Rechtsstaat BRD: Mollath bleibt in der Psychiatrie

Guten Abend,

Gustl Mollath, der Steuerhinterziehung in die die Commerzbank verwickelt war, aufgedeckt hat, muss in der Psychiatrie bleiben.
(http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-…)

Die Begruendung ist interessant: „Schließlich war auch sein letzter, von seiner Verteidigerin ausgesuchter Gutachter, Friedemann Pfäfflin, nach einem ganztägigen Gespräch mit Mollath zur Einschätzung gekommen, dieser sei von seinem Wahn eines Komplotts gegen sich nicht abgerückt.“
Ich denke jeder der sich mit dem Fall befasst hat glaubt an einen Komplott, d.h. jeder der den Fall kennt gehoert in die Psychiatrie!?

Interessant auch wie sich der Richter der Mollath damals in die Psychatrie einwies zum Opfer stylisiert:

„So gab beispielsweise der pensionierte Richter Otto Brixner, der 2006 den mit Verfahrensfehlern belasteten Prozess gegen Mollath geführt und das in der Kritik stehende Urteil verfasst hatte, vor dem Untersuchungsausschuss an, er werde am „Telefon von braven Bürgern anonym als ‚Arschloch‘ und ‚Drecksack‘“ beschimpft.“

Wieso dass denn? Wer beschimpft denn diesen rechtschaffenden Richter? Der hat doch nur dafuer gesorgt dass die Hinweise wegen Steuerhinterziehung von der Steuerfahnung nicht verfolgt werden und das Urteil gefaellt welches Mollath in die Psychiatrie eingewiesen hat… obwohl es keine Beweise fuer eine Koerperverletzung gegen seine Frau gab, es stand Aussage gegen Aussage… (http://de.wikipedia.org/wiki/Gustl_Mollath)

Aber wer Steuerhinterziehung aufdeckt scheint eh schnell verrueckt zu werden, in der Vergangenheit wurden ja auch schon einige Steuerfahnder aufgrund von psychischen Stoerungen (Paranoia) abgesetzt… (http://de.wikipedia.org/wiki/Steuerfahnder-Aff%C3%A4re)

Seid ihr auch so froh dass wir in einem Rechtsstaat leben wo Exekutive, Judikative und Legislative getrennt arbeiten, nicht korrupt sind und wo Justitia blind ist?

Gruss
Desperado

Guten Abend!

Seid ihr auch so froh dass wir in einem Rechtsstaat leben wo
Exekutive, Judikative und Legislative getrennt arbeiten, nicht
korrupt sind und wo Justitia blind ist?

Ich verfolge den Fall seit Jahr und Tag mit echter Besorgnis; werde jedenfalls den Verdacht nicht los, daß dort etliche Seilschaften ihre Süppchen kochen.

Ein dubioser, sein Amt vorsätzlich mißbrauchender Richter und Psychiater, die Gutachten verfassen, ohne den Patienten gesehen zu haben, dazu eine fragwürdig agierende Justizministerin - das alles riecht unappetitlich. Wobei schon die ursprünglich gegen Mollath erhobenen Vorwürfe, er hätte seiner Frau Verletzungen beigebracht, bestenfalls auf tönernen Füßen stehen.

Gruss
Wolfgang

Hallo,

was mich auch ein wenig schockt ist dass Deutschland aus der Geschichte nicht viel gelernt hat: Es werden engagierte Buerger unter, sagen wir mal etwas seltsamen Umstaenden, weggesperrt und es regt sich kaum Protest.

Mollath war frueher in Nuernberg auch auf einigen politischen Demonstrationen und Veranstaltungen aber die politische Szene dort hat wohl nicht genug Zusammenhalt um entsprechend zu reagieren wenn jemand aus ihren Reihen herausgezogen wird…

Zumindest eine Mahnwache haette man organisieren koennen um Mollath nicht 7 Jahre lang in Vergessenheit schmoren zu lassen.

Aber ich stelle mit Erstaunen fest dass es noch Leute im Land gibt die die BRD als Rechtsstaat sehen…

Gruss
Desperado

corruptus in extremis

Die Begruendung ist interessant: „Schließlich war auch sein
letzter, von seiner Verteidigerin ausgesuchter Gutachter,
Friedemann Pfäfflin, nach einem ganztägigen Gespräch mit
Mollath zur Einschätzung gekommen, dieser sei von seinem Wahn
eines Komplotts gegen sich nicht abgerückt.“
Ich denke jeder der sich mit dem Fall befasst hat glaubt an
einen Komplott, d.h. jeder der den Fall kennt gehoert in die
Psychiatrie!?

Tja - der Gutachter weigert sich ja jetzt, eine ergänzende Stellungnahme abzugeben, weil man ja so gemein zu ihm ist: http://www.sueddeutsche.de/bayern/mollath-bleibt-in-…

Ein neues Gutachten gibt es auch nicht - dazu müsste man das Verfahren ja neu aufnehmen. Antrag darauf war am 19.02. von der Verteidigung gestellt worden, am 18.03. von der Staatsanwaltschaft. Nun ja - die 7. Strafkammer am Landgericht Regensburg meint, der Fall sei so komplex, dass man in so einer extrem kurzen Frist nicht über eine Wiederaufnahme entscheiden könne: http://www.sueddeutsche.de/bayern/justizversagen-im-…

Klarer Fall - daher muss sich das Gericht also weiter an das Gutachten von 2006 halten und weil man wegen dieses Gutachtens Mollath in der Psychiatrie verschwinden ließ, kann man heute nicht anders entscheiden. Sonst hätte man ja damals was falsch gemacht - was natürlich undenkbar ist. Alles ganz sauber und rechtsstaatlich.

„So gab beispielsweise der pensionierte Richter Otto Brixner,
der 2006 den mit Verfahrensfehlern belasteten Prozess gegen
Mollath geführt und das in der Kritik stehende Urteil verfasst
hatte, vor dem Untersuchungsausschuss an, er werde am „Telefon
von braven Bürgern anonym als ‚Arschloch‘ und ‚Drecksack‘“
beschimpft.“

Wieso dass denn?

Genau. Der hat doch gar nix gemacht. Nicht einmal die Verteidigungsschrift gelesen, wie er vor dem Untersuchungsausschuss zugab: http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-richt… Offensichtlich stand das Urteil eh schon fest. Und so jemand genießt in Ruhe seine saftige Pension, statt selbst wegen Rechtsbeugung vor Gericht gestellt zu werden.
Man kann nicht soviel fresen, wie man kotzen möchte.

Und das ist nicht nur in Bayern so und schon gar nicht ist Mollath ein Einzelfall - nur ein besonders offensichtlicher Fall von unfähiger(?) Justiz. 2008 schrieb Frank Fahsel in einem Leserbrief an die Süddeutschen Zeitung:

“Ich war von 1973 bis 2004 Richter am Landgericht Stuttgart und habe in dieser Zeit ebenso unglaubliche wie unzählige, vom System organisierte Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen erlebt, gegen die nicht anzukommen war/ist, weil sie systemkonform sind. Ich habe unzählige Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erleben müssen, die man schlicht ‘kriminell’ nennen kann. Sie waren/sind aber sakrosankt, weil sie per Ordre de Mufti gehandelt haben oder vom System gedeckt wurden, um der Reputation willen … In der Justiz gegen solche Kollegen vorzugehen, ist nicht möglich, denn das System schützt sich vor einem Outing selbst – durch konsequente Manipulation. Wenn ich an meinen Beruf zurückdenke (ich bin im Ruhestand), dann überkommt mich ein tiefer Ekel vor meinesgleichen …”

Gruß,
Ralf

(http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gustl-mollath-…)

Hat du dir den Link eigentlich durchgelesen? Der Typ ist schon ziemlich wirr im Kopf…

Freiheit der Meinung
Bin ich froh, daß wir das Internet und die Medien haben. Jeder weitere Versuch der Rechtsfindung vor Gerichten wird dadurch vollkommen überflüssig.

Warum Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor einem Verfahren teilweise zigtausend Seiten Unterlagen zusammentragen und im Verfahren zig oder gar hunderte Zeugen und Sachverständige gehört werden, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Schließlich kann man doch jeden Sachverhalt umfassend und abschließend auf maximal einer DIN A 4-Seite zusammenfassen - sei es in einem Wochenmagazin, einem Internetforum oder einer Fachzeitschrift für Legehennenhaltung.

Der Punkt ist: wäre Mollath als Straftäter verurteilt worden, dann wäre schon längst wieder frei. Wurde er aber nicht, er wurde freigesprochen - und stattdessen wegen „vermuteter(!) Gemeingefährlichkeit“ in Sicherungsverwahrung eingewiesen. Die Verbringung in die forensische Psychiatrie kann de facto ein ‚lebenslänglich‘ bedeuten. Lebenslänglich für eine tätliche Auseinandersetzung mit seiner geschiedenen Ehefrau (über deren Verlauf lediglich Aussage gegen Aussage stand) und wegen zerstochener Autoreifen. Dies war nur möglich, weil man ihm eine schwere paranoide Störung attestierte - vor allem auf Grund der Beschuldigungen, die er gegen die Hypo Vereinsbank erhob. Beschuldigungen, die sich mittlerweile zumindest teilweise als zutreffend erwiesen haben. Aufgrund eines internen Revisionsberichtes der HVB versteht sich - natürlich nicht, weil Staatsanwaltschaft oder Steuerfahndung auf Grund von Mollaths Anzeige ermittelt hätten. Der war ja als krimineller Geisteskranker abgestempelt, mithin bestand kein praktischerweise kein Anfangsverdacht und die Anzeige war vom Tisch. Wenn man mich fragt - Mollath hatte sehr gute Gründe, sich als Opfer eines Komplotts zu sehen.

Möglicherweise liegt bei ihm tatsächlich eine psychische Störung vor. Ob diese eine potentiell lebenslängliche Sicherungsverwahrung rechtfertigt, ist allerdings eine ganz andere Frage. Zudem ist es offensichtlich, dass dies ein unabhängiger Gutachter auf Grund der Sachlage feststellen müsste, die sich heute völlig anders darstellt als 2006 - nachdem sich die Beschuldigungen gegen die Hypo Vereinsbank eben nicht als paranoide Wahnvorstellungen erwiesen haben.

Davon abgesehen wimmelt das damalige Verfahren gegen ihn nur so von Verfahrensfehlern - der Richter hatte nicht einmal die Verteidigungsschrift zur Kenntnis genommen, wie er mittlerweile selbst eingeräumt hat. Selbst die Staatsanwaltschaft sah sich gezwungen, eine Wiederaufnahme zu verlangen. Ob nun wirr im Kopf oder nicht - solch einen Prozess sollte man niemandem wünschen. Da kann man sich wirklich fragen, ob man eigentlich noch in einem Rechtsstaat lebt.

Der Mann sitzt trotz Freispruch seit über 7 Jahren in der forensischen Psychiatrie ein - unter objektiv schlimmeren Haftbedingungen als im normalen Strafvollzug. Und das ‚open end‘. Jetzt muss er erst einmal für mindestens ein weiteres Jahr zurück in die Psychiatrie. Welchen Stellenwert haben Artikel 1, 2 und Art. 104 des Grundgesetzes für deutsche Gerichte eigentlich noch? Dass die für diesen Skandal Verantwortlichen jetzt über Beschimpfungen und Drohungen lamentieren, ist der Gipfel der Unverschämtheit, wenn man dies gegen den schwerwiegenden und begründeten Verdacht auf Verstoß gegen das grundgesetzlich garantierte Menschenrecht auf Freiheit der Person abwägt - ein Menschenrecht, das Mollath seit mittlerweile sieben Jahren vorenthalten wird. Offensichtlich ohne stichhaltige Gründe. Und nun noch weiter vorenthalten werden soll - aus fadenscheinigen formalen Gründen. Weil die Sachlage angeblich zu komplex ist, um über ein schon vor vier Monaten beantragtes Wiederaufnahmeverfahren zu entscheiden. Weil der Gutachter sich weigert, eine zusätzliche Stellungnahme zu seinem Gutachten abzugeben und deswegen das überholte Gutachten von 2006 weiter Grundlage der Entscheidung sein muss (auf die Idee, einen anderen Gutachter zu beauftragen, kommt man natürlich nicht).

Der ehemalige Richter Otto Brixner gehört selbst wegen Rechtsbeugung vor Gericht, gegen den Gutachter Friedemann Pfäfflin müsste wegen Verdacht auf Erstellung eines Gefälligkeitsgutachtens ermittelt werden - zumindest müste die Gutachterkommission der Ärztekammer prüfen, ob hier nicht ein schwerer Kunstfehler vorlag. Die Justizministerin Beate Merk schließlich als politisch Verantwortliche - vor allem für die unterbliebene Untersuchung von Mollaths Vorwürfen gegen die Hypo Vereinsbank - sollte schleunigst zurücktreten.

Das alles wird jedoch nicht geschehen - und das ist der eigentliche Skandal am Fall Mollath.

Bin ich froh, daß wir das Internet und die Medien haben.

Warum nutzt du sie dann nicht, um dich zu informieren?

Jeder
weitere Versuch der Rechtsfindung vor Gerichten wird dadurch
vollkommen überflüssig.

Nein - aber die Medien haben eine unerlässliche Kontrollfunktion. Deswegen ist die Pressefreiheit einer der wichtigsten Garanten einer Demokratie. Unter anderem schützt sie den Bürger vor Justizwillkür.

Warum Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor einem Verfahren
teilweise zigtausend Seiten Unterlagen zusammentragen

Ach komm - bleib doch beim Fall. Die Angeklagte selbst hat hier dem Gericht eine Verteidigungsschrift von 106 Seiten vorgelegt. Das ist auch brav im Urteil festgehalten:

„In der Hauptverhandlung vom 25. 09. 2003 vor dem Amtsgericht Nürnberg übergab der Angeklagte in einem Schnellhefter zusammengefasste Schriftsätze zu seiner Verteidigung, die in keinerlei erkennbarem Zusammenhang mit den Anklagevorwürfen stehen.“

Aussagen des damaligen Richters Brixner vor dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags am 17. Mai:

„Ich lese doch keine 110 Seiten.“
„Dieses Konvolut ist mir nicht bekannt.“

Nun - zur im Urteil verkündeten Erkenntnis dass dieses Konvolut „in keinerlei erkennbarem Zusammenhang mit den Anklagevorwürfen“ steht hat Herr Brixner wohl auf hellseherische Fähigkeiten zurückgegriffen. Nur einer der vielen nachweislichen Verfahrensfehler. Von Mollath selbst stammten übrigens nur 8 der 106 Seiten - der Rest waren Kopien von Dokumenten, die seine Ausführungen belegen sollten. Da gibt also ein Richter ganz offen zu, in diesem Verfahren vorgelegte Beweismittel - möglicherweise entlastende - einfach ignoriert zu haben. Nicht nur das - der Schriftsatz enthielt sogar ein Teilgeständnis: „Wir haben uns heftig gestritten, sie will nicht aufhören. Wie schon mal passiert, sie geht auf mich los. Tritte und Schläge. Leider wehre ich mich.“ Nicht im Zusammenhang mit den Anklagevorwürfen?

Und du hast die Stirn, gerade anlässlich dieses Falles hier dafür zu werben, Medienberichte über das Versagen der Justiz zu ignorieren und stattdessen den Gerichten blind zu vertrauen?

Na dann - gute Nacht. Das ist obrigkeitsstaatliches Denken in Reinkultur.

Vorab: dies ist ja nicht der erste Fall, bei dem hier das abschließende Urteil verkündet wird, ohne daß ein Gerichtsverfahren begonnen geschweige denn abgeschlossen gewesen wäre. Häufig werden diese finalen Zusammenfassungen zudem auf der Basis von offensichtlich unzureichenden bzw. falschen Informationen formuliert - und natürlich ohne all das, was im Gerichtssaal besprochen wurde bzw. besprochen werden wird.

Na dann - gute Nacht. Das ist obrigkeitsstaatliches Denken in
Reinkultur.

Ich weiß wenigstens, daß ich über den Fall nicht genug weiß, um mir eine abschließende Meinung zu bilden. Zur Meinungsfreiheit gehört aber auch, daß ich mir a) das Recht herausnehmen darf, zu dem Fall keine Meinung zu haben und b) mir eine Meinung über die zu bilden, die hier ständig auf unzureichender Datenbasis Urteile in die Welt brüllen, ohne über die Gesamtheit der Informationen zu verfügen.

Dies ganz unabhängig davon, was bei diesem Fall alles schiefgelaufen, unter den Tisch gekehrt und verdreht worden ist - von wem auch immer.

Es ist im übrigen schon sehr unterhaltsam, daß die Medien, über die hier an jeder Ecke geschimpft wird, dann doch wieder als Quelle gut genug sind, um über die Institution zu schimpfen, die anscheinend in der Hackordnung noch unter den Medien steht: der Staat.

Das ist vor allem deshalb unterhaltsam, weil in praktisch jedem Artikel und jedem Bericht, den man liest, sieht oder hört, Fehler oder zumindest Ungenauigkeiten zu finden sind. Und ausgerechnet im Fall Mollath, in dem es so viele Unklarheiten, Unstimmigkeiten, Varianten, Gutachten usw. gibt - ausgerechnet in so einem Fall berichten die Medien ausschließlich die reine, unverfälschte, ultimative Wahrheit…?

Wie gesagt: sehr unterhaltsam.

Hallo!

Aber ich stelle mit Erstaunen fest dass es noch Leute im Land
gibt die die BRD als Rechtsstaat sehen…

Zu diesen Leuten gehöre auch ich. Aber: Unser Gemeinwesen hat Schwächen. Einige Schwächen entsprechen menschlicher Natur. Menschen haben persönliche und materielle Interessen, haben Einfluß, üben Macht aus. Wo Menschen unzureichend kontrollierte Macht ausüben, besteht imer die Gefahr des Machtmißbrauchs. Außerdem hat jeder Mensch seine Grenzen von Qualifikation, Kenntnissen und Überblick, sitzt Irrtümern und Vorurteilen auf.

Vermeintlich den Menschen dienende Geheimnisse, etwa das Steuergeheimnis, laden zum Mißbrauch ein; ihr Sinn und Nutzen wird dennoch kaum hinterfragt. Wer hat was in einer Gerichtsverhandlung gesagt, die lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation aller Geschehnisse und Entscheidungsprozesse, könnte Irrtümer, aber auch gezielte Manipulationen vermeiden helfen. Kurz: Mehr Transparenz des Handelns staatlicher Gewalten würde zu einem besseren Gemeinwesen mit weniger Korruption und weniger Machtmißbrauch führen.

Gruß
Wolfgang

für Obrigkeitsgläubige …
… mal keinen Link auf einen Pressebericht, sondern auf den Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg:
http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederauf…

Vorab: dies ist ja nicht der erste Fall, bei dem hier das
abschließende Urteil verkündet wird

Vorab - keiner hat hier ein „abschließendes Urteil“ verkündet. Nur, das, dass das „abschließende Urteil“ aufgrund dessen Mollath in der Psychiatrie landete, offensichtlich ein mit inakzektablen Fehlern behaftetes Urteil ist.

Ich weiß wenigstens, daß ich über den Fall nicht genug weiß,
um mir eine abschließende Meinung zu bilden.

Dann würde ich mich informieren, statt unqualifizierte Urteile über Leute abzugeben, die das ihrerseits tun.

  • ausgerechnet in so einem Fall berichten die Medien
    ausschließlich die reine, unverfälschte, ultimative

Das ist witzig zu interpretieren.
Du scheinst zu sagen, daß im vorliegenden Fall die Medien ihren Beitrag zur Meinungsfindung in der Bevölkerung nicht leisten sollen, weil ihre Berichterstattung stellenweise mit Fehlern und Widersprüchen behaftet, mithin hier strikte Nachrichtensperre zu verhängen wäre.
Normalerweise aber nicht, weil sonst die mediale Berichterstattung frei von Fehlern und Widersprüchlichkeiten sei.
Tatsächlich aber gibt es bekanntlich eine solche nie, also bräuchten wir auf Dauer entweder eine generelle Nachrichtensperre über das gesamte Themenspektrum des öffentlichen Interesses oder die Beschränkung auf nur eine Tageszeitung, nur einen Fernsehkanal usw., dessen Berichte, Kommentare nur die reine Wahrheit übermitteln, an der jeglicher Zweifel bei hohen Strafen verboten ist.
Heißt Du eigentlich im wirklichen Leben Christian Jong Il?

Gruß

Raimund

Hallo!

Dies war nur möglich, weil man ihm
eine schwere paranoide Störung attestierte - vor allem auf
Grund der Beschuldigungen, die er gegen die Hypo Vereinsbank
erhob. Beschuldigungen, die sich mittlerweile zumindest
teilweise als zutreffend erwiesen haben.

Den Aspekt möchte ich kurz herausgreifen, weil auch in den Medien immer so sehr getan wird als seien damit die psychiatrischen Gutachten nicht mehr haltbar.
Das ist einfach eine unsaubere Information.
Aus der Tatsache, dass Wahninhalte (teilweise) mit der Realität übereinstimmen, kann man in psychiatrischer Sicht keinesfalls schlussfolgern, dass sie deshalb KEINE Wahninhalte wären.

Denn wahnhaftes Denken ist ja mehr über seine Form zu bestimmen, weniger über den objektiven Wahrheitsgehalt des Inhalts.

Noch weniger sagt es über das aktuelle Gefährdungspotential Mollaths im Sinne von Artikel 1 des Unterbringungsgesetzes aus.

Zudem ist es offensichtlich, dass dies ein
unabhängiger Gutachter auf Grund der Sachlage feststellen
müsste, die sich heute völlig anders darstellt als 2006 -
nachdem sich die Beschuldigungen gegen die Hypo Vereinsbank
eben nicht als paranoide Wahnvorstellungen erwiesen haben.

Eben DAS halte ich für einen Fehlschluss.

Natürlich muss fortlaufend eine (unabhängige) Neubegutachtung erfolgen, aber nicht, weil irgendwas bei der HVB aufgetaucht ist, sondern weil die Frage ist, ob überhaupt noch die Voraussetzungen für die Unterbringung gegeben sind, sprich: ob von der Person weiterhin eine Gefahr ausgeht.

Versteh mich nicht falsch, ich glaube sehr wohl, dass beim Fall Mollath vieles nicht sauber gelaufen ist. Ich glaube überdies auch, dass es Dutzende Mollaths hierzulande gibt, die alle diese kritische öffentliche Beleuchtung verdient hätten.
Ich finde die aktuelle Diskussion also immens wichtig.

Aber die Gedankenkette „die Aussagen haben sich (teilweise) als richtig herausgestellt, also kann es kein Wahn gewesen sein, also wird er ungerechtfertig festgehalten“, so wie sie uns derzeit in den Medien vorgesetzt wird, halte ich für irreführend.

Gruß
Tyll

Du scheinst zu sagen, daß im vorliegenden Fall die Medien
ihren Beitrag zur Meinungsfindung in der Bevölkerung nicht
leisten sollen, weil ihre Berichterstattung stellenweise mit
Fehlern und Widersprüchen behaftet, mithin hier strikte
Nachrichtensperre zu verhängen wäre.

Wie es scheint, weiß ich nicht, aber das ist ganz genau nicht das, was ich sage.

.
Re: für Obrigkeitsgläubige …

Dann würde ich mich informieren, statt unqualifizierte Urteile
über Leute abzugeben, die das ihrerseits tun.

Ach Ralf, Du weißt doch, daß man mit den persönlichen Angriffen bei mir nicht allzu weit kommt. Daß Du trotzdem auf dieser Ebene agierst, läßt doch nur den Schluß zu, daß Du mit mir gar nicht diskutieren willst, weil meine Ansicht sowieso irrelevant ist. Aus Deiner Sicht.

Sehe ich das richtig dass Du gerne in einem Land lebst in dem Buerger kein faires Gerichtsverfahren erhalten und ich dem stichhaltigen Hinweisen auf Straftaten nicht nachgegangen wird?

Genau diese Interpretation laesst naemlich Dein Statement zu - und nur diese. Frei nach dem Motto: „Die dort oben wissen schon was richtig ist, ich als Buerger brauche mir da keine Gedanken machen, wenn sie jemanden abtransportieren dann hat das schon seinen Grund.“

Der Fall Mollath ist wahrscheinlich einer von vielen - nur dass man in diesem Fall eben beweisen kann dass das Verfahren nicht rechtsstaatlich war.

Auch wenn Medien oft Halbwahrheiten berichten - man kann davon ausgehen dass die Massenmedien welche den Fall aufgegriffen haben sofort verklagt worden waeren wenn die Anschuldigungen gegen den Richter, Gutachter… nicht eindeutig bewiesen werden koennten.

Wenn Du meinen Artikel gelesen hast muesstest Du doch erkennen dass ich darin kein Urteil ueber den Fall abgebe. Evtl. ist Mollath gefaehrlich und gehoert nicht auf freien Fuss, aber das muss in einem fairen Gerichtsverfahren beurteilt werden. Alles was ich fordere ich ein Verfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Politiker die solche Faelle nicht beachten und weiter machen wie bisher zeigen dass fuer sie das Grundgesetz ein Synonym fuer „Scheisse“ ist (Pofalla, http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2011/10…).

Modellfall für Zwangspsychiatrisierung
Hallo Tyll,

die „Gedankenkette“ sieht schon etwas anders aus, als Du meinst - und auch Du machst es Dir deutlich zu einfach. Gehen wir mal ins Detail, auch wenn es aufwendig ist. Beleuchten wir mal ausschließlich die medizinische, nicht die strafrechtliche Seite. Der Fall Mollath ist ja nicht nur ein Justizskandal, er ist auch ein Psychiatrieskandal.

Zitat aus dem forensisch-psychiatrischen-Gutachten Dr. Leipzigers vom 25.07.2005:

„Aus dieser Betrachtung resultiert als Ergebnis, dass der Angeklagte in mehreren Bereichen ein paranoides Gedankensystem entwickelt hat. Hier ist (…) der Bereich der Schwarzgeldverschiebung zu nennen, in dem der Angeklagte unkorrigierbar der Überzeugung ist, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und (…) weitere Personen, (…) in dieses komplexe System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt wären.“

In dem Beobachtungszeitraum, der Dr. Leipziger für die Begutachtung von Gustl Mollath zur Verfügung stand, fand kein einziges persönliches Explorationsgespräch statt, was Dr. Leipziger auch freimütig einräumte:

„Nachdem Versuche von Mitarbeitern auch in der 11. Kalenderwoche gescheitert waren, den Angeklagten zu Untersuchungen zu bewegen, (…) versuchte der Unterzeichnete am 18.03.2005 eine gezielte Exploration (…) durchzuführen.“ „Auch weitere Versuche den Angeklagten bis zum Ende der gerichtlich bestimmten Beobachtungszeit (…) noch zu Untersuchungen oder explorativen Gesprächen zu bewegen, blieben (…) ohne Erfolg.“

  • allerdings ohne das Gericht darauf hinzuweisen, dass damit eine der Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten und Prognosegutachten nicht erfüllt war.

Am 05.04.2006 holt sich Dr. Leipziger die Unterstützung des OA der BKH Dr. Zappe, der gemeinsam mit ihm ein 3-seitiges Schreiben unterzeichnet, in dem eine Betreuung Mollaths gefordert wird - begründet mit dem „Wahn“ Mollaths, ohne nähere Spezifizierung. Nach Mollaths Auffassung war seine ‚Renitenz‘ die Ursache: „Als ich mich gegen die unglaublichen Zustände in der Anstalt von Dr. Leipziger (BKH Bayreuth) versuchte zu wehren, ließ der mich in einem Schnellverfahren […] entmündigen“. Genauso war es. Am 07.04. folgt ein weiteres Schreiben Dr. Zappes, der das Amtsgericht Bayreuth um schnellstmögliche Errichtung einer Betreuung ersucht. Diese wird vom Amtsrichterin Schwarz angeordnet, worauf Mollath am 24.04.2006 vom BKH Bayreuth in das Hochsicherheits-BKH Straubing verlegt wird. Keine zwei Wochen später (am 04.07.2006) erfährt der nun entmündigte Mollath, dass sein Haus versteigert wird …

Im Frühjahr 2007 stellt Mollath Antrag auf sofortige Entlassung. Das BKH Straubing schreibt in seiner Stellungnahme, Mollath habe eine „ausgeprägt wahnhafte Störung“ - natürlich ohne nähere Erläuterung oder Begründung. Am 23.05.2003 nimmt sich die Richterin Fleischmann vom Amtsgericht Straubing des Falles an - sie antwortet (endlich ein Jurist bzw. eine Juristin, die einem noch einen Restglauben an den Rechtsstaat bewahrt) ausführlich auf Mollaths Beschwerden und verfügt, die Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft Nürnberg abzugeben. Dazu stellt sie einen Antrag auf Entlassung unabhängig vom Anhörungstermin und beauftragt Dr. Simmerl (Oberarzt am Bezirksklinikum Mainkofen) mit einem Gutachten, das am 21.09.2007 vorgelegt wird. Befund des Gutachtens:

  • psychomotorisch ruhig wirkend, im Affekt adäquat, lässt kritische Nachfragen zu
  • mit Sicherheit keine schizophrentypischen Wahnideen
  • keine Hinweise auf psychotische Erkrankung
  • keine Affektstörungen
  • keine formalen Denkstörungen
  • keine kognitive Beeinträchtigung
  • keine Hinweise auf Geschäftsuntüchtigkeit
  • keine Betreuungsbedürftigkeit
  • keine therapeutische Option im Maßregelvollzug
  • sinnvolle Verständigung problemlos möglich

Das Gutachten führt zwar zur Aufhebung der rechtlichen Betreuung - wird aber ansonsten, da formal (nur) zu diesem Zweck erstellt, in weitern Verlauf einfach ignoriert - es „passt“ nicht.

Am 27.06.2008 erstellt Prof. Dr. Kröber (entgegen den von ihm postulierten Mindeststandards, gegen die schon Dr. Leipziger verstoßen hatte) eine Expertise, in der er völlig dem Einweisungsgutachten Leipzigers folgt, sowie dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - und den Aussagen der Ehefrau(!). Rein nach Aktenlage, was er gleich zu Beginn des sog. ‚Gutachtens‘ einräumt: „anhand der Aktenlage erstattet“, zu Mollath selbst gibt es hier „nur eine recht dürftige Informationslage“, „weil […] auch die Ehefrau wenig zur Person ihres Mannes befragt wurde.“ (!!!) Seine Ausführungen zu Mollath beruhen also nach eigener Aussage „nur auf Zeugenaussagen der Ehefrau sowie handschriftlichen Aufzeichnungen“ Mollaths. Ein Witz von einem ‚Gutachten‘ …

Am 12.02.2011 folgt dann das Gutachten Prof. Pfäfflins, das Dr. Leipzigers Diagnose von „Wahnhaftigkeit“ bestätigt. Freilich mit einer nicht uninteressanten Einschränkung:

„Die Überprüfung, ob sich Herr M. aufgrund eines Komplotts im MRV [Maßregelvollzug] befindet, und ob ihm die dem Urteil zugrunde liegenden Taten zu Unrecht unterstellt wurden, ist nicht Sache des Gutachters. Ungeachtet dieser Feststellung müsste im Gutachten selbstverständlich darauf aufmerksam gemacht werden, wenn im Rahmen der Untersuchung Informationen auftauchten, die zum Zeitpunkt des Einweisungsurteils noch nicht bekannt waren und die Zweifel an der Täterschaft des Begutachteten begründen.“

Eine die Sicherungsverwahrung rechtfertigende Aggressivität vermag allerdings auch Prof. Pfäfflin nicht zu erkennen: Mollath ist „nicht innerlich angespannt, aggressiv oder voller Wut und Haß“. Er „beteilige sich mit großer Energie am Sport, zeige dort auch Teamgeist“. Arztbesuche seien „problemlos verlaufen“ man habe in der Lockerungskonferenz " keine von ihm ausgehende Allgemeingefährdung gesehen und keine Fluchtgefahr".

Am 30.04.2011 liegt dann das Gegengutachten Dr. Weinbergers, der Mollath am 11.4.2011 im Bezirkskrankenhaus Bayreuth auf der forensischen, Station untersuchte, vor. Dr. Weinberger ist Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut, Vorsitzender der Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e.V. und wurde 2006 für seinen „unschätzbaren ehrenamtlichen Beitrag zum Kampf für die Menschenrechte“ mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Mit anwesend Rudolf Heindl, Richter i.R. (vgl. auch hier: http://www.bund-fuer-das-recht.de/pdf/Heindl.pdf - äußerst lesenswert!) - die Klinikleitung hatte versucht, die Untersuchung zu verhindern, worauf Heindl bei Staatsministerin Haderthauer und beim Bayreuther Abgeordneten Dr. Rabenstein interveniert und so die Untersuchung erst ermöglicht hatte.

„Gustl Mollath, geb. 1956, sitzt, so mein gutachtliches Urteil, seit über fünf Jahren bei voller Gesundheit unschuldig in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, weil mächtige Leute glauben, so seine sie störenden Aussagen auf Dauer wegsperren zu können. Unter dem schönsten Schein humaner, politisch neutraler, wissenschaftlich gesicherter Heilkunde wurde er mundtot gemacht.
[…]
Unauffälliges Äußeres, klares Bewußtsein, gutes Erinnerungsvermögen, normale Merkfähigkeit. Die an ihn gestellten Fragen wie auch Sinnzusammenhänge erfaßte Mollath mühelos. Er gab bereitwillig auf alle Fragen ruhig und ausführlich Auskunft. Er zeigte sich dabei um Genauigkeit bemüht, nicht aber pedantisch aufs Detail versessen, nicht eifernd und schon gar nicht fanatisch. Es klang auch keine hypochondrische Besorgtheit um die eigene Gesundheit an. Seiner Situation entsprechend war seine Stimmung gedrückt. Mitunter kam auch ein nachdrücklicherer Ton in seine Stimme, verhaltene Empörung über erlittenes Unrecht, damit sehr wohl emotionale Schwingungsfähigkeit anzeigend. Dominierend blieben Trauer und stille Wehmut über all die Verluste der letzten Jahre an Lebenswert, Hab und Gut. Im Antrieb wirkte Mollath verhalten, zurückgenommen. Der Gedankenablauf war flüssig und unkompliziert, formal geordnet. Die Äußerungen waren logisch mit einander verbunden, das jeweilige Thema zu Ende führend. Die anamnestischen Angaben (erwachte nächtens „oft schweißgebadet“ s.o.) wiesen auf eine gewissenhafte, eher ängstlich-zwanghafte Persönlichkeitsstruktur. (Gegen eine Neigung zu überschießender Impulsivität spricht schon, dass Mollath bei keinem der erlebten Rückschläge, beim Diebstahl seiner Autos, der Hausdurchsuchung etc. „aus der Haut fuhr“). Nicht die Spur eines Vergeltenwollens, eines Rachebedürfnisses wurde bei der Exploration laut, auch nichts, was verstiegen, uneinfühlbar, absonderlich, aus dem Rahmen fallend oder gar bizarr wirkte, nichts, was als wahnhaft hätte gewertet werden können. Es kamen keine Hinweise für Sinnestäuschungen (Halluzinationen) auf. Gustl Mollath stellt hohe moralische Ansprüche an sich selbst. Altruistisch orientiert, denkt er auch in seiner derzeit so mißlichen Lage an die seiner „Mitgefangenen“.
[…]
Für eine Wahnerkrankung, eine „wahnhafte Störung“, eine „paranoiden Schizophrenie“ oder „organisch wahnhafte (schizophreniforme) Störung“ fanden sich keine Hinweise. Für keine dieser Erkrankungen werden gerade nach der International Classification of Diseases (ICD) die diagnostischen Kriterien erfüllt. Selbst für eine „paranoide Persönlichkeitstörung“ (ICD-10: D 60.0) mit den dazugehörigen Begriffen: „fanatisch expansiv paranoide Persönlichkeitsstörung“ und „querulatorische Persönlichkeitsstörung“, wie sie wesentlich „weicher“, weniger belastend Dr. S. annahm, fand ich keine ausreichende Symptome. Gustl Mollath opponierte aus keinem Fanatismus und keiner Querulanz heraus gegen die illegalen, vom Arbeitgeber unterstützten Geschäfte seiner Frau, sondern aus anerkennenswertem Rechtsgefühl und aus der Sorge um sich und um die Frau im Bewußtsein der Strafbarkeit von deren geschäftlichem Treiben. Dass er diese Position auch heute vertritt, ist in keiner Weise abnorm.“

Auch dieses Gutachten „passt“ natürlich nicht - es wird nicht anerkannt, weil nicht vom Gericht sondern dem mittlerweile entstandenen Unterstützerkreis Mollaths in Auftrag gegeben.

Am 08.02.2012 sendet Prof. Dr. Karsten Dieckhöfer, selbst jahrzehntelang als forensischer Gutachter für Gerichte tätig, eine Stellungnahme zu den Gutachten Leipziger und Pfäfflin an Justizministerin Dr. Beate Merk. Seine Beurteilung: Leipzigers Gutachten ist „unwissenschaftlich“ und stellt in seiner „diagnostischen Zuordnung ein Falsch- bzw. Gefälligkeitsgutachten“ dar. Insbesondere wurden Mollaths Einlassungen nicht recherchiert - jede gründliche Erörterung der Vorgeschichte der angeblichen Erkrankung ist „in geradezu unverständlicher Weise unterlassen worden“. Einige Behauptungen in dem Gutachten sind aus Sicht Prof. Dieckhöfers „geradezu grotesk“, „hilfloses Wortgeplänkel“, um dem Gutachten einen „pseudowissenschaftlichen Anstrich“ zu geben.

Pfäfflins Gutachten stellt nach Prof. Dieckhöfer „bisheriges wissenschaftliches Denken in der Psychiatrie offensichtlich bewusst auf den Kopf“. Pfäfflin hatte unter anderem festgestellt: „Das reale Geschen spielt lediglich eine untergeordnete Rolle“, Mollaths Gedanken kreisten „um einen fernen Punkt von Unrecht“. Dies sei der eigentliche „Kristallisationspunkt der wahnhaften Störung“. Prof. Dieckhöfer bezeichnet dies aus fachlicher Sicht als „groben Unsinn“. Dass Mollath sich gegen „Behandlungen“ zur Wehr setzt und die Zusammenarbeit mit den Ärzten verweigert, sei „aus wissenschaftlicher Sicht keinerlei Wahn“. Man habe jede objektive Urteilsfindung vermieden und sich „zum Befehlsempfänger offensichtlich vorgegebener Strukturen gemacht, die außerhalb jeglicher wissenschaftlicher Kategorie liegen“.

Die Justizministerin schweigt zu dem Schreiben, ebenso die Gutachter Leipziger und Pfäfflin.

Dr. Leipziger ist nach wie vor „behandelnder“ Arzt von Mollath. Am 28.03.2013 nimmt er gegenüber dem Amtsgericht Bayreuth zur weiteren Unterbringung Mollaths Stellung, dass aus forensisch-psychiatrischer Sicht „Sinn und Zweck der Maßregelvollzugsbehandlung nicht in Ansätzen erreicht werden konnten und somit weitere rechtserhebliche Straftaten, wie in den Anlassdelikten, zu erwarten sind.“ Auf telefonische Nachfrage von Mollaths Rechtsanwältin räumt Leipziger ein, dass ihm der Wiederaufnahmeantrag der Statsanwaltschaft zugegangen sei (der u.a. auf erheblichen Zweifeln an den „Anlassdelikten“ beruht). Er erklärt, er sehe keinen Anlass, seine Stellungnahme nach Kenntnis des Antrags der Staatsanwaltschaft zu ergänzen oder zu ändern. Dies sei erst möglich, wenn es juristische Feststellungen geben würde, dass Herr Mollath die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen habe.

Das hört sich etwas anders an als

wahnhaftes Denken ist ja mehr über seine Form zu bestimmen, weniger über den objektiven Wahrheitsgehalt des Inhalts

nicht wahr?

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo!

Der Fall Mollath ist ja nicht nur ein Justizskandal, er
ist auch ein Psychiatrieskandal.

Ob er ein „Skandal“ ist, kann ich nicht beurteilen, ich gebe dir aber recht, dass er beide Bereiche betrifft.
M.E. betrifft er sogar die Psychiatrie deutlich mehr.

Pfäfflins Gutachten stellt nach Prof. Dieckhöfer „bisheriges
wissenschaftliches Denken in der Psychiatrie offensichtlich
bewusst auf den Kopf“. Pfäfflin hatte unter anderem
festgestellt: „Das reale Geschen spielt lediglich eine
untergeordnete Rolle“, Mollaths Gedanken kreisten „um einen
fernen Punkt von Unrecht“. Dies sei der eigentliche
„Kristallisationspunkt der wahnhaften Störung“. Prof.
Dieckhöfer bezeichnet dies aus fachlicher Sicht als „groben
Unsinn“. Dass Mollath sich gegen „Behandlungen“ zur Wehr setzt
und die Zusammenarbeit mit den Ärzten verweigert, sei „aus
wissenschaftlicher Sicht keinerlei Wahn“.
Man habe jede
objektive Urteilsfindung vermieden und sich „zum
Befehlsempfänger offensichtlich vorgegebener Strukturen
gemacht, die außerhalb jeglicher wissenschaftlicher Kategorie
liegen“.

Um diese Passage einmal herauszugreifen.
Wie sollte ich als einfacher Bürger, der berufsbedingt eine Grundahnung von Psychiatrie und vom Unterbringunggesetz hat, der aber all diese Gutachten und Gegengutachten nur in kleinen Exzerpten kennt, mir ein Urteil darüber bilden können, wer von diesen beiden ausgewiesenen Experten nun „Unsinn“ schreibt, und wer von beiden nun andere als medizinisch-wissenschaftlichen Interessen verfolgt?

Z.B. verstehe ich nicht, wieso Dieckhöfer Aussagen Pfäfflins gleich als „Unsinn“ abtut, die mir völlig stimmig erscheinen, wie z.B. dass die Weigerung an Untersuchungen mitzumachen tatsächlich im Rahmen einer Wahnstörung stehen KANN.

Da steh ich nun wie der Ochs vorm Berg und weiß nicht, wem ich meinen Glauben schenken soll.
Ich kann mir sehr wohl eine Meinung bilden (wie gesagt glaube ich sehr wohl an eine große Sauerei), aber nicht annähernd ein fundiertes Urteil darüber.

Auf telefonische
Nachfrage von Mollaths Rechtsanwältin räumt Leipziger ein,
dass ihm der Wiederaufnahmeantrag der Statsanwaltschaft
zugegangen sei (der u.a. auf erheblichen Zweifeln an den
„Anlassdelikten“ beruht). Er erklärt, er sehe keinen Anlass,
seine Stellungnahme nach Kenntnis des Antrags der
Staatsanwaltschaft zu ergänzen oder zu ändern. Dies sei erst
möglich, wenn es juristische Feststellungen geben würde, dass
Herr Mollath die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen habe.

Das hört sich etwas anders an als

wahnhaftes Denken ist ja mehr über seine Form zu bestimmen, weniger über den objektiven Wahrheitsgehalt des Inhalts

nicht wahr?

Wenn ich richtig informiert bin, wird Mollath einzig und allein auf der Basis des bayrischen Unterbringungsgesetzes festgehalten.
Voraussetzung dafür: a) psychische Krankheit und b) Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (Art. 1), und zwar c) nur solange beides tatsächlich besteht (Art. 24)

Meine Aussage, die du kritisiert, ist voll auf den Aspekt a) bezogen.
Dafür spielen aus meiner Sicht Zweifel am Anlassdelikt keine große Rolle.
Ich denke, dass es da eher um formaljuristische denn um psychiatrische Gründe geht, unter welchen Voraussetzungen Gutachter ihre Stellungnahmen zu revidieren haben.

Gruß
Tyll

Lasst exc doch mal in Ruhe. Guckt doch mal, gegen welche Institutionen sich die ursprünglichen Vorwürfe Mollaths richteten. So, und nun muss man nur eins und eins zusammenzählen…

Wobei das gar nicht böse gemeint ist. Jeder hat doch irgendwo auch seine Branche im Hinterkopf.

Nachtrag
Gib dir mal z.B. diese Passage und lach mit, auch wenn es weh tut.
Der eine Gutachter, dem der zweite „hilflose Wortgeplänkel“ unterstellt, wertet das Gutachten des Dritten als „satrirische Parodie“. Und der Richter reißt auch noch sein Maul auf.

Dieser machte es beim Prüftermin am 9.5.2011 gewiß kräftig herunter. „Es handelt sich“, sagte er, „bei diesem Gutachten nicht wirklich um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der vielen Arbeit, die ich mir gemacht habe. Ich würde es als eher als satirische Parodie eines Gutachtens bezeich­nen.“ Nachhelfend legte, wie ich hörte, der amtierende Bayreuther Richter Kahler dem „Ge­richts­sach­verständigen“ das pejorisierende Wort „satirisch“ noch in den Mund. Der da­mali­ge, in­zwi­schen entpflichtete Verteidiger Mollaths ließ es durchgehen. Sie, Prof. Dieck­höfer, charak­terisierten das Ergebnis der „vielen Arbeit“ Pfäfflins als „hilfloses Wortge­plän­kel“, das „bis­he­riges wissenschaftliches Denken in der Psychiatrie offensichtlich bewußt auf den Kopf stellt.“

http://www.psychiatrie-und-ethik.de/wpgepde/brief-an…

Für mein Bauchgefühl ist der Fall Mollath kein „Skandal“, sondern völlig normale Methode, forensisch-psychiatrischer Alltagswahnsinn (sic!).

Gruß
Tyll