Hallo Horst,
Was taugt eine Hypothese, die keine Frage beantwortet, aber
hundert neue aufwirft?
Ich hatte nicht vor, so etwas wie eine wissenschaftliche Hypothese zu formulieren und hier vorzustellen.
Ich bin mir über die sich aus meinen Gedanken ergebenden neuen offenen Fragen durchaus bewusst.
Sinn der Sache ist der, dass meine Idee der Zeitschaft der Versuch ist, die Realität der Zeit so zu beschreiben, wie sie ohne unser subjektives Erleben sein könnte.
Unsere subjektive Wahrnehmung der Realität täuschte uns schon so oft, und wird uns auch sicher bezüglich dessen täuschen, was es mit der Zeit auf sich hat.
Also sollten wir danach suchen, was wir bisher als objektive Realität akzeptiert haben, was in Wahrheit aber nur eine subjektive Wahrnehmung won etwas ist, das real völlig anders beschaffen oder aussehen könnte.
Einige Punkte:
- Eine Hypothese sollte gewisse Anhaltspunkte für sich haben,
sonst ist sie Belletristik. Was spricht für deine Zeitschaft
(außer dem schönen Wort)?
Dafür spricht, dass alle wissenschaftliche Forschungen zum Thema Zeit derzeit in die Richtung zielen, dass unsere bisherige Vorstellung der Zeit (Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft) nur eine subjektive Täuschung ist, und nicht der physikalischen Realität entspricht.
Du vermengst
Sciencefiction-Phantasien (Zeitreisen) und die bekannte
Parallelweltentheorie zu einem wenig originellen Mix. Deine
Hypothese ist weder beweisbar noch widerlegbar.
Darum geht es auch gar nicht in erster Linie.
Die Idee einer Zeitschaft fügt sich in die lange Reihe der Erkenntnisse über unsere subjektiven Irrtümer und die dann vorgefundene tatsächliche Realität. Die Idee der Zeitschaft ist derzeit nicht beweisbar oder widerlegbar, aber durch die Formulierung der Idee könnte sich dies in Zukunft ergeben.
- Du sagst sinngemäß, wir erzeugen (oder öffnen) unseren
Ausschnitt der Realität durch unsere Entscheidungen. In jedem
Moment werden aber Milliarden von Entscheidungen getroffen.
Erzeugen die alle genausoviele Realitäten?
Ja natürlich!
Oder gehen die
Milliarden Entscheidungserzeuger dann gleichzeitig einen
gemeinsamen neuen Weg in der Zeitschaft?
Hier stellt sich die Zusatzfrage, WER wir denn eigentlich wirklich sind. Auch dies ist noch nicht endgültig erforscht.
Einen Moment später
müssten sich die Wege aber schon wieder splitten, da neue
Entscheidungen getroffen werden. Wie wäre da ein GEMEINSAMES
UNIVERSUM überhaupt möglich?
Wie eine Art lebendiges sich dauernd veränderndes Bild.
Außerdem könnte es sein, dass wir alle irgendwann (subjektiv nach und nach) ALLE Möglichkeiten durchleben. Weiter unten fragst Du, ob ich mir der Komplexität meiner Idee bewusst bin. Ich bin mir mehr als darüber bewusst! Ich weiß, dass ich mir die sich ergebende Komplexität nicht im geringsten Vorstellen kann, ebensowenig wie ich mir die Distanzen zwischen den Sternen und Galaxien vorstellen kann, oder die Anzahl der Sonnen im Universum. Aber hätte wir darum lieber beim kopernikaschien Weltbild verharren sollen?
Warum können Individuen sich
gegenseitig wahrnehmen, wenn doch ständig neue Entscheidungen
neue Realitäts-Zonen (Orte in deiner Zeitschaft) erzeugen bzw.
öffnen? Wie können Menschen dauerhaft zusammenleben, statt
ständig auseinandergerissen zu werden, da sie von ihren
Entscheidungen in andere Zonen katapultiert werden? WAS hält
sie ZUSAMMEN?
Sie SIND in verschiedene Varianten ihrer selbst gesplittet, und wie gesagt, vielleicht erleben wir jede einzelne davon (subjektiv nach einander und voneinander getrennt) irgendwann, jedesmal mit neuen freien Entscheidungsmöglichkeiten!
Du übersiehst die gigantische Komplexität, die
in deinem Modell steckt. Du machst dir das zu einfach. Nur von
Zeitschaft zu fabulieren reicht nicht.
Ich übersehe diese gigantische Komplexität eben nicht (wort-wörtlich!): Ich bin sogar der Meinung, dass sich die Seele (oder wie immer man nennen will, was sich verkörpert) nicht nur in Menschen, Tieren und Pflanzen verkörpern kann, sondern in ALLEN materiellen Erscheinungsformen. Lass Dir das mal kurz klar werden! Damit ist jedes einzelne Molekül, jedes Atom, jeder Planet, jeder Stein, jede Galaxis, usw. gemeint, und letztlich womöglich sogar die gesamte Einheit der materiellen Exsitenz…!
Nein, ich überblicke die Komplexität die sich daraus ergibt nicht! Aber ich halte es dennoch für möglich, genauso, wie ich es für möglich halte, dass es nicht nur eine Sonne gibt.
- Du sagst, wir wählen den Moment und den Ort der Zeugung,
und so loggen wir uns in die Zeitschaft ein. Ersteres ist ganz
klar eine Hypothese aus dem tibetischen Buddhismus (TB), die
auch ich einigermaßen vertrete.
Na ja, ich habe es nicht von dort, sondern aus meinen Überlegungen. Aber das spielt ja auch keinerlei Rolle.
Nur passt das nicht in deine
Zeitschaft. Denn im TB ist es die Dimension des BARDO, von der
aus sich die „Seelen“ in der physikalischen Welt
re-inkarnieren. Wo bleibt diese Sphäre (manche nennen sie
Astralraum) in deiner Zeitschafts-Hypothese?
Siehst Du, das ist wieder das leidige Thema, dass man scheinbar keine neue Idee verlauten lassen darf, wenn man nicht auch gleichzeitig alle damit in Zusammenhang setehenden Details schlüssig erklären kann.
Ich gebe zu, dass ich viele Details im Zusammenhang mit Zeitschaft und unchronologischrer Reinkarnation nicht erklären kann und nicht weiß.
Aber ich sehe dennoch eine Reihe von großen Eckpfeilern, aus denen sich ein in sich logisches Modell der gesamten Existenz ergeben könnte, bei dem letztlich keinerlei Fragen offen bleiben müssen. Auch nicht solche Fragen, ob es einen Schöpfer-Gott gibt, und wenn ja, woher dieser denn kommt, und warum das alles überhaupt existieren muss.
Du kannst nicht
ein Loch füllen (warum leben wir gerade im Jahr 2008?), indem
du ein anderes aufreißt (wo sind die „Seelen“, bevor sie die
Zeitschaft betreten?.
Meine Gesamtidee ist etwas umfassender: ich gehe davon aus, dass im Universum nur eine einzige Seele existiert, die sich durch alle jemals möglichen Inkarnationen ‚hindurch‘ entwickelt, bis sie schließlich zur ersten Ursache von Existenz gereift ist. Es gibt bei mir keine Mengenlehre-Probleme was Seelen betrifft, denn es ist immer wieder nur diese eine Seele, es bist immer wieder nur DU, es bin immer wieder nur ICH. Sei es Stein, sei es Mensch, sei es Dämon, sei es Gott!
Gruß,
Martin