Abgesehen davon, dass dies erkennbar ein Nachsatz war, sind die beiden Themenbereiche eben keineswegs ganz klar zu trennen, alldieweil es die europäische (nicht nur die deutsche) Kolonialgeschichte ist, die auch und gerade in Deutschland den heutigen rassistischen Sprachgebrauch - dessen sich allzu viele überhaupt nicht bewusst sind (ich schaue in Richtung aller, die im Verzicht auf das N-Wort den Untergang der heiligen deutschen Kultur sehen) - sowie das heutige Bild von der Welt und insbesondere von Afrika als vor der Ankunft der Weißen geschichtslosem, unziviliertem Kontinent mit minderwertigen, nicht gänzlich zivilisierbaren Bewohnern geprägt hat.
Ich habe expressis verbis auf die Machtkomponente hingewiesen, die begründet, weshalb in Europa und den USA institutionalisierter Rassismus nur von Weißen ausgehen kann. Dies impliziert selbstverständlich, dass in anderen Ländern mit anderen Machtkonstellationen institutionalisierter Rassismus auch von anderen ethnischen Gruppen ausgehen kann. Ein aktuelles Beispiel ist Myanmar, wo der Rassismus der hellhäutigen Bamar, der größten Ethnie des Vielvölkerstaates, gegenüber den dunkelhäutigen Rohingya in Gewalt und ethnischen Säuberungen mündete.
Rassistische Vorurteile können natürlich auch bei ethnischen Minderheiten, die keine Machtposition innehaben, zu finden sein, nur wirken sich diese eben gerade nicht gesamtgesellschaftlich aus.
Dieses Beispiel taugt, auch wenn es für den betroffenen Jungen eventuell äußerst unschön wahr, m.E. nicht als Beleg für Rassismus und noch nicht einmal für rassistische Vorurteile, denn die eventuell unwahre Behauptung zielte ja nur auf eine einzelne Person ab und nicht auf alle deutschen Mitschüler. Zudem sollte es Außenstehenden, die den Fall nur aus zweiter oder dritter Hand kennen, zu denken geben, dass auch die Lehrer bei diesem einzelnen Schüler ein Fehlverhalten feststellten. Das deutet doch stark darauf hin, dass es sich eher nicht um einen Fall von rassistisch motiviertem Mobbing handelt, sondern dass dieser Schüler tatsächlich ein ausländerfeindliches Verhalten an den Tag gelegt hat.
Mir ist bewusst, dass du selbst nicht in dieser politischen Ecke zu finden bist, aber du solltest mit dieser Formulierung äußerst vorsichtig sein, da reverse racism ein Schlagwort der äußersten Rechten in den USA ist und er inzwischen auch nach Europa überschwappt. Auch Geschichten wie die von deinem Bekannten erzählte kursieren dort häufig als „Beleg“ für umgekehrten Rassismus; bei näherer Untersuchung stellt sich aber regelmäßig heraus, dass es sich dabei um Falschdarstellungen oder sogar gänzlich erfundene Geschichten handelt.