Hallo!
Mit dem Steuersystem wird versucht, es neben dem Fiskus allen
Interessengruppen und Bürgern in jeglicher Lebenslage recht zu
machen.
Genau dies ist das Problem. Deine Schlußfolgerung „man müsse
nur…“ kann ich nicht nachvollziehen. Allein die Anzahl der
Anlagen und der Umfang der Erläuterungen ist schon erheblich.
Neben dem juristischen Deutsch.
Ehemann selbstständig, Ehefrau Arbeitnehmerin, zwei Kinder.
Kinderbetreung für das jüngste, Ausbildung für das Älteste.
Zusätzlich noch eine Wellblechhütte, die vermietet wird.
Eventuell eine Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt…
An individuellen Sachverhalten kommt einiges zusammen. Dazu noch ein privat und beruflich genutztes Fahrzeug, Aufwendungen für die Altersvorsorge, Abschreibungen für irgendwelche gewerblichen Sachen, Kosten für Zahnersatz, haushaltsnahe Dienstleistungen, Sanierung der unter Denkmalschutz stehenden Fassade, Berücksichtigung eines Verlustvortrags, als Freiberufler nach § 18 EStG erzielte Einnahmen und als Gewerbetreibender erzielte Einnahmen, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer - ein stinknormaler Steuerzahler, ein ganz normaler Fall.
Aber merkst du was? Falls nicht: Es geht durchweg um Steuererleichterungen, um Minderungen der Zahllast. Das könnte man einfacher gestalten. Welche die Steuerlast mindernden Sachverhalte sollen unberücksichtigt bleiben, damit es für den Bürger einfacher wird? .
Prost Mahlzeit!
Da sind die aber mit ihrer Erklärung längere Zeit beschäftigt.
Zunächst ist es mühsam, sich durchzubeißen. Aber abgesehen von sich ändernden Zahlen ist es im nächsten Jahr schon weitgehend eine Arbeit aus Copy & Paste. Man wird vertraut mit den Dingen. Ein Sachverhalt entfällt, irgendwo kommt Neues dazu. Wer noch nebenbei eine Landwirtschaft oder einen Handel betreibt, ist ohnehin spätestens alle paar Tage mit seinen Zahlen, mit Zahlungsein- und Ausgängen beschäftigt, aber mitnichten für’s Finanzamt, sondern viel ausführlicher als es je ein Amt fordert, im Interesse des eigenen Überblicks, der eigenen Planung und Vorausschau.
Bei jedem Schrotthändler, der in schedderigen Klamotten auf seinem matschigen Platz herumstapft, ist der PC Tag und Nacht eingeschaltet, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen, den Container mit Bronzeschrott zu verticken. Bei Landwirten mit Lagerkapazitäten ist es nicht viel anders. Jeder Kaufmann wertet permanent aus, z. B. den Erfolg einer Werbeaktion, spielt mit Excel, macht sich aus Zahlenkolonnen anschauliche Kurven. Vom Online-Höker bis zum Kneipier, der seine Aktion „Zahlen Sie, was es Ihnen wert ist“ oder das Ergebnis der letzten Ü50-Party unter Berücksichtigung der Aushilfskräfte bis zum Bierlieferanten auswerten will. Das bißchen Zeug für’s Finanzamt fällt in laufender Buchführung per Mausklick von alleine ab. Und wo es nicht von alleine abfällt, wo man gestalten kann, macht die Sache sogar ein bißchen Spaß.
Dir ist bekannt, dass behauptet wird, es gäbe kein Land der
Welt, in welchem der Umfang von Rechtskommentaren und
Steuerliteratur so ausgeprägt sei wie in D?
Vorausgesetzt, die Sprüche haben ein wahren Kern, sind sie Wasser auf die Mühlen berufsmäßiger Jammerer, die aber nicht verraten, welche steuerlich relevanten Sachverhalte sie der Einfachheit halber unter den Tisch fallen lassen wollen. Wer unbedingt möchte, kann die Einfachheit haben. Auf Anhieb fallen mir dazu 2 Methoden ein, die von vielen Leuten zelebriert werden (aber ausdrücklich nicht zur Nachahmung zu empfehlen sind):
- Man gebe nur seine Einnahmen an und zahle daraufhin den vom Finanzamt verlangten Betrag. Ist wirklich so einfach wie der Kauf eines Kaugummis.
- Man gebe gar nichts an, verzichte auf Steuerklärungen. In solchen Fällen schätzt das Finanzamt die Steuerschuld. Die wird vom Steuerpflichtigen bezahlt. Siehe da, es geht ganz ohne Papierkram.
So verfahrende Leute melden über kurz oder lang Insolvenz an und beginnen von vorne, falls das Finanzamt sie läßt und nicht wegen hartnäckiger Verletzung steuerlicher Obliegenheiten ein Gewerbeverbot ausspricht. Natürlich verfügen solche Leute ohne Buchführung nach einer Insolvenz über keinen Verlustvortrag, der einem Neustart förderlich sein könnte, aber dafür ist alles schön einfach
Ich will gar nicht bestreiten, daß steuerliche Regelungen Potenzial für Vereinfachungen und Entbürokratisierung bieten. Solange man aber jedem Einzelfall gerecht werden möchte, wird bei Vereinfachung nicht viel 'rüberkommen. Es gibt auf dem Gebiet etliche Propheten, die sich bei genauerem Hinsehen als hohle Nüsse entpuppen. Herrn Merz nannte ich schon, der zwar publikumswirsam, aber mit seinem Stufentarif am Problem vorbei argumentierte und den Uri Geller für den bierseligen Steuerstammtisch machte. Ich erwähnte auch den Vorschlag, alle Steuern in der Mehrwertsteuer aufgehen zu lassen, also nur noch den Konsum zu besteuern. Ist zweifellos einfach. Individuelle Sonderfälle gibt’s dann nicht mehr. Solche Vorschläge werden nur beklatscht, solange das Publikum nicht begreift, welche Folgen damit einher gingen.
Wenn anderweitig nach einfacherer Steuergesetzgebung verfahren wird, ist das nicht per se ein Qualitätsmerkmal. Mit weniger Berücksichtigung der individuellen Situation des Steuerpflichtigen kann man Vereinfachung haben. Man kann die Vereinfachung wie unsere Altvorderen auf die Spitze treiben, die unabhängig von der persönlichen Situation den Zehnten abzuliefern hatten. Über Steuergerechtigkeit läßt sich ewig streiten, aber so sieht sie jedenfalls nicht aus.
Das alles sage ich nicht als Steuerfachmann, der ich gar nicht bin, sondern bloß als Ing., der auch kaufmännisch tätig ist. Demgemäß kümmere ich mich wie jeder andere Normalverbraucher um die für mich relevanten steuerlichen Belange. HGB, BGB, EStG und AO nebst Anwendungserlassen sowie ein paar Auswahl-Schmöker wichtiger Gesetze stehen mit etlichen Lesezeichen versehen in einigermaßen aktueller Ausgabe zumeist als Beck-Texte im Regal - wie bei wohl jedem Koofmich. Beim Vergleich der Regalmeter mit anderer Fachliteratur geht das bißchen Zeug unter ferner liefen unter, sowohl in cm, als auch in € und Zeitaufwand. Für mich sind weder Schiffsbeteiligungen noch Feinheiten von Stiftungen oder die Gewinnermittlung bei Forstbetrieben relevant, sondern bloß der schmale Ausschnitt des mich unmittelbar Betreffenden. Das gilt für jeden Steuerpflichtigen. Man muß sich ein bißchen kümmern, mal hier und da lesen, manchen Absatz auch mehrfach, bevor er nach Zerpflücken verständlich wird. Kostet manchmal etwas Überwindung. Aber verglichen mit Tiefe und Umfang der ureigenen Fachgebiete ist es am Rande mitlaufender Kram, Für die Beantwortung einschlägiger Fragen findet man an jedem Ort der Republik, der aus mehr als 3 Gehöften und einem Zigarettenautomaten besteht, einschlägige Fachleute. Darüber hinaus in jedem Finanzamt.
Also wo genau liegt das Problem?
Gruß
Wolfgang