Richard Strauss 'Salome'-für Einsteiger geeignet?

Hallo ihr Lieben!

Meine Frage mag vielleicht etwas ungewöhnlich sein, aber die Antworten würden mich schon sehr interessieren!

Vorausschicken möchte ich, dass ich es nicht wirklich gut finde, wenn man Kinder „zu ihrem Glück zwingt“ und ihnen klassische Musik „näherbringen“ will - ganz einfach deswegen nicht, weil ich finde, dass Musik FREUDE machen soll, und man diese Freude für sich selbst entdecken können soll. Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen.

Es ist ja meistens so, dass Kindern, aber auch Jugendlichen, gerne bestimmte Opern gezeigt werden, entweder im Musikunterricht, oder auch bei echten Opernbesuchen. Meistens sind es aber immer die üblichen Verdächtigen: Zauberflöte, Figaro, oder auch die Fledermaus (obwohl das eher Operette ist).
Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wo man sich andere Opern anschaut, gar keine Frage.

Aber jetzt endlich zu meiner eigentlichen Frage: denkt ihr, dass die Oper „Salome“ von Richard Strauss ebenfalls geeignet ist, Kindern oder Jugendlichen gezeigt zu werden?

Ich finde, sie hat viele „Vorteile“: sie ist vergleichsweise recht kurz, hat sehr laute und bombastische, aber auch ruhige Stellen, keine vertrackte Handlung, und es gibt alle möglichen Themen, die man auch in vielen anderen Opern findet.

Wie denkt ihr darüber? Geeignet oder nicht? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

Bin gespannt auf eure Meinung!

Hallo!
So aus dem Nauch heraus hätte ich da bei Kindern Bedenken, sowohl was den musikalischen Bereich angeht wie auch vom Inhaltlichen. So unbedingt leichte Kost ist das nicht gerade, was Harmonik, Tonsprache und Leitmotivik angeht. Dazu kommt noch das psychologische der Figuren ; um zu verstehen, was die Leute überhaupt voneinander wollen, daß Herodes auf seine Stieftochter scharf ist, warum Narraboth sich entleibt und die gute Salome im Grunde genommen im Finale den Orgasmus ihres Lebens hat sollte man schon ein gewisses Verständnis für sexuelle Thematiken mitbringen, was bei Kindern einfach nicht gegeben ist. Und wenn dann noch eine komplexe Inszenierung dazukommt, bei der es richtig zur Sache geht, inklusive Striptease und so weiter, kommen auch Erfahrenere etwas ins Schwimmen. Von daher würde ich sagen: für Jugendliche so ab 14 lasse ich mir das eingehen, als erste Oper vielleicht auch bei denen nicht, aber Kinder dürften überfordert sein.

Hallo!

Hallo! Vielen Dank erst einmal für deine Antwort!

So aus dem Nauch heraus hätte ich da bei Kindern Bedenken,
sowohl was den musikalischen Bereich angeht wie auch vom
Inhaltlichen. So unbedingt leichte Kost ist das nicht gerade,
was Harmonik, Tonsprache und Leitmotivik angeht.

Das dachte ich mir anfangs auch, aber ist es etwa beim beliebten „hänsel und gretel“ von Humperdinck großartig anders? Überhaupt sind ja viele Werke der Romantik und Spätromantik relativ schwer fassbar für Kinder und Jugendliche, aufgrund ihrer Komplexität, leitmotivischen Verarbeitungen etc.

Dazu kommt
noch das psychologische der Figuren ; um zu verstehen, was die
Leute überhaupt voneinander wollen, daß Herodes auf seine
Stieftochter scharf ist,

Das ist natürlich ein schwieriges Thema, aber andererseits, was ist z.B. mit dem Inzest-Geschwisterpärchen in Wagners Ring? Ich würde auf jeden Fall den Kindern/Jugendlichen/Einsteigern sagen, dass es sich hier um eine dekadente Gesellschaft handelt, mit all ihren Eigenschaften.
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass viele den Herodes in der Strauss-Oper teilweise sogar gar nicht wirklich ernst nehmen, mit seiner Vergesslichkeit („Bringt mir … was wünsche ich denn? Ich habe es vergessen“ etc.) und über diesen „Humor“ vergessen, dass der Herodes eine pathologische Figur ist. Zudem, niemand nimmt ihn wirklich ernst, wenn man sich die Handlung genau anschaut. Salome ignoriert ihn einfach, er beschwert scih bei Herodias, die sich aber auch nur über ihn lustig macht.

Salome im Grunde genommen im Finale den Orgasmus ihres
Lebens hat

DAS musst du mir jetzt aber erklären :smile: An welcher Stelle? Und wieso?

Wegen dem Verständnis von sexuellen Thematiken: was sagt man einem Kind z.B. über den Cherubino in Mozarts Figaro, wieso er den Damen hinterherläuft?

Und wenn dann noch eine komplexe Inszenierung
dazukommt, bei der es richtig zur Sache geht, inklusive
Striptease und so weiter, kommen auch Erfahrenere etwas ins
Schwimmen.

Wobei ich jetzt natürlich von einer werkgetreuen Inszenierung ausgegangen bin.
Ich besitze ja die Partitur, sowie das Schauspiel von Wilde. Darin sieht man den Kuss des Kopfes übrigens NICHT, weil der Mond sich verdunkelt und die Bühne komplett in Finsternis getaucht ist - man hört nur die Stimme Salomes, wie sie singt „Ich habe deinen Mund geküsst“. Ich denke, dadurch dass man es NICHT sieht, wirkt es noch viel grausiger!

Mir sind solche Inszenierungen, wo das Blut literweise fließt und Salome sich den Kopf zwischen die Beine steckt etc. auch zuwider. Strauss selbst wollte, dass Salome graziös ist, und nicht wie eine Irre herumläuft und sich verrenkt, wie man das leider so oft auf unseren Opern- und Theaterbühnen mitansehen muss.

Ich finde schon die ersten Takte so toll: wenn man diese Clarinette hört, wie sie einen unvermittelt 2000 Jahre zurückversetzt, in eine schwüle Sommernacht, an so eine exotische Kulisse, ein prunkvoller Palast, ein Balkon, die dunkle Zisterne im Hintergrund …

Bitte jetzt nicht sagen „DU wolltest unsere Meinung dazu hören“. Natürlich wollte ich das! Und ich antworte auch gern darauf, um das näher zu erörtern und neue Meinungen zu hören! :smile:

Liebe Grüße,
Stefan

Salome im Grunde genommen im Finale den Orgasmus ihres
Lebens hat

DAS musst du mir jetzt aber erklären :smile: An welcher Stelle? Und
wieso?

Dieser große Durchbruch zum Cis-Dur nach „Allein was tuts? Was tuts?“, zumal wenn Ljuba Welitsch das singt und dann bei „Jochanaan“ nach oben in die Quart geht …
http://www.youtube.com/watch?v=Hr6mjT4A-fc
Strauss war über derlei nicht erhaben, zum Beispiel auch in der „Ägyptischen Helena“, in „Zweite Brautnacht! Zaubernacht!“

Wegen dem Verständnis von sexuellen Thematiken: was sagt man
einem Kind z.B. über den Cherubino in Mozarts Figaro, wieso er
den Damen hinterherläuft?

Und wenn dann noch eine komplexe Inszenierung
dazukommt, bei der es richtig zur Sache geht, inklusive
Striptease und so weiter, kommen auch Erfahrenere etwas ins
Schwimmen.

Wobei ich jetzt natürlich von einer werkgetreuen Inszenierung
ausgegangen bin.
Ich besitze ja die Partitur, sowie das Schauspiel von Wilde.
Darin sieht man den Kuss des Kopfes übrigens NICHT, weil der
Mond sich verdunkelt und die Bühne komplett in Finsternis
getaucht ist - man hört nur die Stimme Salomes, wie sie singt
„Ich habe deinen Mund geküsst“. Ich denke, dadurch dass man es
NICHT sieht, wirkt es noch viel grausiger!

Mir sind solche Inszenierungen, wo das Blut literweise fließt
und Salome sich den Kopf zwischen die Beine steckt etc. auch
zuwider. Strauss selbst wollte, dass Salome graziös ist, und
nicht wie eine Irre herumläuft und sich verrenkt, wie man das
leider so oft auf unseren Opern- und Theaterbühnen mitansehen
muss.

Ja, „Scherzo mit tödlichem Ausgang“… und in seinen „Anweisungen an einen Kapellmeister“ schreibt er ja „Dirigiere Salome und Elektra, als seien sie von Mendelssohn: Elfenmusik!“

Ich finde schon die ersten Takte so toll: wenn man diese
Clarinette hört, wie sie einen unvermittelt 2000 Jahre
zurückversetzt, in eine schwüle Sommernacht, an so eine
exotische Kulisse, ein prunkvoller Palast, ein Balkon, die
dunkle Zisterne im Hintergrund …

Bitte jetzt nicht sagen „DU wolltest unsere Meinung dazu
hören“. Natürlich wollte ich das! Und ich antworte auch gern
darauf, um das näher zu erörtern und neue Meinungen zu hören!

)

Liebe Grüße,
Stefan

Also wenn ich Kinder erstmals in die Oper mitnehme, wähle ich gerne ein Verismostück, das ist doch eine Nummer einfacher, oder wenn sie für phantastisches empfänglich sind, wäre der „Fliegende Holländer“ auch eine gute Idee…

Hallo!

So aus dem Nauch heraus hätte ich da bei Kindern Bedenken,
sowohl was den musikalischen Bereich angeht wie auch vom
Inhaltlichen.

Genauso würde ich das auch sehen. Wenn ich mich an die Musikerfahrungen meiner Kindheit/Jugend zurück erinnere, glaube ich, war es für mich vor allem wichtig, etwas verstehen zu können. Ohne Verstehen habe ich einfach abgeschaltet. Wie beim Lauschen nach einer unbekannten Sprache, ist dann vielleicht kurzzeitig noch Faszination für die fremdartigen Laute vorhanden, später geht es nur noch ins Ohr, ohne großartig etwas zu hinterlassen.

Wie bereits gesagt wurde, spielen bei der Oper ja verschiedene Facetten des Verstehens eine Rolle. Die Geschichte muss verstanden werden, was m. E. bei Salome eindeutig für Kinder zuviel voraussetzt. Ebenso muss die Musik „verstanden“/nachvollzogen werden können. Hinsichtlich der Musik war es für mich als Kind wichtig, mich orientieren zu können, Themen und Motive zu erkennen. Ich glaube auch, dass das unerfahrene (kindliche) Ohr Musik besser begreift, wenn die Musik theoretisch mitgesungen werden könnte. Deshalb halte ich sehr grob gesagt Opern der Klassik für geeigneter als Oper der Romantik.

Schade wäre es, die Kinder mit zu schwerer Kost zu vergraueln. Ich stelle mir gerade vor, jemand nähme mich zum ersten Mal mit ins Kino und wir schauen einen der neueren Filme von David Lynch. Wenn ich dann die Erkenntnis hätte: „Das ist also Kino“, würde ich wohl nur ein Mal alle paar Jahre ins Kino gehen, wegen der Atmosphäre des schönen Saals und um mal wieder Abendgarderobe anziehen zu können, nicht weil ich denke, das Gezeigte könnte mich inhaltlich irgendwie berühren.

Viele Grüße

Hans-Peter

Hallo!

Hallo!
Auch dir danke für deinen Beitrag! Er war zwar nicht an mich gerichtet, aber ich möchte trotzdem auf ein paar Punkte eingehen.

Genauso würde ich das auch sehen. Wenn ich mich an die
Musikerfahrungen meiner Kindheit/Jugend zurück erinnere,
glaube ich, war es für mich vor allem wichtig, etwas verstehen
zu können.

Fällt das bei einer Oper, die in italienisch oder französisch gesungen wird, rein sprachlich gesehen nicht wesentlich schwerer?
Natürlich ist z.B. „La donna e mobile“ ein Ohrwurm und auch sehr bekannt, aber ein Kind versteht doch den Text nicht, und wenn, dann müsste man ihm doch auch erklären, dass der Text eigentlich ziemlich frauenfeindlich ist?

später geht es nur noch ins Ohr, ohne
großartig etwas zu hinterlassen.

Hier wollte ich fragen, wie du das „etwas hinterlassen“ genau meinst. Meinst du, dass Melodien hängenbleiben sollen, oder eher Eindrücke? Ich könnte mir vorstellen, bei der Salome könnte es der Eindruck sein, dass es teilweise wahnsinnig laut und dramatisch war, dass das Stück sofort losging und auch plötzlich aufgehört hat.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass wenn Kinder eine Oper sehen, die vielleich ein paar Ohrwürmer hat, dann die „langweiligeren“ Passagen, zb. Rezitative beim Figaro etc., auch nicht mehr wirklich interessiert hören, weil sie lieber das lustige „Non piu andrai“ hören.

Hinsichtlich der
Musik war es für mich als Kind wichtig, mich orientieren zu
können, Themen und Motive zu erkennen.

Auch da würde für die „Salome“ doch sprechen, dass die Oper sehr kurz ist, und es eine Vielzahl an Themen gibt, die immer wieder auftauchen und erkannt werden.

Liebe Grüße,
Stefan

Dieser große Durchbruch zum Cis-Dur nach „Allein was tuts? Was
tuts?“

Ah, ich glaube, ich weiß schon, welche Stelle du meinst. Sie singt „Allein was tuts, was tuts?“, und da staut sich die Musik in einem Crescendo immer mehr auf, und auf einmal knallt es, und sie singt „Ich habe deinen Mund …“ etc.

zumal wenn Ljuba Welitsch das singt

Das freut mich, dass du da den gleichen Geschmack hast wie ich! Auch ich finde, dass Welitsch (zumindest in dieser Szene, habe bislang noch keine GA gehört mit ihr) den Schlussgesang unbeschreiblich hinbekommt!
Wenn man dagegen die vielen „alten“ Stimmen hört, die in der Höhe und Tiefe mit einem schwer erträglichen Vibrato belastet sind …

Übrigens fand auch Richard Strauss selbst, dass Welitsch eine Wahnsinns-Salome ist. Da gibt es diese Geschichte, wo er mit ihr die Oper aufnahm, und am Ende dem Herodes verboten hat, ihr „Man töte dieses Weib“ zuzurufen, weil er meinte, dass man „solches DIESER Sängerin nicht zuzurufen habe“.

und dann bei „Jochanaan“ nach oben in die Quart geht …

Oho! Tatsächlich, sie singt das ganz anders als es in der Partitur steht! (Wobei ich nicht sicher bin, ob das eine Quarte ist … ich denke eher eine große Sekunde oder eine große Terz.) Keine Ahnung warum – es klingt aber nicht verkehrt. Aber inwiefern siehst du diese Quarte als „Beweis“ für den Höhepunkt? (Das klingt jetzt ein bisschen komisch *gg*)

Die Frage ist auch, ob Strauss das so beabsichtigt hat, dass Salome hier „höhepunktiert“, an dieser Stelle. Immerhin, es gibt ja doch mehrere Crescendos in dieser Oper, und plötzliche Ausbrücke im fortissimo oder forte-fortissimo.

Also wenn ich Kinder erstmals in die Oper mitnehme, wähle ich
gerne ein Verismostück, das ist doch eine Nummer einfacher,
oder wenn sie für phantastisches empfänglich sind, wäre der
„Fliegende Holländer“ auch eine gute Idee…

Wobei man hier auch konstatieren könnte, dass Sentas Vater hier seine Tochter einfach mal so, des Geldes wegen, an den Holländer verkauft. Was die Tochter davon hält - völlig egal. Und REIN ZUFÄLLIG hat diese Tochter überhaupt nichts dagegen und liebt jemanden, den sie gar nicht kennt.
Wie erklärt man einem Kind, dass der Mann da des Geldes wegen seine Tochter verscherbelt?

Liebe Grüße,
Stefan

Nachtrag wg. Quart
Hallo nochmal!

Ich hab jetzt meine Partitur rausgekramt - da steht tatsächlich in Klammern eine Alternativnote, die bei „Jochanaan“ gesungen werden kann!

Das Intervall der gesungenen Töne wäre in diesem Fall Cis-Dis, also große Sekunde.

zumal wenn Ljuba Welitsch das singt

Das freut mich, dass du da den gleichen Geschmack hast wie
ich! Auch ich finde, dass Welitsch (zumindest in dieser Szene,
habe bislang noch keine GA gehört mit ihr) den Schlussgesang
unbeschreiblich hinbekommt!

Schon allein wie sie die "n"s in „Mund“ zieht… Optisch war sie ja eher „mollert“, aber die Stimmer war purer Sex, „the bulgarian bombshell“ nannte man sie. Gesamtaufnahmen gibt es drei mit ihr, am empfehlenswertesten ist - was sie angeht - der MET-Mitschnitt unter Fritz Reiner, bei der sie leider einen viel zu alten Propheten gegenüber hat („Nein, Prinzessinin, er ist ganz jung“ - haha…)

und dann bei „Jochanaan“ nach oben in die Quart geht …

Oho! Tatsächlich, sie singt das ganz anders als es in der
Partitur steht! (Wobei ich nicht sicher bin, ob das eine
Quarte ist … ich denke eher eine große Sekunde oder eine
große Terz.) Keine Ahnung warum – es klingt aber nicht
verkehrt. Aber inwiefern siehst du diese Quarte als „Beweis“
für den Höhepunkt? (Das klingt jetzt ein bisschen komisch
*gg*)

Ach, das ist einfach der Effekt, den das macht…

Also wenn ich Kinder erstmals in die Oper mitnehme, wähle ich
gerne ein Verismostück, das ist doch eine Nummer einfacher,
oder wenn sie für phantastisches empfänglich sind, wäre der
„Fliegende Holländer“ auch eine gute Idee…

Wobei man hier auch konstatieren könnte, dass Sentas Vater
hier seine Tochter einfach mal so, des Geldes wegen, an den
Holländer verkauft. Was die Tochter davon hält - völlig egal.
Und REIN ZUFÄLLIG hat diese Tochter überhaupt nichts dagegen
und liebt jemanden, den sie gar nicht kennt.
Wie erklärt man einem Kind, dass der Mann da des Geldes wegen
seine Tochter verscherbelt?

Das sind nun durchaus Motive, die aus Märchen schon bekannt sind, und vor allem werden die Dinge hier ausgesprochen und nicht nur angedeutet wie vieles bei Wilde. Veristische Opern sind zwar zumeist italienisch, die Sprachbarriere ist schon ein Punkt, aber da sind es eben die großen Effekte und Gefühle, die durchschlagen können. So eine Liebesgeschichte wie die „Bohéme“ oder eine Eifersuchtsgeschichte wie „Pagliacci“ werden auch klar, wenn man vom Text nicht groß etwas versteht. Schade allerdings, daß Lortzing heute fast von der Bühne verschwunden ist, so eine Komödie wie der „Zar“ ist auch gut passend.

Schon allein wie sie die "n"s in „Mund“ zieht…

Wenn ich solche Beschreibungen lese merke ich doch, dass ich mich zuwenig mit Gesang beschäftige. Meine Frage mag jetzt seltsam klingen für dich, aber trotzdem: was hat es mit den "n"s auf sich? Wieso passen die hier gut für dich?

Optisch war
sie ja eher „mollert“,

Richard Strauss schrieb über die Uraufführung und die Komposition der Salome in seinem Tagebuch. In der UA 1905 sang Marie Wittich die Salome - und auch sie war, wenn man sich Fotos von ihr ansieht, optisch sicher keine Idealbesetzung. Strauss meinte zu ihr:

„Und doch hatte Frau Wittich, die figürlich natürlich für die Rolle nicht geeignet war (…)“

Weiter meint er zur Salome:

„(…) denn was in späteren Aufführungen exotische Tingeltangeleusen mit Schlangenbewegungen, Jochanaans Kopf in der Luft herumschwenkend, sich geleistet haben, überstieg oft jedes Maß von Anstand und Geschmack! Wer einmal im Orient war und die Dezenz der dortigen Frauen beobachtet hat, wird begreifen, dass Salome als keusche Jungfrau, als orientalische Prinzessin nur mit einfachster, vornehmster Gestik gespielt werden darf, soll sie nicht in ihrem Scheitern an dem ihr entgegentretenden Wunder einer großartigen Welt statt Mitleid nur Schauder und Entsetzen erregen.“

Das sind nun durchaus Motive, die aus Märchen schon bekannt
sind, und vor allem werden die Dinge hier ausgesprochen

Naja, da bin ich etwas anderer Meinung. Im Holländer verkauft er seine Tochter, steht aber in der ganzen Oper nicht als Bösewicht oder unsymphatische Figur da; auch wird er am Ende nicht klüger oder so. Während in vielen Grimms Märchen entsprechende Figuren oft schon sehr gemein portraitiert werden, wie etwa der Vater in „Rumpelstilzchen“.

und
nicht nur angedeutet wie vieles bei Wilde.

Da gebe ich dir Recht, die Symbolik in dem Stück (mehr noch als in der Oper!) ist schon sehr groß … allein das Motiv des Mondes, das immer wieder auftaucht, und wie unterschiedliche Figuren sich über ihn wundern.

Page: „Sieh die Mondscheibe, wie sie seltsam aussieht. Wie eine Frau, die aufsteigt aus dem Grab, wie eine Frau, die tot ist.“

Salome: „Wie gut ist´s, in den Mond zu sehn! Er ist wie eine silberne Blume, kühl und keusch. Ja wie die Schönheit einer Jungfrau, die rein geblieben ist.“

Herodes: „Wie der Mond heute Nacht aussieht! Ist es nicht ein seltsames Bild? Wie ein wahnwitziges Weib, das überall nach Buhlen sucht, wie ein betrunkenes Weib, das durch Wolken taumelt“

Ich las unlängst eine wissenschaftliche Abhandlung über das Theatersteück, wo eine interessante und auch irgendwie nachvollziehbare These aufgestellt wurde, die ich allerdings nicht im Detail wiedergeben kann.

Es wurde darin gesagt, dass Salome im Laufe des Stückes zu einem zweiten Herodes wird, während Herodes am Ende zu einem Jochanaan wird.

Ein Beispiel: Salome beschwert sich, dass der Tetrarch sie lüstern ansieht, mit „seinen Maulwurfsaugen unter den zuckenden Lidern“. Später ist SIE es, die jemanden lüstern ansieht, nämlich Jochanaan - und der meint: „Wer ist dies Weib, das mich ansieht, mit ihren Goldaugen unter den gleißenden Lidern?“

Das war nur ein Beispiel von mehreren.

Und gegen Ende, nachdem Jochanaan tot ist, scheint Herodes eine Art Sprachrohr des toten Täufers zu sein, weil er da irgendwelche Sätze oder Wörter benutzt, die vorher Jochanaan benutzt hat. Und: Jochanaan ruft aus der Zisterne „Die Kriegshauptleute werden Sie mit ihren Schilden zermalmen“ - am Ende der Oper ruft Herodes (oder nicht doch Jochanaan?) „Man töte dieses Weib!“.

Auffällig ist auch die Zahl 3 in dem Stück. 3x möchte Salome etwas von Jochanaan, 3x möchte Herodes etwas von Salome, 3x versucht Herodes Salome dazu zu bringen nicht den Kopf des Täufers haben zu wollen etc.
Also sehr viel Symbolik!

Liebe Grüße,
Stefan

Schon allein wie sie die "n"s in „Mund“ zieht…

Wenn ich solche Beschreibungen lese merke ich doch, dass ich
mich zuwenig mit Gesang beschäftige. Meine Frage mag jetzt
seltsam klingen für dich, aber trotzdem: was hat es mit den
"n"s auf sich? Wieso passen die hier gut für dich?

weil andere das eben so nicht so machen und es eine sehr starke sinnliche Wirkung hat. Meinetwegen Birgit Nilsson exekutiert das mit ihrer Stahlstimme imponierend, aber vollkommen unerotisch…
http://www.youtube.com/watch?v=HQpm6A4SF_Q

Hallo!

Fällt das bei einer Oper, die in italienisch oder französisch
gesungen wird, rein sprachlich gesehen nicht wesentlich
schwerer?

Das Verstehen der gesprochenen und gesungenen Worte ist ja selbst bei vielen deutschsprachigen Opern oft schwer und zwar nicht nur für Kinder! An diese Schwierigkeit hatte ich aber gar nicht gedacht, denn in den Opernhäusern, in denen ich war, gab es fast immer Obertitelung. Ich meine eher die inhaltlichen Zusammenhänge. Ich finde einfach, dass man als Kind in vielen Bereichen noch nicht genügend Hintergrundwissen oder Erfahrungen hat.

Natürlich ist z.B. „La donna e mobile“ ein Ohrwurm und auch
sehr bekannt, aber ein Kind versteht doch den Text nicht, und
wenn, dann müsste man ihm doch auch erklären, dass der Text
eigentlich ziemlich frauenfeindlich ist?

Hierzu fällt mir ein, dass ich als Kind schon Loriot sehr lustig fand, natürlich ohne die sexuellen Anspielungen zu verstehen. Die fallen mir erst jetzt auf und ich denke: „Das ist ja noch viel lustiger als ich dachte!“ Die alles entscheidende Frage wäre also, wieviel Lustgewinn Kinder mit ihrem noch begrenztem Verständnis aus einem Stoff ziehen können. Übrigens finde ich „Frauenfeindlichkeit“ ein Thema, das Kinder verstehen können. Sie haben nämlich seit dem Kindergarten Erfahrungen mit Diskriminierung, z. B. Ausschluss anderer Kinder vom gemeinsamen Spielen usw.

Hier wollte ich fragen, wie du das „etwas hinterlassen“ genau
meinst. Meinst du, dass Melodien hängenbleiben sollen, oder
eher Eindrücke? Ich könnte mir vorstellen, bei der Salome
könnte es der Eindruck sein, dass es teilweise wahnsinnig laut
und dramatisch war, dass das Stück sofort losging und auch
plötzlich aufgehört hat.

Das finde ich alles wichtig! Ich glaube, ein Opernbesuch, insbesondere der erste, hinterlässt viele Spuren bei Kindern. Insofern kann es sein, dass das Stück gar nicht so entscheidend ist. Es sollte aber nicht zu lang sein, denn Eindrücke von Dramatik, Lautheit usw. kann man auch in weniger als 2 Std. machen (pro Salome), danach hinterlässt es u. U. nichts mehr und es wird für die Kinder eher eine Geduldsprobe.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass wenn Kinder eine Oper
sehen, die vielleich ein paar Ohrwürmer hat, dann die
„langweiligeren“ Passagen, zb. Rezitative beim Figaro etc.,
auch nicht mehr wirklich interessiert hören, weil sie lieber
das lustige „Non piu andrai“ hören.

Haben das nicht die erwachsenen Hörer vor dem Beginn des Bildungsbürgertums auch so gemacht? - Sind einfach zwischendurch was Essen gegangen um zur entscheidenden Arie wieder da zu sein? Darf ich mich damit outen, Rezitative etwas weniger interessant zu finden oder, bin ich dann ein dummer „Ignorant“? Ich sehe die Rezitative als wichtig für die Fortgang der Geschichte. Wenn die interessant ist, sind sie es natürlich auch.

Auch da würde für die „Salome“ doch sprechen, dass die Oper
sehr kurz ist, und es eine Vielzahl an Themen gibt, die immer
wieder auftauchen und erkannt werden.

Vermutlich ja. Wobei sie vielleicht nicht ganz so gut singbar sind, wie Leitmotive aus Star Wars.

Herzliche Grüße

Hans Peter

Das Verstehen der gesprochenen und gesungenen Worte ist ja
selbst bei vielen deutschsprachigen Opern oft schwer und zwar
nicht nur für Kinder! An diese Schwierigkeit hatte ich aber
gar nicht gedacht, denn in den Opernhäusern, in denen ich war,
gab es fast immer Obertitelung.

Da hast du recht; wenn es aber um Kinder geht - ich glaube, die würden noch weniger Interesse an dem aufgeführten Stück haben, wenn sie die ganze Zeit oben mitlesen sollen, und damit viel von der „Action“ auf der Bühne verpassen.

Ich finde einfach, dass man als
Kind in vielen Bereichen noch nicht genügend Hintergrundwissen
oder Erfahrungen hat.

Da bin ich mit dir einer Meinung. Schon deswegen denke ich, dass es viel zu früh ist, ein Kind in die Oper mitzunehmen.

Hierzu fällt mir ein, dass ich als Kind schon Loriot sehr
lustig fand, natürlich ohne die sexuellen Anspielungen zu
verstehen. Die fallen mir erst jetzt auf und ich denke: „Das
ist ja noch viel lustiger als ich dachte!“ Die alles
entscheidende Frage wäre also, wieviel Lustgewinn Kinder mit
ihrem noch begrenztem Verständnis aus einem Stoff ziehen
können.

Da tu ich mir ein bisschen schwer … ich denke, dass Kinder sehr wohl erkennen, dass etwas erotisch oder sexuell gemeint ist, und seien es nur übertrieben aufreizende Frauen im Cartoon, der die Männer hinterherpfeiffen. Für die Kinder wird es sicher etwas sein, was irgendwie „eigenartig“ ist, es ist für sie vielleicht eine andere Welt, die sie nicht interessiert, aber ich denke trotzdem, dass sie durchaus verstehen, dass es das gibt.

Aber um vom sexuellen wegzukommen: geht es nicht in den meisten Opern um Themen, mit denen Kinder eigentlich nichts anfangen können? Sicher gibt es bestimmte Gefühle wie Eifersucht z.B. mit dem man sich identifizieren kann - aber wenn jemand eine 10 Minuten Arie singt, weil er wegen einer Frau eifersüchtig ist, da werden sicher die meisten Kinder innerlich abschalten.

Ich habe die Oper „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck mehrfach gesehen, und dabei ein paarmal neben Kindern gesessen. Meistens kamen da Sätze wie „Sind die Bäume echt?“ oder „Wann kommt die Hexe?“ oder „Die singen ja nur“. Ich glaube, Kinder sind da vielleicht eher visueller, sie schauen auf die Bühne, die Kulissen, die Farben, vielleicht irgendwelche Effekte wie der explodierende Ofen oder ein fliegender Besen etc., als auf musikalische oder handlungstechnische Dinge.

Übrigens finde ich „Frauenfeindlichkeit“ ein Thema,
das Kinder verstehen können. Sie haben nämlich seit dem
Kindergarten Erfahrungen mit Diskriminierung, z. B. Ausschluss
anderer Kinder vom gemeinsamen Spielen usw.

Erschwerend kommt ja hinzu, dass die meisten Opern zu einer Zeit geschrieben wurden, in der man es mit Frauenrechten noch nicht so genau genommen hat, und viele Frauenfiguren eher passive Figuren sind, die von den starken Männern umworben oder gerettet werden müssen. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie zb. der „Fidelio“.

Das finde ich alles wichtig! Ich glaube, ein Opernbesuch,
insbesondere der erste, hinterlässt viele Spuren bei Kindern.

Ich kann jetzt nur für mich sprechen. Ich weiß noch, dass mein erster Opernbesuch (eigentlich war es eine Operette, nämlich „Die Fledermaus“) mit meinen Großeltern war, als ich 9 oder 10 Jahre war. Ich war die ersten 10 Minuten interessiert, habe mir das Programmheft angesehen. Ich habe vom Gesang kein Wort verstanden, da waren nur ein Haufen Leute mit Kostümen, irgendwelche Musik, und die restliche Zeit war mir nur langweilig. Erinnern kann ich mich aber an gar nichts mehr.

Später, also vor ein paar Jahren, habe ich die Oper dann für mich selbst entdeckt, völlig zwanglos, und, da ich kein Kind mehr bin, auch mit einer anderen Sicht, die manche Dinge in Opern besser versteht, Stichwort Erotik etc.
(Obwohl ich diesen angeblichen Höhepunkt Salomes am Ende nie aus der Musik herausgehört habe *schäm*)

Haben das nicht die erwachsenen Hörer vor dem Beginn des
Bildungsbürgertums auch so gemacht? - Sind einfach
zwischendurch was Essen gegangen um zur entscheidenden Arie
wieder da zu sein?

Das stimmt, in den Anfangszeiten der Oper war es üblich, dass man miteinander geplaudert hat, sich Essen mitgenommen hat, oder von einer Opern zur anderen ging. Nur während der großen Arien war man ruhig. (Deswegen beginnen die Ouvertüren früher Opern oft mit einem lauten Tusch, um die Leute drauf aufmerksam zu machen, dass es losgeht!) Wenn man sich manche Zeichnungen und Berichte durchliest, sieht man auch, dass vor über 200 Jahren (etwa bei der Freischütz Uraufführung) die Sitze nicht Richtung Bühne ausgerichtet waren, sondern sich das Publikum gegenüber saß, während die Bühne auf der Seite war.
Irgendwann hat sich das tatsächlich verändert, plötzlich haben die Leute ihre Anzüge und ihren Schmuck getragen, und gingen nur in die Oper, um „fein“ zu sein und am Ausgang gesehen zu werden. Und alte Omas und Tanten stecken Kinder in Anzüge, um ihnen etwas „hochkulturelles“ zu zeigen.

Darf ich mich damit outen, Rezitative etwas
weniger interessant zu finden oder, bin ich dann ein dummer
„Ignorant“?

Überhaupt nicht.

Ich selber finde die Rezitative im Figaro langweilig, hingegen die Rezitative im Freischütz sehr schön - allerdings nur, weil mir da die Melodien besser gefallen (und nicht nur ein einzelnes Cembalo dazu spielt, sondern ein Orchester).

Liebe Grüße zurück,
Stefan

Hallo

So unbedingt leichte Kost ist das nicht gerade, was Harmonik, Tonsprache und Leitmotivik angeht.

Das dachte ich mir anfangs auch, aber ist es etwa beim beliebten „hänsel und gretel“ von Humperdinck großartig anders?

Ich finde das musikalisch wesentlich einfacher und auch für das ungeübte Gehör viel eingängiger als Richard Strauss, und vom Inhalt her ist es halt weitgehend das Märchen, so wie man es kennt. Hauptthema ist eine elementare Kinder

Dazu kommt noch das psychologische der Figuren ; um zu verstehen, was die Leute überhaupt voneinander wollen, daß Herodes auf seine Stieftochter scharf ist,

Das ist natürlich ein schwieriges Thema, aber andererseits, was ist z.B. mit dem Inzest-Geschwisterpärchen in Wagners Ring? Ich würde auf jeden Fall den Kindern/Jugendlichen/Einsteigern sagen, dass es sich hier um eine dekadente Gesellschaft handelt, …

Erstens finde ich Wagner auch für Kinder sehr ungeeignet, zweitens ist ein ziemlich normaler Vorgang, dass sich getrennt voneinander aufwachsende Geschwister ineinander verlieben, wenn sie sich erst als Erwachsene kennenlernen, was Wotan ja anscheinend weiß und auch so geplant hat, und drittens: Welche dekadente Gesellschaft? Das sind doch Fantasy-Figuren, selbst innerhalb der Oper sind es Halbgötter. - Gut, die gesamte Götterschar ist da eine dekadente Gesellschaft, oder wie meintest du das?

Viele Grüße

Hallo

Übrigens finde ich „Frauenfeindlichkeit“ ein Thema, das Kinder verstehen können. …

Erschwerend kommt ja hinzu, dass die meisten Opern zu einer Zeit geschrieben wurden, in der man es mit Frauenrechten noch nicht so genau genommen hat, und viele Frauenfiguren eher passive Figuren sind…

Das stimmt, und auch wenn das ein Thema ist, was die Kinder kennen und verstehen können: Wenn die gesamte Oper diese Diskriminierung für selbstverständlich hält, man aber andererseits dem Kind klarmachen will, dass es eine tolle Oper ist, das finde ich doch ein bisschen schwierig.

Viele Grüße

Ich finde das musikalisch wesentlich einfacher und auch für
das ungeübte Gehör viel eingängiger als Richard Strauss

Das mag ich im konkreten Beispiel „Salome“ und „Hänsel und Gretel“ nur ein bisschen unterschreiben.

Du hast auf jeden Fall recht, dass HuG die musikalisch einfacherere Kost ist, wobei man jedoch nicht vergessen darf, dass zwischen den berühmten Melodien (Suse liebe Suse etc.) es durchaus auch wagnereske Momente gibt, verschachtelte Harmonien, chromatische Läufe, speziell zb. im „Hexenritt“, dem Vorspiel zum dritten Akt.

Aber auch die Waldszenen, wo es hoch her geht, sind, wenn man sich die Partitur ansieht, musikalisch doch sehr dicht gewebt. Es gibt immer wieder kurze kleine Motive, die von unterschiedlichen Instrumenten aufgenommen werden, verschiedene Melodien, wie etwa die, die später dem „Hurr hopp hopp hopp“ der Hexe zugeordnet werden.

Oder, um noch ein Beispiel zu nennen: die Melodie von „die Gänse gehen barfuß und haben kein“ taucht in der ganzen Oper immer wieder auf, allerdings immer wieder anders gespielt, einmal fröhlicher, einmal trauriger, einmal nur kurz angerissen, dann wieder rhythmisch verändert.

Etwa wenn der Vater singt „Die Kinderlein, Armsünderlein“ spielen es die Geigen. Oder wenn die Hexe singt „Drum hab ich die kleinen Kinder so lieb“ - auch da spielen es die Streicher wieder, um unterschwellig anzudeuten, dass die Hexe sich da einschmeicheln will bei den Kindern. Solche Details gibt es massig, und werden nie wahrgenommen von Kindern.

Aber ich persönlich halte Salome für gar nicht SO schwierig - jedenfalls nicht viel schwieriger als den Hänsel. Natürlich gibt es da aus musiktheoretischer Sicht verschachtelte Akkorde, mathematische Spielereien etc.
Aber lassen wir die beiseite.

Wenn man die Salome völlig unanalytisch hört, wird man sicher immer wieder die gleichen Motive finden, nur von unterschiedlichen Instrumenten gespielt, beispielsweise.
Sogar dann wenn es wirklich heftig zugeht, etwa wenn Herodes den Todesengel hört, hört man das Predigermotiv von Jochanaan im tiefen Blech.
Sogar im atonalen Judenquintett hört man im Orchester bestimmte Motive, Phrasen heraus.
Und auch das Motiv von „Gib mir den Kopf des Jochanaan“ findet sich als Leitmotiv immer wieder.

Der Page singt anfangs schon eine kleine Variation davon bei „Du sollst sie nicht ansehen. Du siehst sie zuviel an“. Dann taucht es wieder auf am Ende des bekannten Kontrafagottsolos, und auch sonst erkennt man es öfter, zb. im Tanz der sieben Schleier etc.

Also ich denke, dass die Salome, bei aller Kompliziertheit, trotzdem sehr eingängige Melodien hat, die einem bei der Orientierung helfen, und auch richtige Ohrwürmer sind.

Erstens finde ich Wagner auch für Kinder sehr ungeeignet,

Ich ebenfalls. Ich finde auch diese „Wagner für Kinder“ CDs und Vorstellungen irgendwie nicht sehr sinnvoll. Da geht ein Kind in sowas, oder hört sich die CD an, hört lustige Anekdoten, erfährt was über die Handlung, hört dann vielleicht den Walkürenritt, der ja doch hohen Wiedererkennungswert hat …
Und dann sitzen sie in der Oper, sollen 4 Stunden lang ruhig sitzen, während sie kein Wort verstehen und die Musik langweilig finden; am besten noch mit einer Inszenierung, die überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was man im lustigen Booklet der CD sah.

zweitens ist ein ziemlich normaler Vorgang, dass sich getrennt
voneinander aufwachsende Geschwister ineinander verlieben,
wenn sie sich erst als Erwachsene kennenlernen,

Sehe ich auch so. Aber erklärt man das einem Kind? Die Frage soll nicht sarkastisch sein, sondern ist völlig ernst gemeint. Sagt man dem Kind „Das ist in Ordnung, weil sie sich ja nicht kennen“? Oder sagt man „Man kann es verstehen, weil sie kein geschwisterliches Gefühl füreinander haben, aber in Ordnung ist das trotzdem nicht“?

Welche
dekadente Gesellschaft? Das sind doch Fantasy-Figuren, selbst
innerhalb der Oper sind es Halbgötter.

Achso, nein, ich meinte die Gesellschaft in der „Salome“. Herodes mitsamt seiner Frau und seinen Gästen.
Und dass man dem Kind auch sagen kann, dass es eine dekadente Gesellschaft ist, dass es da keine Identifikationsfigur gibt, dass sie alle aneinander vorbei reden, dass man da gemacht hat was man wollte und ausschweifend war etc. (wenn es überhaupt mitbekommt, dass Herodes und Salome verwandt sind. Ich selbst habe zb. als Kind nie kapiert, dass die junge Frau im ersten „Zurück in die Zukunft“ Film die Mutter von Marty McFly ist)

Umgekehrt aber auch zeigt, dass der Jochanaan mit seinen Schimpfereien aus der Zisterne auch nicht der netteste ist. Der nicht religiöse Strauss selbst sah ihn als „Hanswurst“ und mochte ihn überhaupt nicht.

Liebe Grüße zurück!
Stefan

Solche Details gibt es massig, und werden nie wahrgenommen von Kindern.

Ja, ich meine ja nicht, dass die Kinder alles, was in der Oper vorkommt, bewusst oder auch nur unbewusst wahrnehmen, sondern dass da ziemlich viele Stellen sind, mit denen sie was anfangen können, und vor allem mit dem Inhalt, einfach weil sie ihn schon kennen. Möglicherweise kennen sie sogar einige Melodien.

Eigentlich und grundsätzlich würde ich aber eher vom musikalischen her klassische Musik für Kinder bevorzugen, weil meiner Meinung nach die romantische Harmonik nicht einleuchtet, wenn man nicht die klassische Harmonik als Maßstab bzw. als ‚normal‘ verinnerlicht hat.

Allerdings finde ich die klassischen Opern vom Inhalt immer so merkwürdig … wirklich aus einer völlig anderen Welt. Die Dreigroschenoper ist aber schön, und auch der Vorgänger, diese Beggar’s Opera. Ok, da gibt es etliche anstößigen Szenen, aber ich war mit meinen Kindern in beiden drin (wurden beide hier am Ort aufgeführt), und die haben sich nicht dran gestört.

Und dann sitzen sie in der Oper, sollen 4 Stunden lang ruhig

sitzen, …
O nein o nein, das ist nicht gut.
Allerhöchstens das Rheingold …

Nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe, habe ich beschlossen, dass ich die Salome nochmal hören muss. Welche Aufnahme könntest du empfehlen?

Viele Grüße :smile:

Nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe, habe ich beschlossen,
dass ich die Salome nochmal hören muss. Welche Aufnahme
könntest du empfehlen?

Hm, gar nicht so einfache Frage! Am bekanntesten sind die Aufnahmen von Karajan und Solti, wobei ich eher zu der von Karajan tendiere. Hildegard Behrens hatte da ihren großen Durchbruch, José van Dam ist ein eindrucksvoller Prophet, nur der Herodes fällt etwas ab. Und vom Dirigat ist es wirklich der notwendige Klangteppich. Die Einspielung Soltis ist effektvoller, man hat Gerhard Stolzes unvergleichbaren Tetrarchen, aber Birgit Nilsson als Prinzessin hat durchschlagende Töne, aber halt kaum Erotik zu bieten, und sonderlich textverständlich ist sie auch nicht.

Allerdings finde ich die klassischen Opern vom Inhalt immer so
merkwürdig … wirklich aus einer völlig anderen Welt.

Deswegen finde ich es auch immer komisch, wenn so getan wird, als sei die Oper die höchste Form von Musik und Hochkultur. Freilich ist es musikalisch anspruchsvoller als die Werke von Britney Spears und wie sie alle heißen, aber dennoch.

Nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe, habe ich beschlossen,
dass ich die Salome nochmal hören muss.

Oh, wieso dieses? :smile:

Welche Aufnahme
könntest du empfehlen?

Die Salome hat m. E. das gleiche Problem wie der Hänsel: in beiden Oper sollen Kinder bzw. sehr junge Menschen gesungen werden, und das ist für Sängerinnen mit vibratogeschwängerter, schwerer, „alter“ Stimme einfach schwierig bis unmöglich.

Zum anderen hat die Salome ein gewaltiges Orchester, das an die Tontechniker sehr große Herausforderungen stellt.

Leider wird die Salome nicht wirklich häufig neu eingespielt, so dass es hauptsächlich ältere bis historische Aufnahmen gibt, die dann auch entsprechend klingen.

Wenn es um die Tonqualität geht, würde ich die Aufnahme mit Inga Nielsen (ich hoffe ich schreibe sie jetzt richtig) nehmen. Nielsen gibt eine sehr überzeugende Salome, hat eine vibratoarme, helle, junge Stimme, und die Tontechnik ist auch ok.
Dafür sind die anderen Sänger ziemlich blass und das Dirigat ist auch eher durchschnittlich.

Wenn es eher ums musikalische und sängerische, als um die Klangqualität geht, würde ich auch Karajan empfehlen (allein wie er die letzten vier Schläge der Oper so langsam nimmt, und nicht schnell herunterratscht!). Solti mag ich da weniger, wegen Nilsson, aber auch wegen seiner teilweise extremen Tempi - man höre nur den Anfang des Schleiertanzes. Das wird da so schnell gespielt, dass es nicht mehr feierlich ist.
Das interessante beim Anfang, wo die Perkussion spielt, ist ja diese komplementärrhytmische Verzahnung. Jeder (Pauken, kleine Pauken, Tamburin und kleine Trommel) spielt zu unterschiedlichen Zählzeiten, aber alles zusammen ergibt einen fließenden, gleichmäßigen Strom.
Ganz ordentlich ist auch die Aufnahme mit Cheryl Studer als Salome, von der Deutschen Grammophon.

Auf jeden Fall lohnt es sich, die Ohren offen zu halten beim Hören - man wird immer neue Details entdecken, bestimmte Motive, die plötzlich schnell auftauchen und wieder verschwinden …
Viel Spaß beim Hören!

Nachtrag
Ich wollte noch ergänzen:

unbedingt abraten möchte ich von den beiden Live-Aufnahmen unter Karl Böhm, aus den 70er Jahren.

Böhm mag Strauss persönlich gekannt haben, aber die beiden Salomes (Gwyneth Jones und, ich glaube, Leonie Rysanek, eine davon aus der Wiener Staatsoper) sind absolut unerträglich!

Sie mögen andere Partien toll gesungen haben, aber als Salome sind sie eine krasse Fehlbesetzung. Ihre Stimme ist zu schwer, und mit einem viel zu starken Vibrato behaftet, das speziell im hohen Register schwer erträglich ist. Zudem werden nicht mal die piano Stellen (z.B. das Wort „Mond“ bei „gewiss ist er keusch wie der mond“) piano gesungen, sondern immer schön laut.