Hallo Rene!
das ist ja ein freibrief fuer ein kostenloses leben…
Du zeigst Sachkenntnis und tiefes Verständnis von Zusammenhängen . Ich versuche es trotzdem:
Es gibt zahllose Möglichkeiten, in wirtschaftliche Not zu geraten. Eine Familie kauft ein Haus und läßt es von der Bank finanzieren. Ein Verdiener wird dauerhaft krank, der andere arbeitslos. In der Folge kommt die Hütte billig unter den Hammer und ein 6stelliger Betrag bleibt zur Zahlung offen. Die Familie zahlt, soviel sie kann, aber die Schulden steigen durch Zinsen immer weiter. Bevor es die Möglichkeit einer Privatinsolvenz gab, hatte man ein schönes Beschäftigungsprogramm für Inkassobüros und ein Heer von Rechtsanwälten, die Schuldner lebenslang verfolgten. Bissig ausgedrückt: Es war im Grunde „billiger“, den Gläubiger zu erschlagen. Aus der Nummer war wenigstens irgendwann im Leben wieder heraus zu kommen, aus Schulden nicht. Besonders stark betroffen waren Einzelunternehmer. Ein in die Hose gegangener größerer Auftrag, ein paar faule Zahler und schon war das Leben wirtschaftlich endgültig zu Ende. Es gab überhaupt kein Entrinnen. Auswanderung war noch ein Weg.
Zu allen Zeiten gab es junge Menschen, die gerne eine eigene Wohnung haben möchten, ein Auto, dies und das. Gar keine Frage, da lief schon immer viel Leichtfertiges ab. So ein gerade 20-jähriger Bengel verliert den Überblick und früher war das wirtschaftliche Leben für ihn beendet, bevor es überhaupt begonnen hatte. Man konnte solchen Menschen lebenslang als Sklaven halten. Es gab zwar keine Ketten, aber Zinsbelastung, Gebühren und was da alles zusammenkommt und die Schulden immer weiter anwachsen läßt, ließen ihn nie wieder auf die Füße kommen. Solche Menschen waren nur noch lebenslange Gastgeber für Gerichtsvollzieher.
Die erwähnten Fälle beruhen auf persönlichem Fehlverhalten. Sogar der Fall mit dem Krankheit, denn dieser Mensch ist irgendwann Verbindlichkeiten eingegangen. Das hat er also selbst getan. Auch der Unternehmer mit dem faulen Kunden soll sich nicht beschweren, immerhin hat er den Auftrag vom faulen Kunden angenommen, z. B. den Auftrag von einer Behörde, die sich mit der Zahlung ewig Zeit ließ. Bevor es die Möglichkeit der Privatinsolvenz gab, war man gezwungen, endgültig nicht mehr tragfähige wirtschaftliche Gebilde am Leben zu erhalten. Im Grunde Hirnriß, eine Volkswirtschaft kann es sich gar nicht leisten, tote Gebilde mitzuschleppen, statt die Fälle abzuwickeln, zu beenden, sichere Verhältnisse herzustellen. Es macht Sinn, sich mit der Gestaltung von Zukunft zu beschäftigen, statt die Kraft darauf zu verwenden, ein Leben lang auf alten Sachen herum zu kauen. Alles braucht ein Ende, auch Schulden. Es macht auch keinen Sinn, sich lebenslang mit dem Wälzen von Schuldfragen zu beschäftigen. Der Schuldner hat doch mal vor Jahrzehnten … und deshalb hat er doch selbst Schuld … manche Menschen mögen solches rückwärtsgewandte Widerkäuen, egal wie unsinnig es auch sein mag.
Stell Dir vor, Du bist Student und vergeigst eine Klausur. Statt der Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen, wird Dir beschieden, mit dem Studium sei wegen der Fehlleistung Schluß und es seien Maßnahmen getroffen, damit Du auch in keiner anderen Tätigkeit je wieder auf einen grünen Zweig kommen kannst. Begründet wird die Vorgehensweise damit, daß alles Dein eigenes Verschulden war, Du hättest ja ausreichend lernen können und hast statt dessen Schaden angerichtet durch offenkundig fruchtlose Bemühungen Deiner Lehrer. Den Rest Deines Lebens wirst Du deshalb in Armut verbringen. Natürlich ist das Szenario blödsinnig, denn kein Gemeinwesen kann sich ein Heer perspektivloser Menschen leisten. Vielmehr muß solche Perspektivlosigkeit vermieden werden. Auch die Erörterung von Schuldfragen hilft nicht weiter, wenn es um die Gestaltung von Zukunft geht. Solches Tun ist für das gesamte Gemeinwesen schädlich. Aber genau das geschah früher nach wirtschaftlichem Fehlverhalten. Der angerichtete Schaden war enorm und zwar weniger durch das Fehlverhalten, das ja ohnehin Geschichte und nicht mehr rückgängig zu machen war. Man fügte dem nicht mehr rückgängig zu machenden Schaden noch weit größeren Schaden hinzu, denn perspektivlose Menschen werden furchtbar teuer. Die Perspektivlosigkeit betraf auch die nächste Generation, also die Kinder im Haushalt der Betroffenen. Der blanke Irrsinn! Wer unbedingt Schuldfragen wälzen will, kommt im Beispiel mit dem Studenten auf den Punkt, ob womöglich nicht der Student, sondern die Lehrer versagten. Übertragen auf wirtschaftliches Fehlverhalten heißt das, daß auch daran mehrere Personen beteiligt waren. Mancher prüfte die Bonität seiner Kunden nicht, ein anderer vergab nicht verantwortbare Kredite oder nahm Dienstleistungen in Anspruch, suchte mit Gewalt das Haar in der Suppe und ließ sich mit der Zahlung endlos Zeit.
Den Unsinn, wirtschaftlich untragbare Gebilde mit Gewalt durch die Zeiten und die Jahrzehnte zu zerren, hat es bei juristischen Personen noch nie gegeben. Dabei gab es schon immer die Erkenntnis, daß man ein totes Pferd nicht mehr reiten kann. Man muß die Sache in geregelter Weise beenden, statt sich lebenslang mit aussichtslosen Sachen zu beschäftigen. Deshalb gab es schon immer die Möglichkeit des Konkurses, um eine wirtschaftliche Einheit, die nun mal kaputt war, endgültig abzuschließen und den Aktendeckel zuzuklappen. Gläubiger waren dabei schon immer übel betroffen. Aber was soll’s, das Pferd ist tot und es kann nun mal keinen Wagen mehr ziehen. Es ist sinnvoller, sich damit abzufinden, als daß ein Heer von Anwälten drumherum steht und für die nächsten Jahrzehnte drohend mit der Brago wedelt. Nur bei Privatleuten wurde so verfahren. Es könnte ja jemand irgendwann in seinem Leben noch mal eine müde Mark verdienen und für diesen Fall muß man sich auf die Lauer legen. Damit wurden ungezählte Leben zerstört und viel mehr Schaden angerichtet als mit dem einmaligen Schnitt.
Es gibt viele nützliche Werkzeuge und Instrumente, mit denen man bei sachkundiger Anwendung Sinnvolles zustande bringen kann. Natürlich kann man Instrumente auch mißbräuchlich verwenden. Dann ist aber nicht das Instrument schlecht, sondern der Mißbrauch. So wurde zu allen Zeiten das sinnvolle Instrument des Konkurses auch mißbräuchlich verwendet. Weil der Konkurs inzwischen Insolvenz heißt und es die Möglichkeit der Privatinsolvenz gibt, hat sich an der Zweckmäßigkeit dieses Instrumentes nichts geändert. Es hat sich aber auch nichts an der Möglichkeit des Mißbrauchs geändert. Wie immer gibt es gewünschte Effekte, denen Erscheinungen gegenüber stehen, die man notgedrungen in Kauf nehmen muß.
Es bedurfte vieler Jahre Diskussion, bis die Erkenntnis mehrheitsfähig wurde, daß die Ungleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen nicht zu begründen ist. Es dauerte sehr lange bis zur Einsicht, daß sich ein Gemeinwesen mit der Schaffung perspektivloser Menschen keinen Gefallen tut. Bis es soweit war, gab es groteske Zustände. Mir sind mehrere Fälle von Selbständigen bekannt, die Kredite für ihren Betrieb verbürgten. Dabei sind 6- und 7stellige Beträge völlig normal. Die Selbständigen leisteten sich keine Schwimmbäder und Yachten, taten vielmehr alles für ihren Betrieb und seine Beschäftigten. Es gehört zum wirtschaftlichen Geschehen, daß manche Betriebe die Wupper herunter gehen. Schuld spielt keine Rolle, daran sind regelmäßig viele Menschen beteiligt. Der Selbständige saß dann mit Verbindlichkeiten da, die für einen florierenden Betrieb kein Problem sind, für einen Privatmenschen aber auch in hundert Jahren niemals abzutragen sind. In manchen Fällen machten Gläubiger einen Schnitt und waren mit einem Vergleich und weitgehendem Forderungsverzicht einverstanden, weil es eben keinen Sinn macht, aussichtslose Fälle zu verfolgen. Aber in vielen Fällen bekamen solche ehemaligen Unternehmer über Jahre und Jahrzehnte regelmäßig Post mit aktualisierter Forderungsaufstellung. Der Empfänger konnte eigentlich nur bitter lachen, wenn dabei ein Posten mit 500 Mark Zinsen auftauchte - täglich 500 Mark! - während der Gerichtsvollzieher schon restlos alles weggeschleppt hatte und der Schuldner von Sozialhilfe lebte. Er wäre ja schön dumm, jemals im Leben wieder einen Finger zu rühren. Wozu auch, wenn er arbeitet, hat er nichts davon. Wenn er nicht zahlt, werden die Schulden immer höher und wenn er zahlt, werden die Schulden auch immer höher.
Bis heute gibt es ein paar Leute und schlecht informierte Journalisten, die Beispiele von einfach gestrickten Naturen bemühen, denen die Handy-Rechnung und Modeklamotten aus Versandhäusern zum Verhängnis wurden. Damit wird dann gegen eine zutiefst vernünftige Regelung gestänkert und Stimmung gemacht. Für eine etwas tiefere Betrachtung reicht es dabei regelmäßig nicht.
Gruß
Wolfgang