Hallo!
Glaube ich noch nicht. Man nähert sich allenfalls dem Ende der Ouvertüre. Vorhersehbar wird es bis zum Urteil Herbst werden. Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, werden sich die Rechtsanwälte der Beklagten, vielleicht auch die Staatsanwaltschaft darüber her machen, Revisionsgründe auszugraben. Zu viel blieb im Dunkeln. Ich gehe davon aus, dass die Genannten die Rohfassung der Revisionsgründe bereits parat haben. Danach geht’s vor den BGH. Der könnte entscheiden, den ganzen Fall unter besonderer Berücksichtigung von … (setze hier einen von Dutzenden möglichen Sachverhalten ein) neu zu verhandeln. So wird es in den Folgejahren geschehen. Die Erwartung, dass ein bald gesprochenes (erstinstanzliches!) Urteil rechtskräftig wird und dann Schluss ist, halte ich für abwegig.
Wahrheitsfindung und rechtsstaatliche Gerichtsverfahren sind eigene Werte, die sich wie viele andere Werte nicht in Euro und Cent aufwiegen lassen. Selbst wenn man die Bewertung zustände brächte, wäre sie witz- und folgenlos. Oder willst Du Gerichtsverfahren irgendwann mittendrin abbrechen, Zeugen nicht hören und Sachverhalte unberücksichtigt lassen, weil irgend ein Erbsenzähler das Ende des Prozesses wegen Ausschöpfung des Kostenvoranschlags verkündet? Und dann werden die Beteiligten alle nach Hause geschickt und gut ist’s … Bildzeitungsleser werden um Abstimmung über das zu verkündende Urteil gebeten … unter den Teppich kehren, Akten schreddern und vergessen? Sorry, ist vorsätzlich unsachlich.
Man kann schon mal darauf verzichten, mit viel Aufwand zu klären, ob jemand 10 oder 20 Millionen hinterzog, weil es für die Beurteilung der Tat, die Feststellung der Schuld und auch fürs Strafmaß kaum von Bedeutung ist. Aber beim NSU-Prozess geht es um sehr viel mehr. So kann man Frau Tschäpe eine Brandstiftung, aber keine Beteiligung an Mordtaten nachweisen. noch überhaupt ihre Rolle dabei erhellen, ganz zu schweigen von der Rolle diverser staatlicher Stellen.
Ein Verfahren zu beschleunigen, indem man die Rechte unmittelbar betroffener Bürger als Nebenkläger beschneidet, hielte ich für eine der Rechtsstaatlichkeit abträgliche Methode. Zudem würde sie im vorliegenden Fall keine wesentliche Beschleunigung bewirken, Die Probleme liegen nicht bei den Opfern/Nebenklägern, vielmehr konnten bisher Sachverhalte/Taten und Tatbeteiligte einschließlich mutmaßlich beteiligter Staatsdiener nicht ausreichend geklärt werden.
Jetzt den Hebel bei den Kosten juristischer Aufarbeitung anzusetzen, hielte ich für einen fatalen Fehler. Die Ursachen für die schwierige Wahrheitsfindung liegen zu einem beträchtlichen Teil in der unaufgeklärten Rolle etlicher Behörden und Staatsdiener, die mauern, Akten nicht rausrücken oder rechtzeitig vernichteten. Wer von einem Trio mit ein paar kleinkriminellen Helfern ausgeht, muss blind und taub sein. Der Fall ist hoffentlich noch lange nicht beendet.
Viele Fälle brauchen jahre- und jahrzehntelange Aufklärungsarbeit. Deshalb wurde die Verjährungsfrist für Mord abgeschafft, übrigens gegen Widerstand der Irgendwann-muss-doch-mal-ein-Schlußstrich-gezogen-werden- und der Was-das-alles-kostet-Fraktionen.
Gruß
Wolfgang