Hallo Erik!
Kreuz ist dabei, daß ich so gut wie alle Schreibfehler auch
beim ersten Lesen finde.
*Grins* Geht mir genauso.
(Nicht ganz sicher bin ich bei der
Getrenntschreibung, aber fast.)
Wobei mich diese Fehler eigentlich gar nicht so sehr stören, da z.B. fahrradfahren und Fahrrad fahren von der Bedeutung her identisch ist.
Buntstifte sind dagegen etwas ganz anderes als Bundstifte *) oder gar ein Bund Stifte.
*) ugs.: Auszubildende Soldaten
Weniger schlimm sind dabei Tippfehler, viel nerviger ist
es, wenn eindeutige Wissenslücken auftreten (zb. „Obulus“).
Genauso empfinde ich auch, aber jetzt kommt ja die eigentlich interessante Frage: Warum stören wir beide uns denn so an diesen Wissenslücken? Auch wenn uns jemand um einen Obulus bittet (statt um einen Obolus), so wissen wir doch, dass er nur unser Bestes will.
Ich vermute, bei mir ist diese orthografische Schmerzempfindlichkeit gleich in doppelter Hinsicht beruflich bedingt:
Zum einen arbeite ich in einem Chemieunternehmen, zum anderen ist meine Arbeit oft mit Computerprogrammierung verbunden.
So ein Computer meckert dann natürlich gleich los, wenn man sich bei der Programmierung einen Fehler leistet. Auf diese Weise wird man also schon mal zu fehlerfreiem Schreiben erzogen.
Viel dramatischer wird es allerdings, wenn wir uns der Laborarbeit zuwenden. Ein Tippfehler kann da im harmlosesten Fall noch amüsant sein, wenn statt einer Urinprobe eine Uranprobe untersucht werden soll. Wirklich gefährlich wird es dagegen, wenn jemand aus Nachlässigkeit z.B. Natriumchlorid statt Natriumchlorit auf eine Chemikalienflasche schreibt. Dieser eine (dazu noch phonetisch ähnliche) Buchstabe kann namlich darüber entscheiden, ob der Laborant dann am Abend im Bett oder im Leichenschauhaus liegt.
Was spricht aber nun für alle die Menschen die weder im Chemielabor arbeiten noch Computer programmieren dafür, mit der Rechtschreibung nicht zu schluderig umzugehen?
Besonders schlimm ist es, wenn man mit Menschen im Team
zusammenarbeiten muß, die die Wichtigkeit der Orthographie
partout nicht einsehen wollen. Man muß dann ein gemeinsames
Werk, in dem Tausende Fehler stecken, als seines ausgeben,
oder den Mist von den anderen korrigieren…
Auch dieses Szenario habe ich in nicht allzuferner Vergangenheit selbst erlebt. Es war in Teamarbeit (insg. etwa 30 Personen) ein Bewerbungsratgeber zu erstellen. Ich habe mich dann am Ende bereit erklärt, die Teildokumente (insg. 20 Seiten) zusammenzuführen und ein einheitliches Layout zu erstellen - damals noch in der Annahme, dass dieser Job in ca. 2 bis 3 Stunden erledigt wäre. Über drei volle Arbeitstage habe ich gebraucht. Die Rechtschreibfehler waren da noch das harmloseste. Richtig zeitaufwändig war das Neuformulieren von Sätzen bei denen Anfang und Ende nicht zusammenpassten, sowie das Neuformatieren von Texten in denen Einrückungen und selbst Tabellen mit Hilfe von Leerzeichen (!) erstellt wurden (anstelle von Tabstopps und Texttabellen). Richtig nett sind auch so „U-Boote“ wie Leerzeichen vor Satzzeichen oder zwischen Klammer, Anführungszeichen etc. und eingeschlossenem Text…
Eigentlich hätte ich gewisse Personen dabei ja gerne auflaufen lassen, aber was tut man nicht alles, wenn die eigene Note davon abhängt.
Wie kann man seine Mitmenschen also zu etwas mehr Sorgfalt beim Schreiben motivieren, auch wenn es vielleicht gerade „nur für die Schule“ ist.
Ich bin der festen Überzeugung, daß richtiges Schreiben davon
zeugt, daß man die Grammatik des Satzes bzw. die Etymologie
der Wörter durchschaut und nicht einfach daherredet.
Dito. Hilft mir aber nicht weiter, da die Falschschreiber diesem Gedanken meistens nicht folgen können.
Wer nicht richtig schreiben kann […],
kann deshalb auch nicht vernünftig und gebildet sprechen.
Erstens will das kein Falschschreiber einsehen, zweitens ist er danach auch noch beleidigt. Wie bringt man also notorischen Orthografie-Ignoranten einfühlsam und überzeugend bei, dass sich ein sorgfältiger Schreibstil doch irgendwann mal auszahlt.
Abgesehen davon ist mangelhafte Rechtschreibung auch ein
Zeichen davon, daß man wenig bzw. nur Schund liest. Deutet
also auch auf mangelhafte Bildung hin.
Ja-jein. Gegenüber Personen, bei denen nach meiner Einschätzung „Hopfen und Malz“ veroren ist, habe ich eh ein ziemlich dickes Fell: Die Fehler stören mich dann nicht mehr, weil mich das Geschriebene an sich erst gar nicht interessiert.
Was mich stört ist, dass sich ein nachlässiger Schreibstil auch bei (vermeintlich ?) gebildeten Menschen immer weiter ausbreitet.
Ein Abiturient, der Latein lernt, der künstlerisch begabt und naturwissenschaftlich mehr als nur interessiert ist, der - wenn auch nicht hellauf begesitert - Goethe liest kann doch nicht wirklich so mangelhaft gebildet sein, und so wenig bzw. nur Schund lesen, dass er dann auf seiner Webseite die dicksten Dinger ‚reinhaut. Das heißt, es juckt mich ja gar nicht, dass Menschen Fehler machen, es ist die Gleichgültigkeit gegenüber den Fehlern, die mich stört.
Ich verstehe es einfach nicht, wieso da einfach nur ein „Ja und?“ zurück kommt, wenn man den Fehler doch im Handumdrehen korrigieren könnte. Gerade das ist doch das Schöne bei elektronischen Dokumenten, dass man Fehler so leicht korrigieren kann, ohne etwa gleich eine ganze Seite noch mal neu schreiben zu müssen.
Auf den Denkanstoß, dass eventuell ja auch mal der zukünftige Arbeitgeber auf die besagte Webseite schauen könnte kam dann die unwiderlegbare Antwort: „Hmm, glaub ich nicht. Außerdem steht doch eh nicht mein Realname drauf.“ Nach diesem Spruch mußt‘ ich dann erstmal 'n Schnaps trinken.
Möglicherweise ist die Verharmlosung der richtigen
Rechtschreibung darauf zurückzuführen, daß die Menschen, die
sie nicht beherrschen, einfach ihre Schwäche herunterspielen
wollen - ein instinktiv menschliches Verhalten, ich mache es
in anderen Bereichen auch so.
An dieser Stelle könnten wir jetzt über Ursache und Wirkung philosophieren. Warum beherrschen denn viele Leute die Rechtschreibung nicht? Weil sie ihnen gleichgültig ist. Aber an diesem Punkt beißt sich die Katze wohl in den eigenen Schwanz - nämlich weil die Leute die Rechtschreibung nicht beherrschen und mit der Gleichgültigkeit ihre Schwäche herunterspielen wollen.
Aber wie bringt man so jemanden dazu, diesen Teufelskreis zu durchbrechen?
[…]
Meistens können wir ja selbst entscheiden, wie wir schreiben
wollen.
Jaja, solange bis die Rechtschreibung angepaßt wird, weil viele die ursprünglich korrekte Schreibweise nicht beherrschten.
Aber ist die Rechtschreibung nun wichtig? Einerseits ist sie
so wichtig wie alle anderen kulturellen Aspekte, Musik,
Theater und Malerei.
Ja, das kann man so sehen. Einen notorischen „Bequemlichkeitsfalschschreiber“ wird man damit wahrscheinlich nicht überzeugen können.
Sie ist einfach Teil eines perfekten
Menschen.
*Grins* Im Geiste höre ich schon die Antwort: „Ich bin mir gut genug“. Das mag jetzt zwar sehr pessimistisch klingen, würde sich aber absolut mit meinen bisherigen Erfahrungen decken.
Andererseits erfüllt sie aber auch noch eine
praktische Funktion: Sie macht das Lesen leichter und ist
somit eine Form der Höflichkeit. Ein Kommafehler zwingt uns
evtl. dazu, den Satz zweimal lesen zu müssen. Vielleicht geht
es auch nur um das zehntelsekundenlange Stocken des Gehirns im
Lesefluß.
Der wahre Könner liest doch souverän über solche Fehler hinweg.
Und schließlich ist es wichtig,
daß Kinder gute Rechtschreibung lernen, da sie den Menschen
zwingt, sich eben mit der Satz- und Wortlogik zu beschäftigen
und zu verstehen, was man warum sagt.
Hmm, der Nachahmungseffekt, da könnte man vielleicht ein gutes, einsichtiges Argument draus machen. Trifft ja auch nicht nur auf Kinder, sondern auch auf Erwachsene zu und hat im täglichen Leben einige Parallelen. (Bei rot über die Ampel / Unterwegs Abfälle in die Botanik werfen)
„Sprache ist dazu da um sich zu
verständigen. Und wenn ich noch so falsch schreibe - jeder
versteht was ich gemeint habe, also ist es doch egal.“ gehen
mir die Argumente aus.
Diese gleichen Leute sind plötzlich ganz anderer Meinung, wenn
sie ihre Diplomarbeit oder Bewerbung abgeben müssen und
niemanden zum Fehlerlesen haben.
Wieso? Wenn’s drauf ankommt hat Word doch 'ne Rechtschreibprüfung!
Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, mich über mangelhafte
Rechtschreibung anderer aufzuregen. Niemand wird es mir nehmen
können, richtig zu schreiben und auch andere danach zu
beurteilen, wie sie schreiben.
An sich gar richtig. Aber wenn einem doch etwas an der falsch schreibenden Person liegt? Also doof sterben möcht ich meine Mitmenschen ja auch nicht lassen…
Sehen wir einfach mal weiter… irgendwie muss sich doch eine schlüssige, überzeugende Argumentationskette finden lassen, um jemanden zu einem sorgfältigeren Umgang mit der Sprache zu bringen.
Gruß
Stefan