Rassismus immer weiß?

Abgesehen davon, dass dies erkennbar ein Nachsatz war, sind die beiden Themenbereiche eben keineswegs ganz klar zu trennen, alldieweil es die europäische (nicht nur die deutsche) Kolonialgeschichte ist, die auch und gerade in Deutschland den heutigen rassistischen Sprachgebrauch - dessen sich allzu viele überhaupt nicht bewusst sind (ich schaue in Richtung aller, die im Verzicht auf das N-Wort den Untergang der heiligen deutschen Kultur sehen) - sowie das heutige Bild von der Welt und insbesondere von Afrika als vor der Ankunft der Weißen geschichtslosem, unziviliertem Kontinent mit minderwertigen, nicht gänzlich zivilisierbaren Bewohnern geprägt hat.

Ich habe expressis verbis auf die Machtkomponente hingewiesen, die begründet, weshalb in Europa und den USA institutionalisierter Rassismus nur von Weißen ausgehen kann. Dies impliziert selbstverständlich, dass in anderen Ländern mit anderen Machtkonstellationen institutionalisierter Rassismus auch von anderen ethnischen Gruppen ausgehen kann. Ein aktuelles Beispiel ist Myanmar, wo der Rassismus der hellhäutigen Bamar, der größten Ethnie des Vielvölkerstaates, gegenüber den dunkelhäutigen Rohingya in Gewalt und ethnischen Säuberungen mündete.

Rassistische Vorurteile können natürlich auch bei ethnischen Minderheiten, die keine Machtposition innehaben, zu finden sein, nur wirken sich diese eben gerade nicht gesamtgesellschaftlich aus.

Dieses Beispiel taugt, auch wenn es für den betroffenen Jungen eventuell äußerst unschön wahr, m.E. nicht als Beleg für Rassismus und noch nicht einmal für rassistische Vorurteile, denn die eventuell unwahre Behauptung zielte ja nur auf eine einzelne Person ab und nicht auf alle deutschen Mitschüler. Zudem sollte es Außenstehenden, die den Fall nur aus zweiter oder dritter Hand kennen, zu denken geben, dass auch die Lehrer bei diesem einzelnen Schüler ein Fehlverhalten feststellten. Das deutet doch stark darauf hin, dass es sich eher nicht um einen Fall von rassistisch motiviertem Mobbing handelt, sondern dass dieser Schüler tatsächlich ein ausländerfeindliches Verhalten an den Tag gelegt hat.

Mir ist bewusst, dass du selbst nicht in dieser politischen Ecke zu finden bist, aber du solltest mit dieser Formulierung äußerst vorsichtig sein, da reverse racism ein Schlagwort der äußersten Rechten in den USA ist und er inzwischen auch nach Europa überschwappt. Auch Geschichten wie die von deinem Bekannten erzählte kursieren dort häufig als „Beleg“ für umgekehrten Rassismus; bei näherer Untersuchung stellt sich aber regelmäßig heraus, dass es sich dabei um Falschdarstellungen oder sogar gänzlich erfundene Geschichten handelt.

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Da dürfte der Grund eher das lokale Schönheitsideal sein, ich kenne ähnliches aus Asien. Dort scheuen zahlreiche Frauen die Sonne, einige Behandeln ihre Haut gar mit Chemikalien, damit sie heller ist. Und das sind bei weitem nicht nur Prostituierte. Heller gilt als schicker. Ich bin immer froh, wenn ich im Urlaub etwas Farbe bekomme.

Nein, das ist es nicht. Nur weil einzelne versprengte Historiker sich mit Kolonialgeschichte beschäftigten (was aber noch in den Neunzigern noch nicht die universitäre Lehre erreichte - ganz im Gegensatz zur Ethnologie, die auch in der Lehre bereits nicht nur die Kolonialgeschichte als solche, sondern auch die eigene Rolle dabei kritisch beleuchtete), heißt das noch lange nicht, dass so etwas wie eine Aufarbeitung stattgefunden hätte, die breitere Bevölkerungsschichten erreicht hätte.

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Am Rande:

Dies ist ein Beispiel für in der Kolonialgeschichte wurzelnden Sprachgebrauch, der den allermeisten von uns überhaupt nicht bewusst sein dürfte.

(Stamm ist eine abwertende Bezeichnung für eine nichteuropäische Ethnie, der die Vorstellung zugrunde liegt,dass es sich um eine unterentwickelte, den weißen/europäischen Völkern gegenüber minderwertige Gesellschaftsform handelt.)

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Das habe ich auch keineswegs bestritten - ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass er in Europa und den USA nun einmal von Weißen ausgeht.

Ein anderes Beispiel wäre, wie schon an anderer Stelle genannt, der Rassismus gegenüber den Rohingya in Myanmar, der von der dortigen Mehrheitsbevälkerung ausgeht.

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In der Tat. Für ein Beispiel auf europäischer Ebene (derer es ja auch einige gibt) kommt einem der Begriff „Stamm“ eher nicht in den Sinn.

Danke & Gruß,

Kannitverstan

Du hast mir ein Dislike verpasst, ohne Begründung.
Wo wäre denn die intra-ethnische Diskussion eigenen Rassismusses anderer Ethnien nachzulesen? Ich bestreite nicht, dass es sie gibt, nur füllt im Vergleich dazu (vielleicht ein Aufsatz) unsere Diskussion die Regale gleich mehrerer alternativer Buchläden.
Nenne Beispiele!
Gruß
rakete

Interessanter Artikel. Leider kommt der nur durch die „Draufsicht“ von Deutschen zustande. Gibt es in China Strömungen und Literatur, die sich kritisch mit ihrem Rassismus auseinandersetzen?

Gruß
rakete

Ja, sicher, das wollte ich damit ausdrücken

Gruß
F.

Wobei man gerade am Beispiel Ruanda gut argumentieren könnte
a) es läuft nicht in beide Richtungen, sondern auch „innerhalb der Hautfarben“ in Richtung weiß->schwarz (da sind die Tutsi eben die „Weißeren“ unter den „Schwarzen“)
und
b) hier liegt der enge historische Zusammenhang zur Kolonialgeschichte, der im UP angesprochen wird, tatsächlich sehr deutlich auf der Hand.

Nur nebenbei …

Gruß
F.

Eben. Und da stellt sich schnell und durchaus nicht unbegründet der Verdacht ein, dass man das, was man aussagen will, durch eine entsprechende Definition präformiert. Das zeigt sich in eigenartigen Verengungen des Rassismus-Begriffs wie z.B. im auch hierzulande modisch gewordenen Whiteness-Diskurs. Wobei ‚Whiteness‘ verständlicherweise im angloamerikanischen Raum ein zentrales Thema ist, aber speziell in Deutschland angesichts der historischen Auswirkungen des Rassenantisemitismus und Antiziganismus sowie dem Fehlen vergleichbarer historischer Bedingungen (einer aus Afrika verschleppten Sklavenpopulation oder nennenswerter Zuwanderung aus ehemaligen Kolonien wie etwa in GB oder Frankreich) doch eher von marginaler Bedeutung.

Wenn man tatsächlich mit einem Begriff wie ‚Rassismus‘ arbeitet, ist es - wenn man denn tatsächlich zu seriösen Aussagen kommen will - unverzichtbar, diesen Begriff zunächst exakt zu definieren und ihn gegen verwandte bzw. umfassendere Begriffe wie z.B. Diskriminierung, Xenophobie oder Heterophobie deutlich abzugrenzen. Alles andere ist rhetorische Taschenspielerei. Wenn man etwa Rassismus auf ‚Whiteness‘ oder gar nur Kolonialismus reduziert, spricht man damit implizit z.B. Antisemitismus vom Vorwurf des Rassismus frei bzw. weist diesem eine andere Kategorie zu. Das mag legitim sein - jedoch nicht ohne hinreichende Begründung.

Neben diesem Abgrenzungsproblem ergibt sich bei dem Begriff ‚Rassismus‘ ein weiteres - nämlich das, dass dieser Begriff sich auf das wissenschaftlich spätestens seit Mitte der 90er Jahre durch die Populationsgenetik (insbesondere Luigi L. Cavalli-Sforza) widerlegte Konzept menschlicher Rassen bezieht (wobei es auch da richtiger wäre, im Plural von ‚Konzepten‘ zu sprechen). Das führt zu der schizophrenen Situation, dass gerade wohlmeinende Kritiker rassistischer Strukturen dazu neigen, sich das nicht nur fragwürdige, sondern wissenschaftlich widerlegte Konzept von ‚Rasse‘ zu eigen zu machen, um damit Täter- und Opfergruppen von Rassismus zu etikettieren. Damit spiegelt man lediglich rassistische Konstrukte wie z.B. den weißen Suprematismus wieder und lässt sich auf deren Kategorien ein - obwohl man es besser wissen könnte.

Dies führt dann entprechend auch zu offensichtlich rassistischen Aussagen wie der hier eingangs vorgestellten, jeder Weiße sei automatisch dadurch, dass er weiß ist, ein Rassist. Dazu sei angemerkt, dass im Kontext des Whiteness-Diskurses eben nicht von ‚Weißen‘ die Rede ist, sondern von gesellschaftliche Gruppen, die sich selbst als ‚weiß‘ identifizieren und damit eine Kategorie ‚nicht-weiß‘ konstruieren, von der sie sich abgrenzen. Anders gesagt - es liegt bei dem Freund der Threaderöffnerin anscheinend ein vulgäres (bezeichnenderweise rassistisches) Missverständnis des Ansatzes ‚Whiteness‘ vor, worauf schon @vdmaster hingewiesen hatte. Meine Verdachtsdiagnose wäre da - von der bereits konstatierten intellektuellen Dürftigkeit der These abgesehen - latenter Masochismus.

Jedenfalls führt diese begriffliche Unschärfe dann auch in der Anwendung auf gesellschaftliche oder politische Phänomene zu erheblichen Abgrenzungsproblemen. Was ja dann auch hier in dieser Diskussion dazu führt, dass je nach Belieben von ein und derselben Person bei ethnischen Konflikten wahlweise Rassismus unterstellt oder aber geleugnet wird - wie es einem gerade in den Kram passt. Eine Diskussion, ob etwa der türkische Genozid an den Armeniern oder der Hutu an den Tutsi 1994 rassistisch motiviert waren oder nicht, halte ich nicht für hilfreich - das wäre keine Diskussion über Ursachen, sondern lediglich darüber, welches Label man ihnen verpasst.

Diese ad-hoc-Definition verweist auf die Funktion von Rassismus als Ideologie - also auf Begründungs- und Exkulpationsmuster für bestimmte Formen des Verhaltens, die grundsätzlich moralisch sanktioniert sind, indem sie den Gültigkeitsbereich dieser Sanktionierung einschränken. Daraus folgt mE, dass es sinnlos ist, Rassismus (im Sinne rassistischer Ideologie) ethisch-moralisch zu kritisieren. Der richtige Ansatz ist hier vielmehr eine Ideologiekritik, die die falschen und unwissenschaftlichen Grundlagen dieser Ideologie der Ab- und Ausgrenzung aufzeigt und stattdessen auf ihre anthropologisch-psychologischen Wurzeln verweist; die bereits genannten Phänomene Xenophobie und Heterophobie. Hier sehe ich dann auch einen sinnvollen aufklärerisch-erzieherischen Ansatz, für den zudem die angeführten Abgrenzungsprobleme irrelevant sind, da es sich um die gleichen Ursachen handelt.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Dass Du von der geschichtswissenschaftlichen Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte nichts mitbekommen hast, zeigt nicht, dass es eine solche nicht gibt. Das Dir empfohlene Buch enthält alleine 29 Seiten Bibliografie zum Thema. Sicherlich einiges davon Quellen und Archivalien - aber von „einzelnen versprengten Historikern“ zu reden zeugt schlicht von Unkenntnis. Auf namedropping verzichte ich - schau Dir einfach das (durchaus lesenswerte) Buch an, das insbesondere hinsichtlich politischer Rahmenbedingungen für geschichtswissenschaftliches Arbeiten in DDR und BRD interessante Hinweise gibt.

Richtig ist - wie bereits erwähnt - dass Kolonialgeschichte vor allem ein Thema in der DDR-Geschichtswissenschaft und -Afrikanistik war und auch, dass diese Aufarbeitung nicht abgeschlossen ist. Richtig ist auch, dass es bislang insbesondere im Vergleich zur Aufarbeitung des Antisemitismus kein nennenswertes trickle down in „breitere Bevölkerungsschichten“ gegeben hat. Dessenungeachtet wird gerade seit 2015 (Beginn der Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia über die Anerkennung des Genozids an den Herero und Nama) das Thema deutscher Kolonialismus in den Medien immer wieder aufgegriffen. Mal nur Beispiele seit Dezember 2017:







Erwähnenswert auch dieses aktuelle Ausstellungsprojekt: https://www.museum-treptow-koepenick.de/
Ist ZDF / Spiegel / Die Welt / Die Zeit / taz / Deutschlandfunk „breit“ genug? Oder ist das für Dich erst der Fall, wenn auch die Bild-Zeitung das Thema aufgreift?

Von „nahezu keinerAufarbeitung“ zu sprechen, wie Du es tust, ist schicht falsch - wie auch immer Du „nahezu keine“ definieren willst.

Das funktioniert aber nur, wenn man bei Betrachtung des Konflikts den Blick auf das Jahr 1994 fokussiert. Da gibt es ja eine Vorgeschichte - u.a. die ‚Blutweihnacht‘ 1963, als Tutsi schätzungsweise 10.000 - 15.000 Hutu massakrierten und vor allem das Massaker an schätzungsweise 300.000 Hutu in Burundi 1972 - ebenfalls vorwiegend von Tutsi verübt. Da implodiert Deine schöne These …

Es ist richtig, dass zunächst die Deutschen (1884 - 1916) und danach die Belgier (Mandatsmacht bis 1962) mit die Ursachen für den Konflikt gelegt haben, indem sie die Minderheit der Tutsi nach dem Prinzip divide et impera gegenüber den Hutu privilegierten. Dessenungeachtet war im UP von weißem Rassismus die Rede und ich kann irgendwie nicht so recht glauben, dass Du wahlweise Hutu oder Tutsi in dn genannten Massakern als Agenten / Stellvertreter weißer Rassisten hinstellen willst. Das wäre schon eine merkwürdige Verschwörungstheorie …

Gruß,
R.

Angesichts der Tatsache, dass ich Ethnologie (an einem Institut mit Schwerpunkt Afrikanistik) und Geschichte studiert habe, bilde ich mir ein, mir durchaus ein auf entsprechende Kenntnisse gestützes Urteil erlauben zu können.

Und ja, mit der deutschen Kolonialgeschichte haben sich nur vereinzelte Historiker ernsthaft beschäftigt, zumal die DDR-Geschichtsschreibung derart ideologisch geprägt war, dass sie aus heutiger Sicht als untauglich betrachtet werden muss.

Übrigens: Die deutsche Kolonialgeschichte umfasst deutlich mehr als nur den Völkermord an den Nama und Herero.

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Das ist richtig - und auch -aus meiner Sicht- gänzlich unvermeidlich.
Allerdings gibts m.E. nur ein paar wenige mögliche Grundalternativen unterhalb der Gewusels der vielen unterschiedlichen Rassismus-Definitionen.

Drei Achsen, die sich m.E. auch hier im Thread bemerkbar machen:

  1. Sehe ich „Rassismus“ von vorn herein als Funktion von Machtverhältnissen - oder nicht (sondern etwa als, was weiß ich, ‚hautfarbenbezogene Feindlichkeit der anderen Gruppe gegenüber‘, so dass Rassismus in alle möglichen Richtungen laufen kann)
  2. Sehe ich Rassismus als seinen situationalen Ausprägungen übergeordnetes Schema oder löse ich ihn voll auf konkrete Situationen auf. Wenn ich für letzteres bin, sehe ich da diesen, da jenen Rassismus, sehe aber kein übergeordnetes historisches rassistisches Schema, bestenfalls anthropologische Grundkonstanten.
  3. Sehe ich Rassismus als überindividuelle Struktur oder als Einstellung des jeweiligen Individuums. Wenn letzteres, ist natürlich die Sichtweise, dass Weiße unweigerlich Rassisten sind, völliger Käse.

So viele Grundachsen gibts m.E. nicht, so dass sich da schon eine gewisse Verbindlichkeit herstellen lässt.

Das ist richtig.
Insbesondere die Reduktion auf den Kolonialismus scheint mir oft den differenzierten Blick zu verstellen.
Wenn ich allerdings im Sinne von Achse 2 oben „Rassismus“ als übergreifendes historisches Schema sehen möchte, dann hat der Kolonialismus und die „Weißheit“ sehr hohe Bedeutung.
(Über die sog. „Hamitentheorie(n)“ beispielsweise ist „Weißheit“ und Antisemitismus ja durchaus sehr eng verknüpft worden.)
Aber, klar, es braucht Begründungen und eine Genauigkeit der Begriffe.

Da stimme ich nicht zu, denn es geht in diesem Diskurs nicht nur um Selbst-Identifizierung, sondern wesentlich um Fremdzuschreibung. Selbstverständlich ist „Weißheit“ etwas zutiefst sozial Konstruiertes, aber als solcher „fait social“ hat er objektive Realität.
Aus meiner Sicht ist es daher für den heutigen Rassismus-Diskurs, der diese (zwischenzeitliche )Fundierung auf der Biologie (wieder) abgeworfen hat, ziemlich unerheblich, was die Populationsgenetik sagt, weil er diese Fundierung für seine Funktionieren nicht benötigt.
Vgl. die Diskussion über den „Rassismus ohne Rassen“.

Das sehe ich ganz anders.
Der Massenmord in Ruanda (und mit „Massenmord“ versuche ich in der Tat, nicht sofort eine Schublade aufzumachen) hat deutliche Wurzeln in der Kolonialgeschichte und im europäischen Rassismus des langen 19. Jahrhunderts hinein. Das ist eine Diskussion über Ursachen und nicht nur über das „Label“.
Natürlich ist es nicht hilfreich, den Massenmord in Ruanda auf die Kolonialgeschichte zu reduzieren, das ist klar.

Das Fettmarkierte verstehe ich nicht und kann deshalb zur Folgerung nichts sagen.

Ich gebe dir aber (insofern ich dich richtig verstehe) insofern recht, dass diese ad-hoc-Definition sich im Sinne von Achse 3 für eine strukturelle Perspektive und gegen die Fokussierung der „individuellen Einstellung“ entscheidet, an der ethisch-moralisch-erzieherische Kritik gewöhnlich anschließt.

Gruß
F.

Doch, die Themen sind eindeutig logisch trennbar! Die grundsätzliche Möglichkeit (und dies schließt ein, dass sich Verhältnisse ändern können), hat nichts mit dem momentanen Auftreten oder dessen Maß zu tun. Denke nur mal an die Naturwissenschaften, die sogar davon geprägt sind, dass man Phänomene oft zunächst nur theoretisch beschreiben kann, und es längerfristig keine tatsächliche Beobachtung gibt, bis man plötzlich in der Lage ist, Dinge mit neuen Verfahren und Geräten messen zu können, die man vorher nicht messen konnte, oder weil sich schlicht Randbedingungen ergeben haben, die man vorher nicht hatte, … Ich wäre der Letzte, der Angst vor einer Überfremdung im eigen Land hätte, aber auch - rein wissenschaftlich gesehen - vorsichtig genug nicht Dinge für die Zukunft auszuschließen, auch wenn sie heute noch nicht ansatzweise absehbar sind.

Zudem ist es in meinen Augen falsch den Fokus bzgl. „institutionalisiert“ ausschließlich gesamtstaatlich zu sehen, und hierbei nur staatliches oder staatlich gebilligtes Handeln zu betrachten. Ganz massiver Rassismus kann sich auch lokal sehr begrenzt zeigen, und durchaus institutionalisiert sein, und zwar jenseits staatlicher Billigung. Oder würdest Du einem Präsidenten Obama unterstellen wollen, dass er den Klu Klux Klan unterstützt hätte? Und was so diverse lokale rechte Organisationen in den letzten Jahren hier abgezogen haben, die durchaus organisiert/institutionalisiert waren, war erschreckend und hatte durchaus eine gesamtgesellschaftliche Komponente. Und wenn ich mir als Gegenbeispiel hierzu Straßenzüge und Stadtviertel ansehe, in denen zunehmend alteingesessene deutsche Bewohner Repressalien ausgesetzt sind, dann hat auch dies durchaus gesamtgesellschaftliche Auswirkungen, Nicht zuletzt weil diese Situationen von rechten Gruppen als Beispiel für eine angeblich stattfindende komplette Überfremdung herangezogen werden.

Soweit zum sachlichen Teil. Jetzt zu dem, der mir gerade echt die Galle hochtreibt:

Es ist bei mir zweite Hand, und bei dir dritte Hand! Wie kommst du also dazu, nach wenigen Zeilen zu meinen besser zu wissen als ich, was da passiert ist?

Ich kenne die Sache sehr genau, und weiß hierüber weit mehr, als ich hier in wenigen Worten schreiben kann. Nur soviel: Die Familie ist eng mit uns befreundet, und hat - wie wir - einen teilweise überlappenden, durchaus bunt gemischten Freundeskreis. Weder dieser Junge, noch der Rest der Familie hat jemals Anlass für entsprechende Anschuldigungen gegeben (was schon angesichts des entsprechend bunten Freundeskreises einfach nur lächerlich ist). Auch an der neuen Schule ist die Klientel durchaus gemischt. Beim Schulwechsel erfuhr die Familie allerdings, dass dieser Vorwurf nicht zum ersten Mal in der früheren Schule gegenüber vollkommen unauffälligen Kindern erhoben worden war, und dass es da in einigen Klassen sehr unschöne Entwicklungen geben würde, weil bestimmte Klassenlehrer aus falsch verstandener PC und offenbar auch Angst vor gewissen Familienstrukturen in der Schülerschaft, sich die Sache bei solchen Anschuldigen wohl sehr einfach machen würden. Man habe jedenfalls schon einige Schüler vor diesem Hintergrund übernommen, die sich alle als vollkommen unauffällig erwiesen haben. Und nur noch am Rande: Der Junge hatte aufgrund dieser Geschichte massive Essstörungen entwickelt, und war auch sonst psychisch auffällig geworden, was die Eltern dann nach diversen Versuchen die Sache an der ursprünglichen Schule wieder mit viel Engagement ins Lot zu bringen, letztendlich zum Schulwechsel veranlasst hat. Du hättest den Jungen mal erleben müssen, der über Monate nur noch ein Häufchen Elend war, und die Welt nicht mehr verstand!

Ganz ehrlich: Hättest du den Spruch im Beisein des Jungen hier bei mir vor Ort gebracht, hätte ich dem Jungen zu einer Strafanzeige geraten, und wärst du bei mir achtkantig raus geflogen!

BTW: Ich beschreibe Dinge, die ich sehe so, dass sie erkennbar sind, und mache die Verlogenheit falscher PC nicht mit! Gerade weil mir ein gleichberechtigtes Miteinander so wichtig ist, und gerade weil es mir auch wichtig ist, dass wir uns unserer Geschichte erinnern, dieser bewusst sind, daraus die richtigen Lehren ziehen, und auf dieser Basis Verantwortung übernehmen, werde ich niemals nicht den Fehler begehen, Dinge zu verschweigen, zu verharmlosen oder schönzureden, nur weil sie ausnahmsweise mal in die Richtung derjenigen gehen müssen, die sonst eher Opfer sind!

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Kind - Bad - ausschütten.

Auch hier haben wir z.B. „die drei Stämme Bayerns“.
Nur beiläufig.

Gruß
F.

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War es nicht 1963 anders herum, dass die Hutu 10-15.000 Tutsi massakrierten?

Meine These bezog sich aber doch auch nicht darauf, wer mehr von wem massakriert, sondern auf die Rechtfertigungsstragie „die Helleren beherrschend die Dunkleren“. Natürlich ist der ganze lange Hutu/Tutsi-Konflikt nicht darauf zu reduzieren, aber es scheint mir ein wichtiger Aspekt zu sein.

Nein, nicht „Stellvertreter“.
Ich meinte schlicht, dass dieses divide et impera der Kolonialmächte auch entlang rassistischer Formeln funktioniert hat: „Die Tutsi sind aus dem Norden eingewandert, sie sind hellhäutiger, sie sind die geborenen Herren über die Hutu“.
Damit will ich nicht einmal sagen, dass da eine Konfliktlinie erst geschaffen wurde, aber sie wurde von den Kolonialmächten europäisch-rassistisch aufgeladen.

Vor Beginn der deutschen Kolonialherrschaft im Jahre 1899 diente die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi zur Beschreibung sozialer Gegensätze. Das Königreich Ruanda wurde von einer Tutsi-Dynastie regiert. Tutsi waren in der Regel wohlhabende Viehzüchter, Hutu dagegen Bauern. Eine ethnische Relevanz besaß diese Unterscheidung aber nicht. Vielmehr zeichneten sich Hutu und Tutsi durch einen reichen Fundus ethnisch-kultureller Gemeinsamkeiten aus: Sie bewohnten dasselbe Territorium, besaßen eine gemeinsame Religion, sprachen dieselbe Sprache und heirateten einander.
Mit dem Kolonialismus jedoch hielt die Hamitentheorie Einzug in Ruanda, welche auf eine rassenideologische Interpretation des Buches Genesis zurückgeht. Nachdem Ham bei seinem Vater Noah in Ungnade gefallen war, verfluchte dieser Hams Sohn Kanaan mit den Worten: „Der niedrigste Knecht sei er seinen Brüdern“. Dunkelhäutige Menschen galten in der Hamitentheorie als Nachfahren Hams. Durch seinen Sündenfall waren sie zur rassischen Minderwertigkeit verdammt.
Im Zuge der napoleonischen Ägyptenexpansion wurde die Hamitentheorie zunehmend unhaltbar, da man nun auch auf afrikanische Hochkulturen stieß. Der Afrikaforscher John Hanning Speke versuchte 1863 diesen Widerspruch durch eine Neufassung der Hamitentheorie zu beheben. Der „weißen Rasse“ untergeordnet, seien die Hamiten durch ihre biblischen Wurzeln gleichzeitig der „negriden Urbevölkerung“ Afrikas überlegen. Die Hamiten, Speke zufolge über Äthiopien in den Süden Afrikas vorgedrungen, stellten nun eine Art missing link zwischen Primitivität und Hochkultur dar.
In der Tutsi-Dynastie sahen die Kolonialisten Spekes Hypothese bestätigt. Da Ruanda keine Schriftkultur besaß, war es den Tutsi im Gegenzug möglich, die orale Geschichtsschreibung Ruandas an die Hamitentheorie anzupassen. Ein herrschaftslegitimatorischer Teufelskreis entstand: Die Tutsi untermauerten mit der Hamitentheorie ihren eigenen Herrschaftsanspruch, während die Kolonialisten ihre Theorie hierdurch umso stärker verifiziert sahen. Durch eine Stärkung des ruandischen Königshauses konnten die Kolonialherren ihre eigene Machtstellung in Ruanda festigen.
https://www.exzellenzcluster.uni-konstanz.de/ruanda.html

Gruß
F.

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Vielleicht lässt sich dies am besten mit einem Beispiel verdeutlichen. Es ist ja nicht so, dass im 3. Reich ein Großteil der Bevölkerung komplett seinen moralischen Kompass verloren hätte. Die tradierten Werte galten ja durchaus weiter (und sollten es auch), jedoch ausdrücklich begrenzt auf die „Volksgemeinschaft“ als „Gültigkeitsbereich“ der tradierten ethisch-moralischen Werte. Sinn des Konzeptes der Volksgemeinschaft als Rasse- und Weltanschauungsgemeinschaft war ja nicht nur die Verschleierung weiterbestehender Klassen- und Standesschranken (also ökonomisch bestimmter Machtverhältnisse) sondern eben auch die Ausgrenzung von politischen Gegnern, ‚Erbkranken‘, Sinti, Homosexuellen, Juden usw. und damit die Legitimierung von gegen sie gerichteter Gewalt. Dies ermöglichte straffreies Ausagieren agressiver, heterophober Impulse ohne Schuldbewusstsein (was das „Verführerische“ an solchen Ideologien ist) - während dies im Gültigkeitsbereich tradierter Moralvorstellungen, also der postulierten ‚Volksgemeinschaft‘, selbstredend weiter sanktioniert blieb.

Die ‚Täter‘ handelten in ihrem Selbstverständnis durchaus moralisch - nur galt ihnen ihre moralische Verpflichtung nicht generell, sondern lediglich partiell. Eben wegen dieses Selbstverständnisses greift hier eine ethisch-moralische Kritik nicht - deren Standards sind aus dieser Sichtweise heraus auf die Opfer nicht anwendbar.

Gruß,
Ralf

Habe ich dich falsch verstanden gehabt?
Du findest es sinnlos, Rassismus ethisch-moralisch zu kritisieren?
In dem Fall wären wir eh beinander.
Ich habe diese Passage so verstanden gehabt, dass du „meine“ Definition insofern kritisieren wolltest als sie eine ethisch-moralische Kritik nicht zuließe. Das konnte ich nicht nachvollziehen, weil man ideologische Muster ja sowohl moralisch kritisieren wie außer-moralisch deskribieren kann.

Schönen Tag!
F.