Ortsnamen lokal und standardisiert

Liebe Dialektiker,

der Hohenloher Zweig des Hasen/Hosenthreads hat mich auf eine Frage aus der Kategorie „Themen, die die Welt nicht braucht“ gebracht. Konkret an die lokale Aussprache des Ortsnamens Mergentheim erinnert, welches, wenn man den Namen vor Ort hört, als „Merchedool“ den gleichen Namen trägt wie 01683 Mergenthal. Manches spricht dafür, dass Mergentheim für wenigstens gleich viele Familien Mergenthaler verantwortlich ist wie Mergenthal selber. Wenn man die beiden Namen geschrieben nebeneinander sieht, haben sie gar nicht mehr so viel gemeinsam.

Schreibweisen von Ortsnamen hängen stark davon ab, welcher Schreiber sie irgendwann vielleicht im 16. - 18. Jahrhundert in die Feder bekommen hat. Man würde etwa den heute geschriebenen Ehingen, Apflau und Retterschen nicht anhören, dass die Namen Egnâ, Apflâ und Retterschâ die gleiche Endung haben. Auch nicht dem heutigen Tettnang, dass es als Detlang die gleiche Namensstruktur hat wie Hindelang.

Nach all diesem Rumgeeiere die Frage, die mich interessieren täte:

Wer kennt andere mehr oder weniger interessante Beispiele für Ortsnamen, deren heutige Schreibweise wie im Fall Merchedool nicht bloß in der Aussprache, sondern gänzlich vom „eigentlichen“ lokalen Namen des Ortes abweicht?

Es dankt in freudiger Zuversicht

MM

Hallo,

Wer kennt andere mehr oder weniger interessante Beispiele für
Ortsnamen, deren heutige Schreibweise wie im Fall Merchedool
nicht bloß in der Aussprache, sondern gänzlich vom
„eigentlichen“ lokalen Namen des Ortes abweicht?

vermutlich nicht ganz, was Du suchst, aber ich bin heute in der wikipedia über Bangkok gestolpert: http://de.wikipedia.org/wiki/Bangkok#Der_Name_der_Stadt

Gruß,

Malte.

Servus Malte,

doch, das passt sehr gut in die Richtung - obwohl ich nicht recht verstanden habe, was dagegen spricht/sprach, den sehr schönen Namen zu gebrauchen. In einer deutschen Kolonie wär das klar gewesen: Er passt nicht in die Formulare…

Und wenn man dabei noch berücksichtigt, dass

Llanfair­pwllgwyn­gyllgo­gerychwyrn­drobwll­llanty­silio­gogogoch,

welches mit bloß 58 Buchstaben den Guiness-Eintrag bekommen hat, eigentlich ein Fake ist, weil es zu der Eisenbahnhaltestelle ursprünglich gar keine Siedlung gab und auch jetzt noch keine wesentliche gibt, darf man der „Stadt der Engel“ (das ist das einzige, was ich mir gemerkt habe) schon einen Ehrenplatz bei den „anders geschriebenen als gesprochenen Orten“ geben.

Noch einige schöne Reisen an erfreuliche Orte wünscht

MM

Servus Malte,

doch, das passt sehr gut in die Richtung - obwohl ich nicht
recht verstanden habe, was dagegen spricht/sprach, den sehr
schönen Namen zu gebrauchen.

Das steht etwas weiter unten:

"Zehn Jahre später verlegte der neue König Rama I., Begründer der bis heute regierenden Chakri-Dynastie, den Regierungssitz auf das östliche Ufer und begann damit das Gebiet namens Rattanakosin, mit dem damals vor allem von Chinesen bewohnte Dorf Baan Makok („Dorf der Wildpflaume (Olive)“), nach dem Vorbild der früheren Residenzstadt zur Hauptstadt auszubauen.

Der offizielle Name der Stadt lautet seit damals in der Kurzform „Krung Thep“ - also „Stadt der Engel“. Das ist jedoch nur eine Kurzform des vollständigen Namens, des weltweit längsten Städtenamens (siehe oben Der Name der Stadt). Westliche Händler und Reisende verwendeten statt dessen den Namen des Dorfes, woraus im Lauf der Zeit „Bangkok“ wurde, die heute international bekannte Bezeichnung."

(Quelle: der verlinkte wikipedia-Artikel)

Und wenn man dabei noch berücksichtigt, dass

Llanfair­pwllgwyn­gyllgo­gerychwyrn­drobwll­llanty­silio­gogogoch,

welches mit bloß 58 Buchstaben den Guiness-Eintrag bekommen
hat, eigentlich ein Fake ist, weil es zu der
Eisenbahnhaltestelle ursprünglich gar keine Siedlung gab und
auch jetzt noch keine wesentliche gibt, darf man der „Stadt
der Engel“ (das ist das einzige, was ich mir gemerkt habe)
schon einen Ehrenplatz bei den „anders geschriebenen als
gesprochenen Orten“ geben.

Sicherlich, aber die Positionierung in diesem Brett ließ mich vermuten, Du suchtest nach Beispielen aus unserem deutschen/deutschsprachigen Raum.

Noch einige schöne Reisen an erfreuliche Orte wünscht

Gedankt, zuletzt ist - ganz banal - das hessische Stornfels als besonders schöner Ort hinzugekommen.

Gruß,

Ma „Warum in die Ferne schweifen…“ lte.

Hallo, MM,

ich bin nicht ganz sicher, aber „Backnang“ könnte deinen Vorgaben entsprechen.

Wir sagen „Baggena“ im Dialekt.
Ein beliebter Spruch bei uns ist: Mr kâ au iber Baggena uf Schduegert fahre!
Er meint, dass man auch einen unnötigen Umweg machen kann bzw. ein Problem unnötig verkomplizieren, denn in gerader Linie sind es zwanzig Kilometer von meinem Dorf bis in die Landeshauptstadt; über Backnang ist das gerne das Dreifache.

Hier: http://www.backnang.de/ erfährst du mehr über die Herkunft des Namens, der einmal: Baccowang gelautet haben soll.

Gruß Fritz

Servus Fritz,

das ist ja gleich noch eine Ebene mehr: Heute standardisiert wären „Backenen“ und „Backwangen“ (historisch) möglich. Noch ein Ehrenplatz für den Ort, der gleich zweimal anders gesprochen wird, als wie man ihn schreibt.

Schöne Grüße

MM

Hallöchen,

bei uns in der Oberpfalz gibt es eine kleine Stadt namens Oberviechtach. Alle aus der Gegend sagen im Dialekt aber einfach nur Vöichta. Das „Ober“ wird einfach weggelassen. Manchmal kann das aber zu Verwechslungen mit einer ca. 70km entfernten Stadt führen, die einfach nur Viechtach heißt. Leute die aus der Gegend um Viechtach kommen sagen zu Oberviechtach „Owervöichta“ dann is es klar. Aber bei uns heißt Oberviechtach nun mal „Vöichta“.

Ich hoffe, das ist sowas in der Richtung, was du suchst.

Gruß
Michaela

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Michaela,

ja, das ist das Prinzip, das ich suche: Wenn man geschrieben Oberviechtach, Viechtach und Feucht (Wald? Holledau? Oberpfalz?) nebeneinander sieht, würde man ohne vor Ort nachzuhören nicht auf den Gedanken kommen, dass alle drei den gleichen Namen tragen.

Schöne Grüße

MM

Hallo!
Bei uns (Mittelfranken) gibt es den Ort Obermögersheim (bin nicht genau von dort, also sorry, wenn die Aussprache nur etwa stimmt), der wird etwa „Mecherscha“ ausgesprochen.
Gruß, Mariella

ups, ich glaub dann passt mein Beispiel von oben nicht 100prozentig… (aber „Mecherscha“ klingt zumindest ähnlich wie „Lechaschau“, obwohl dies mit „Obermögersheim“ gar nichts gemeinsam hat…
Gruß, Mariella

Moin,

Wer kennt andere mehr oder weniger interessante Beispiele für
Ortsnamen, deren heutige Schreibweise wie im Fall Merchedool
nicht bloß in der Aussprache, sondern gänzlich vom
„eigentlichen“ lokalen Namen des Ortes abweicht?

Hier ist eine Liste mit plattdeutschen und hochdeutschen Ortsnamen aus dem Westfählischen, da dürften einige Beispiele dabei sein.

http://home.wxs.nl/~obd/obo/platt/name.htm

Gruß
Marion

Moin Majonn,

schönen Dank - die sind schön: Auch hier an einigen Stellen für einen Redneck überraschend, wie ähnlich sich gesprochene Namen untereinander sind, die geschrieben kaum oder bloß fern verwandt ausschauen.

Schöne Grüße

MM

Lieber Martin,

danke für den interessanten thread, den Du hier losgetreten hast (und ein
Sternchen dafür; diese Möglichkeit, auch für interessante Fragen Sternchen zu
verteilen, wird meines Erachtens viel zu wenig genutzt!!)
Und meine Beiträge:
Meine Geburtsstadt Heidenheim (an der Brenz, nicht am Hahnenkamm) wird im
örtlichen Dialekt als „Hoarna“, „Hoorna“ oder „Hoirna“ (jeweils mit dem offenen
„o“ wie in „to call“) ausgesprochen, niemals aber als „Hoidna“, wie dies
Zugereiste anbiedernder Weise manchmal tun. Und darum ist das auch ein guter
test, ob einer wirklich aus Heidenheim stammt … es ist interessant, dass das
„d“ im Dialekt durch ein „r“ ersetzt wird.
Ich kenne dazu noch ein anderes Beispiel: In meiner geliebten „zweiten Heimat“,
den Orlney-Inseln, benutzt man statt „little“ das Wort „peedie“, das im Dialekt
auch genauso oft „peerie“ geschrieben wird. Ein schnell gesprochenes Zungen-r ist
halt kaum von einem d zu unterscheiden.
Und noch was: Wenn ich auf der autobahn nach München fahre, komme ich an der
Ausfahrt „Zusmarshausen“ vorbei. Und der Bach, der dort überquert wird, ist als
„Zusam“ angeschrieben. Müsste also eigentlich „Zusam(ar)shausen“ heißen. Wie die
dort aber nun wirklich sagen, weiß ich nicht …

Schöne Grüße
Bolo

Servus!

Wer kennt andere mehr oder weniger interessante Beispiele für
Ortsnamen, deren heutige Schreibweise wie im Fall Merchedool
nicht bloß in der Aussprache, sondern gänzlich vom
„eigentlichen“ lokalen Namen des Ortes abweicht?

In meinem Ursprungsgebiet (=Holledau=Hallertau, schon allein das ist ein gutes Beispiel für das von Dir angesprochene Problem) gibt´s allerhand solche Beispiele:

Bembô = Pörnbach
Feimbô = Fahlenbach
Kindsföid = Königsfeld
Laschbô = Larsbach

Am besten gefällt mir immer Woiza = Wolnzach (btw: Schaut euch mal die Namen der Ortsteile von Wolnzach an und denkt euch dann mal aus, wie die im Dialekt heissen könnten…). Denn hier kenn ich den Dreisprung vom ursprünglichen Namen über die dialektale Aussprache zum Hochdeutschen: ursprünglich hiess es „Wolamotesaha“, wurde zu Wolnzach verschliffen und im Dialekt - zeitlich parallel - weiter zu Woiza. Der Dialekt also als die am weitesten entwickelte Form, und die hochdeutsche Schreibweise nicht als Verfälschung, sondern als parallele (Schreib-)entwicklung.
Die Holledau passt besser in Dein Schema: Einst Halhartau („Hall“ >an Salzstrasse, „Hart“ >Waldgebiet, „Au“ >Überschwemmungsgebiet an Fluss), dann Holledau, und im 19.Jh. „verdeutschte“ ein übereifriger Kartograph zu „Hallertau“.

Allerdings bin ich - im Unterschied zu einigen meiner Vorschreiber - nicht der Meinung, dass es sich bei den gesprochenen Varianten um gänzlich Anderes handelt wie bei den geschriebenen. Die Sprecher folgen einfach den dialektalen Sprachgesetzen - Ausnahmen bestätigen die Regel: Bei Merchedool ist das „-heim“ ganz offensichtlich verschwunden und durch „-tal“ ersetzt worden. Analogie zu einem bekannteren Mergenthal?? Oder war´s andersrum, dass irgendjemand per Schreibfehler (?) „-heim“ statt „-tal“ schrieb und die Ortsansässigen die alte namensform bewahrten? Keine Ahnung…
mir bekannte Analogie: Osseltshausen + Ossenzhausen. Werden beide wie „ossltshaun“ ausgesprochen

Vg
Christian

PS: Die Ortsteile von Wolnzach heissen
Abeltshausen, Attenhausen, Auhöfe, Beigelswinden, Bratzhof, Bratzmühle, Bruckbach, Buch, Burgstall, Edenthal, Egg, Eschelbach, Gebrontshausen, Geroldshausen, Giglhof, Gosseltshausen, Grubwinn, Gschwend, Hagertshausen, Hanfkolm, Haunerhof, Haushausen, Hirnsberg, Hüll, Irlmühle, Jebertshausen, Kemnathen, Königsfeld, Kreithof, Kreut, Kumpfmühle, Larsbach, Lehen, Lohwinden, Niederlauterbach, Nietenhausen, Oberlauterbach, Schlagenhausermühle, Schreinmühle, Schrittenlohe, Schwaig, Siegertszell, Stadelhof, Starzhausen, Stockberg, Thongräben, Weingarten und Wilhelm

Hallo, MM,

Hier erfährst du mehr über die
Herkunft des Namens, der einmal: Baccowang gelautet haben
soll.

Unser schönes „Löchgau“ hieß wohl früher einmal „Lochenkein“, bei uns Schwaben wird’s aber „Leechda“ genannt, und die wahren Löchgauer erkennt man daran, daß sie „Leechdana“ sagen.

Ansonsten könnte man tausende Beispiele von abweichenden Ortsnamen nennen.

Wir Schwaben scheinen die Eigenart zu haben, die meisten Ortsnamen, unabhängig von ihrer eigentlichen Endsilbe, auf -a enden zu lassen:
Löchgau - Leechda(na)
Freudental - Freidena
Backnang - Backena
Besigheim - Bäsga
Illingen - Illinga

Grüßle
Regina

-a im Schwäbischen

Wir Schwaben scheinen die Eigenart zu haben, die meisten
Ortsnamen, unabhängig von ihrer eigentlichen Endsilbe, auf -a
enden zu lassen:

Wenn je jemand Recht hatte, dann du jetzt.

I komm aus Bleidlsa, fahr nach Engerscha, dann nach Mondlsa, Hessga, Bäsga, komm in Gemmriga vorbei, weiter gôht nach Laufa ond so weiter! :wink:

Gruß Fritz

Servus Regina,

zu Sersheim muss natürlich noch das „Gegenteil“ dazu, nämlich analog ausgesprochene Namen von gänzlich verschiedenem Stamm - bloß verständlich, wenn man den Halbnasal zwischen -a und -e kennt:

Serra - Sersheim
Corra - Corres

  • wie jetzt Perouse, Pinache, Groß- und Kleinvillars ins Württembergische kommen, ist allerdings ein ganz anderes Kapitel…

Obwohl man die Entstehung von irreführenden Schreibweisen auf den Etiketten studieren kann, die mein (bäuerlicher) Xälzfabrikant durch wenauchimmer hat drucken lassen und auf denen steht: „Perousee“ - was für ein See ist denn das jetzt wieder?

Danke für die schönen Exempla!

Schöne Grüße

MM

Owen auf der Schwäbischen Alb
Der Ort Owen auf der Schwäbischen Alb spricht sich „Aua“ - nicht wie „aua, das
tut weh“, sondern so ähnlich wie „Schauer“, nur ohne das Sch.

Wie schön…

I komm aus Bleidlsa, fahr nach Engerscha, dann nach Mondlsa,
Hessga, Bäsga, komm in Gemmriga vorbei, weiter gôht nach Laufa
ond so weiter! :wink:

wollte Engerscha gerade als Beispiel bringen, da es meiner Meinung nach einfach der schönste schwäbische Städtename ist (i ben nur neigschmegt und komm aus Sachsena).

liabs Grüßle

no

Sachsena Biatga Engerscha Bleidlsa
Etzt schlaa mes Blechle!

wollte Engerscha gerade als Beispiel bringen, da es meiner
Meinung nach einfach der schönste schwäbische Städtename ist

Hano! Dô duasch de Engerscha abbr zfiel, wennd se als Schdadd ôguggsch!

(i ben nur neigschmegt und komm aus Sachsena).

Ônd glaubsch du mir, i han en Sachsena Fraindschaft, mai Schweschdr läbt dort! Des sag i dir!

Au a Griaßle!

S’Fritzle von Bleidlsa