Oma im Knast wegen Schlagsahne

Nicht zwingend, wobei „das Volk“ - in dessen Namen immerhin sämtliche Urteile verkündet werden - es zumindest bei diesem speziellen Vergehen zu einem Gutteil so sehen mag.
Ja, die beiden sind Säue. Sie sind keine Opfer ihrer selbst, die das eigentlich gar nicht wollten, aber halt nicht anders konnten - sonst hätten sie reumütig alles zugegeben und möglicherweise mehr oder weniger freiwillig ein Therapieangebot angenommen, anstatt die Aussage zu verweigern, sie sind einfach Säue.

Aber glücklicherweise haben wir ja einen Rechtsstaat, der selbst die perversesten Säue vor Lynchjustiz schützt und glücklicherweise differenziert der Gesetzgeber ja durchaus verschiedene „Schweregrade“ sexuellen Missbrauchs und sanktioniert die auch unterschiedlich…

… aber ob es nun tatsächlich drei Übergriffe waren oder sieben, mag der eine oder andere Richter für das Strafmaß relevant sehen, für das einfache, aber anständige Lieschen Müller ist es Jacke wie Hose: Er/Sie hat ein Kind missbraucht. Aus ihrer Sicht sind die fünf Jahre vielleicht zu wenig, aber zumindest sollte er das Strafmaß annehmen und dem Kind weitere Belastungen durch eine neue Verhandlung ersparen. Rein rechtlich verhält er sich natürlich einwandfrei, aber ist damit alles gut?

Gruß,

Kannitverstan

Das Recht, die Aussage zu verweigern, gehört zu den klassischen Rechtsgrundsätzen und ist schon aus dem römischen Recht bekannt und übernommen worden („Nemo tenetur se ipsum accusare“). Dieser Rechtsgrundsatz war sogar dem damaligen Generalstaatsanwalt am Hanseatischen Oberlandesgericht so wichtig, daß er bei einem Verfahren im Jahre 1965, an dem er dienstlich nicht beteiligt war, persönlich und als Privatperson auftauchte und darauf hinwies, daß die Aussageverweigerung dem Angeklagten (bzw. in dem Fall der Angeklagten) nicht negativ ausgelegt werden darf.

Das macht den Rechtsstaat aus, daß er nämlich - egal, wer warum vor Gericht steht - jedem die gleichen Rechte einräumt. Und wir sollten sehr froh sein, daß wir heute in einem Leben, auch wenn wir mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals vor einem Strafsenat stehen werden. Es gab genug Zeiten in Deutschland, in denen man vor dem Strafrichter stand, nur weil man der falschen Partei oder dem falschen Glauben o.ä. anhing und genau aus dem Grunde kaum eine Chance auf einen fairen Prozeß hatte.

Alles gut ist in so einem Fall nie. Aber es geht fast immer schlimmer und auch weniger schlimm und deswegen hat der Gesetzgeber bei fast allen Taten Spannbreiten für das Strafmaß vorgesehen. Und natürlich ist es für das Opfer von Belang, ob es dreimal oder dreihundertmal mißbraucht wurde (offensichtlich). Ob am Ende ein Unterschied zwischen drei- und fünfmal besteht, sei dahingestellt, aber auch die perverseste Sau hat ein Recht darauf, nur für das verurteilt zu werden, was es an Taten begangen hat. Und jeder Straftäter hat das Recht, die Rechtsmittel auszuschöpfen, die der Gesetzgeber vorsieht. Denn genau dafür bzw. für jeden hat der Gesetzgeber die Rechtsmittel eingeführt. Auch hier wieder der Hinweis auf dunklere Zeiten in unserer Geschichte: die Rechte stehen heute jedem zu und wir tun gut daran, uns daran zu erinnern, wie es war als das nicht der Fall war und so manches Verfahren mit dem Genickschuß endete - ohne Möglichkeit auf Rechtsmittel. Das mag im konkreten Fall weit hergeholt klingen, aber ein Rechtsstaat und dessen Bevölkerung muß es verkraften können, wenn auch in ganz abscheulichen und vermeintlich offensichtlichen Fällen alles seinen geregelten Gang geht.

Gruß
C,

Sorry, aber Deine „Argumentation“ beschränkt sich darauf, dass Du es aus Bauchgründen nicht gut findest.

Es ist schon sehr gut, dass unsere Gerichte eben nicht aus dem Bauch heraus entscheiden, sondern jeden Fall individuell unter Berücksichtigung aller vorliegenden Fakten vor dem Hintergrund der bestehenden Gesetzeslage urteilen.

Gruß
Guido

1 Like

Da stimme ich doch vollkommen zu.

Du hast aber offenbar nicht begriffen, dass ich nirgendwo dieses Urteil kritisiert habe, sondern die politischen Grundlagen dafür, inklusive der Verteilung der Steuermittel auf die einzelnen Bereiche.

Wir diskutieren hier schließlich nicht in „Recht allgemein“ , sondern in „Inlandspolitik allgemein“!

Und deshalb:

Wenn ich als zentralen Punkt meiner Argumentation vorgebracht habe „Mir als Staatsbürger/Steuerzahler ist es das nicht annähernd wert, für Oma Ingrid 30.000 Euro Gefängniskosten auszugeben“, und du und Christian sinngemäß antwortet „Das muss einem der Rechtstaat schon wert sein, das soll man nicht ökonomisch abwägen“, dann finde ich, bei allem Respekt für euch, es nicht so, dass ich es bin, der aus dem Bauch heraus argumentiert hat.

Gruß
F.

1 Like

Und das ist Dein Problem.

Es gibt einen Rechtsstaat mit Gesetzen, Strafmaßen und sich daran orientierenden Urteilen.
Das hat nichts mit Bauchgefühl zu tun.

Way „Du findest“ hat ausschließlich etwas mit Bauchgefühl zu tun.

Wir drehen uns im Kreis, da ich mich auf unser weitgehend funktionierendes rechtsstaatliche Prinzip berufe und Du … ja, was genau eigentlich?

Einigen wir uns auf Deine Meinung, die natürlich jedem zusteht, ok?

1 Like

Das kann ich ganz genau sagen, was mein Hauptaspekt war:
(und nur das war ja Teil meines Ausgangspostings, danach haben sich natürlich sprunghaft alle möglichen Themen aufgemacht)

Der Staat handelt bei der Verteilung der Gelder ineffizient, wenn er zu viel Geld für teure Strafen bei Kleinstdelikten ausgibt, wie exmplarisch sichtbar beim Fall „Oma Ingrid“, und zu wenig für die Aufklärung von Taten in Diebstahls-Deliktbereichen wie Fahrraddiebstahl und Einbruchsdiebstahl.

Das ist doch eine völlig direkte, und an sich gut nachvollziehbare, Antwort auf die (allzu pauschale) UP-Frage, was in D so alles grundsätzlich schief laufe in diesem Bereich.
Eine Frage, wie gesagt, die als inlandspolitische Frage gestellt wurde, nicht als Frage der Rechtssprechung, schon gar nicht als bloße Frage nach dem Urteil in diesem speziellen Fall.

Aber wohl besser noch darauf, dass wir ziemlich aneinander vorbei geredet haben.

Gruß
F.

Wohl eher mit der Bedeutung, die das Eigentum für die besitzende Klasse hat, die die Gesetze damals bestimmt hat.

Hat sich übrigens nicht sooo viel dran geändert, nur die Mittel zur Bestimmung sind etwas aktualisiert worden. Man nennt sie jetzt ‚Lobbyarbeit‘.

Um genauer zu sein, wäre also

durch

„das hiesige politische und Wirtschaftssystem“

zu ersetzen. Ja, das leuchtet ein.

Schöne Grüße

MM

1 Like