Hallo Katie,
Du schreibst, dass die Tochter manchmal drei bis vier Monate am Stück den Papa nicht sieht. Warum das so ist, schreibst Du nicht genau. Das Gleiche gilt für die nur einmal im Monat, statt alle vierzehn Tage, stattfindenden Umgänge.
Auch weiß keiner von uns, was der Papa arbeitet und ob er vielleicht Schichtdienst und/oder viele Überstunden ableisten muss.
Ich sehe meinen Mann z. B. auch manchmal nur alle paar Wochen oder gar Monate - wenn er ohne mich beruflich auf Reisen ist. Wenn er dann wieder nach Hause kommt, nimmt er mich im Arm und wir unterhalten uns, er konzentriert sich trotzdem nicht alleine und ausschließlich auf mich. Er schaut seine Post durch, schaut nach was im Garten blüht, ruft seine Tochter an usw.
Auch ich lebe „mein“ Leben weiter. Kümmere mich um die Küche, die Wäsche, telefoniere mit Freunden und bearbeite meine Mails bzw. modereriere die von mir betreuten Foren.
Dies, obwohl wir wissen, dass er in ein paar Tagen wieder weg muss.
Ähnlich kann es bei Papa und Tochter funktionieren. Als meine Schwester sich scheiden ließ, waren die Mädels damals 6 und 9 Jahre alt gewesen. Am Anfang wollte der Papa sie gar nicht sehen. Irgendwann „erpresste“ meine Schwester ihren Ex und zwang ihn die Kinder zu sehen.
Es gab aber nie eine feste Regelung. Und er ist und war ein ausgesprochener Sportfan. Radio oder Fernseher mit Sport laufen bei ihm nahezu rund um die Uhr. Wenn etwas mit den Kindern unternommen wurde, hat das meist seine Lebensgefährtin organisiert oder gemacht.
Trotzdem gehen die Mädchen, heute schon lange erwachsen, immer noch gerne zu ihrem Papa. Er ist, war und bleibt in ihrem Leben einbezogen.
Das war aber zum größten Teil der Verdienst meiner Schwester. Sie hat den Kindern deutlich gemacht, dass sie mit ihm als Partner nicht mehr klar kommt, aber das hat ganz und gar nichts mit der Elternebene zu tun.
Damals war es noch üblich gewesen, dass das Gericht die Alleinsorge aussprach. Entsprechender Antrag meiner Schwester war gestellt gewesen. Am Tag der mündlichen Scheidung hat sie, zur Überraschung aller spontan diesen Antrag zurückgezogen und dem Gericht und allen Anwesenden erklärt, dass sie will, dass weiteres gemeinsames Sorgerecht besteht.
Der Vater wurde, ob er wollte oder nicht (wenigstens Anfangs war das schwierig) in allem einbezogen, was die Kinder betraf. Wurde zur Kommunion eingeladen, über Krankheiten und schulische Leistungen informiert und alle Erfolge oder Mißerfolge seiner Töchter hat er immer erfahren. Manchmal hat meine Schwester angerufen, oft die Kinder.
Wenn die Kinder mal beim Papa vorbeigeschaut haben (es hatte jedes einen Schlüssel von seiner Wohnung) und spontan meinten, dass sie über Nacht bleiben wollen, haben sie ihre Mama angerufen und Bescheid gegeben - aber sie mußten nicht um Erlaubnis fragen. Die Mama hat lediglich dafür gesorgt, dass ein Satz Unterwäsche und Zahnbürste (spezielle für die Zahnspange) usw. beim Papa für solche spontanen Einfälle der Kids deponiert wurden.
Heute sind die Mädchen erwachsen sind erfolgreich im Beruf bzw. in der Ausbildung, haben ihre Partner und keinerlei Scheidungsfolgeschäden (Alkoholismus, Selbstverletzung, Bindungsschwäche bzw. Klammern, berufliche Probleme u. v. m.) die ich leider an vielen anderen etwa gleichaltrigen Scheidungskinder im Bekanntenkreis sehen muss.
Mein reales Beispiel soll Dich bitten in Dich zu gehen und genau zu analysieren, ob Du nicht unbewusst Euerem Töchterchen vermittelst, dass Du ihren Papa ablehnst. Kinder spüren sowas und trauen sich dann nicht, weil sie die Mama z. B. nicht traurig machen wollen oder Angst haben ihre Liebe zu verlieren, den Besuch bei Papa auch offiziell zu genießen bzw. ihn einzufordern.
Ich will Dir nicht unterstellen, dass Du das absichtlich machst. Aber Dein Ausgangsposting „glücklich getrennt“ suggeriert mir diesen und vielleicht erst recht im Alltag Deiner Tochter ihr diesen Eindruck.
Wieweit ist der Papa ins Leben des Kindes eingebunden? Wird ihm sofort mitgeteilt, wenn es eine gute Note gegeben hat? Ruft sie ihn an, wenn sie sich über ihre Freundin, die Lehrerin, die Mama, dem Stiefpapa oder eine schlechte Note geärgert hat? Hilft der Papa - zumindest per Telefon - wenn er besser Mathe kann als Mama bei der Hausaufgabe? Wird ihm mitgeteilt, dass sie demnächst gegen weißwas geimpft wird oder dass eine Blinddarmoperation ansteht?
Wenn dieses oder ähnliches nicht der Fall ist, distanzieren sich Papa und Tochter in einer gewissen Weise emotional. Der Papa versucht unter Umständen ganz bewusst ganz normales Leben zu leben, auch wenn die Tochter da ist.
Vielleicht tut es ihm weh, wenn er sich zu sehr in der kurzen genehmigten Zeit zu intensiv um sie kümmert und sie ihn dann wieder „verlässt“? Vielleicht kann er die Leere danach sonst nicht aushalten?
Vielleicht will er normaler Papa sein, wie er es wäre wenn sich die Eltern nicht getrennt hätten?
Vielleicht will er nicht zum „Wochenend-Event-Manager“ werden? Vielleicht fehlt ihm hierzu auch das Geld?
Vielleicht muss er auch nur am Wochenende irgendwas berufliches am PC nachholen?
Es gibt noch viele „Vielleicht“.
Zeig doch bitte Euerem Kind ganz deutlich in Wort, Gestik und Mimik und natürlich Daten, dass Du es toll findest, dass sie ihren Papa liebt und sie von ihm geliebt wird. Dass sie deswegen keine Angst haben muss von der Mama und dem Stiefpapa weniger geliebt zu werden. Auch würde ich keine geheimen Aktivitäten mit dem kleinen Bruder machen, sondern ihr vermitteln, dass man etwas unternimmt, was für den Kleinen passend und wofür sie aber schon zu groß ist.
Zeigen, dass man sie ohne Ängste und Vorbehalte zum Papa lässt und zeigen, dass man sich freut, wenn sie wieder da ist.
Um den Papa auf „die neue Schiene“ zu führen, vielleicht mal ein gemeinsames Meditiationsgespräch führen. Solche Mediationen bieten Caritas, Erziehungsberatungsstellen usw. kostenlos (leider oft mit längerer Wartezeit) an. Dort könnt Ihr dann moderiert über Euer eigenen Ängste, Sorgen und Wünsche sprechen. Bei einem der Gesoräche auch die jeweiligen Partner der Eltern mit einbeziehen.
Ihr müsst Euch alle nicht lieben und alles gemeinsam machen. Aber im Interesse des Kindes eine Konzens finden, dass ihm - und dadurch im Endeffekt auch Euch - das Leben und die Akzeptanz des Anderen erleichtert.
Den Umgang aussetzen, Vorschriften machen was er tun darf und was nicht, per SMS oder gar nicht kommunizieren usw., bei Entscheidungen den einen Elternteil ausgrenzen bzw. übergehen und viele weitere Sachen die ihre Ursache in der Paarebene haben, helfen weder dem Kind (bringt es in weitere Konflikte) noch hilft es Euch Eltern.
Meine Nichten genießen es als Erwachsene immer noch, dass sie von ihren beiden Eltern und ihren beiden Stiefeltern geliebt und in deren aller Leben einbezogen werden. Ihr seit schon so lange getrennt und habt Euch wieder neu orientiert, dass es möglich sein sollte, evtl. unter Mithilfe von neutralen Stellen, im Interesse des Kindes aus der Paarebene heraus zu finden und in eine tragfähige Elternebene hinein zu kommen.
Viele Grüße und viel ERfolg dabei
sendet Ingrid
(die schon lange keinen so langen Text mehr geschrieben hat - sorry)