Hallo,
sehr oft, wenn es in öffentlichen Debatten über Sinn und Unsinn der Religionen im weitesten Sinne geht, ist der Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung, Michael Schmidt Salomon mit von der Partie und vertritt seine religionskritischen Thesen. Für das Magazin DER SPIEGEL ist der Philosoph (wie er sich selbst bezeichnet) sogar „Deutschlands Chef-Atheist“. In seinem 2006 erschienenen Werk „Manifest des evolutionären Humanismus: Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur“ vertritt er eine säkulare Position, verteidigt die Ideale der Aufklärung und appelliert an die Vernunft. Er kritisiert nach eigenen Angaben nur vorstellbare Götter, daher auch nur Religionen, die Gott oder Göttern bestimmte Eigenschaften zuschreiben, da über unvorstellbare Götter nichts ausgesagt werden könne.
Ich finde, seine Religionskritik ist fundiert, einleuchtend und nicht so polemisch und provokativ wie das, was Richard Dawkins unter anderem in seinem Buch „Der Gotteswahn“ als Religionskritik verkauft, wenn man mal das „Ferkelbuch“ außer Acht lässt, was ja ohnehin nicht für Erwachsene, sondern für Kinder geschrieben wurde.
Nun ist mir schon oft aufgefallen, dass es Anhänger von Religionen im öffentlichen Diskurs mit Michael Schmidt-Salomon nicht schaffen, gute Argumente für Religionen bzw. für den Glauben an ein höheres Wesen zu bringen: Das, was sie nämlich argumentativ bringen, sind irrtümlich angenommene positive Effekte des Glaubens für einzelne Menschen oder die Menschheit insgesamt. Bei näherer Betrachtung stimmen die Vermutungen der Gläubigen gar nicht: Zum Beispiel mussten die Menschenrechte gegen die Kirchen erkämpft werden und in vielen Studien wurde herausgefunden, dass religiöse Menschen nicht wohltätiger und hilfsbereiter als nicht-religiöse Menschen sind. Auch das Argument, der Glaube gebe den Menschen Halt im Leben, ist unangebracht, wenn es um den Wahrheitswert religiöser Ansichten geht. Wie gesagt, nicht das Phänomen als solches (also Gott) wird diskutiert, sondern nur das, was sich aus dem Glauben heraus ergibt.
Und hier könnten meiner Meinung nach die Religionsvertreter ansetzen (was sie aber nicht tun!) und der etwas flachen „Wir sind die besseren Menschen“-Diskussion oder der „Der Glaube tut mir gut“-Diskussion ein Ende bereiten und stattdessen Religion nicht nur als sozio-kulturelles Phänomen betrachten, sondern auch die philosophische, metaphysische Dimension in die Diskussion mit einbeziehen. Warum wird das nicht gemacht? Selbst Bischöfe liefern im Fernsehen oberflächliche Phrasen ohne geistigen Tiefgang.
Daher die Frage: Wie könnte man den sicherlich guten und richtigen, aber dennoch (aus meiner Sicht) einseitigen Argumenten Michael Schmidt-Salomons als „Befürworter des Religiösen“ begegnen? Die Religionen werden mir in der Öffentlichkeit als zu schlicht dargestellt, selbst von den Gläubigen!
Anmerkung: Es sind in meinem Text zwar alle Religionen gemeint, aber besonders stark das Christentum, da das am häufigsten in Deutschland diskutiert wird.
Viele Grüße,
Wolfgang Fazio