Nochmal Österreich-Wahl: Die große Unzufriedenheit

Servus!

Anlässlich der Österreich-Wahl (in Österreich kann man das m.E. viel deutlicher sehen als in Deutschland) möchte ich mal fragen, wie es dazu kommen konnte, dass in einem Land wie Österreich (oder auch Deutschland oder mind. 2/3 aller anderen EU-Länder) eine dermaßene Unzufriedenheit und fast schon Hass und Verachtung auf das eigene Land entstehen konnte, obwohl wir nun wirklich fast durch die Bank -im historischen wie im globalen Vergleich- in hohem Wohlstand leben, sehr sicher sind, eine Lebenserwartung wie noch nie haben, annähernd rundum gesundheitsversorgt sind, fast sagen können, was wir wollen usw.etc.pp.undüberhaupt.
Alleroberste Lebensqualität.

Ich will die vielen Missstände, die es unseren Breiten gibt, gar nicht leugnen (erst recht den hohen Wert von Kritik), aber unterm Strich ist es doch so, dass z.B. die Zweite Republik in Österreich (45 bis heute) einfach absolut geil ist und für nahezu jeden Österreicher weniger Lebenshärten bereitstellt als jedes andere Regime zuvor. Jetzt, wo’s auch noch im Fußball klappt …
Und dennoch dieser Hass auf die Protagonisten der Zweiten Republik und das was Österreich lange ausgemacht hat (z.B. die sog. „Sozialpartnerschaft“)

Frage: Warum?
(und nicht allein Österreich ist gemeint)

Ist das alles nur noch sozialpsychologisch zu erklären (z.B. fehlende Aufstiegschancen usw.) oder gar individualpsychologisch (z.B. wenn es dem Menschen zu gut geht, sucht er die Gefahr, sonst wirds ihm zu langweilig)?

Gruß & Dank für Mitüberlegen
(und bitte von der „Flüchtlingskrise“ abstrahieren, denn das, worums mir geht, war schon längst vorher da)
F.

Hallo,

Deine Frage ist nicht wirklich verständlich. Geht es um die allg. Lebenszufriedenheit, das pol. System, die Parteien, die Führungselite der Parteien oder wie, oder wo, oder was? Ich ahne allerdings, auf was Du eigentlich abzielst.

https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/1/6/3/CH2088/CMS1313745345149/folder_lebensbedingungen_und_-lebenszufriedenheit_in_oesterreich.pdf
Seite 7 behauptet, dass von allg. Unzufriedenheit kaum die Rede sein kann. Ein Randproblem, quasi die zufällige Anhäufung der berühmten „Einzelfälle“. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Sind Sie mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Österreich funktioniert, alles in allem gesehen zufrieden? Da steckt schon der Wurm drinnen. Hier kann aber ein Grünen-Wähler genauso sehr unzufrieden sein wie ein strammer Ösi-Nationalist.

Hier eine Motivsammlung: https://oezp.univie.ac.at/index.php/zfp/article/viewFile/45/409

Gruß
vdmaster

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Servus,

ich denke in Österreich herrscht zum Teil das Gefühl vor, nicht mehr so viel erreichen zu können wie die Eltern. Die Zeiten, in denen ein Gehalt eine mehrköpfige Familie ernähren kann, sind schon lange vorbei und (höhere) Bildung wird immer mehr zum Maßstab. War vor ein paar Jahrzehnten noch die Matura der Schlüssel zu einer gut bezahlten Stelle, bist du heute ohne Titel (vor allem beim Gehalt) oft nur ein halber Mensch.

Vorbei sind die Zeiten des seligen Kreisky, in denen mit dem Geld unserer Generation nur so um sich geworfen wurde. In der Zeit (1970 bis 83) wurden nicht nur die Staatsschulden von 3,4 auf über 30 Mrd €. katapultiert, es wurde auch der Bevölkerung ein Leben vogegaukelt, dass sich niemand leisten konnte. Legendär bleibt sein Ausspruch, ihm würden ein paar Mrd. (Schilling) mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als 100.000 Arbeitslose. Übrig blieben hoch verschuldete Staatsbetriebe und eine Bevölkerung, die heute noch davon schwärmt wie super es nicht damals alles war.

Es ist klar, dass gerade unter den Jungen eine große Unsicherheit wächst, da sie einerseits eine deutlich düstere Perspektive haben, als noch eine Generation vor ihnen und weil sie andererseits die Auswüchse des Nationalismus nicht mehr kennen. Daher klingt vieles von dem, was die FPÖ (und die Rechten europaweit) von sich gibt sehr verlockend. Im schlimmsten Fall zahlt dann eben wieder die nächste Generation die Zeche und keiner will was gewusst haben.

Lg,
Penegrin

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Hallo,

diese Politik ist 1:1 übertragbar auf die Polititk der SPD in den 70ern bis zur „Wende“ unter Kohl. Der Keynesianismus war en vogue. Konjunktur und Nachfrage wurde durch Staatsverschuldung angeregt. Die Sozialgeschenke lullten die Menschen ein und dadurch entstand die falsche Vorstellung, dass man diese „Anrechte“ per se hätte. Lohnsteigerungen von denen man heute zurecht nur träumen kann. Die Spätfolgen wurden ignoriert.

Warum nur erinnert mich das (uferlose Geschenke+Verschuldung) gerade an GR seit Einführung des Euro? :unamused: Das hat alles aber gar nichts damit zu tun. :unamused:

Was für die Grünen ebenso gilt. Nur ist da der durchschnittliche Bildungsgrad höher. Er reicht nur nicht aus, um die Unfinanzierbarkeit aller gedachten Änderungen zu erkennen. Wollen alles, können wenig (in den erwünschten Zeiträumen).

Gruß
vdmaster

Stimmt.
Für mich auch nicht.
Mir gehts aber hier um etwas sehr Diffuses.
(konkrete Fragen würde ich mir eh ergoogeln)

Ja, um all das irgendwie zusammen gemischt.

Mit Umfragen zum Wohlbefinden usw. kommen wir, glaube ich, nicht weiter, denn gerade um diese Diskrepanz zwischen dem objektiv messbaren Wohlbefinden (Wien als die offiziell lebenswerteste Stadt der Welt usw.) und der vielen politischen und gesellschaftspolitischen Wut geht es mir. Nicht nur gegen Parteien, auch z.B. gegen die öffentlich-rechtlichen Fersehanstalten (wo der Hass gegen den ORF abermals stärker ist als gegen ARD und ZDF).
Mir gehts nicht um ein Plädoyer gegen Wut und Kritik oder gar ums Schönreden, mir gehts um das krass Überzogene, das Blindwütige daran, das aus meiner Sicht deutlich am Anwachsen ist.

Gruß
F.

Servus

Das sah man auch bei der BP Wahl:
Pflischtschule
Hofer: 43%
VdB: 12%

Lehre
Hofer: 51%
VdB: 11%

mittlere Schule
Hofer: 34%
VdB: 18%

Matura
Hofer: 13%
VdB: 39%

Universität
Hofer: 15%
VdB: 35%

Lg,
Penegrin

Hi,

das ist eine Frage, die sich mir auch stellt, auf die ich aber auch keine Antwort, nur Denkansätze habe. Ich denke, es wird eine Mischung aus all dem sein. Außerdem wird, wie das bei allen Mischungen ist, auch nicht alles auf jeden zutreffen. Aber auch in Österreich haben ja nicht alle FPÖ gewählt.
Akut natürlich die wirtschaftliche Situation, dass das Geld nicht mehr so weit reicht, wie früher. Das hat nichts mit Hungern zu tun, aber dazu später
Dazu kommt, dass zumindest gefühlt die Aufstiegschancen nicht mehr so gut sind.
Das alles kombiniert mit der Tatsache, dass die Ansprüche trotzdem noch sind, dass es den Kindern mal besser gehen soll / dass man es besser haben möchte als die Eltern. Das wird unreflektiert weitergeführt, auch wenn nach oben immer weniger Platz ist. Ich rede hier nicht davon, aus dem Sozialhilfeniveau herauszukommen - ich rede davon, dass mehrere Autos pro Familie und mindestens zweimal Urlaub pro Jahr als normal angesehen werden. Vermehrt wollen Studenten nicht mehr in ein Wohnheim, sondern bleiben bei Elterns und pendeln in die nächste Großstadt, oder nehmen sich eine Wohnung. (grad eben hat ja ein Papa hier anderswo gepostet, der seine studierende Tochter nebst Wohnung voll finanziert). Und da schließt sich der Kreis zum ersten Punkt - auch deswegen reicht das Geld nicht mehr so weit wie es das früher tat.
Weiterer Einfluss auf den Wert des Geldes hat die Technologie: natürlich ist Technologie heute billiger, aber man braucht auch mehr davon, und man braucht fast alle paar Monate die allerneueste Version, sonst ist man ja arm.
Apropos Technologie: die Berufswelt verändert sich radikal. Manuelle Jobs, in denen man durch Fleiß und Körperkraft und auch mit durchschnittlichem Intellekt ein gutes Auskommen erzielen konnte, gibt es fast nicht mehr. Selbst in dem Beruf, der früher Automechaniker hieß, muss man heute Computer bedienen und reparieren können. Nicht jeder hat dafür das Köpfchen. Das war bisher nicht schlimm, führt heute aber in die Arbeitslosigkeit Es ist ja auch nicht der Wille da, körperlich zu arbeiten, fast egal, wie viel Geld es dafür gibt. Nicht alles kann mechanisiert werden, jedenfalls noch nicht.
Die Arbeitsmarktsituation wird sich nicht verändern, vielleicht kann das BGE da etwas ändern, Kanada probiert es aus.
Und ein paar dekorative philosophische Einwürfe habe ich auch noch: Nachdenken, Wissen, sich informieren sind uncool. Zu viele nehmen sich als Menschen mit Rechten wahr, aber überprüfen ihre Ansichten nicht. Man muss eine Meinung haben, aber Wissen braucht man dazu nicht. Die globale Erwärmung ist Nonsens, weil es grad schon April ist und es überall schneit. Genauso sind Traditionen per se uncool. Alles, was Geschichte ist, ist von gestern, und von daher per se irrelevant. Warum soll man sich mit der Vergangenheit beschäftigen? In der Zukunft liegt die Zukunft.

die Franzi

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[A ge][1] :wink:

Danke für deine Ausführungen.
Da ist sicher viel dran.
Ich verstehe das als dieses „sozialpsychologische Erklärungsmuster“, das ich angesprochen habe: Abstiegsbedrohung, schlechtere Perspektiven als die Elterngeneration usw.

Aber siehst du nicht auch das, was ich das „krass Überzogene“ genannt habe? Das Selbstdestruktive daran (wenn nun der halbe Kontinent sein Heil am rechten Rand sucht), das sich für mich kaum mit diesen veränderten sozialstrukturellen Bedingungen erklären lässt.

Gruß
F.

Hi,

nachtrag. Mir ist gerade noch was zu Glück eingefallen. Gelesen habe ich es , glaube ich, in Eagleman, David, Incognito. the secret lives of our brain. An einer Stelle zitiert er dort eine Studie über Zufriedenheit und Glück. Probanden bekamen Gemäldereproduktionen gezeigt und konnten sich eine davon aussuchen, die sie als Geschenk mitnehmen durften. Anlass war ein Fragebogen, der vorher ausgefüllt wurde, eine vorgebliche Umfrage. Eigentlicher Untersuchungsgegenstand war aber die Aktion mit dem Gemälde. eine Hälfte der Probanden bekam gesagt, dass sie sich an Ort und Stelle entscheiden müssen, welches Gemälde sie mitnehmen. Die andere Hälfte der Probanden bekam gesagt. dass sie sich jetzt ein Gemälde aussuchen können, ihre Entscheidung aber zu jedem Zeitpunkt in der Zukunft revidieren und das Gemälde umtauschen können, so oft sie wollen, unendlich lange.
Danach wurde die Zufriedenheit der Probanden gemessen. Die Gruppe, die sich an Ort und Stelle entscheiden musste und die Entscheidung dann nicht rückgängig machen konnte, war wesentlich zufriedener als die andere. Deren Zufriedenheit verbesserte sich auch durch Umtausch nicht. (Wer sich für mehr Details interessiert, sollte das buch lesen, ist überhaupt sehr interessant).
wenn der Mensch so gestrickt ist - ob wir dann in unserer Welt voller Möglichkeiten, Rechte und 'Freiheiten überhaupt glücklich werden können?

die Franzi

Danke für die vielen Denkansätze - auf die ich nicht näher eingehe, weils ich es wie du sehe, dass es sich um ein Gemisch handelt und jeder einzelne Punkt für sich nicht viel erklären kann.

Als Psychoanalytiker neige ich natürlich sehr dazu, diesen Aspekt, in so großer Zahl hinter der Elterngeneration zurückbleiben zu müssen (das ist quasi in unserer Terminologie eine ‚ödipale Niederlage‘), für besonders wirkmächtig zu halten.
Da ist aber wohl kein politisches Kraut dagegen gewachsen - außer Kampf und Vernichtung mit Wiederaufbau (von was auch immer) :pensive:

Gruß
F.

Dabei gibt es so schöne Worte: Fundamentalismus, Radikalismus und Extremismus. Nicht im Kontext einer Parteipolitik oder nach simplem links-rechts-Schema, sondern bzgl. einer pol. Grundeinstellung gegen die staatlich institutionalisierten Eliten. Klingt nach Psycho-Sozi(Wi). Puh, das können nur Mosaikstückchen sein.

Daher nochmal konkreter: Geht es um feindl. Einstellungen des Bürgers gegen das (vermeintliche) „System der Fremdbestimmung“? Also das Wutbürgertum?

Wir haben ja linkes und rechtes Wutbürgertum. Beide halten sich für sehr demokratisch, wenn auch mit unterschiedlichen Stoßrichtungen.

Gruß
vdmaster

Thx.
Dazu fällt mir, offenbar auf ähnliches zielend, ein großer soziologischer Klassiker ein, den wir damals alle im Studium gelesen haben:

Ich neige andererseits aber auch dazu, einen deutlichen Rückgang an Möglichkeiten in der heutigen Gesellschaft zu sehen. Zum Beispiel die alten innerbetrieblichen Aufstiegswege (auch über Gewerkschaften usw.), die es früher auch dem Volksschüler möglich gemacht haben, zu Ansehen und Selbstzufriedenheit zu kommen, sind irgendwie gekappt. Der durchschnittliche Volksschüler geht heute von der Schule habe und weiß, dass er es nie zu was bringen wird (außer durch DSDS usw.)

Gruß
F.

Ja, um Wut als dauerhafter politischer Grundhaltung gehts mir vor allem.
Das sehe ich aber heute tatsächlich fast nur rechtsaußen, denn z.B. den durchschnittlichen S21-Gegner würde ich jetzt nicht im Sinne dieser „Grundhaltung“ als Wutbürger bezeichnen. Dessen Wut ist mehr oder minder ‚objektbezogen‘, sage ich jetzt mal so uninformiert.

Gruß
F.

Natürlich ist die Reaktion sehr oft überzogen und in vielen Fällen ungerechtfertigt. Mir ist beispielsweise aufgefallen, dass besonders zwei Bevölkerungsgruppen besonders auf das Asylthema ansprechen. Das sind zum einen besser Gestellte, die von der Asylthematk kaum bis gar nicht betroffen sind. Trotzdem hört man hier sehr öft abschätzige Kommentare, die ich an dieser Stelle gar nicht wiedergeben möchte.

Die andere Gruppe sind eben Leute mit geringerer Bildung, die aus irgendeinem Grund befürchten, ihre Jobs an Asylbewerber zu verlieren. Also quasi ‚die kleinen Leute‘, auf die die FPÖ in den letzten Jahren einen feuchten Dreck gab. Wie sozial die FPÖ wirklich ist, kann man ja hier mal nachlesen.

Aber da sind wir eben wieder beim geringeren Bildungsgrad der Wählerschaft.

Lg,

Hallo,

dabei ignorierst Du aber geflissentlich die undemokratischen Verhaltensweisen einiger „Verteidiger der Demokratie“, sobald kleinere Ableger von PEGIDA demonstrieren. Ebenso die Shitstormaktionen von radikaleren Befürwortern der Flüchtlingspolitik Merkels oder gar die gegen staatliche Institutionen gerichteten Demos extremer Linker (Polizei als Feind). Bis hin zu konkreten Androhungen, dass man Clausnitz einebnen würde, falls noch einmal ein Flüchtling bedroht werde.

Das Bild wird sich natürlich für 2015 nach rechts verlagert haben (wg. 1 Mio. Asylbewerbern). Von 2009 bis 2014 waren die Linken bei der politisch motivierten Gewaltkriminalität noch klar in Führung (Seite 2 ). Die Straftaten gegen Leib und Leben hielten sich die Waage, bei den Straftaten gegen Sachen müssen die Linken daher ihren Vorsprung rausgearbeitet haben.

Wenn es einen Brandanschlag gegen Einrichtungen der Bahn gibt, dann wird daraus eine Randnotiz. Sobald aber massierte Pöbeleien von rechts gegen Flüchtlinge kommen, dann schäumen die Medien über. Fünf abgefacktele Autos von Konsumkritikern scheren niemand, Ein Polizeigriff gegen einen 15jährigen Flüchtling führen fast zur kleinen Staatskrise.

Beispiel: Der Brandanschlag in Bautzen. Für sich schon schlimm genug. Die Medien stürzten sich aber vor allem darauf, dass es Jubel unter Zuschauern gab und die Feuerwehr behindert wurde. Allerdings werden keine konkreten Zahlen genommen. Es wird nur emotionalisiert und ein diffuser Verdacht geschürt: alles Nazis.

Fakt ist, dass es immer Schaulustige gibt, die auch johlen. Es sollten aber die Bilder aus den 90ern heraufbeschworen werden. Tatsächlich gab es nur drei besoffene Zuschauer, die auch die Einsatzkräfte behinderten, bei denen aber (noch?) keine fremdenfeindlichen Hintergründe erwiesen sind oder sich Verdachtsmomente erhärteten. Etikettiert wurde sofort nach den ersten Meldungen. Daher einmal eine Nachlese:

Wenn aber eine aufgegeilte Medienmeute nur an die Schlagzeile denkt, die Quote pushen will und jeder noch eine Schippe oben drauflegt, dann wird sich bei den Einwohnern selbst und deren sozialem Umfeld Empörung ausbreiten und die Wut darüber, dass man „schlecht gemacht“ wurde.

Ich glaube, dass die sozialen Medien (Fatzebuck u.a.) eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Ärger über nicht nachvollziehbare Entscheidungen zu kanalisieren und zu erhöhen. Die wirrsten Theorien finden einen Resonanzraum und sind Multiplikatoren. Parteien und Medien verlieren zu gutem Teil selbstverschuldet an Bindungskräften. Das System war sich lange Zeit selbst genug und holte den Bürger nur zur Stimmabgabe ab. Die Funktione der Meinungsbildung von der Basis aus in die Spitze war unterbrochen. Ein hervorragendes Beispiel dafür war die desaströse Art wie die SPD in NRW kürzlich einen Ortsverband abkanzelte, weil er eine Demo gegen die ungerecht empfundene, kommunale Aufteilung der Flüchtlingsunterbringung initiieren wollte. Noch „besser“ war die Orchestrierung des letzten CDU-Parteitages bei dem mit allen Mitteln ein Antrag zu Obergrenzen verhindert wurde. Da wird innerparteiliche Opposition verhindert. Wie angepisst wohl Kritiker von der Basis sind, wenn nicht einmal über einen Antrag abgestimmt werden soll, weil er vielleicht eine Knitterfalte in Merkels Kostüm hinterlassen würde? Ich denke, dass Teile der Basis mit stinkewütend sind.

Die Abgabe von nationalen Souveränitätsrechten an eine supranationale Organisation ist stets schwer vermittelbar. Dies vor allem deswegen, weil die EU ja nur ein quasidemokratischer Haufen ist. Die machtvolle Kommission wird nach Staatenproporz besetzt. Entscheidungen werden im Vorfeld zwischen ihr und den nationalen Regierungen gefertigt. Jeder noch so mickrige Zwergenstaat kann sich querstellen. Wahrscheinlich wissen nicht einmal 5% der europäischen Bevölkerung, dass am Ende alle gesetzlichen Regelungen immer noch vom EU-Parlament abgesegnet werden müssen. Das taucht aber in den Medien kaum auf, wird nicht durchleuchtet, ist kein „sexy“ Thema.

In Bremen hat man jüngst das Rundfunkgesetz wg. der AfD geändert. Wie kann man nur so verblödet sein? Das ist ein schlagender Beweis dafür, dass die Politik die Medienlandschaft mit Vorsatz aus Eigennutz manipuliert und sich für diese Heldentat auch noch auf die Schulter klopft. Ha, ha, Demokratie verteidigt :rage:. Nein, damit ist das noch lange kein Staatsrundfunk. Aber für weniger Informierte lässt sich der Eindruck schnell in diese Richtung lenken.

Wie das nun in A aussieht, darüber wirst Du besser Bescheid wissen.

Gruß
vdmaster

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Hallo,

immer gern verwendetes Argument, dass allerdings allein zu simpel ist. Die sind halt leider etwas doof, daher sind auch ihre pol. Entscheidungen dumm. Schau noch einmal hin: Das ist das frühere Wählermilieu der SPD und SPÖ aus den 70ern. http://derstandard.at/2000035556396/Wer-wen-warum-gewaehlt-hat Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. https://homepage.univie.ac.at/florian.walter/Materialien07/08_Partizipation%20in%20Parteien%202.pdf (trad. Wählermilieus, Seite 9)

vdmaster

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Servus

Normalerweise würde ich geringere Bildung nicht mit geringerer Intelligenz gleichsetzen. Wenn ich da aber lese, dass das wichtigste Wahlmotiv bei Hofer „jung und dynamisch“ ist, fällt mir das doch schwer :stuck_out_tongue_closed_eyes:

Auffallend auch, dass sympathisch mit großem Abstand auf Rang zwei steht, spricht Bände. Schaute ich mir nur die Diskussionsrunden bzw. die Facebookauftritte an, käme ich vielleicht zu einer ähnlichen Einschätzung. Geht man aber etwas tiefer, und schaut sich an was Hofer in den letzen Jahren so getrieben hat, sieht das wieder anders aus. Und da wage ich jetzt mal zu behaupten, dass Wähler mit höherer Bildung sich eher mehr für Hintergründe interessieren.

Lg,
Penegrin

Hallo F,

verstehe ich den Teil zu direkt und übersehe eine Metapher?
Die Liebe zum Land und der Stolz auf die Heimat ist bei uns sehr ausgeprägt und
ist ein Grundpfeiler der österreichischen Mentalität.

Ja, der Lebensstandard und die Rundumversorgung ist in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen und wer nicht aus dem Raster gefallen ist, könnte und sollte zufrieden sein. Wird auch gerne gepredigt und nicht nur in der Kirche, auch in Familien, in Betrieben, in der Politik und überall dort, wo wenig Gleichgewicht herrscht.

Ich würde die Stimmung in Österreich nicht mit Hass ausdrücken, sondern mit Feindseligkeit!
Und Verachtung ist da, schon viel länger als nur einige Jahre zurück und immer mehr spürbar. Der Schein wurde immer größer und das Sein immer weniger mit Stolz und Würde zu empfinden. Querbeet durch alle sozialen Ebenen.

Ich schreibe jetzt mal wahllos einige Beispiele, damit du mich jetzt hier besser verstehst, wie ich den Wandel erlebt und gesehen habe.
Es ist löblich, wenn man einen Bildungsstand so hoch wie möglich erreichen will. Es ist löblich wenn man die Schwächeren mit Sozialleistungen stützt und jedem Staatsbürger eine Mindestsicherung zusteht, das gab es früher nicht.
Früher wurden viele soziale Aufgaben von den Betrieben übernommen, ob privat oder verstaatlicht, ob Handwerk oder Industrie. Die Personaleinheiten beinhalteten auch Platz für nicht gewinnbringende Arbeiten und Ausbildung und auch Menschen mit weniger hohen Qualifikationen hatten ihren Platz in der Arbeitswelt und dadurch Stolz auf ihre Leistung.

Dann kam der Wandel zu immer mehr gewinnorientierter Leistungsgesellschaft und weniger Staat und mehr Privat in der Wirtschaft, aber dafür wurden die vielen Menschen - die sich mit der Leistungsgesellschaft durch unterschiedliche Weise schwer tun - verstaatlicht.
Die Betriebe zahlen viel an den Staat, damit dieser die hohen Sozialleistungen bringen kann, dafür zahlen sie dem Großteil der Arbeitnehmer immer weniger - die sich fragen warum sie arbeiten gehen, wenn sie nur knapp über der Mindestsicherung verdienen - und das macht die wenigsten Österreicher dankbar.

Man weiß man muss in Österreich nicht verhungern, man weiß es gibt ein Fangnetzt wenn es mit der Karriere nicht so läuft und man weiß, entweder man ist ein zu 100% und mehr funktionierendes Arbeitstier oder Personalnummer, sonst ist man schnell wegrationalisiert und das macht die wenigsten Österreicher dankbar.

Klar wir haben im Durchschnitt einen hohen Lebensstandard, man weiß aber auch der Staat ist so hoch verschuldet wie noch nie und auch die Bürger leben immer mehr auf Pump, um einen Schein zu leben.
Der Jugend geht es gut, wurde mit jeder Generation immer besser. Nur früher „War man schon wer“ mit einer kleinen bescheidenen Startwohnung, mit einfallsreicher und fast kostenlosen Einrichtung und mit einem Fahrrad/Moped vor der Tür, denn mit 18 war ein Auto ein Wunschthema und man war glücklich wenn man einige Jahre später eine Schrottkiste sein Eigen nennen durfte.
Um Freunde zu empfangen, brauchte man nur gegen das Establishment zu sein, Musik zum abwinken und eine Bohnensuppe und genug zu Trinken, dann wurde der Abend gemütlich und stressfrei.
Um heute Anerkennung zu spüren braucht ein junger Mensch schon sehr viel mehr Geld und Lifestyle und Mainstream und auch dann haben sie Stress sich akzeptiert und wohlfühlend zu empfinden. Dann muss es halt noch ein bisschen mehr sein, koste es was es wolle!

Ich verzettele mich, was wollte ich dir eigentlich sagen?

Ah Ja, Missstände - Zweite Republik - Kritik und unterm Strich und eine Abrechnung mit der Sozialpartnerschaf!

Ich komme noch aus der Zeit, wo Vorbild sein In war und es die Menschenrechte schon gab und umgesetzt werden mussten, da war noch weltweit nichts eitle Wonne.
Und etwas besser wurde es, so glaube ich und hoffe ich und auch auf nicht zu viel Rückschritt.

Was wird von den etablierten Parteien vorgelebt? Feindschaft!
Was schwellt quer durch Österreich? Feindschaft!
Was wird gegenüber aufstrebenden Parteien und Strömungen vorgelebt?
Feindschaft!
Was wird bei Asylsuchenden vorgelebt? :unamused:
Ich bin nicht wirklich gut in Slogan, aber ich übe und werde demnächst Präsidentin!

Selina

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Übersehen tu ich das nicht, aber geringer bewerten.
Demos und Shitstorms, selbst Chaostage oder 1.Mai-Krawalle, sind politisch schon nochmal eine ganz andere Hausnummer als zweistellige Wahlergebnisse bei Landtagswahlen oder auch Polen, Ungarn, FPÖ, Le Pen usw.
Ansonsten sehe ich dieses Wut-und-Hass-Grundgefühl, von dem ich hier spreche, schon auch im linken Spektrum auffindbar.

Ja, sehe ich auch so.
Hab Dank auch für die anderen Ausführungen und Beispiele.

Gruß
F.

Nein, das war keine Metapher.
Die Freiheitlichen und ihre Sympathisanten, bei aller besonders stark zur Schau gestellten Heimatliebe, hassen und verachten dieses konkrete Österreich, wie es heute ist, aus meiner Sicht stärker als alle anderen.
Das ist für mich eher ein Wunsch-Österreich-Zerrbild, das da so geliebt wird.

Danke für die vielen Beispiele.
Die habe ich mit Interesse gelesen.

Gruß
F.