Das Verstehen der gesprochenen und gesungenen Worte ist ja
selbst bei vielen deutschsprachigen Opern oft schwer und zwar
nicht nur für Kinder! An diese Schwierigkeit hatte ich aber
gar nicht gedacht, denn in den Opernhäusern, in denen ich war,
gab es fast immer Obertitelung.
Da hast du recht; wenn es aber um Kinder geht - ich glaube, die würden noch weniger Interesse an dem aufgeführten Stück haben, wenn sie die ganze Zeit oben mitlesen sollen, und damit viel von der „Action“ auf der Bühne verpassen.
Ich finde einfach, dass man als
Kind in vielen Bereichen noch nicht genügend Hintergrundwissen
oder Erfahrungen hat.
Da bin ich mit dir einer Meinung. Schon deswegen denke ich, dass es viel zu früh ist, ein Kind in die Oper mitzunehmen.
Hierzu fällt mir ein, dass ich als Kind schon Loriot sehr
lustig fand, natürlich ohne die sexuellen Anspielungen zu
verstehen. Die fallen mir erst jetzt auf und ich denke: „Das
ist ja noch viel lustiger als ich dachte!“ Die alles
entscheidende Frage wäre also, wieviel Lustgewinn Kinder mit
ihrem noch begrenztem Verständnis aus einem Stoff ziehen
können.
Da tu ich mir ein bisschen schwer … ich denke, dass Kinder sehr wohl erkennen, dass etwas erotisch oder sexuell gemeint ist, und seien es nur übertrieben aufreizende Frauen im Cartoon, der die Männer hinterherpfeiffen. Für die Kinder wird es sicher etwas sein, was irgendwie „eigenartig“ ist, es ist für sie vielleicht eine andere Welt, die sie nicht interessiert, aber ich denke trotzdem, dass sie durchaus verstehen, dass es das gibt.
Aber um vom sexuellen wegzukommen: geht es nicht in den meisten Opern um Themen, mit denen Kinder eigentlich nichts anfangen können? Sicher gibt es bestimmte Gefühle wie Eifersucht z.B. mit dem man sich identifizieren kann - aber wenn jemand eine 10 Minuten Arie singt, weil er wegen einer Frau eifersüchtig ist, da werden sicher die meisten Kinder innerlich abschalten.
Ich habe die Oper „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck mehrfach gesehen, und dabei ein paarmal neben Kindern gesessen. Meistens kamen da Sätze wie „Sind die Bäume echt?“ oder „Wann kommt die Hexe?“ oder „Die singen ja nur“. Ich glaube, Kinder sind da vielleicht eher visueller, sie schauen auf die Bühne, die Kulissen, die Farben, vielleicht irgendwelche Effekte wie der explodierende Ofen oder ein fliegender Besen etc., als auf musikalische oder handlungstechnische Dinge.
Übrigens finde ich „Frauenfeindlichkeit“ ein Thema,
das Kinder verstehen können. Sie haben nämlich seit dem
Kindergarten Erfahrungen mit Diskriminierung, z. B. Ausschluss
anderer Kinder vom gemeinsamen Spielen usw.
Erschwerend kommt ja hinzu, dass die meisten Opern zu einer Zeit geschrieben wurden, in der man es mit Frauenrechten noch nicht so genau genommen hat, und viele Frauenfiguren eher passive Figuren sind, die von den starken Männern umworben oder gerettet werden müssen. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie zb. der „Fidelio“.
Das finde ich alles wichtig! Ich glaube, ein Opernbesuch,
insbesondere der erste, hinterlässt viele Spuren bei Kindern.
Ich kann jetzt nur für mich sprechen. Ich weiß noch, dass mein erster Opernbesuch (eigentlich war es eine Operette, nämlich „Die Fledermaus“) mit meinen Großeltern war, als ich 9 oder 10 Jahre war. Ich war die ersten 10 Minuten interessiert, habe mir das Programmheft angesehen. Ich habe vom Gesang kein Wort verstanden, da waren nur ein Haufen Leute mit Kostümen, irgendwelche Musik, und die restliche Zeit war mir nur langweilig. Erinnern kann ich mich aber an gar nichts mehr.
Später, also vor ein paar Jahren, habe ich die Oper dann für mich selbst entdeckt, völlig zwanglos, und, da ich kein Kind mehr bin, auch mit einer anderen Sicht, die manche Dinge in Opern besser versteht, Stichwort Erotik etc.
(Obwohl ich diesen angeblichen Höhepunkt Salomes am Ende nie aus der Musik herausgehört habe *schäm*)
Haben das nicht die erwachsenen Hörer vor dem Beginn des
Bildungsbürgertums auch so gemacht? - Sind einfach
zwischendurch was Essen gegangen um zur entscheidenden Arie
wieder da zu sein?
Das stimmt, in den Anfangszeiten der Oper war es üblich, dass man miteinander geplaudert hat, sich Essen mitgenommen hat, oder von einer Opern zur anderen ging. Nur während der großen Arien war man ruhig. (Deswegen beginnen die Ouvertüren früher Opern oft mit einem lauten Tusch, um die Leute drauf aufmerksam zu machen, dass es losgeht!) Wenn man sich manche Zeichnungen und Berichte durchliest, sieht man auch, dass vor über 200 Jahren (etwa bei der Freischütz Uraufführung) die Sitze nicht Richtung Bühne ausgerichtet waren, sondern sich das Publikum gegenüber saß, während die Bühne auf der Seite war.
Irgendwann hat sich das tatsächlich verändert, plötzlich haben die Leute ihre Anzüge und ihren Schmuck getragen, und gingen nur in die Oper, um „fein“ zu sein und am Ausgang gesehen zu werden. Und alte Omas und Tanten stecken Kinder in Anzüge, um ihnen etwas „hochkulturelles“ zu zeigen.
Darf ich mich damit outen, Rezitative etwas
weniger interessant zu finden oder, bin ich dann ein dummer
„Ignorant“?
Überhaupt nicht.
Ich selber finde die Rezitative im Figaro langweilig, hingegen die Rezitative im Freischütz sehr schön - allerdings nur, weil mir da die Melodien besser gefallen (und nicht nur ein einzelnes Cembalo dazu spielt, sondern ein Orchester).
Liebe Grüße zurück,
Stefan