Es kommt halt, wie immer, auf die Definition des Begriffs an …
Gängigerweise beinhaltet die Definition des Rassismus nicht nur den Aspekt der Konstruktion/Betonung „rassischer“ Unterschiede, sondern stellt diese in einen Raum überlegener/unterlegener Macht.
(das ist dir im Wiki-Artikel auch in den meisten Definition begegnet)
Spontan formuliert etwa: Rassismus ist die Betonung „rassischer“ Unterschiede von Menschen zur Sicherung und Rechtfertigung der eigenen überlegenen (Gruppen)Machtposition.
Daraus leiten manche ab, dass Rassismus tatsächlich nur von Weißen ausgehen kann, weil diese tatsächlich diejenige Gruppe sind, die in diesem „rassischen“ Zusammenhang unstrittig die überlegene Machtposition innehaben: politisch, militärisch, ökonomisch. Das ist ja ziemlich evident
Insofern ist das erst mal eine nachvollziehbar Position, zumal es sinnvoll ist, Rassismus als Funktion von Macht und Machtdifferentialen zu verstehen.
Allerdings ist es m.E. eine extreme (und letztlich ziemlich leere) Abstraktion, die bestenfalls eine ‚globale Gesamtsituation‘ erfasst. Die Machtverhältnisse sind in verschiedenen Situationen sehr unterschiedlich, so dass es genug Konstellationen gibt, in denen Weiße eine unterlegene Machtposition innehaben und Opfer von Rassismus sind, anders gesagt: in denen anti-weißer Rassismus möglich ist. M.E. sehr wohl auch, @KamikazeKatze, „institutionalisierter anti-weißer Rassismus“.
Und natürlich gibt es vor allem (institutionalisierte) Rassismus-Formen, mit denen Weiße unmittelbar überhaupt nichts zu tun haben (mittelbar ist aber zumindest das Gegensatzpaar weiß/nicht-weiß m.E. bei jeder Form des Rassismus immer irgendwie im Spiel).
Wie gesagt, ja und nein.
Wenn man den Rassismus als Macht-Faktor versteht (und tut man das nicht, ist der Begriff m.E. gerade nicht neutral, sondern selbst rassistisch motiviert, weil er sich durch solche fragwürdige „Neutralität“ selbst verschleiert), dann kann man nicht an der Thematisierung vorbei, welche „rassische“ Gruppierung die Position der überlegenen Macht innehat.
In lokalen Situationen können das verschiedene Gruppierungen sein, auf der „globalen“ (= abstraktesten und umfassendsten) Ebene sind das unbestreitbar wir Weißen - nicht jeder einzelne, aber als abstrakte Gruppierung. Und deshalb können auf dieser „globalen“ Ebene tatsächlich nur Weiße Rassisten sein.
Aber, wie ebenfalls schon gesagt, blendet diese Sichtweise schlicht aus, dass die vielen lokalen Situationen ihre eigenen Macht-Differentiale haben, die nicht unmittelbare Ableitung des „globalen“ Macht-Differentials sind.
War jetzt ein langer und letztlich auch „soziologischer“ Text.
Ich glaube aber, dass man sich selbst in die Tasche lügt, wenn man das für typischen Soziologenschmarrn oder für linke anti-westliche Ideologie hält - womit nicht dich meine, sondern ein paar Antworten hier im Thread.
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Gruß
F.