Hi Mathias
Meiner Meinung nach siehst du einige Dinge zu einfach.
Ich möchte mal meine Erfahrungen schildern. Ich bin verheiratet und habe 3 Kinder im Alter von 7, 5 und 1 Jahr. Unser „Großer“ geht in die 2. Klasse. Wir haben das Glück, dass ich eine sehr gut bezahlte Stelle habe, so dass meine Frau nicht zu arbeiten braucht und sich voll und ganz um die Kinder kümmern kann. Unsere Nachbarn haben dieses Glück nicht. Sie suchten lange vergebens nach einem geeigneten Hort-Platz für ihre 7-jährige Tochter, die nach der Schule immer zur Oma ging. Abends kamen die Eltern dann gestresst nach Hause und mussten mit ihrem Kind noch Hausaufgaben machen. Meine Frau hatte sich dann bereit erklärt, auch noch das Nachbarskind mit zu betreuen. Seit ein paar Monaten kommt die Kleine nach der Schule also regelmäßig zu uns. Der Erfolg war einschneidend. Beim letzten Elternsprechtag wurde den Eltern mitgeteilt, dass die Kleine nun nicht mehr zu den Förderkursen kommen müsse, weil sich ihre Leistungen so gebessert hätten.
Was ich damit sagen möchte ist, dass es in Deutschland einen massiven Mangel an Ganztagsbetreuungsplätzen für Kinder zu geben scheint. Gäbe es auch in Deutschland eine Ganztagsschule für alle, würde sich dieses Problem wohl von selbst lösen. Eine Ganztagsschule ist in Deutschland aber nur schwer durchsetzbar, da sich unsere Lehrerschaft an einige Privilegien gewöhnt hat, die sie nun nicht mehr hergeben möchte.
Zum Lehrerstatus :
Ganz einfach! Schafft das Beamtentum für Lehrer ab! Denn wenn
diese „nur noch“ Angestellte sind, dann haben sie die
Möglichkeit, zwischendurch auszusteigen und etwas anderes zu
machen (empfehlenswert für diejenigen, die nach 5 Jahren
merken, das ist doch nicht mein Beruf… als Beamter wären sie
dann gebunden).
Der Beamtenstatus ist jedoch eines der Hauptlockmittel, mit dem man Lehrer überhaupt noch in den Beruf zieht (lange Ausbildung, schlechte Bezahlung). Ein Schwager von mir hat Mathe/Physik auf Lehramt studiert. Da wir an solchen Fachkräften zur Zeit einen sehr großen Mangel haben in Deutschland, konnte er sich das Gymnasium aussuchen. Er hat das genommen, wo er direkt eine Verbeamtung bekam! Ansosnten wäre er für eine deutlich bessere Bezahlung in die Wirtschaft gegangen.
Dann sind dann noch die Klassengrössen zu nennen:
Es ist kaum möglich, bei einer Durchschnittsgrösse von 28 - 30
Kindern pro Klasse, jedem einzelnen „gerecht“ zu werden.
Besonders dann, wenn ein Drittel der Kinder große Probleme mit der deutschen Sprache hat, weil die Eltern nur sehr schlecht Deutsch sprechen. Bei meinem Sohn ist dies nämlich so. Wenn man da beim Elternabend sitzt, dann haben einige Eltern sogar ihre älteren Kinder oder Bekannte dabei, die dann simultan übersetzen, was gerade gesagt wird … Die Kinder wollen ja lernen, aber sie verstehen oftmals nicht, was die Lehrerin erklärt! Nicht, weil sie dumm wären, sondern weil sie einfach zu wenig Deutsch können! Hier müsste eine bessere Frühförderung schon im Kindergarten ansetzen.
Deswegen: Klassenteiler auf 24 setzen, Nachmittagsunterricht
bereits in der Grundschule einführen (läuft in der Schweiz
schon seit Jahren), alternierten Unterricht einführen, das
heisst an bestimmten Vormittagen nur die jeweilige Hälfte der
Klasse (läuft auch schon seit Jahren in der Schweiz).
Deine Vorschläge würden sicherlich zu einer Erleichterung führen. Aber das wirst du in Deutschland nicht durchsetzen können, mangels Bereitschaft Gelder bereit zu stellen und mangels Bereitschaft der Lehrerschaft, von erworbenen Privilegien abzurücken!
Fast wichtigster Punkt - die Eltern :
Von Ausnahmen abgesehen müssten viele Eltern wieder in die
Pflicht genommen werden, dass sie eigentlich für die Erziehung
ihrer Kinder verantwortlich sind …
Das sagst du so leicht. Meine Frau und ich können dieser Pflicht nachkommen, da ich sehr gut verdiene. Viele andere können das leider nicht! Kinder sind ein verdammt teurer Luxus in Deutschland, den sich auch immer weniger Menschen leisten können.
… und dass sie sich im klaren
sind, dass sie ein Teil des Systems Schule sind und
dementsprechend mitarbeiten. Ausserdem sollten viele Eltern
wieder „Respekt“ vor dem Lehrer haben - so abgedroschen das
klingt, aber es gibt genügend Beispiele, in denen sich Eltern
herablassend auf Lehrer verhalten…
Respekt muss man sich verdienen! Die PISA-Studie zeigt ja, dass unsere Kinder schlecht ausgebildet sind. Dies wird, sicherlich nicht ganz zu Unrecht, auch den „Ausbildern“ in die Schuhe geschoben.
Frühpension ist eine Sache… Auslands- oder
Privatschulenarbeit ist eine andere… ich für meinen Teil bin
froh, nicht mehr dem System „Schule BaWü“ anzugehören, weil
ich hier in der Schweiz Bedingungen vorgefunden habe, die das
Unterrichten erheblich vereinfacht… es ist teilweise richtig
traumhaft.
Hoffentlich lernt unsere Gesellschaft etwas von den Schweizern!
Viele Grüße
Stefan.