Ich auch. Offensichtlich hat sich Putin für Schoigu/Gerasimow entschieden und wenn Prigoschin damit rechnen musste, bald abserviert zu werden, ist selbst ein kurzfristiger Aufschub erstrebenswert. Vermutlich spekuliert er darauf, dass er lange genug am Leben bleiben kann, um das Ende von Putin zu erleben. In dem Fall werden die Karten eh neu gemischt und da kann der ‚Held von Bachmut‘ ja vielleicht auch noch was reißen.
Würde auch ins Schema passen:
Es kursiert ein erstes Video, auf dem Tschetschenen einem russischen Soldaten wegen der Beteiligung am Putschversuch die Kehle durchschneiden. So viel zur Amnestie…
Klingt schlüssig.
Danach standen Prigoschin und die Wagnertruppe mit dem Rücken zur Wand.
Aber ist es bekannt oder gibt es Belege dafür, dass Shuig u und Grassimov wirklich mit 1500 Helfern nach Rostow reisten?
Zumindest gab es Artikel darüber:
Russland: Festnahme von Prigoschin stand wohl unmittelbar bevor | STERN.de
Das ist aber an mir auch vorübergegangen. Ich las davon erstmals im verlinkten Twitter-Thread.
Heute stand in der Herold Tribun, dass das Prigoschin mit Konsequenzen für seine Familie erpresst wurde.
Der Putsch an sich war jetzt ja eher unspektakulär und Vieles scheint da noch unbekannt zu sein. Ein paar interessante Dinge kann man aber schon mitnehmen:
- Offenbar steht die gesamte russische Armee in der Ukraine. Keine einzige reguläre Einheit stellte sich Wagner in den Weg und es blieb dann unter anderem der Nationalgarde überlassen. Die hat aber das Problem, dass man weder über Panzer noch über weitreichende Panzerabwehrwaffen verfügt. Auf den Bildern konnte man aber sehen, dass Wagner unter anderem Panzer vom Typ T-90 mit sich führten. Das wäre ein sehr einseitiges Blutbad geworden.
- Die Luftwaffe war mal wieder völlig abwesend. Da bewegt sich ein kilometerlanger Konvoi in gerade Linie auf einer Autobahn in Richtung Hauptstadt und kein einziges Kampfflugzeug lässt sich blicken. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Aber die Inkompetenz der Luftwaffe zieht sich halt schon wie ein roter Faden durch den Krieg.
- Es gibt offensichtlich keine Notfallpläne für einen Angriff auf Moskau. Mehr als ‚Bagger, die Straßen aufreißen‘ war da eigentlich nicht zu sehen. Mag vielleicht nur eine Kleinigkeit sein. Aber in einem funktionierenden Militär gehört so etwas zum kleinen 1x1.
Wobei man schon zwei Tage rechnen kann, bis sich eine Armee auf einen überraschenden Angriff hin formiert. Wenn die Niederländer beschließen würden, bspw. aufgrund der konstant falschen Aussprache des Wortes Frikandel die Rheinlande zu unterwerfen, könnten ihre Armee problemlos und ohne jeden Widerstand über das hinaus, was die Polizei zu bieten hat (und die wurde in Russland in den fraglichen Provinzen ja auch komplett zum Dienst gerufen) bis an Ems und Main vorrücken und ob man die Alarmrotten der Luftwaffe (die ja auf Luftziele ausgelegt sind) dafür verheizt, ein paar Infantristen und leicht gepanzerte Fahrzeuge mit Bordkanonen zu zerlegen, halte ich auch für fraglich.
Von der Freiheit für Russlands und dem Russischen Freiwilligenkorps hört man nach den ersten aufregenden Tagen auch nicht mehr viel. Anscheinend hatte Russland dem Überfall nach eben den ersten Tagen dann doch noch etwas entgegenzusetzen.
Wobei aber die Niederlande nicht schon über ein Jahr mit Deutschland in heftige Kämpfe an der Grenze verwickelt sind und die deutsche Führung nicht ständig darauf hinweist, dass Deutschland praktisch unangreifbar ist, weil die deutsche Armee viel zu stark ist für jeden Angreifer.
Wenn die Wagnergruppe innerhalb der ersten 200 bis 300 km von von der Armee bzw. Luftwaffe so zusammengeschossen worden wäre, dass sie nicht mehr weiter gekommen wären, dann könnte sich Putin als starker Mann aufführen und wäre trotzdem geschwächt durch die einfache Tatsache, dass einer seiner engsten Helfer gegen ihn auf die Barrikaden ging.
Der Punkt ist, dass es hier eigentlich schon fertig formierte Einheiten geben müsste. Rostov befindet sich nur wenige Kilometer hinter der Grenze und das ist genau der Bereich, in dem sich die operativen Reserven der russischen Armee befinden müssten. Die Straße nach Voronesch verläuft ebenfalls entlang der Grenze und hier gilt das Gleiche. Zur Erinnerung: diese beiden Städte sind das Zentrum des russischen Nachschubs.
Wenn Russland ausgerechnet hier keine Reserven stationiert hat, kann man davon ausgehen, dass sich sonst wo keine bzw. nur wenige stationiert sind. Das wiederum bedeutet, dass Russland jetzt schon nahezu alle Reserven an der Front hat oder dass da von Anfang an wenig vorhanden war.
Schon richtig, aber ein solcher Vorstoß ukrainischer Truppen war ja seitens Russland nicht zu erwarten. Insofern hat Russland einerseits die kämpfenden Einheiten an der Front nebst Reserven im Hinterland und andererseits den Rest der regulären Truppe in den Kasernen. Bis die sich in Bewegung setzen, dauert das halt ein paar Tage.
Die Luftwaffe hätte man wohl noch aktivieren können, aber die alleine richtet gegen so einen Tross halt auch nicht viel aus - erst recht nicht, wenn man nicht den sofortigen Abschuss riskieren will. Man sollte auch nicht vergessen, dass 25.000 Soldaten nicht gleich 25.000 Soldaten sind. Bei den 25.000 Leuten von Wagner handelt es sich m.W. größtenteils um Kämpfer, während bspw. von den gut 60.000 Soldaten des deutschen Heeres ungefähr die Hälfte zur kämpfenden Truppe gehört und der Rest Unterstützung, Aufklärung, Lehrbetrieb usw. ist.
Schon richtig, aber auch die müssen sich ja erst einmal in Bewegung setzen, während Kollege Prigoschin sich ja zumindest gedanklich und organisatorisch 1-2 Tage auf seinen langen Marsch vorbereiten konnte. Wobei ich die für die Front gedachten Reserven durchaus noch etwas näher an der Front und nicht im „Mutterland“ vermuten würde.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet ein Paranoiker wie Putin, der überall und immer mit Angriffen seiner Feinde rechnet, den Osten des Landes oder auch die Grenze zur NATO (Kaliningrad, Grenze zum Baltikum, Grenze zu Finnland) quasi unbewacht zurücklässt, indem er die dort stationierten Truppen komplett abzieht. Er wird eher eine Niederlage in der Ukraine riskieren als einen aus seiner Sicht möglichen Vormarsch der NATO auf Moskau oder die chinesische Annexion der früher chinesischen Gebiete um Wladiwostok, d.h. Amur, Primorje und Teile von Chabarowsk, auf die China ja weiterhin ein Auge hat.
Der Sinn von Reserven ist eigentlich der, dass sie sofort einsetzbar sind. Gäbe es welche, wären die auch geschickt worden.
Es gibt im Krieg grundsätzlich zwei Arten von Reserve. Das eine ist die taktische Reserve, die jeder Verband für sich selber bildet und die tatsächlich direkt hinter der Front stehen. Klassische Aufgaben wären das Stopfen von Lücken, die durch gegnerische Angriffe entstehen.
Ich spreche aber von der operativen Reserve. Die sind grundsätzlich größer als taktische Reserven und werden im rückwärtigen positioniert, da man einen größeren Frontabschnitt abdecken muss. Die müssen auch unbedingt außer Reichweite der feindlichen Artillerie bleiben, weil man hier eben größere Truppenansammlungen nicht vermeiden kann.
Wenn du dir die Karte anschaust, dann siehst du die Verbindungsstraße zwischen Rostov und Voronesch. Das ist die M-4 und von der gehen in regelmäßigen Abständen größere Straßen Richtung Westen an die Front. Diese großen Straßen brauchst du, um größere Verbände so schnell wie möglich zu verlegen.
Wie gesagt: In diesem Bereich müssten Kampfverbände in Bereitschaft sein. Dass da keine sind bzw. keine in Bewegung gesetzt wurden, wirft Fragen auf.
Putin hatte nie Angst vor der NATO und Russland war selbst zu seiner besten Zeit nie in der Lage, einen konventionellen Angriff der NATO abzuwehren. Ob da bei Kaliningrad oder St. Petersburg 10 oder 10.000 Mann stationiert sind, ist völlig egal. Dafür hat Russland ja Atomwaffen. Für China gilt das Gleiche.
Russland hat gerade bei St. Petersburg kaum noch Einheiten. Satellitenaufnahmen zeigen, dass vor allem bei der Flugabwehr viel Material entfernt wurde. Es hat wie gesagt den Anschein, dass so gut wie die gesamte russische Armee in der Ukraine gebunden ist.
https://twitter.com/Lithuanian_MoD/status/1673956862042030081?t=CjduqoskYOAP9xnWN6UIbg&s=19
In response to Ukraine’s urgent request for assistance in strengthening air defence, we are purchasing two NASAMS medium-range air defence missile launchers for the Ukrainian army. We will also arrange the delivery, which is expected to take place within next three months.
Sehr gut.
Tatsächlich? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Das NASAMS verwendet gängige Luft-Luft Raketen wie etwa die AMRAAM oder Sidewinder und sogar die IRIS-T. Davon gibt es buchstäblich zigtausende.
Interessanter Schwenk der offiziellen Linie:
Der chinesische EU-Botschafter, Fu Cong hält es für möglich, dass Peking den Wunsch der Ukraine nach Wiederherstellung ihrer territorialen Integrität durch eine Rückkehr zu den Grenzen von 1991 unterstützt. „Ich wüsste nicht, warum nicht“, sagte der chinesische Diplomat auf eine entsprechende Frage von Journalisten, unter anderem von Al Dschasira.
Ich hatte erwartet, dass China, Indien, Südafrika und so weiter sich nach der Blamage durch Prigoschin jetzt vorsichtig von Putin absetzen.
Dass das so schnell anfängt, hätte ich allerdings nicht erwartet.
Russisches Internet:
Sorowikin ist im Gefängnis.
Offenbar wußte er zu viel über den Putsch.
eine amerikanische Studie, zum Bestand an russischen Angriffsraketen, ihrer erfolgreichen Abwehr, auch der Hyperschallraketen, und der fucking Notwendigkeit mehr westliche Luftabwehrsysteme zu liefern, um Zivilisten vor den mörderischen Angriffen im Hinterland zu bewahren.