Hallo,
neulich startete in einem Forum wieder eine große Debatte zum Thema Physik. Alle waren lustig am rumfabulieren, als schliesslich jemand den Text eines Professors postete (den ich komplett am Ende des Textes zitieren werde). Folgende Aussage verwirrte mich nach einigem Nachdenken:
**********
Zitat:
Der Raum darf, da er als solcher masselos ist, sich mit beliebiger Geschwindigkeit ausdehnen, ohne die Einsteinschen Gesetze zu verletzen. Er trägt daher die entferntesten Galaxien ebenfalls mit beliebiger Geschwindigkeit, d.h. gegebenenfalls auch mit Überlichtgeschwindigkeit (!), von uns fort.
Zitatende
**********
Prinzipiell war ich eigentlich mit dem Text einverstanden, aber nach einiger Zeit kam ich ins grübeln.
Er sagt z.B., das der Raum masselos wäre. Das glaube ich ihm, wenn er das sagt - der Autor, Prof. Tamman, kennt sich bestimmt besser mit sowas aus wie ich. Aber, so meine erste Frage, wenn der Raum keine Masse hat, warum reagiert er dann auf Gravitation?
Die zweite Frage ergibt sich aus der Schlussfolgerung, das der Raum, da masselos, sich mit Überlichtgeschwindigkeit ausbreiten könne. Auch das mag stimmen, aber wieso kann Gravitation sich dann nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten? Hat Gravitation eine eigene Masse, die sie bremst?
Das dritte und letze ist mir weder beim zweiten, noch beim dritten überfliegen aufgefallen, sondern beim xten. Nach meinem Verständnis erreichen die Galaxien eben keine Überlichtgeschwindigkeit, egal, wie „schnell“ sich der Raum dehnt. Um das zu erklären, kurz ein Gedankenbeispiel:
Nehmen wir mal an, der Raum wäre nicht drei, sondern zweidimensional. Weiterhin nehmen wir an, das Universum wäre eine Gummimatte. Auf dieser Gummimatte sind gleichgroße Rechenkästchen angebracht. Die Rechenkästchen sind die Entfernungseinheiten auf dieser Matte, man könnte z.B. von zwei Sternen sagen, das sie 100 Kästchen von einander entfernt sind. Aus unserer „subjektiven“ dreidimensionalen Sicht würden wir vor der Matte stehend sagen, der Abstand beträgt sagen wir mal einen Meter. Die Maximale Geschiwndigkeit - die Lichtgeschwindigkeit - auf der Matte lege ich auf 1 Kästchen pro Sekunde fest. Ein Photon von dem einen Stern zum anderen würde demnach 100 Sekunden unterwegs sein.
Jetzt fange ich an, die Raumverzerrung zu simulieren. Angenommen, ich zerre die Matte einfach mal schnell auf die doppelte Größe, so hat der Abstand zwischen den beiden Sternen jetzt subjektiv zugenommen - er beträgt 2 Meter. Aus Sicht der beiden Sterne jedoch beträgt der Abstand weiterhin 100 Kästchen, das Licht ist immer noch 100 Sekunden unterwegs. SUBJEKTIV betrachtet wird die Lichtgeschwindigkeit jedoch überschritten. Um das festzustellen, wird aber ein Beobachtungspunkt benötigt, der von der Verzerrung nicht betroffen ist. Bei einem absolut gleichmässigen Wachstum wäre nichts zu bemerken.
Zurück zum echten Universum. Übertragen wir das Beispiel nun auf zwei Sterne die sich direkt gegenüber stehen. Zerre ich nun den Raum auf doppelte Länge, ist der Abstand immer noch der Gleiche; sprich, das Licht müsste immer noch 100 Sekunden unterwegs sein (eben wie auf der Matte). Selbst wenn die Raumausdehnung sich jede Sekunde verdoppelt, wird hier keine Lichtgeschwindigkeit überschritten; der Eindruck könnte höchstens aus einer bestimmten Perspektive entstehen…
Für Bewegung benötige ich Raum. Da der Raum aber soweit ich weiß, keinen Metaraum (oder Hyperraum oder was weiß ich) zur Verfügung hat, in dem er sich bewegen könnte, ist das Wort „bewegen“ vielleicht ein wenig ungeau. Der Raum dehnt sich nur in sich selbst…
Liege ich da völlig daneben?
Hm, Frage 1 und 2 sind noch relativ klar umrissen, Frage 3 ist wohl etwas schwieriger zu beantworten. Ich wäre auf jeden Fall mal interessiert an Eurer Meinung zu dem Thema - vielleicht ist ja sogar jemand „vom Fach“ hier und kann mir sagen wie es ist (oder wenigstens, wie es laut Theorie sein sollte).
ciao
JM
**************
Zitat aus unbekannter Quelle; Autor ist Prof. G.A. Tammann
Grenzen des Raums, der Zeit und des Wissens
Auch der Naturwissenschafter stösst bei seiner Arbeit häufig auf Grenzen. Sie können technischer Art sein, aber sie können ihrem Wesen nach auch fundamental sein. Sehr häufig stösst er aber auch auf Verständnisgrenzen. Das rührt davon her, dass wir von der Natur unbegründeterweise erwarten, dass sie «vorstellbar» ist. Tatsächlich ist unsere Vorstellung wesentlich von dem bisher Erlebten geprägt. Vorgänge, die wir oft erlebt haben, akzeptieren wir als vorstellbar. Neues tun wir gern als unvorstellbar ab, obwohl es deswegen in keiner Weise falsch zu sein hat.
Die Astronomie ist naturgemäss reich an Unvorstellbarem. Dies ist eine Folge davon, dass sie sich mit Distanzen und Zeiträumen befasst, die weit, weit jenseits von allem bisher Erlebten liegen.
Im Folgenden sollen einige fundamentale Grenzen des Kosmos besprochen werden, ohne die Verständnisgrenzen zu strapazieren und ohne die technischen Grenzen, die sich oft dem Beobachter und Theoretiker entgegenstemmen, darzustellen.
Die Grenzen des Raumes
Das Universum ist entweder von unendlicher oder von endlicher Ausdehnung. Ein unendliches Universum ist unvorstellbar, es ist aber physikalisch-mathematisch sehr wohl möglich. Man macht sich zur Zeit ernsthafte Hoffnungen, diese nur scheinbar unüberwindliche Frage durch Beobachtungen zu beantworten.
Auch ein endliches Universum ist unbegrenzt. Das scheint zunächst wenig plausibel, aber man kann sich den unbegrenzten Raum durch die (nur zwei-dimensionale) Erdoberfläche veran- schaulichen. Sie ist durchaus endlich (510’100’933.5 km2) und hat doch keinerlei Grenze.
Die Nichtexistenz einer physikalischen Grenze des Universums folgt auch aus der Tatsache, dass es keine Gerade gibt. Das Geradeste, das es gibt, ist ein Lichtstrahl, aber dieser wird durch die Anziehungskraft der Masse im Universum abgelenktAbb.1. Wenn wir im Gedankenexperiment auf einem Lichtstrahl reiten, werden wir also eine Schlangenlinie beschreiben, die uns niemals aus dem Universum herausführen oder uns an irgendwelche Grenzen bringen wird.
Trotzdem hat das Universum für den Beobachter sehr wohl eine Grenze. Um das zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen. Seit dem Urknall dehnt der Raum sich aus und trägt die Galaxien (= Milchstrassen, Ansammlungen von Milliarden von Sonnen) mit sich fort. Ein Beobachter auf irgendeiner Galaxie sieht alle anderen Galaxien daher in einer Fluchtbewegung, die umso schneller ist, je entfernter die beobachtete Galaxie ist. (Man kann sich das an einem aufgehenden Hefeteig veranschaulichen, der Rosinen mit sich trägt. Jede Rosine «sieht», wie jede andere Rosine sich entfernt, und zwar wiederum umso schneller, je weiter die betrachtetete Rosine ist.) Der Raum darf, da er als solcher masselos ist, sich mit beliebiger Geschwindigkeit ausdehnen, ohne die Einsteinschen Gesetze zu verletzen. Er trägt daher die entferntesten Galaxien ebenfalls mit beliebiger Geschwindigkeit, d.h. gegebenenfalls auch mit Überlichtgeschwindigkeit (!), von uns fort.
Die unmittelbare Folge ist, dass wir die entferntesten Galaxien nie sehen können, einfach weil sie schneller von uns fortgetragen werden, als das von ihnen ausgesandte Licht sich bis zu uns fortpflanzt. Das setzt unserer Beobachtung eine natürliche und unumstössliche Grenze, einen Horizont. Der Horizont ist nicht in einer fixen Entfernung, sondern bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit von uns weg, denn die entferntesten, prinzipiell bereits beobachteten Galaxien entfernen sich ja von uns (fast) mit der Geschwindigkeit des Lichtes. Ausserdem treten mit der Zeit zusätzliche Galaxien in unseren Horizont, weil die Ausdehnung des Raumes durch die Eigengravitation des Universums gebremst wird (wenn offenbar auch nur wenig). Galaxien mit etwas mehr als der Lichtgeschwindigkeit werden auf Unterlichtgeschwindigkeit abgebremst und schliesslich doch für uns beobachtbar werden.
Es sei nur am Rande vermerkt, dass unsere Sicht tatsächlich noch durch einen anderen Horizont beschränkt wird. Aus etwas schwerer ersichtlichen Gründen gibt es entfernte Galaxien, von denen noch nie ein Lichtstrahl zu uns dringen konnte, obwohl sie sich mit Unterlichtgeschwindigkeit von uns entfernen. Diese werden sich ebenfalls erst in der Zukunft der Beobachtung erschliessen.
Das Merwürdige ist nun, dass es besonders leuchtkräftige (und daher gut beobachtbare) Galaxien, die sogenannten Quasars, gibt, deren Zahl mit der Entfernung wächst und wächst und dann plötzlich abbrichtAbb.2. Dieser «Rand», den man bei Quasars mit «nur» 95% der Lichtgeschwindigkeit beobachtet, steht in scheinbarem Widerspruch zu dem diskutierten Horizont. Um ihn zu verstehen ist es einfacher, ihn als ein Phänomen des beschränkten Alters des Universums zu interpretieren.
Die Grenzen der Zeit
Der Urknall ereignete sich vor endlicher Zeit. Da mit ihm das Universum erst zu existieren begann, ist auch dessen Alter beschränkt. Die besten Beobachtungen liefern heute ein Alter von 15 (± 2) Milliarden Jahren.
Das heisst, dass das Licht von den entferntesten Galaxien keinesfalls länger als 15 Milliarden Jahre unterwegs sein konnte. Aber das junge Universum enthielt noch gar keine Galaxien. Ursprünglich war die Materie gasförmig über den ganzen Raum verteilt. Die Galaxien mussten sich erst aus dem Gas zusammenschnüren, und in ihnen mussten erst die ersten Sterne (Sonnen) aufleuchten, um Licht zum Beobachter auszusenden. Man schätzt, dass die Galaxienbildung eine Milliarde Jahre dauerte. Wir können also nicht erwarten, Galaxien (oder Quasars) in grösseren Distanzen zu beobachten als in rund 14 Milliarden Lichtjahren (1 Lichtjahr = 9,5 Billionen km). Wenn wir noch weiter hinauszusehen versuchen, blicken wir in Epochen, zu denen das Universum einfach noch keine Galaxien enthielt.
Es ist ein Triumph der beobachtenden Astronomie, dass die erstgebildeten Quasars bereits beobachtet werden können. (Es ist möglich, dass die normalen Galaxien etwas früher fertig waren als die aktiven Quasars. Da die normalen Galaxien schwerer zu beobachten sind, ist ihr vielleicht etwas weiter in der Vergangenheit liegender «Rand» noch nicht beobachtet worden.)
Man ist geneigt, aus der Nichtexistenz von Galaxien im jungen Universum zu schliessen, dass aus den frühen Epochen überhaupt kein Licht zu uns dringt. Dies ist jedoch nicht richtig, denn das junge Universum war heiss und leuchtete als Ganzes. Zunächst konnte sich diese allesumfassende Temperaturstrahlung nicht ausbreiten, weil das Universum für Licht undurchsichtig war. Aber nach der ersten halben Million Jahre, als das Universum sich auf eine Temperatur von 3000 Grad abgekühlt hatte, wurde es durchsichtig. (Die Elektronen bezogen damals ihre Plätze bei den Protonen und hörten auf, das Licht zu behindern.) Das damals emittierte Licht strahlt noch heute aus allen Richtungen des Himmels auf uns nieder und gibt höchst wertvolle Kunde von einem Zustand des Universums sehr lang vor der Galaxienbildung. Diese sogenannte kosmische Hintergrundsstrahlung ist schwer nachzuweisen, da sich das Universum seit ihrer Emission um einen Faktor 1000 ausgedehnt hat, und um den gleichen Faktor wurde die Wellenlänge dieser Strahlung vergrössert. Das bedeutet, dass das menschliche Auge sie nicht mehr sehen kann, und dass man zu ihrem Nachweis Radioteleskope benützen muss. Der Nachweis, der 1965 A. Penzias und R. Wilson gelang, ist einer der unwiderlegbaren Beweise, dass das Universum einst sehr klein und heiss war, und wurde entsprechend mit einem Nobelpreis belohnt.
Der Urknall selber stellt eine Singularität dar, in der die Grösse des Universums beliebig klein und der Druck und die Temperatur beliebig gross waren. Keinerlei Bewegung war damals möglich, und entsprechend gab es noch keine Zeit, denn die Zeit setzt immer einen Bewegungsablauf voraus - man denke nur an die Tropfen einer Wasseruhr, an das Pendel einer Standuhr oder an die Unruhe einer Armbanduhr. Auch die Zeit begann daher erst im Urknall zu existieren. Die Frage nach dem Vorher ist dementsprechend, jedenfalls für den Physiker, bedeutungslos.
Wenn die Zeit in der Vergangenheit eine so klare Grenze hat, könnte man ver-muten, dass sie auch in der Zukunft ein Ende haben sollte. Dies wäre der Fall wenn das immer noch expandierende Weltall einmal zum Stillstand käme und dann wieder kontrahieren würde. Es würde dann in einem dem Urknall analogen Zustand, dem «Big Crunch», enden. Die derzeitigen Beobachtungen favorisieren jedoch ein ewig expandierendes Universum. Es scheint daher, dass der endlichen Vegangenheit eine unendliche Zukunft entgegensteht.
Die Grenzen des Wissens
Wenn doch das Universum während der ersten halben Million Jahre undurchsichtig war, ist es dann nicht unmöglich, noch weiter in die Vergangenheit vorzudringen? Nein, es haben sich zu den frühesten Zeiten Prozesse abgespielt, deren Folgen «einfroren» und sich noch heute beobachten lassen. Ein eklatantes Beispiel ist die Synthese der leichtesten chemischen Elemente (schwerer Wasserstoff, leichtes und normales Helium und Lithium), die sich 100 Sekunden nach dem Urknall bilden mußten, als das Universum noch eine Temperatur von einer Milliarde Grad hatte. Genau die berechnete Ausbeute an diesen Elementen lässt sich heute in den interstellaren Gaswolken nachweisen. Der Zustand des Universums, als es nur eine milliardstel Sekunde alt war, kann heute in den grossen Teilchenbeschleunigern experimentell nachvollzogen werden. Teilchenphysiker vermögen das Schicksal des Universums noch um viele Zehnerpotenzen weiter zurückzuverfolgen. Zugegebenermassen werden die Aussagen immer schwieriger und speku-lativer, aber zumindest im Prinzip kann man die Jagd nach dem Anfang bis zu 10-42 Sekunden nach dem Urknall treiben. Dann werden die Temperatur und die Dichte so extrem, dass die heute bekannte Physik in fundamentaler Weise zusammenbricht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch diese Hürde einmal genommen werden kann, aber dann wird sich wieder, in allernächster Nähe des Urknalls, eine andere Schwierigkeit auftun. Den Urknall selbst wird man nie erreichen. Der Zeitpunkt null wird nie Gegenstand der physikalischen Forschung sein. In letzter Konsequenz bleibt er immer eine spekulative Modellvorstellung.