Hi
Dazu müssen wir uns erstmal die Begrifflichkeiten genauer anschauen:
Esoterik ist die Lehre vom Geheimen. Es geht um alles, was abgeschlossen ist vom Allgemeinen.
Als solches gibt es Esoterik auch in Religionen von Alters her, die Mysterienkulte können grob darunter gefasst werden, meist waren es aber kleinere Gruppen die Betonung auf eine Lehrer-Schüler Verbindung legten.
So gibt es etwa einen esoterischen Buddhismus (der Begriff ist heute aber veraltet) der ursprünglich den tantrischen Buddhismus bezeichnete und der Sufismus wird manchmal esoterischer Islam genannt.
Hier zeigt sich die Verbindung zwischen Esoterik und Mystik:
Bei der Mystik geht es um eine irgendwie geartete innere Erfahrung etwas Übersinnlichem, das laut William James die Qualitäten der Wahrhaftigkeit, Passivität/Überwältigung, Vergänglichkeit und Unaussprechlichkeit.
Sie ist aber Subjekt des Einzelnen.
Wenn dieser Einzelne jetzt aber Anhänger sammelt und ihnen Wege lehrt um auch eine mystische Erfahrung zu bekommen, haben wir einen mystischen Kult.
Wenn er jetzt aber Wege lehrt um eine _spezifische_ Erfahrung oder spezifisches Wissen zu erlangen, so sind wir in der Esoterik.
Der Begriff der Esoterik (das Nomen stammt im Übrigen aus dem 19. Jh.) ist heute etwas breiter geworden und bezieht sich auf alle möglichen Arten von „Geheimwissen“, ohne dass dahinter tatsächlich „Wissen“ stehen muss, sondern nur Überzeugung. Insofern ist das „Innerliche“ der Mystik erhalten geblieben, wurde aber oft von seinen religiösen Wurzeln entkoppelt.
Da wir keine Definition von Religion haben, ist mit dem Begriff schwer zu arbeiten.
Was wir aber festhalten können, ist dass Religion einen Kult benötigt. Laut Durkheim existiert ein Kult dann, wenn er folgende Eigenschaften hat:
- gemeinsam getragene, rituelle Handlungen
- obligatorische, zwingend bestimmte Denkweisen und Geisteshaltungen
- Handlungsaufforderungen (z.B. Zeitlich)
Ein Kult kann vieles sein, daher gibt es auch immer wieder die Diskussion darüber ob Fußball eine Religion ist.
Daher ergänzt Riesebrodt, dass all diese Eigenschaften eines Kultes dann einem religiösen Kult angehören, wenn diese Handlungen zur Interaktion mit Höheren Mächten dienen.
Diese höheren Mächte müssen nicht , wie unten erwähnt, Götter sein. Es gibt einige Religionen die keine Göttervorstellungen kennen, eine Religion kann durchaus atheistisch sein, auch wenn viele sogenannten atheistischen Religionen es gar nicht (z.B. der Buddhismus, der sehr wohl Götter kennt, diese sind aber weder eine Autorität, noch das Ziel.)
Ein solcher Kult ist also notwendige Voraussetzung für eine Religion.
Eine Religion kann nicht von einer Einzelperson getragen werden, das ist nur eine Einstellung, sie muss von Menschen geteilt werden.
Eine bestimmte Größe gibt es hier nicht daher ist es schwierig Schulen, Strömungen und Religionen voneinander zu unterscheiden.
Spätestens wenn ein solcher Kult in eine Herrschaftsposition gerät, kann man aber ohne Probleme von einer Religion sprechen. Ist heute natürlich schwieriger als früher.
Weiterhin ist für eine Religion wichtig, dass es eine Autorität gibt, diese Autorität wird durch Wissensmacht und Definitionsmacht gekennzeichnet, für die es verschiedene Erklärungen gibt, das kannst du bei Focault und Asad nachlesen.
Zu diesen kommt dann die Legitimationsmacht, die Legitimationsmacht entsteht dann, wenn die erste Generation einer Kultgruppe ausstirbt. Dann muss das Wissen nämlich mit Erinnerungstechniken an die nächste Generation weitergegeben werden, siehe Berger, Luhmann oder Assmann (Das kulturelle Gedächtnis). Daraus entsteht dann Tradition.
Aus der Tradition entsteht die Institution, diese beginnt dann, wenn aus der Autoritätsperson in späteren Generationen Autoritäten werden. Diese können Individualgnade vorsehen (durch religiöse Spezialisten (Gurus) oder durch den Einzelnen (Askesepraktiken) oder Anstaltsgnade, die eine Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft unmittelbar voraussetzt (Kirchen, Umma …).
Der entscheidende Punkt ist, dass Esoteriken gar nicht die große Ausbreitung wünschen (damit meine ich nicht zwingend die Mission), denn dies widerspräche ihrem geheimen und besonderen Charakter.
Ich persönlich würde die Abstufung also in Esoterik - mystischer Kult - Religion setzen, aber das ist nur meine Einsicht.
Wie ich oben erwähnt habe, ist in der _modernen_ Esoterik, also dem, was hier auch oft besprochen wird, die Religion entkoppelt worden.
Dies ist ein sehr modernes Phänomen, aber nicht so modern wie gedacht.
Den Anfang nahm dies alles im Pietätismus, als die innere Frömmigkeit in der westlichen Welt betont wurde.
Dies bedeutet, dass Religion nicht mehr zwingend (wie in der christlichen Kirche üblich) in der Gemeinschaft mit Soziallegitimation gelebt werden musste, sondern auch allein oder in privaten Verbänden.
Durch diese Entwicklung, die Religion von der Institutionsdefinition löste und individuelle Einsichten und Ansichten auf ein höheres Podest stellte (auch mit ein Erbe der Aufklärung) ist heute das Phänomen des spirituellen Wanderers entstanden.
Der spirituelle Wanderer bezeichnet den Gläubigen, der glaubt, aber sich keiner Institution anschließen will - oder vielleicht einer angehört, diese aber als fehlerhaft oder unvollständig ansieht.
Daher nimmt er sich hier und da etwas Wissen mit, gehört mal hierhin, mal dahin, und schafft sich sein eigenes synkretistisches Weltbild.
Daher sind heute so viele moderne esoterische Lehren synkretistisch, selbst wenn sie sich nicht als Glauben im Sinne einer Religion begreifen. Oft werden nur Techniken angewandt, ohne den Sinnzusammenhang dahinter mitzuübernehmen, so z.B. beim Tarot. Dennoch verweisen die klassischen Deutungen auf Sinnsysteme, die anderen Religionen angehören.
Manche sind besser vereinbar mit unseren Einstellungen als andere, so hat das Christentum viel griechisches/hellenistisches Übernommen, weshalb die klassisch-mythologisch begründeten Tarotdeutungen den Europäern und Amerikanern sehr zusagen. Es wäre viel schwerer den Kult einer afrikanischen Flussgöttin (zu der es in Essen ein sehr schönes Privatmuseum gibt) an die Gemeinschaft zu verkaufen.
Zusammenfassung:
Eine Religion besitzt ein umfassenes System, die der Esoterik fehlt. Wir fassen zwar vieles unter Esoterik zusammen und sprechen manchmal von einer „esoterischen Gemeinde“, doch diese Gemeinde gibt es nicht - wir vergessen dass es sich bei dieser angeblichen „Gemeinde“ tatsächlich um eine Ansammlung spiritueller Wanderer handelt, die sich eher zufällig mal mehr mal weniger um bestimmte beliebte Ansichten sammelt.
Dabei geht es nur um ins: Das Heil.
Dies hat die Esoterik eindeutig mit der Religion zusammen, doch dieses Heil wird ausschließlich auf einer Inneren Ebene gesucht, in der persönlichen Frömmigkeit, möglichst ohne die Ansprüche und Verpflichtungen einer tatsächlichen Gemeinde, wie sie sich in religiösen Kulten und tatsächlichen Religionen findet.
Sobald eine Lehre offen für die Allgemeinheit ist und eine Machtbasis irgendeiner Art erhält, hört sie auf geheim und abgeschlossen zu sein, und ist somit keine Esoterik mehr.
So interpetiere ich das aus meiner religionswissenschaftlichen Perspektive, dies hat natürlich keinen Allgemeinheitsanspruch.
lg
Kate