Ost- und Westpreußischer Dialekt nach dem Krieg

Hallo an alle!

Mir kam gerade die folgende Überlegung in den Sinn:
Als die deutsche Bevölkerung ab 1945 aus den Siedlungsgebieten östlich der Oder vertrieben wurde, gab es doch sicher so etwas wie Auffanglager. Wenn die Vertriebenen nun an den entsprechenden Orten gehäuft geblieben sind, wäre es doch möglich, dass sie dort auch ihren Dialekt weitersprachen und sogar weitergaben. So hätte sich dann Ostpreußisch, Schlesisch oder was auch immer an bestimmten isolierten Gebieten erhalten oder zumindest mit dem Dialekt der Umgebung vermischt.

Gibt es so etwas? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht?

Liebe Grüße,
Immo

Moin, Immo,

meines Wissens hat es bis auf einige sehr spezielle Ausnahmen wie Neugablonz keine großartigen Konzentrationen von Flüchtlingen gegeben. Selbst dort ist heute von den alten Dialekten kaum noch etwas zu hören, weil die Kinder in aller Regel den Dialekt ihrer Umgebung annehmen.

„Muttersprache“ prägt weit weniger, als manch Volkstümler wahrhaben möchte. Das lässt sich auch heute noch sehen: Kindergartenkinder sprechen meist weder den Dialekt der Landschaft noch den der Mutter, sondern das Kindergartendeutsch der Kindergartentanten.

Gruß Ralf

Servus Ralf,

ich bin in einem Ortsteil Starnbergs aufgewachsen, der - extra für die Flüchtlinge - aus dem Wald herausgehauen worden war. In der Kneipe dort hättest Du noch in den hohen Sechzigern alles über die Dialekte des Egerlandes, des Sudetenlandes, von Ober- und Niederschlesien und sogar von Ostpreußen er-hören können. Das hat meine kindlichen Ohren immerhin so geschärft, daß ich einem wildfremden Parkwächter in München - erfolgreich - auf den Kopf zusagen konnte, aus welchem Ortsteil von Breslau er stammte. Er hatte mich mit ein paar Worten zu einem Parkplatz gewiesen.

Gruß

Kai

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Hallo Immo,

hier im Südniedersächischen gibt es das Grenzdurchgangslager Friedland, in dem direkt nach dem Krieg und bis in die Fünfziger Jahre hinein die sogenannten „Spätaussiedler“ aufgenommen wurden. In den Dörfern der Umgebung ist der Bevölkerungsanteil der ehemaligen Flüchtlinge immer noch relativ hoch. Es sind die heute ca. 70-Jährigen. Allerdings kenne ich niemanden, der seinen Dialekt an die Kinder und Kindeskinder weitergegeben hätte. Es wird feinstes (naja…) Hochdeutsch gesprochen. Auch die Plattvarianten sterben gerade aus. Die Tendenz zum Hochdeutschen ist wahrscheinlich im ganzen Land mehr oder weniger vorhanden.

Viele Grüße
Det

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Hallo Ralf,

„Muttersprache“ prägt weit weniger, als manch Volkstümler
wahrhaben möchte. Das lässt sich auch heute noch sehen:
Kindergartenkinder sprechen meist weder den Dialekt der
Landschaft noch den der Mutter, sondern das
Kindergartendeutsch der Kindergartentanten.

ich möchte dies etwas relativieren - derlei ist imho abhängig davon, wie intensiv die Beschäftigung mit dem Kind innerhalb der Familie ist bzw. als wie prägend es einzelne Familienmitglieder erlebt.

Meine Wenigkeit ist in einem stark dialektal - alemannisch - gefärbten Umfeld aufgewachsen. Innerhalb der Familie wurde allerdings ob meines aus Schlesien stammenden Großvaters etwas gesprochen, das ich für Hochdeutsch hielt - was sich erst späterhin relativierte, als ich einem Bericht über Schlesien sah, in dem sich der Kommentator über den dortigen ‚schnuckeligen‘ Dialekt ausließ … (Seitdem weiß ich auch, warum ich die Einzige weit und breit bin, die gelegentlich ‚je nu‘ sagt) Bis weit ins Erwachsenenalter hinein ist mir dieser ‚Familiendialekt‘ erhalten geblieben.

Auch bei meinem Sohn, welcher im Kindergartenalter ist, ist zu beobachten, dass er zwar mitunter einzelne Bruchstücke der Umgebungssprache annimmt, allein aber schon durch seine ‚klugscheißerische‘ Wortwahl eindeutig als mein Nachkömmling zu identifizieren ist.

Beste Grüße

=^…^=

Hallo Ralf,

meines Wissens hat es bis auf einige sehr spezielle Ausnahmen
wie Neugablonz keine großartigen Konzentrationen von
Flüchtlingen gegeben.

in Westdeutschland gab es nur zwei Vertriebenengemeinden, in Bayern jedoch 5 Vertriebenengemeinden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Vertriebenenstadt

Selbst dort ist heute von den alten
Dialekten kaum noch etwas zu hören, weil die Kinder in aller
Regel den Dialekt ihrer Umgebung annehmen.

Stimmt.

„Muttersprache“ prägt weit weniger, als manch Volkstümler
wahrhaben möchte. Das lässt sich auch heute noch sehen:
Kindergartenkinder sprechen meist weder den Dialekt der
Landschaft noch den der Mutter, sondern das
Kindergartendeutsch der Kindergartentanten.

Kinder sprechen fast niemals wie ihre Eltern, sondern nach meiner Erfahrung wie die anderen Kinder aus dem Kindergarten. Ob eine sächsiche Erzieherin die Kinder in einem bayrischen Kindergarten mit dem sächsischen Dialekt infizieren kann, möchte ich bezweifeln.

Erwachsene taugen hier nicht als Vorbild :smile:

ciao
ecco

Hallo,

auch ich bin in einer Flüchtlingssiedlung aufgewachsen. Allerdings im Stuttgarter Raum.
Ich spreche heute reinstes schwäbisch und auch wenn ich versuche hochdeutsch zu reden, erkennt jeder meine Herkunft.

Dort als Kind in der Siedlung waren aber allerlei „eigentümliche“ Dialekte zu hören, die ich heute noch gut auseinader halten kann.
Auch ich kann einem Fremden zielsicher sagen, ob er aus dem Sudetenland, Siebenbürgen oder Schlesien stammt beispielsweise.

In der Familie selbst wurde mir von meinen Eltern nur schwäbisch weiter gegeben. Liegt daran, dass schon mein Vater bereits im Zwischenlager geboren ist.
Die älteren Onkels und Tanten reden aber bis heute untereinander siebenbürgisch. Allerdings mit einem schwäbischen Einschlag.
Ich verstehe es, und ich kann es auch reden. Komischerweise aber nur, wenn ich mit diesen zusammen bin.

Einzelne Worte aus diesem Dialekt habe ich seltsamerweise in meinen täglichen Wortschatz mit einfließen lassen.
So sage ich meist Kukurruz statt Mais. Vermutlich, weil ich das Wort als Kind so lustig fand.

Auch Gleichaltrige, die in der gleichen Flüchtliungssiedlung groß geworden sind, gehen heute als reine Schwaben durch.

Somit stimme ich mit den Vorrednern überein, dass die Sprachausprägung wohl hauptsächlich durch den Kontakt mit anderen Kindern stattfindet.

Gruß
Lawrence

Hallo ecco,

in Westdeutschland gab es nur zwei Vertriebenengemeinden, in
Bayern jedoch 5 Vertriebenengemeinden.

Irgendwie komme ich mit diesem Satz nicht klar.
Gehört Bayern nicht zu Westdeutschland?

Gruß
Jörg Zabel

PS: Kann es sein, dass Du aus Bayern bist?

Hallo Jörg,

Gehört Bayern nicht zu Westdeutschland?

Obwohl ich nicht aus Bayern komme, gehört für mich, wie offenbar auch für ecco, Bayern zu Süddeutschland und nicht zu Westdeutschland. Für mich existiert die Mauer tatsächlich nicht mehr (nicht einmal unterschwellig), und selbst zu Mauerzeiten habe ich die Bezeichnung „Westdeutschland“ für die BRD als unangemessen empfunden, da auch sie einen Norden und einen Süden hatte. Es wird Zeit, die alte BRD-DDR-West-Ost-Teilung aufzugeben und in gesamtdeutschen Dimensionen zu denken.

Liebe Grüße,
Immo

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Hallo Vokietis,

Hallo Jörg,

Gehört Bayern nicht zu Westdeutschland?

Obwohl ich nicht aus Bayern komme, gehört für mich, wie
offenbar auch für ecco, Bayern zu Süddeutschland und nicht zu
Westdeutschland.

Wenn ich dem Link auf Wikipedia folge, dann finde ich die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Da ecco zwischen Bayern und „Westdeutschland“ unterschieden hat, müsste Schleswig-Holstein zu „Westdeutschland“ gehoren. Nach Deiner Lesart ist es für mich aber Norddeutschland, oder nicht?
Die hier getroffenen regionalen Untercheidungen sind mir nach wie vor unklar.

Es wird Zeit, die alte
BRD-DDR-West-Ost-Teilung aufzugeben und in gesamtdeutschen
Dimensionen zu denken.

Diesen Satz unterschreibe ich sofort.

Gruß
Jörg Zabel

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Hallo Jörg,

in Westdeutschland gab es nur zwei Vertriebenengemeinden, in
Bayern jedoch 5 Vertriebenengemeinden.

hätte eigentlich heißen sollen:
„Während es im restlichen West-Deutschland nur zwei Vertriebenengemeinden gab, waren es in Bayern jedoch fünf Vertriebenengemeinden“

Irgendwie komme ich mit diesem Satz nicht klar.
Gehört Bayern nicht zu Westdeutschland?

Vielleicht könnte man es so unterscheiden, dass West-Deutschland die damalige BRD ist, während Westdeutschland zwischen Mainz und Osnabrück zu suchen wäre.

PS: Kann es sein, dass Du aus Bayern bist?

Ja, tut zwar hier nichts zur Sache. Bin aber trotzdem ein ausgesprochen netter Mensch :smile:

ciao
ecco

Hallo ecco,

hätte eigentlich heißen sollen:
„Während es im restlichen West-Deutschland nur zwei
Vertriebenengemeinden gab, waren es in Bayern jedoch fünf
Vertriebenengemeinden“

Aha, alles klar, Danke.

Gruß
Jörg Zabel

Hallo Jörg,

Da ecco zwischen Bayern und
„Westdeutschland“ unterschieden hat, müsste Schleswig-Holstein
zu „Westdeutschland“ gehoren.

da bin ich echt baff! Wie kommst Du denn auf diese Idee?

Nach Deiner Lesart ist es für
mich aber Norddeutschland, oder nicht?

klar, was sonst?

Die hier getroffenen regionalen Untercheidungen sind mir nach
wie vor unklar.

Dieser Satz ist mir wiederum völlig unklar.

Ganz, ganz grob:

Süddeutschland: Bayern, Baden-Württemberg

Mitteldeutschland: Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Teile von NRW, welche östlich des Rhein liegen (also diese Bundesländer, die rings herum von anderen Bundesländern umgeben sind und an kein anderes Land (= Staat) angrenzen (Stadtstaaten ausgenommen),

Westdeutschland: Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen westlich des Rheins

Norddeutschland: Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern

und schließlich Ostdeutschland: Brandenburg, Berlin, Sachsen

Wie gesagt, über Randgebiete kann man sich streiten. Es soll nur eine Daumen-Mal-Phi-Faustregel sein.

Hoffentlich habe ich Dich damit nicht noch weiter verwirrt…

bayerisch-süddeutsche Grüße und einen schönen Abend wünscht

Alexander

Hallo Alexander,

Da ecco zwischen Bayern und
„Westdeutschland“ unterschieden hat, müsste Schleswig-Holstein
zu „Westdeutschland“ gehoren.

da bin ich echt baff! Wie kommst Du denn auf diese Idee?

Ursprünglich war geschrieben: „in Westdeutschland gab es nur zwei Vertriebenengemeinden, in Bayern jedoch 5 Vertriebenengemeinden.“
Somit müsste eine Vertriebenengemeinde in Schleswig-Holsten regional „Westdeutschland“ zugeordnet sein.

Die hier getroffenen regionalen Untercheidungen sind mir nach
wie vor unklar.

Dieser Satz ist mir wiederum völlig unklar.

Ganz, ganz grob:

Süddeutschland:
Mitteldeutschland:
Westdeutschland:
Norddeutschland:
und schließlich Ostdeutschland:

Da sind wir uns ja im Groben einig, ich bin lediglich über eine (vermeintliche, mittlerweile von Ursprungsposter klar gestellte) Gleichsetzung von „ehemalige BRD“ = Westdeutschland + Bayern und/oder Schleswig-Holstein = Teil von Westdeutschland gestolpert.

Gruß
Jörg Zabel