Hallo Christian!
Die Vorgänge sind geeignet, das Ansehen Deutschlands schwer zu beschädigen, dieses Land in ::den Augen der Weltöffentlichkeit als Nazi-Augiasstall erscheinen zu lassen.
tatsächlich „genießt“ die ganze Affäre lediglich in der Türkei eine gewisse Aufmerksamkeit. In :einem Land also ( … ) das sich für die Achtung der Menschenrechte weltweit höchsten Respekt :erarbeitet hat und dessen Justiz für seine gerechte und angemessene Behandlung
Ob wir uns einen Gefallen tun, türkische Gepflogenheiten zum Maßstab hiesiger Vorgehensweise zu machen, um dann alles in bester Ordnung zu finden?
Im Endeffekt ist doch eh wurscht, ob der ganze Gerichtssaal nun mit deutschen, türkischen oder :chilenischen Reportern gefüllt ist: die Haupttäter sind tot und der Rest bekommt mehrjährige
Haftstrafen.
Genau so wird’s wohl kommen. Die Bösen sind entweder tot oder eingebuchtet, das Problem ist damit erledigt und wir können zur Tagesordnung übergehen…
und man wird genau die Gründe anführen, die Du aufgezählt hast, um den Deutschen, der :deutschen Gesellschaft sowie der deutschen Exekutive und Judikative auch 70 Jahre nach
dem Ende des 2. Weltkrieges eine rechtsextreme Grundhaltung attestieren.
Nach Ende des Krieges hatte sich an der Geisteshaltung, die zum Krieg führte, wenig geändert. Hitler und ein paar weitere Galionsfiguren lebten nicht mehr, aber das sie zuvor tragende Volk war nach wie vor dasselbe Volk, an den meisten Schaltstellen saßen noch die gleichen Leute und sorgten auch bei ihrer Nachfolge für weitgehende Kontinuität.
Veränderungen des Denkens brauchen Generationen und so ganz stirbt der alte Mist nie aus, taucht in Variationen immer wieder auf. Inzwischen wäre es abwegig, von rechtsextremer Grundhaltung in der Breite der Gesellschaft zu reden. Dennoch ist faschistoides Gedankengut verbreitet, oft ohne daß sich die Träger des Gedankenguts dessen bewußt sind. Extremismus, zumal in Kombination mit Gewaltbereitschaft, ist egal aus welcher Richtung immer widerwärtig. Aber von rechtsaußen kommend ist er so uralt und tief verwurzelt, daß er vielen Menschen erst bei Gewaltexzessen auffällt, ansonsten aber kaum wahrgenommen, als nicht zu beanstanden angesehen wird oder als Patriotismus durchgeht.
Dabei war es für junge Menschen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik einfacher, den Irrweg der gerade erst zu Ende gegangen Naziherrschaft zu erkennen, als es heute der Fall ist. Die damaligen Alten, Lehrer und Eltern konnten auf die simpelsten Fragen nach ihrem Tun nur mit Erinnerungslücken, erkennbar unglaubwürdigem Nichtwissen oder hohlen Phrasen antworten, waren damit ausgeschlafenen jungen Leuten nicht gewachsen und konnten am Ende nur mit Disziplinarmaßnahmen reagieren. Dieses Verhalten flog der unmittelbar involvierten Nazi-Generation in den 60er Jahren heftig um die Ohren. Gut so.
Nebenbei: es ist ja nicht so, daß dem Gericht völlig fremd und dazu noch egal gewesen wäre, :daß es sich bei den meisten Opfern um Menschen türkischer Abstammung handelte und daher in :der Türkei und im türkischen Teil der Bevölkerung ein größeres Interesse bestehen dürfte:
http://de.wikipedia.org/wiki/NSU-Prozess#Gerichtssaal
Danke für den Hinweis auf den Wiki-Beitrag. Dort fehlt die Erwähnung des fehlerhaft gelaufenen Windhundverfahrens für die Zuteilung der Presseplätze. Ich werde mir dieser Tage die Zeit nehmen, den Beitrag zu ergänzen. Dabei ist mir nicht daran gelegen, dem Gericht am Zeug zu flicken. Wo Menschen arbeiten, können nun mal Fehler passieren. Aber es ist ein Mosaiksteinchen in einem desaströsen Gesamtbild. Nichts, aber auch wirklich gar nichts klappte bei staatlichen Stellen. Weggucken, Vertuschen, Versagen – natürlich alles purer Zufall. Nach meinem Geschmack ein bißchen zu viel Zufall.
Gruß
Wolfgang