn ich dazu ein Hubble-Teleskop benötige, soll mir das recht sein.

Hallo,

Mir geht es um die größtmögliche (fortschreitende) Annäherung
an die Objektivität.
Wenn ich dazu ein Hubble-Teleskop benötige, soll mir das recht
sein.

genau. :smile:

Beste Grüße

Oliver

Mir geht es um die größtmögliche (fortschreitende) Annäherung
an die Objektivität.

Und das ist dann noch wie weit dann weg von dieser? :smile:

Aber was ist mit Fragen nach Sinn des Seins?

Da greift Objektivitaet erst gar nicht.

Weil die Frage menschlichen Ursprunges ist und somit auf alles menschliche, allzu menschliche beschraenkt bleiben muss!!!

Nicht „wahr“ ??

Aber was ist mit Fragen nach Sinn des Seins?

Bleib doch bitte beim Thema. Ja? Danke.

Beste Grüße

Oliver

Mir ist nix Menschliches fremd, aber…

Mir geht es um die größtmögliche (fortschreitende) Annäherung
an die Objektivität.

Und das ist dann noch wie weit dann weg von dieser? :smile:

So weit wie es eben ist. Aber so nah wie möglich.

Aber was ist mit Fragen nach Sinn des Seins?

Da greift Objektivitaet erst gar nicht.

Aber doch, gerade auch da!

Weil die Frage menschlichen Ursprunges ist und somit auf alles
menschliche, allzu menschliche beschraenkt bleiben muss!!!

Wieso denn? Ich finde es eher horizonterweiternd, wenn wir uns neben dem Menschlichen noch mit all den anderen spannenden Dingen im Universum beschäftigen.

Die „Realität“ wird durch das Bewusstsein zum Zeitpunkt des
Erlebens oder der Wahrnehmung erschaffen. Nicht durch Denken
oder Gedanken.

Die Realität existiert

Wow. Abgesehen von dieser „globalen“ An-und Aussage und den Begriffen jeweils für sich selbst abstrakt und konstruktiv sprechend … beide noch immer ein grundsätzliches Thema in der (geist)philosophischen Diskussion.

unabhängig vom Erleben oder der
Wahrnehmung eines Lebewesens.

Ist es nicht deine Profession, sich mit Themen wie (luzide) Träume oder Halluzinationen auseinander zu setzen? Sind sie für dich weder real noch existent? Und deren Inhalte? Träumst du nicht? Wo siehst du hier (d)eine Unabhängigkeit? Wo Objektivität?

Alles Realitäten m.E., die durch das Bewusstsein und der Wahrnehmung geschaffen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Rest deiner eingeschränkt definierten „objektiven“ Realitäten und deren Existenz Konstrukte der subjektiven Erkenntnis sind.

pasquino

Hallo,

Der Witz ist aber doch dabei, dass einige von uns näher daran
sind, die objektive Wirklichkeit zu erkennen als andere

Blinde zum Beispiel?
http://www.huffingtonpost.de/2015/04/01/maler-blind-…
oder vielleicht dieser Mann, gar von Geburt an blind
http://esrefarmagan.com/gallery/

sondern, so wie wir Therapeuten einerseits und so
wie die Astronomen andererseits - wesentliche Teile der
Realität immer besser zu erkennen, gleichsam immer mehr zu
„objektivieren“.

Es wäre gut, wenn du mal dieses „objektive Realität“ aus deiner Sicht auf einen ca-Punkt bringen, i.S. grenz doch mal ab, was objektiv und real für dich bedeutet. Woran du ab- und ausgrenzt.

pasquino