Nicht verstanden haben sondern verstanden wollten. Sich dumm stellen ist das kleine 1x1 der Populisten und dabei fast so beliebt wie der Whataboutismus. Kleingeister sind recht einfach zufrieden zu stellen…
PS: So etwas wie Kontext ist manchen Kreisen auch völlig fremd. Damit lebt es sich halt auch viel einfacher.
Ich verstehe das schon. Rechtlich sicher noch nicht zu beanstanden, moralisch jedoch schon. Hate Speech nennt man das. Verrohung passiert auf beiden Seiten der Gesellschaft.
Ist ja an sich interessant, dass du das in Frage stellst.
Aber hast du Argumente/Fakten/Begründungen dafür, dass der Täter von Hanau kein Einzeltäter° war?
° „Einzeltäter“ heißt nicht: lebte im luftleeren sozialen Raum und hat sich nicht im Internet oder offline mit anderen über seine Gedanken ausgetauscht.
Hier eine m.E. sehr gute kleine Arbeit über den Begriff des „(terroristischen) Einzeltäters“:
Es ist ein himmelweiter Unterschied ob man von links die Faschos verbal angeht, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder anderer Eigenschaften nieder machen.
Nanana, Menschenverachtung ist nun mal Menschenverachtung, Hass ist nunmal Hass, Hate Speech ist nunmal Hate Speech.
Die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas kommt von zwei Seiten.
Für die Vertreter der sogenannten Mitte ist das irritierend, wie das an den Rändern ausfranst, und zwar an beiden Rändern, auch wenn zurzeit die Rechten am gefährlichsten sind.
Aber nur weil es schlimm und schlimmer gibt, wird „bloß“ schlimm nicht zu gut.
Sie muß nicht her. Es ist schlichtweg der richtige Vergleich. Die Aussagen und Ziele der FPÖ und FN bzw. deren Politiker sind mir nicht geläufig genug, um Vergleiche anzustellen, aber wenn die Parteien auch unverhohlen die Nazi-Zeit schönreden, Hitler glorifizieren bzw. seine Aussagen praktisch unverändert wiederholen und offen die Beseitigung unwerten Lebens propagieren, dann gehören die auch in einem Satz mit Nazis und Neonazis genannt.
Ach echt? Mir schlug bei beiden Aussagen kräftiger Gegenwind entgegen. Übrigens auch bei meiner Prognose, das Abtun von Pegida & Co. als bloße ausländerfeindliche Kleingruppen, die man ignorieren könne bzw. müsse, werde zu einem Erstarken und zu einer Radikalisierung der „Bewegung“ führen.
Jedenfalls: worauf ich mit meinem Vergleich mit der NSDAP hinauswill ist ganz banal, nämlich daß wir heute die Möglichkeit haben, die afd als das zu erkennen, was sie ist und was aus ihr erwachsen kann, weil wir Vergleichsmöglichkeiten haben. Wir hatten so eine Partei schon einmal und wir machen den Fehler, mit ihr genauso umzugehen, wie damals mit ihr umgegangen ist. Wir ignorieren genauso wie damals, daß die Parteigranden genauso offen wie damals sagen, was sie vorhaben. Wir versuchen, sie als zeitlich vorübergehende Randerscheinung von Doofen und Frustrierten abzutun, während die immer mehr Wähler rekrutieren kann, die den anderen Parteien davonlaufen. Usw.
Es sind also nicht nur die Inhalte sehr ähnlich, sondern auch der Umgang damit. Den Optimismus, das - unter unveränderten Bedingungen - am Ende etwas anderes dabei herauskommt, teile ich nicht.
Ich halte die Bedingungen 2020 eben nicht für unverändert, sondern für sehr verschieden von 1920/1930.
Das soll Strukturähnlichkeiten wie das Aufkommen autoritärer Regime in Europa oder auch eine gewisse Zunahme an politischer und gesellschaftlicher Polarisierung („Schwund der Mitte“; Verbreiterung des Parteienspektrums usw.) ja gar nicht leugnen, aber die Unterschiede sind sehr viel größer:
ganz andere demographische Gesellschaftsstruktur,
keine Nachkriegsgesellschaft mit Massen an Ex-Soldaten und Kriegskrüppeln,
Politik ist keine männerbündische Sache mehr, oder zumindest nicht mehr so stark,
keine vergleichbaren ökonomische Verwerfungen,
keine Hyperinflationen,
keine Massenarbeitslosigkeit,
Transformation von der Industrie- zur Postindustriegesellschaft, nicht mehr von der Agrar- zur Industriegesellschaft,
sehr viel weiter entwickelte globale Vernetzung,
keine so starken ideologische Gegensätze mit gleich zwei sich bekämpfenden Welterlösungs-Ideologien, für deren Durchsetzung jede Gewalt erlaubt scheint
usw.
Das alles heißt ja nicht, dass unter diese ganz anderen Gegebenheiten keine Arschloch-Regime entstehen können, aber es heißt, dass wir aus dem Blick auf die 20er nicht wirklich lernen können, wie dem etwas entgegen zu setzen ist.
Dass die Zeiten nicht 1:1 identisch sind, ist unbestritten. Es muß aber nicht alles identisch sein, damit die Stimmungslage in der Bevölkerung die gleiche ist. Auch ohne Kriegsopfer, Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit kommen in einzelnen Bundesländern mehr als 20% der Wähler auf die Idee, eine offen rechtsradikale Partei zu wählen. Wie viele werden es wohl, wenn der seit zehn Jahre anhaltende Aufschwung endet?
Ziehen wir mal ein paar Parallelen:
Massenarbeitslosigkeit <—> gefühlt abgehängte Leute/gefühlte Bürger 2. Klasse
Vermögensverluste durch Hyperinflation <–> Vermögensverluste und zunehmende Angst vor Altersarmut durch Nullzinsphase
Transformation von Agrar- zur Industriegesellschaft <—> Angst vor Jobverlust durch Digitalisierung und Verlagerung von Produktion ins Ausland
keine so starken ideologische Gegensätze <—> rechts wie links reden davon, den politischen Gegner zu töten
Judenhaß <–> Fremdenfeindlichkeit, Ismlamophobie
Abschwächung des Welthandels durch Wirtschaftskrise bzw. Protektionismus als Reaktion darauf <–> Abschwächung des Welthandels durch Handelskriege/ Protektionismus, evtl. verstärkt durch SARS-CoV-2
Teilweise auch richtig.
„Teilweise“, weil es eine extreme Verniedlichung des Antisemitismus der 20er und 30er ist, hier ernsthaft Parallelen zum aktuellen Islamhass zu ziehen, oder weil die Linke heute nicht 10% so radikal ist wie in den 20ern, wo sie längst in großem Stil am massenmorden war usw.
Du sprichst in deiner Aufzählung ganz direkt einige Punkte an, die den aktuellen Aufstieg des europäischen Rechtspopulismus (mit)bedingt haben, und weiter befördern können.
Die werden durch diese Parallelen nicht besser angesprochen.
Die historischen Bezügen verzerren eher einiges unnötigerweise, siehe den Aspekt unter „teilweise“.
Langsam wird dieser Aspekt, zugegeben, aber zu „akademisch“
Das ist doch genau das, worauf ich hinaus will. Die KZs standen nicht von heute auf morgen und die Pogrome brachen auch nicht von heute auf morgen aus. Es gab eine Entwicklung und die gibt es heute auch. Natürlich war die Lage für die Juden schon in den frühen 20er Jahren unangenehm, es kam zu Schlägereien, Grabschändungen, in Deutschland lebende Juden wurden als Fremde bezeichnet usw.
Aber es ist doch auch nicht so, daß in Deutschland keine Anzeichen dafür vorhanden wären, daß sich in manchen Kreisen eine fremden- und insbesondere islamfeindliche Gesinnung herrscht. Dieser Artikelbaum entstand in der Folge eines rechtsradikalen Anschlages, der gezielt auf moslemische Mitbürger gerichtet war und der vielleicht von der Zahl der Toten eine Ausnahmetat darstellt, aber doch nicht sachlich. NSU, Chemnitz, die diversen anderen Vorfälle, die Hetze gegen Flüchtlinge, die Pauschalverurteilungen usw.
Mir geht es darum, daß die ersten Schritte gemacht sind und dafür gesorgt werden muß, daß s eben nicht so weit kommt, wie in den späten 20ern und in den 30ern. Damit, daß wir sagen „heute ist es aber nicht so schlimm wie es damals am Ende war“ wird das aber nicht erreicht, möchte ich mal behaupten.
Klar, kann man alles abwarten, genau wie bei der Klimageschichte. Nur ist es bei beiden Sachverhalten dann u.U. irgendwann zu spät, um noch umzusteuern. Und dann stehen sie wieder irgendwann betroffen in der Gegend rum und wundern sich, wie das alles so weit kommen konnte.
Meine Frage war „hast du Argumente/Fakten/Begründungen dafür, dass der Täter von Hanau kein Einzeltäter° war?“, weil ich deine ursprüngliche Aussage so verstanden hatte.
Dann hättest halt einfach geschrieben, dass du das gar nicht gemeint hattest.
Ich hole den Artikelbaum bewußt wieder hoch - nicht nur wegen der Wahl, sondern weil es eine Entwicklung gibt, die durchaus wert ist, bemerkt zu werden (also bemerkenswert im buchstäblichen Sinne). Der ein oder andere wird mitbekommen haben, daß neulich ein afd-Mitglied vom baden-württembergischen Landtag als Richter in baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof berufen wurde.
Ich kann es nicht oft und laut genug widerholen: die afd ist nicht unter Kontrolle. Sie ist vielmehr munter dabei, den Staat nach alter NSDAP-Manier zu übernehmen und zwar unter Ausnutzung der demokratischen Möglichkeiten. Daß das nicht so richtig bemerkt wird, ist umso fataler, weil die Folgen eher spürbar werden als die eigentliche Veränderung in den Institutionen. Man zum Beispiel an das Maskenurteil aus Weimar.
Auch die #allesdichtmachen-Aktion ist ein Beispiel dafür, wie rechte Kräfte die Gesellschaft beeinflussen.
Kurz gesagt: die afd macht sich weiterhin in Deutschland und seinen Institutionen breit. Leider glauben noch viel zu viele (vor allem im Westen), daß es sich nur um eine Protestpartei handelt, die über kurz oder lang wieder verschwunden sein wird. In Thüringen liegt die afd übrigens gerade vorne.
Es gibt im Forum die Funktion eine neue Frage zu stellen - das würde es den anderen ersparen sich durch 114 vorherige Beiträge bzw. Schlammschlachten zu lesen.
Du denkst also, dass eine Partei die bei den Umfragen im kleinen zweistelligen Bereich agiert den Staat übernimmt… und das winzige Thüringen soll als Beispiel dafür dienen.
Wieso ist eine Medienkampagne einiger Schauspieler rechts einzuordnen nur weil die AfD ähnliche Ansichten hat und inwieweit wurde die Gesellschaft dadurch beeinflusst?
Ich freu mich schon auf die Kommentare der Leute, die die AfD zwar nie wählen würden, aber sie ständig verteidigen und jeden politischen Standpunkt teilen