Ausbildungsplätze
Hallo Raimund,
als ehemaliger kfm. Ausbilder und IHK-Prüfer möchte ich das mal von einer anderen Seite beleuchten:
Es stimmt, es sind sehr viele Ausbildungsplätze vorhanden. Und
ich würde im ersten Augenblick auch sagen: faules Pack, ihr
bracht nur zuzugreifen!
Ich sage auf Berufsinformationstagen, Seminaren und Veranstaltungen: Es gibt viele Ausbildungsplätze - die ihr nicht bekommt. Weil ihr euch nicht um eine ordentliche Schulausbildung und ein allgemeines Benehmen und Erscheinungsbild bemüht.
Wir haben jahrelang in unserem Betrieb 130 Ausbildungsplätze für 5 kaufmännische und 4 handwerkliche Berufe angeboten. 4 Berufe bieten wir mittlerweile mangels Nachfrage nicht mehr an und die Ausbildungsplätze bekommen wir aufgrund der katastophalen Vorbildung vieler Bewerber einfach nicht voll.
Beim näheren hinsehen: möchtest Du gerne Maurer lernen? Nichts
gegen Mauerer. ein ehrenwerter Beruf! Nur sehr hart, schlecht
bezahlt und im Winter meist arbeitslos. So sieht es bei
verschiednen anderen Lehrangeboten aus.
Im letzten Jahr kamen ca. 328000 Hauptschulabgänger auf den Arbeitsmarkt. 83000 davon hatten keinen Abschluss (nur zur allgemeinen Anmerkung: 16000 Ausländer, Rest deutsch). Mag ja sein, dass auch diese Leute davon träumen, Industrieelektroniker oder Bankkaufmann zu werden - dafür sind sie aber definitiv nicht geeignet. Und wer lieber träumt und arbeitslos ist anstatt einen soliden Beruf zu lernen, dem kann man einfach nicht helfen.
Außerdem bilden viele
Firmen aus… und entlassen dann die ehemaligen Lehrlinge!
Das ist sicher für viele Branchen und Firmen zutreffend - aber doch kein Grund, eine Ausbildung erst gar nicht anzufangen. Mit einem anerkannten Abschluss hat man - ein wenig geistige und körperliche Flexibilität vorausgesetz - doch zumindest eine Chance, woanders eine Anstellung zu finden. Nicht alle Jobs findet man halt vor der Haustür.
Denn jetzt kosten sie Geld. Als Lehrling hat man (nach dem
erstem Jahr) kräftig verdient.
Ich nehme an, du meinst „an Lehrlingen“? Kann ich jetzt so nicht bestätigen, liegt aber sicher auch am Umfang der betrieblichen Ausbildung. Allein die Kosten für überbetriebliche Schulungsmassnahmen sind horrend.
Mein Fazit aus meiner eigenen Erfahrung:
Wenn Jugendliche bereit wären, auch mal längere Fahrtstrecken in Kauf zu nehmen, wenn sie während ihrer Schulzeit nicht nur Unfug anstellen, sondern sich um einen ordentlichen Schulabschluss bemühen, wenn Bewerbungsunterlagen ordentlich abgegeben und nicht mit 15 Schreibfehlern auf Butterbrotpapier geschmiert werden, wenn auf Bewerbungsfotos Glatzen, Gesichtstattoos und Elefantenstosszähne durch die Nase wenigstens kaschiert würden, wenn ihnen irgendjemand beibringen würde, dass es sowas wie Grundregeln der Höflichkeit im Zwischenmenschlichen gibt und wenn sie bei Bewerbungsgesprächen etwas mehr als „Äääh *Pause* weiss nich“ sagen würden…
…dann würden die Chancen auf Ausbildungsplätze rapide steigen.
Gruss
Peter (der sich immer wieder fragt, ob die grössten Fehler da nicht schon bei der Erziehung passiert sind).
PS: Als ich „damals“ meine Ausbildung angefangen habe, gehörte ich der lokalen Punk-Szene an. Trotzdem konnte ich einen Arbeitgeber überzeugen, mich einzustellen - vieleicht, weil ich frühzeitig erkannt habe, dass man Privat- und Berufsleben trennen kann…