Hi,
ja, ich könnte mich auch oft mal ausk… und tue es jetzt mal.
Bis ein Gesetz auf den Weg gebracht und verabschiedet wird, gibt es viele Schritte vorweg; da sind Ministerialbeamte, die Gesetzesvorlagen erarbeiten, da sind Ausschüsse, in denen diese besprochen werden und Experten gehört werden, andere Ministerien, mit denen diese abgestimmt werden und Aussprachen im Bundestag.
Es ist also nicht nur der Schäuble daran beteiligt, auf den so eingehauen wird.
Ich habe gerüchteweise gelesen, dass es technisch sehr schwierig sein könnte, die Speicherung der Kommunikation von bestimmten Personen sicher auszuschließen, denn Telefon- und Internetanschlüsse können zwischen Geistlichen und Irdischen nicht unterscheiden. Man kann also bestimmte Personen nur sehr schwer von der Vorratsspeicherung verlässlich ausschließen. Tja, dann nimmt man eben alle.
Wenn ich daran denke, dass Menschen für Demokratie gekämpft, gestritten und ihr Leben gelassen haben, damit wir heute diese haben, gerate ich in Wut, wenn Menschen meinen, sie hätten nichts zu verheimlichen.
Was mich ärgert, ist nicht, dass die Vorratsspeicherung beschlossen wurde, sondern dass die Bürger nicht gefragt wurden, ob sie ihre freiheitlich-demokratische Grundordnung einschränken möchten, ob sie die Argumente des Herrn Schäuble für überzeugend halten, dass eine öffentliche Diskussion durch Totschlagargumente, wie
- ich habe nichts zu verheimlichen,
- ich will, dass Terroristen und Kinderschänder gefasst werden können und
- der Staat muss für die Sicherheit seiner Bürger sorgen,
verhindert wird.
Wer ist die letzte Instanz, Regierungen noch stoppen zu können, wenn es die Bürger nicht mehr können, weil sie in allen Lagen überwacht werden dürfen?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich sehr einsam bin, mit dem Gedanken, dass Abgeordnete von den Bürgern abgeordnet wurden, um die Staatsaufgaben in ihrem Sinne zu erledigen, bis der nächste Abrechnungstag kommt.
Wenn also jemand hier jemanden überwacht, sollten die Bürger ihre Abgeordneten überwachen dürfen. Nach meiner Auffassung, hat die demokratische Wahl anonym zu sein, aber haben die Arbeit der Abgeordneten, der Verlauf von Gesetzen, Argumente für und dagegen, Sitzungen, Aussprachen, Papiere und Dokumente nicht anonym zu sein, sondern den Bürger und den Journalisten öffentlich zu sein, es sei denn, es sprechen dringende Gründe dagegen.
Ach ja, ich habe viel gegenüber Personen zu verheimlichen, die sich mir gegenüber verheimlichen!
Mein Privatleben, welches ich in Freiheit und unbeobachtet führen möchte, meine Wahl, meine Freunde, meine Themen beim Tee und dass ich bereit wäre, mein Leben zu geben, um verrückte Regierende in allerletzter Konsequenz zu stoppen, bevor wieder massenhaftes Leid verbreitet wird. Und ich hoffe, dass unsere Regierung und Politiker genau darauf stolz sind und nicht nur diese Stauffenbergs in Filmen und nach Jahrzehnten feiern können und ich hoffe weiter, dass das fast alle in der Bevölkerung in allerletzter Konsequenz tun würden. Bevor jetzt einige das falsch verstehen, ich habe nicht „Autobahn“ gesagt und sehe wirklich keine derartige Notwendigkeit, sondern die Notwendigkeit mal öffentlich über Vor- und Nachteile der Vorratsspeicherung zu reden und abzuwägen. Genau das sollten Politiker vormachen, vernünftiges Diskutieren vormachen und keine medientaugliche News-Polemik und populistisches Geschwätz.
Für mich begründet sich die Wehrhaftigkeit einer Demokratie in der Wehrhaftigkeit, Diskussionsfähigkeit und Einigungsfähigkeit und politischen Bildung einer aufgeklärten Bevölkerung. Genau das, was im Besonderen Politiker sich zu Eigen gemacht haben sollten.
Und um nochmal einen draufzugeben, anstatt drumherum zu reden: Wer hätte gedacht, dass der Genozit im Urlaubsland Jugoslawien stattfinden könnte, so dicht, so nah, in Europa und nach *den* Erfahrungen? Ich nicht. Mir hat es gezeigt, dass wehrhafte Demokratie nicht das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht, sondern im Inneren der Bürger realisiert sein muss.
Und deswegen müsste man besonders über Änderungen bei der freiheitlich-demokratischen Grundordnung reden, sofern dies eine ist. Und wenn die Kontaktdaten von Journalisten und Geistlichen gespeichert werden dürfen, dann darf man da doch wohl von ausgehen oder wo haben sich DDR-Revoltierende getroffen oder woher bekommen Journalisten immer wieder ihre Skandalinformationen?
Warum redet niemand öffentlich über Alternativen, wie
- das „QuickFreeze“ oder
- das bestehende Gesetz der präventiv-polizeilichen Telekommunikationsüberwachung?
„Vorratsdatenspeicherung hat mit Terrorismusbekämpfung relativ wenig zu tun. Ich wäre für die Vorratsdatenspeicherung auch dann, wenn es überhaupt keinen Terrorismus gäbe.“
– Dieter Wiefelspütz: Antwort auf abgeordnetenwatch.de vom 11. November 2007
So, fertig, Grüße und ich hoffe, ich habe nicht zu oft und zu sehr über die Strenge geschlagen,
Ingo