Russland greift die Ukraine an

Der Punkt ist, dass hier nicht Informationen von irgendwelchen westlichen Journalisten verbreitet werden, die aus Lissabon über Sankt Petersburg berichten, sondern dass es sich um Videos aus Russland bzw. der Ukraine handelt, die von tausenden Leuten gesehen werden, die wiederum schon erwähnen würden, wenn Unstimmigkeiten zu erkennen wären.

Wir sehen das immer bei Videos über Abschüsse von Waffen, Beschuss von ukrainischer Infrastruktur usw., dass sich da immer wieder Leute die Mühe machen, die genauen Positionen zu ermitteln und in Einklang mit den Bildern zu bringen. In Bezug auf Mariupol habe ich das auch einmal selbst gemacht (google Maps bzw. Earth ist da sehr hilfreich).

Will sagen: die Berichte, Tweets und Videos sind vielleicht nicht unabhängig, aber sie sind überprüfbar.

Ja. Zum einen werden Waffentransporte der Russen sowohl von Geheimdiensten als auch von Bürgern mit Handys beobachtet. Zum anderen ist es eine Frage der Logik, was man macht, wenn man einen Krieg in ein paar Tagen gewinnen will: man wirft das Beste an Material und Menschen nach vorne und behält nur davon eine Reserve zurück, um Gegenangriffe abwehren zu können. Inzwischen sind wir in der Phase, dass die Russen diese Reserven zum Teil ebenso an die Front werfen. Zum Beispiel Luftabwehrsysteme an der Grenze zu Finnland oder noch die ein oder andere Handvoll an modernen Panzern. Russland hat ungefähr ein Jahr lang Truppen an den Grenzen zur Ukraine zusammengezogen, hatte also genug Zeit, genau das dorthin zu verlegen, was man in den Krieg ziehen lassen wollte. Wenn man nach ein paar Monaten auf einmal T62-Panzer an die Front verlegt, die schon seit 50 Jahren nicht mehr gebaut werden, hat das im Zweifel nicht den Grund, dass man die 1000 T90-Panzer, die man gerade aufpoliert, aus taktischen Gründen nicht an die Front verlegen will, sondern schlichtweg, dass man nichts anderes mehr hat (und einem die Gesundheit der Soldaten scheißegal ist).

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Zuerst: Guter, informativer, sachlicher Artikel von dir!

Gemeint hatte ich eine Gesamt-Einschätzung des Kriegsverlaufs, also das, was du ab „eine Frage der Logik“ darstellst.
Dass einzelne Ereignisse wie Abschüsse oder das Versenken eines Schiffes objektiv verifizierbar sind, ist mir schon klar.

Du führst dein Ja aus.
Das ist absolut bedenkenswert, du gehst dabei aber auf die von mir genannten Punkte (Referendum->Erklärung des Verteidigungskriegs->noch stärkere Mobilisierung; ABC-Waffen-Eskalation¹) gar nicht erst ein.

Was ich nicht verstehen kann, weil es dabei ja nicht um mein Hirngespinst geht, sondern eine Position von Fachleuten, die ich referiere (ohne jede eigene Expertise, diese Position einschätzen zu können).

¹ Vgl. beispielsweise:

Dass der anfängliche Versuch, die Ukraine bzw. Teile davon relativ ‚sanft‘ und schnell mit vergleichsweise geringer Stärke einzunehmen, gescheitert ist, hängt doch vorrangig am (unerwartet?) starken Eingreifen des Westens.
Danach war Russland in eine andere Kriegssituation gestellt.
Letztlich reagiert Russland aus meiner Sicht jetzt erst, mit Schein-Referendum + Mobilmachung, auf diese veränderte Situation.

Katastrophaler Tag für die russische Luftwaffe:

Drei der Abschüsse sind visuell bestätigt, im vierten Fall konnte die SU-30 mit einem brennenden Triebwerk noch weiterfliegen. Falls sie es bis zum Stützpunkt geschafft hat, ist sie in jedem Fall für längere Zeit außer Gefecht.

Hallo @Penegrin,

im russischen Internet kursieren jetzt schon Meldungen von Reservisten über die Auslieferung von veralteten, verrosteten Kalaschnikows.
Die Menschen mit der Ausrüstung an die Front zu schicken ist ein Verbrechen. Besonders wenn man bedenkt, dass sich diese Mentalität der Alteisenentsorgung auch auf andere Ausrüstungsgegenstände erstrecken wird.
Offenbar handelt es sich um einen echten Ausrüstungsmangel.

Wie gesagt ist der Rost hier das geringste Problem. Kalaschnikows sind bekannt für ihre Gutmütigkeit und mit ein paar Stunden Arbeit dürfte sogar das Teil in dem Video wieder (nicht besonders genau) schießen können. Das Problem sind andere Aspekte, die sich daraus ergeben:

  • Die AKM wurde bis in die 70er produziert. Klar sind die Teile noch immer tödlich, aber es ist alarmierend, dass die russische Armee auf 50 Jahre alte Waffen zurückgreifen muss. Dass man nicht in der Lage ist, ein paar 100.000 Mann mit (relativ) modernen Waffen wie AK-74, AK-101, AK-12 etc. auszurüsten, spricht Bände über den Zustand der Armee.
  • Die unterschiedliche Munition habe ich oben schon angesprochen. Nicht nur, dass die AKM ein ganz anderes Kaliber als die moderneren russischen Sturmgewehre hat, die Patronen sind auch 60% schwerer. Die jetzt schon überforderte russische Logistik muss also nicht nur zwei verschiedene Patronen an die richtige Stelle transportieren, die ‚neuen‘ Patronen nehmen auch 60% mehr Platz ein und man kann dementsprechend weniger transportieren. Ich kann garantieren, dass es Einheiten geben wird, die keine bzw. die falsche Munition erhalten werden.
  • Bedingt durch das größere Kaliber ist auch der Rückstoß entsprechend größer und zwar um mehr als das Doppelte. Die jetzt Eingezogenen haben wenig bis gar keine Erfahrung mit Waffen und da kann das einen großen Unterschied machen.
  • Wenn schon die Sturmgewehre in so einem desolaten Zustand sind, was ist dann erst mit dem Rest? Wie wurden Helme, Schutzwesten, Handgranaten, Erste-Hilfe-Päckchen, Essrationen etc. gelagert?
  • Und natürlich darf man auch nicht vernachlässigen, welche Wirkung es auf die Eingezogenen hat, denen man so einen Schrott aushändigt. Das Wort ‚Kanonenfutter‘ dürfte dem einen oder anderen bei diesem Anblick durch den Kopf geistern…

Na, sagen wir es mal so: wenn es einen passenden Zeitpunkt für den Einsatz taktischer Nuklearwaffen gegeben hätte, dann war es der Durchbruch der Ukraine im Osten vor ungefähr drei Wochen. Das ist nicht passiert. Putin weiß selber, dass er moralisch bzw. in Bezug auf seine Nukleardoktrin nicht besser dasteht, nur weil bei den Referenden herauskommt, dass die Mehrheit der Stimmzettelfälscher möchte, dass die Oblaste der Russischen Föderation beitreten.

Nein, die Lieferungen relevanten Geräts setzten erst viel später ein. Natürlich ist schon vor dem Krieg schon etwas geliefert worden, aber die großen Lieferungen, auf die Du anspielst, kamen erst Wochen später.

Russland reagiert auf eine andere Änderung der Situation. nämlich darauf, dass es nicht nur nicht mehr vorankommt, sondern bereits besetzt und zum Teil sogar seit 2014 besetzte Gebiete verliert. Nur kann man halt einen Krieg, den man mit minderwertiger Ausrüstung, schlechter Logistik und schlecht ausgebildeten und nicht motivierten Soldaten verliert, nicht dadurch gewinnen, dass man noch minderwertigere Ausrüstung mit noch schlechterer Logistik und noch schlechter ausgebildeten und noch weniger motivierten Soldaten an die Front wirft.

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In Lyman zeichnet sich das nächste russische Debakel ab:

Angeblich habe die russischen Einheiten dort den Befehl erhalten, sich unter keinen Umständen zurückzuziehen. Aktuell sieht die Lage so aus:

Der ukrainischen Armee ist es gelungen, den Oskil an mehreren Stellen zu überqueren und nun rückt sie weiter nach Osten vor. Lyman (im Süden mit rotem Rahmen) ist vom Norden her fast eingeschlossen und im Osten liegt mal wieder ein größeres Gewässer mit wenigen Brücken (déjà vu?) Es führt nur noch eine Straße nach Osten, die aber schon lange in Reichweite ukrainischer Artillerie liegt.

Es scheint zwei Gründe für den Durchhaltebefehl zu geben. Einerseits will man die Ukraine möglichst lange von Swatowe fern halten, um dort so weit es geht noch Stellungen auszubauen. Andererseits will man die Ukraine auch noch möglichst lange vor dem Oblast Luhansk stoppen, zumindest bis das „Referendum“ abgeschlossen ist.

Swatowe ist die beste Chance für die russische Armee, den ukrainischen Vorstoß zu stoppen. Sie liegt östlich eines Flusses (Krasna) und kann von Osten her über eine gut ausgebaute Straße versorgt werden. Allerdings hat die Gegend den gewaltigen Nachteil (für Russland), dass das westliche Ufer deutlich höher ist:

Das gibt der angreifenden ukrainischen Armee einen perfekten Überblick über das Schlachtfeld, was angesichts der sehr genauen westlichen Artillerie fatale Folgen für die russischen Truppen hätte. Aber auch gilt wieder: Politische Begehrlichkeiten stehen über militärischen Realitäten.

Jetzt wissen wir, wieso an diese ‚Soldaten‘ kein modernes Material verschwendet wird.

Wenn das stimmt, ist das gleichzeitig extrem dämlich und extrem menschenverachtend von der russischen Regierung.

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Scheint mir schwierig, vom Nicht-Eintreten des Ereignisses A zum Zeitpunkt t1 auf das Nichteintreten zu späteren Zeitpunkten zu schließen.

Über Zeitpunkte zu diskutieren, scheint mir aber auch müßig.

Die unterschiedlichen Annahmen scheinen „RUS ist am Verlieren, der Krieg könnte bald zu Ende sein“ und „Der Krieg wird unweigerlich eskalieren, Ende nicht in Sicht, außer die Russen beenden es innenpolitisch“ zu sein. Oder sehe ich das falsch?

Das meinte ich auch.

Nebenbei-Überlegung dazu: Wohin fließt eigentlich der ganze enorme Militäretat Russlands, wenn nicht dorthin?

Ist nicht polemisch gemein, und ich stimme dem Satz an sich ja auch zu … aber bei der Ukraine, die anfänglich Zivilisten gelehrt hat, wie sie sich russischen Panzern mit selbstgebastelten Molotow-Cocktails in den Weg stellen sollen, und natürlich mit Zwangsrekrutierungen reagiert hat, wird der Satz nie gefallen sein.
Diese Einseitigkeit verblüfft mich. Sie beruht allein auf der Deutungshoheit, welche Seite die böse ist, oder?

Erstens ist da gar nichts ‚enorm‘. Die russischen Militärausgaben von ca. 60 Mrd. liegen zwischen dem, was GB und D so ausgibt. Ein großer Teil davon fließt in die Nuklearwaffen. Da gibt es zwar aus Russland keine Zahlen, aber die USA geben hier jährlich ca. 35 Mrd. aus. Das was übrig bleibt, fließt in die drei Waffengattungen. Die Marine ist mit über 600 Schiffen die zweitgrößte der Welt und gleichzeitig die sinnloseste Geldverschwendung. Die Luftwaffe ist ein teures Spielzeug (eine einzige Su-35 kostet über 100 Millionen €), das sich im Krieg noch nicht bewährt hat. Der kümmerliche Rest, der bleibt, geht dann an die Armee.

Dass es dich verblüfft, wenn man zwischen Angreifer und Angegriffenem unterscheidet, ist Teil des Problems.

Für Dich sind also Zivilisten, die sich gegen angreifende Russen vorbereiten, gleichbedeutend mit rekrutierten Russen, die von Russland in die Ukraine geschickt werden und wie man jetzt weiß mit mangelhafter Ausbildung und noch mangelhafterer Ausrüstung.

Damit sprichst Du jeder überraschten Zivilbevölkerung das Recht ab, sich gegen kriminelle Angriffskriege zu verteidigen.
Mit Zwangs-Rekrutierung meinst Du ja sicher die Rekrutierung ukrainischer Staatsbürger im Donbas durch die Russen?!
Das ein überfallener Staat Soldaten rekrutiert im Rahmen seiner Gesetze ist keine Zwangs-Rekrutierung.

Allein schon diese Wortwahl spricht Bände über Deine Einseitigkeit und Sichtweise.

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Und dort wird er kameradschaftlich zwischen den Offizieren ab Oberst aufwärts verteilt – schließlich leben diese Offiziere auch nur einmal und das in einer Kleptokratie. Da muss man sich anpassen.
Eine versteckte Friedensbewegung. :+1:

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Nach links ist noch Platz in Richtung „Russland verliert, aber der Krieg wird noch lange dauern“.

In die Taschen von sehr reichen Weggefährten Putins.

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Wenn man den Verlautbarungen aus Moskau Glauben schenkt, so gehört zumindest die Ukraine, im Zweifel aber ganz Europa eigentlich zum Russischen Reich. Wenn man davon ausgeht, dass zunächst taktische Atomwaffen auf dem Ablaufplan stehen, ergibt sich daraus automatisch, dass ein Einsatz derselben ein Einsatz auf einem Territorium wäre, das man eigentlich zu Russland zählt. Das ergibt schlichtweg keinen Sinn - außer eben, man muss sich zurückziehen und erwartet auch für die nächsten Jahrzehnte keine Zurückeroberung mehr.

Das einzige, was jetzt überhaupt noch sinnvollerweise zu erwarten ist, ist - bei entsprechender Windrichtung - eine Zündung über dem Schwarzen Meer - so als Warnung an den Westen.

…Adios ruhmreiche sowjetische Schwarz-Meer-Flotte. Und das geht ganz ohne Atomwaffen.

Man muss sich halt auch fragen, wie genau diese 300.000 Mann ausgebildet werden sollen. Dazu brauchst du eine Infrastruktur, die Russland selbst zu Friedenszeiten nicht hat. Normalerweise zieht die russische Armee 2 Mal pro Jahr 135.000 Rekruten (dieses Frühjahr sogar nur 89.000!) ein. Und jetzt wollen die gleich 300.000 ausbilden? Wo sollen die wohnen? Wer kocht für sie? Wer kümmert sich um die Ausrüstung? Um die Verwaltung? Um die medizinische Versorgung? Wer bildet sie aus?

Jeder, der sich ein bisschen mit dem Militär auskennt, weiß, dass der Soldat mit der Waffe in der Hand nur den kleinsten Teil der Truppe ausmacht. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass auf einen Soldaten an der Front etwa 10 in der Etappe kommen. Und das sind in der Regel Spezialisten, die man doch nicht eben aus dem Ärmel schütteln kann.

Blinken told CBS “60 Minutes” host Scott Pelley in an interview aired Sunday that the U.S. has been “very clear with the Russians” both publicly and privately “to stop the loose talk about nuclear weapons.”

“It’s very important that Moscow hear from us and know from us that the consequences would be horrific,” the secretary of state said. “We’ve made that very clear.”

Möchte jemand darauf wetten, dass er blufft?

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60 Milliarden Dollar Jahr für Jahr sind enorm.
Für ein paar verrostete Kalaschnikow allein wird das nicht drauf gehen.

Nebenbei: Da ein beträchtlicher Teil Arbeitskosten sind, ist ein Vergleich RUS mit D oder GB kaufkraftverzerrt. Bereinigt wäre RUS deutlich vor GB und D.

Aus meiner Sicht ist das Problem, dass man hinter dem Krieg (wo die Rollen Angreifer/Angegriffenem natürlich klar sind) den Grundkonflikt (bei dem die Rollen sehr viel weniger binär zu verteilen sind) verschwinden lässt. Als ob dieser Krieg nicht eine lange konflikthafte Vorgeschichte hätte.
Mich interessiert der Konflikt deutlich mehr bei meiner moralischen/persönlichen Wertung.

Nö, aber zwangsrekrutierte Ukrainer = zwangsrekrutierte Russen.

Da habe ich mich völlig falsch ausgedrückt oder du mich völlig falsch verstanden.
Der ukrainischen Bevölkerung gestehe ich alles zu. Dem Selensky-Regime gestehe ich Zwangsrekrutierungen nicht zu.

Natürlich.
Grenzen dicht für Männer U60 ist genau das.
Ich habe über meine Arbeit Kontakt mit zwei ukrainischen Frauen aus Cherson. Die berichten, dass ihre Männer und ein volljähriger Sohn damals sehr wohl mit ins rettende Ausland wollten.

Meine Sichtweise ist in der Tat ‚einseitig‘.
Allerdings nicht pro UKR oder pro RUS, sondern pro Bevölkerungen, gegen die globale Machthaberclique.

Stimmt.

Vermute ich teilweise auch.
Gibts dafür gute Belege, dass ein großer Teil des Militärhaushalts direkt an die russische Oligarchenclique fließt?

Es gibt ein nettes Video darüber, wer aus seinen alten Seilschaften mittlerweile komfortable Positionen in der russischen Rüstungswirtschaft hat und wo generell die Schwächen dieser Industrie liegen:
Warum VERSAGT Russlands MILITÄRISCH-INDUSTRIELLER Komplex? - VisualPolitik DE - YouTube

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