Rassismus immer weiß?

Guten Morgen!

Ich hatte gestern ein Streitgespräch mit einem Freund, der immerhin Politik und Soziologie studiert.
Er behauptet, Rassismus ginge per definitionem immer von Weißen aus und jeder Weiße ist automatisch dadurch, dass er weiß ist, ein Rassist - und das sei auch die gängige Auffassung des Rassismus-Begriffes.
Er führt das darauf zurück, dass auch Deutschland eine Kolonialpolitik betrieben hatte.

Das hat mich doch sehr erstaunt, ich lasse mich aber gern eines Besseren (?) belehren?

Ich bin der Meinung, Rassismus bezeichnet die Ablehnung anderer Rassen und kann genausogut umgekehrt stattfinden oder zwischen anderen Rassen eben auch, es sei also ein eher neutraler Begriff.
Beim Überfliegen des Wikipedia-Artikels zu dem Thema hab ich diese Erklärung jedenfalls nicht gefunden.

Ich wusste jetzt auch nicht, wo ich das Posten sollte, deshalb steht es nun unter „Kulturen weltweit“.

Für interessante Ausführungen zu der Frage bedanke ich mich!

Gruß, Diva

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Ich habe heute leider keine Zeit für lange interessante Ausführungen :smile_cat: , deshalb nur so viel: Rassistische Überzeugungen kann grundsätzlich jeder haben, inkl. der Personen, die unter negativen rassistischen Stereotypen zu leiden haben, aber institutionalisierter Rassismus kann nur von der Mehrheitsgesellschaft bzw. der sozialen Gruppe, die die Macht inne hat, ausgehen - das sind hierzulande und in den USA nun einmal die Weißen.

Für den Einstieg empfehle ich die Crash-Course-Folge zum Thema Rassismus:

Leider hat in Deutschland bislang noch nahezu keine Aufarbeitung der Kolonialgeschichte stattgefunden.

:paw_prints:

Nun ja, sag doch Deinem Freund, daß er mal in einem arabischen Land sagen soll, daß er Jude ist. Die Reaktionen darauf würde ihn dann sicher seine Behauptung überdenken lassen!

LG Mannema

Ich denke, da haben wir das Problem bereits identifiziert. Ich erinnere mich noch mit Schaudern daran, was meine Tochter ab dem 2. Semester ihres Lehramtsstudiums so von sich gab. Ich hatte daraufhin die Gewissheit über Bord geworfen, das es sich bei Universitäten zwangsläufig um Horte des Wissens handelt.

Die eigentliche These halte ich für eine Variation der von Linken besonders liebevoll gepflegten „der böse Westen ist an allem Schuld“ Halluzination.

Nur in Deutschland?

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Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn, wie hier schon mehrfach richtig beantwortet wurde.
Allerdings wird aber die Diskussion, gegen wen was rassistisch sei (also aus „Tätersicht“), überwiegend unter „Weißen“ geführt.
Gruß
rakete

Versuch mal in den USA eine Schwarze Frau auf dem Land zu Daten - dann wirst du den Schwarzen Rassismus sehr schnell kennen lernen.

Ganz allgemein ist dieser natürlich auf keine Hautfarbe begrenzt. Viele Asiaten sehen sich als Krone der Schöpfung, Weiße werden allenfalls akzeptiert, Schwarze sind weniger wert als der Dreck zwischen den Zehennägeln. Die Gesellschaften in Asien sind sehr viel rassistischer (und das ganz offen) als Weiße.

In Afrika dito. Da werden Weiße Farmer ganz offen in Südafrika mit einem „Genozid“ bedroht.

„Immerhin xyz studiert“ schützt nicht davor, Blödsinn zu reden, auch nicht im eigenen Fachbereich.

Hmmm. Die Aussage „Jeder Schwarze ist automatisch dadurch, dass er schwarz ist, weniger wert.“ hat eine ganz ähnliche Qualität. Welche findest du bescheuerter?
Welche Quellen nennt er denn für seine „gängige Auffassung“?

Das ist nun kompletter Schwachsinn. Was hat der Rassismus z.B. in den USA mit deutschem Kolonialismus zu tun? Wurde er etwa von enttäuschten deutschen Kolonialherren begründet? Sklaverei gab’s lange vorher schon!

Ganz unrecht hat er trotzdem nicht: Nur Europäer - also „die Weißen“ - haben es geschafft, sich in großem Stil weltweit zu verbreiten. Diese Möglichkeit hatten sie, weil sie in vielen Bereichen tatsächlich im Vorteil gegenüber anderen Gruppen waren.
Ohne viel nachzudenken ist es vor dem Hintergrund - zumal als Weißer - natürlich verlockend, eine „Überlegenheit der weißen Rasse“ anzunehmen (die weissenschaftlich nachzuweissen meines Weissens auch ausschließlich von Europäern versucht wurde, mit teils fragwürdigen Methoden, und letztlich erfolglos).
Diese vermeintliche Überlegenheit ist aber nicht genetisch begründet, sondern vielmehr geographisch. Zu diesem Schluß kommt u.a. Jared Diamond: Die Bevölkerung in unseren Breitengraden hatte aus verschiedenen Gründen einfach bessere Voraussetzungen für bestimmte Entwicklungen.

Und spätestens wenn ein Kofi Annan von „schwarzem Rassismus“ redet, dürfte die Ansicht deines Freundes widerlegt sein. Ob Schwarze weiße Farmer enteignen und ermorden, sich zwei Stämme allein aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit bekriegen oder Schwarze nicht auf derselben Parkbank wie Weiße sitzen dürfen, macht ideologisch keinen Unterschied.

Gruß,

Kannitverstan

Das „per definitionem“ unterstellt, es gäbe eine allgemeingültige Definition von Rassismus - was offensichtlich nicht der Fall ist. Um dies zu wissen, muss man nicht einmal Politik und Soziologie studieren (man sollte es freilich wissen, wenn man das tut), ein Blick in Wikipedia genügt. Vermutlich redet er da von seiner persönlichen Privatdefinition.

Das - die Behauptung, zwischen einem phänotypischen Merkmal wie z.B. der Hautfarbe und bestimmten Überzeugungen und daraus resultierendem Verhalten (um nicht zu sagen einem schweren Charakterfehler) bestünde eine zwingende Korrelation - ist ein hervorragendes Beispiel für eine typisch rassistische Aussage. Was nun allerdings lediglich zeigt, dass Dein Freund Rassist ist. Selbst, wenn Dein Freund nun „Weißer“ ist, lässt sich daraus freilich noch nicht der Schluss ziehen, alle Weißen seien Rassisten.

Deinem Freund wäre ernsthaft anzuraten, sich nach einer intellektuell weniger fordernden Lebensperspektive umzusehen, als einer, die ein geisteswissenschaftliches Studium voraussetzt.

Freundliche Grüße,
Ralf

Das ist reichlich pauschalisierend. Zumindest wäre hier zwischen dem geschichtswissenschaftlichen Diskurs in der DDR und dem der BRD deutlich zu unterscheiden. Da hier eigentlich OT, nur ein Verweis auf Christiane Bürgers aktuelle wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung solcher Aufarbeitung am Beispiel Namibia:

Christiane Bürger
Deutsche Kolonoalgeschichte(n)
Der Genozid in Namibia und die Geschichtsschreibung der DDR und BRD
transcript Verlag Bielefeld 2017 ISBN 978-3-8376-3768-7

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Damit begehst du die gleiche - mE unzulässige Vermischung - zweier vollkommen unterschiedlicher Fragestellungen, wie der hier angesprochene Freund. Ja, es gibt eine Kolonialgeschichte, die nicht ansatzweise vernünftig in Bezug auf darin zum Ausdruck kommendem Rassismus aufgearbeitet ist. Dies hat aber nichts mit der grundsätzlichen Frage zu tun, ob Rassismus zwingend von „Weißen“ ausgehen muss! Natürlich sind die großen, präsenten rassistischen Themen zu einem Gutteil so gestrickt, dass Weiße die Täter waren/sind. Dies sagt aber doch überhaupt nichts darüber aus, dass dies zwingend so sein müsste/dass nicht auch in umgekehrter Richtung Rassismus denkbar, möglich und auch tatsächlich vorhanden ist.

Ich bekam neulich einen Fall im Bekanntenkreis mit, der mir die Sprache verschlagen hat: Da wurde ein deutscher Junge, blond, blauäugig, groß und politisch vollkommen unverdächtig im Rahmen ganz normaler klasseninterner Streitigkeiten wiederholt von ausländischen Mitschülern als „Nazi“ hingestellt. Und auch Lehrer übernahmen sehr unreflektiert einen angeblich vorhandenen Ausländerhass in ihre Bewertung der Angelegenheit, bis es den Eltern reichte, und der Junge die Schule wechselte.

Das ist für mich ein klarer Fall von Rassismus in die andere Richtung! Und der ist nicht weniger schlimm zu beurteilen, als ein Fall, der in die eher übliche Richtung gehen würde. Das ist natürlich ein Einzelfall, zeigt aber deutlich, dass es eben auch anders herum geht. Die absoluten Zahlen von Fällen in die ein oder andere Richtung hat nichts damit zu tun, dass man behaupten könnte, es gäbe nur die eine Richtung, in der einem schneller mehr und umfangreichere Beispiele einfallen.

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Du liegst richtig und er folgt nur einer pseudoprogessiven (sehr linken) Definition, die er evtl. der Critical Whiteness entnommen hat.

Rassismus läuft in beide Richtungen und ist natürlich auch „innerhalb“ der Hautfarben akut. Bspw. Japaner und Koreaner oder Hutu und Tutsi, aber auch Araber gegen Iraner (Perser), wobei hier auch der religiöse "Konfessions"rassismus eine Rolle spielen kann. Wirf mal einen Blick auf den Südsudan. Kaum vom rassistischen Norden losgelöst, haben sich die schwarzen Ethnien des Südens bevorzugt gegenseitig den Schädel eingeschlagen. Hier spielt auch eine Rolle die Konfliktsituation zwischen Nomaden und Bauern.

Gruß
vdmaster

neben kolonialismus (ein weißes phänomen, politik) kann man dies darüber hinaus auch mittels philosophiegeschichte belegen. nachlesen!
oder der (sozial)wissenschaftlichen Klassifizierung in ethnien. indigene und andere untergeordnete.

die „überlegenheit“ des weißen manns ist historisch belegt und „nachgewiesen“.
man nennt es aufklärung und humanismus.
idealisiert, versteckt und ideoligisert den praktizierten und gelebten rassismus.
bis heute.
in die zeit der wirtschaftlichen kolonialisierung afrikas hinein.

bittere selbsterkenntnis für viele.
naja, sehr wenige offensichtlich.

beispiele größerer ordnung?
ich kenne keine.

pasquino

Ah, noch ein Soziologiestudent!?


Oder gelten Chinesen auch als „weiß“?

Gruß,

Kannitverstan

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Nicht jedem Konflikt zwischen zwei Ethnien liegt Rassismus zugrunde.

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Nein, der „weiße Mann“ weiß einfach nur nicht, wie unwissend er bezüglich außereuropäischer Geschichte und Kultur ist, da er von seinen Ethnozentrismus geblendet ist.

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Das glaube ich jetzt glatt. Dass auch Kolonialismus mit rassistischen Begründungsmustern gerechtfertigt wurde (nicht zuletzt auch der japanische) und wird, heisst nun einmal nicht, dass Kolonialismus und Rassismus dasselbe ist. Schon mal was vom Rassenantisemitismus gehört? Nur mal so als ein „Beispiel größerer Ordnung“, das nun mit „Weißen“ oder Kolonialismus reichlich wenig zu tun hat. Oder - um ein aktuelleres Beispiel für eine rassistische Ideologie mit fatalen Folgen zu nehmen - ‚Hutu Power‘.

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Es kommt halt, wie immer, auf die Definition des Begriffs an …

Gängigerweise beinhaltet die Definition des Rassismus nicht nur den Aspekt der Konstruktion/Betonung „rassischer“ Unterschiede, sondern stellt diese in einen Raum überlegener/unterlegener Macht.
(das ist dir im Wiki-Artikel auch in den meisten Definition begegnet)

Spontan formuliert etwa: Rassismus ist die Betonung „rassischer“ Unterschiede von Menschen zur Sicherung und Rechtfertigung der eigenen überlegenen (Gruppen)Machtposition.

Daraus leiten manche ab, dass Rassismus tatsächlich nur von Weißen ausgehen kann, weil diese tatsächlich diejenige Gruppe sind, die in diesem „rassischen“ Zusammenhang unstrittig die überlegene Machtposition innehaben: politisch, militärisch, ökonomisch. Das ist ja ziemlich evident

Insofern ist das erst mal eine nachvollziehbar Position, zumal es sinnvoll ist, Rassismus als Funktion von Macht und Machtdifferentialen zu verstehen.

Allerdings ist es m.E. eine extreme (und letztlich ziemlich leere) Abstraktion, die bestenfalls eine ‚globale Gesamtsituation‘ erfasst. Die Machtverhältnisse sind in verschiedenen Situationen sehr unterschiedlich, so dass es genug Konstellationen gibt, in denen Weiße eine unterlegene Machtposition innehaben und Opfer von Rassismus sind, anders gesagt: in denen anti-weißer Rassismus möglich ist. M.E. sehr wohl auch, @KamikazeKatze, „institutionalisierter anti-weißer Rassismus“.
Und natürlich gibt es vor allem (institutionalisierte) Rassismus-Formen, mit denen Weiße unmittelbar überhaupt nichts zu tun haben (mittelbar ist aber zumindest das Gegensatzpaar weiß/nicht-weiß m.E. bei jeder Form des Rassismus immer irgendwie im Spiel).

Wie gesagt, ja und nein.
Wenn man den Rassismus als Macht-Faktor versteht (und tut man das nicht, ist der Begriff m.E. gerade nicht neutral, sondern selbst rassistisch motiviert, weil er sich durch solche fragwürdige „Neutralität“ selbst verschleiert), dann kann man nicht an der Thematisierung vorbei, welche „rassische“ Gruppierung die Position der überlegenen Macht innehat.
In lokalen Situationen können das verschiedene Gruppierungen sein, auf der „globalen“ (= abstraktesten und umfassendsten) Ebene sind das unbestreitbar wir Weißen - nicht jeder einzelne, aber als abstrakte Gruppierung. Und deshalb können auf dieser „globalen“ Ebene tatsächlich nur Weiße Rassisten sein.

Aber, wie ebenfalls schon gesagt, blendet diese Sichtweise schlicht aus, dass die vielen lokalen Situationen ihre eigenen Macht-Differentiale haben, die nicht unmittelbare Ableitung des „globalen“ Macht-Differentials sind.

War jetzt ein langer und letztlich auch „soziologischer“ Text.
Ich glaube aber, dass man sich selbst in die Tasche lügt, wenn man das für typischen Soziologenschmarrn oder für linke anti-westliche Ideologie hält - womit nicht dich meine, sondern ein paar Antworten hier im Thread.
.
Gruß
F.

Meine Frau war touristisch im Iran. Sie hat von einer Unterhaltung berichtet: „Wir sind doch auch Arier wie ihr“. Das sollte sagen, dass die Iraner mit Arabern nichts am Hut haben.
Udo Becker

Ich war touristisch in Kenia und habe in mühsamer Feldforschung die Tendenz festgestellt: je hellhäutiger die Nutten, desto höher das Stundenhonorar.

Gruß
F.

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