Russland greift die Ukraine an

Funfact: Russland hat in den letzten 20 Jahren ca. 22 neue Artillerieeinheiten (12 Rohr- und 10 Raketenartillerie) gebaut.

Zur Veranschaulichung:


Links: Clustermunition
Mitte: Granate mit einfachem Sprengkopf und Kontaktzünder
Rechts: Granate mit einfachem Sprengkopf und Abstandszünder

Das ‚DP‘ in DPICM steht für ‚dual purpose‘ und bedeutet, dass damit gleichzeitig sowohl harte (gepanzerte Fahrzeuge) als auch weiche (ungepanzerte Fahrzeuge und Infanterie) Ziele bekämpft werden können.

Wenn das so stimmt, ist das eine Riesenblamage für das russische Militär:

Und nun schon Putins nächster Erfolg:
Erdoğan macht Weg für Schwedens Nato-Beitritt frei (t-online.de)

Bei der SCALP handelt es sich um die französische Version der Storm Shadow.

Hier hat sich mal jemand die Mühe gemacht, gestützt auf das staatliche und öffentliche Nachlassregister eine ziemlich ordentliche Studie aufzuziehen:

Mindestens 47.000 russische Soldaten in der Ukraine getötet. Eine Datenrecherche von Mediazona und Meduza


Die wichtigsten Punkte:
  • 2 Patriot Startfahrzeuge
  • 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1A5
  • 40 Schützenpanzer vom Typ Marder
  • 5 Bergepanzer 2
  • 20.000 155mm Sprenggranaten
  • 5.000 155mm Rauchgranaten

Erfahrungsgemäß werden zwei- bis dreimal so vielen die Eier weggeschossen. Wenn man also die Verluste von 240 000 mit Toten und Kampfunfähigen veranschlagt kommt das durchaus hin…

Im Text legt man sich auf ungefähr 125.000 fest, die aufgrund von Verletzungen dauerhaft aus dem Dienst ausgeschieden sind.

Umso lächerlicher die Reaktion jetzt:

Das russische Außenministerium bezeichnete die geplante Lieferung von Streumunition an die Ukraine dagegen als weitere „eklatante Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses der USA“. Der Schritt ziele ab „auf die maximale Verlängerung des Konflikts in der Ukraine und einen Krieg bis zum ‚letzten Ukrainer‘“, heißt es in einem Kommentar der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa.Durch die Streumunition würden noch mehr Zivilisten getötet, erklärte sie.

Russland hat mehr oder weniger von Anfang an Streumunition gezielt gegen Zivilisten eingesetzt. Das ist selbst dann streng verboten (und ein Kriegsverbrechen), wenn man das Übereinkommen über Streumunition nicht unterzeichnet hat.

Soweit mir bekannt ist, werden vom russischen Militär nur die Gefallenen die im offiziellen Militär dienen, gezählt. Gefallene aus der Wagnergruppe oder anderen Freischärlern gehen da unter.

Mich würde auch mal die Übersterblichkeit für 22/23 interessieren.

Bei der Coronapandemie sprach Russland ja auch nur von ein paar hunderttausend Toten und als die Übersterblichkeit während der Zeit bekannt wurde, war klar: es müssen mindestens eineinhalb bis zwei Millionen gewesen sein.

Da mittlerweile auch bei w-w-w so ein paar falsche Ansichten zur Gegenoffensive herumschwirren, möchte ich kurz den bisherigen Verlauf zusammenfassen.

Anfang Juni gab es Vorstöße im Bereich Saporischschja, wo zum ersten Mal westliche Fahrzeuge (Leopard 2 und Bradleys) eingesetzt wurden. Von hier stammen auch die einzigen Bilder mit zerstörten bzw. beschädigten Leopard 2:

Gut zu sehen ist, dass die ukrainische Armee nach NATO Doktrin vorging und versuchte, den Weg mit Minenräumpanzern wie dem finnischen Leopard 2R freizumachen:

Das Problem: Die NATO Doktrin sieht eine vollkommene Luftherrschaft vor, die die Ukraine nicht hat. Die Verluste gingen vor allem auf das Konto von Kampfhubschraubern und Artillerie, die aus sicherer Entfernung wirken konnten konnten. Es konnte zwar Gebietsgewinne erzielt werden und die verlorenen Fahrzeugen geborgen werden, aber der erhoffte schnelle Durchbruch ist nicht gelungen. Ob das jetzt nur an der mangelnden Luftherrschaft lag oder einfach eine schwierige Stelle gewählt wurde, kann man nicht so ohne weiteres sagen. Die Ukraine ging aber kein Risiko mehr ein und mir sind keine weiteren größeren Angriffe mit Leopard 2 bekannt. Andere westliche Kampfpanzer wie den britischen Challenger 2 hat man noch gar nicht im Einsatz gesehen. Überhaupt wurden erst weniger als ein Viertel der für die Offensive vorgesehenen Truppen (ca. 50.000 Mann in 12 Brigaden) an der Front gesichtet.

Nach dem gescheiterten Durchbruchversuch hat die Ukraine jetzt ihre Taktik geändert. Sie zieht jetzt punktuell Artillerie zusammen und greift dann mit relativ wenig Einheiten russische Stellungen an. Die russische Doktrin sieht vor, dass in dem Fall die eigene Artillerie angreifen soll. Die ukrainischen Seite lokalisiert dann diese Artillerie und greift sie gezielt an. Gleichzeitig wurden mit neuen weitreichenden Waffen (Storm Shadow) Depots angegriffen, die bisher außer Reichweite lagen. Auch das reduziert weiter die Effizienz der russischen Artillerie. Zudem ist die ukrainische Luftabwehr jetzt tiefer gestaffelt was zuletzt zu mehr Verlusten bei den russischen Kampfhubschraubern geführt hat.
Was sehr helfen wird, ist die neu gelieferte Streumunition. Die wirkt nicht nur besser gegen Infanterie in Schützengräben, sie kann auch sehr gut zum Säubern von Minenfeldern genutzt werden.

Mit dieser Taktik konnten lokale Gebietsgewinne erzielt werden, wobei einerseits die eigenen Truppen geschont und andererseits die feindliche Artillerie dezimiert werden konnte. Der Preis dafür ist, dass es nur sehr langsam voran geht, wobei das auch eher relativ ist. Bisher konnte die Ukraine in knapp sechs Wochen ein größeres Gebiet zurückerobern als Russland in den sechs Monaten davor.

Ein spezieller Fall ist Bachmut:


Wie auf der Karte zu sehen ist, konnte die Ukraine sowohl im Norden als im Süden vorrücken. Alle Zufahrtsstraßen zur Stadt können jetzt von der Ukraine eingesehen werden, was die Versorgung erschwert.
Bachmut ist deswegen so besonders, weil es die einzige größere Stadt ist, die Russland seit letztem Herbst erobern konnte. Sie hat also für Russland einen hohen moralischen Wert und wird daher unter allen Umständen gehalten. Erobert wurde sie von Wagner, die ja jetzt nicht mehr zur Verfügung stellen. Westlichen Geheimdienstinformationen zufolge wird Bachmut aktuell von Luftlandetruppen verteidigt. Das sind war (nominell) Eliteverbände, für diese Art der Kriegsführung sind sie aber nicht geeignet.

Die Ukraine scheint hier also einen Abnutzungskrieg zu führen. Von der Stadt selber ist nach den monatelangen Kämpfen im Frühjahr wenig übrig und von einem militärischen Standpunkt aus macht eine Verteidigung wenig Sinn. Symbolisch ist sie aber für Russland wichtig und deswegen ist anzunehmen, dass hier weiter Reservetruppen herangeführt werden, die eigentlich woanders gebraucht werden.

Um es kurz zu fassen: Der ursprüngliche Plan der Ukraine, mit einem schnellen Vorstoß die russische Verteidigung zu überrumpeln, ist gescheitert. Das russische Verteidigungssystem ist tief gestaffelt und über viele Monate herangewachsen.
Die zweite Phase scheint besser zu funktionieren. Das Ergebnis der Abnutzung wird man aber frühestens in ein paar Wochen sehen. Es ist also noch zu früh um sagen zu können, ob die Ukraine hier erfolgreich sein wird.

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Danke für diese hochinformative Zusammenfassung!

Wie räumt man mit Streumunition Minenfelder? Indem man den ganzen Boden beschießt?
Aber bleiben nicht bei Streumunition nichtgezündete Minisprengkörper übrig, die später mal Zivilisten, aber jetzt eigene Soldaten gefährden?

Nach meinen Informationen ist die Sprengkraft der Streumunition nicht stark genug um zuverlässig die Minen zu zünden. Und ein Minenfeld das bloß teilweise und völlig unsystematisch „geräumt“ ist halte ich für noch gefährlicher als ein komplett angelegtes Minenfeld.

Geächtet wurde die Streumunition vor allen Dingen deswegen, weil sie aufgrund der häufigen Blindgänger nach dem Abschluss der Kampfhandlungen die örtliche Zivilbevölkerung gefährdete.

Die Russen, die diese Munition in fremden Land verschießen sind natürlich auch noch daran interessiert auch Zivilbevölkerung entsprechend zu verängstigen. Die ukrainische Regierung wird alles daran setzen die von ihr verschossene Streumunition so gut wie nur möglich zu beseitigen.
Wenn überhaupt jemand das Recht hat Streumunition zu verschießen, dann ist es wohl ein angegriffenes Land das auf seinem eigenen Gebiet gegen den Aggressor diese Munition einsetzt.

Es gibt zig verschiedene Typen, von denen manche noch nicht einmal unter die Ächtung fallen. Ehrlich gesagt, habe ich bei der ganzen hysterischen Berichterstattung den Überblick verloren, um welche Typen es konkret geht, aber bei dem, was sich die Ukraine vor einigen Monaten wünschte, handelte es sich um Artilleriemunition mit einem Mehrfachsprengkopf gegen weiche bis harte Ziele, bei denen sich die einzelnen Fragmente Ziele unabhängig voneinander aussuchen.

So etwas hier z.B.:
SMArt 155 – Wikipedia

Ob es bei jedem Modell dieser Art so ist, weiß ich nicht, aber bei manchen schalten sich die einzelnen Fragmente ab einer gewissen Annäherung an den Boden ab, wenn sie kein Ziel erfassen können.

Dann wiederum gibt es die klassische Streumunition, die durch Druckwellen auch entsprechende Minen zünden kann.

Geächtet sind manche Sorten von Streumunition wegen ihrer hohen Fehlerrate (teilweise im mittleren zweitstelligen Prozentbereich). Erlaubt sind danach meiner Erinnerung nach Munitionstypen, bei denen die Blindgängerquote unter 1% liegt. Das, was jetzt von den USA kommen soll, liegt (auch aus der Erinnerung) bei 2,35%.

Genau. Jede Granate verfügt über 72 bis 88 Sprengköpfe, die über ein Gebiet von ca. 100 m² niedergehen. Wird eine Mine direkt getroffen, besteht eine gute Chance, dass diese ausgelöst bzw. beschädigt wird. Ich würde mich sicher nicht alleine darauf verlassen, aber als Ergänzung zu Minenräumfahrzeugen sind sie sinnvoll. Etwaige Blindgänger wären hier eher ein geringeres Problem, da sie gepanzerten Fahrzeugen am Boden eigentlich nichts mehr anhaben können. Und wenn man weiß, dass sich in einem Gebiet solche Bomblets befinden, kann man sie relativ leicht erkennen, da sie ja nicht absichtlich versteckt wurden.

Die Hohlladung der Submunition M42/M46 kann zwischen 10 und 20 cm Panzerstahl durchdringen. Das reicht bei einem direkten Treffen locker aus und die Sprengkraft ist für Menschen in bis zu 10 Metern Entfernung noch gefährlich. Die Ukraine setzt jetzt schon Drohnen mit einzelnen Granaten zum Minenräumen ein:

Ich würde mich wie gesagt nicht darauf verlassen, aber bei den massiven russischen Minenfeldern braucht die Ukraine wirklich jeden Vorteil.

Das, was die USA jetzt liefern, ist eigentlich recht ‚dumm‘. Die Submunition ‚sucht‘ sich sich nichts aus, sondern segelt zu Boden und bei Kontakt zünden sie.

Die SMART hat die Ukraine schon geliefert bekommen, unter anderem auch von Deutschland. Die gilt eben nicht als Clustermunition und wie du schon richtig schreibst, sucht die sich aktiv ein Ziel. Erst kürzlich wurde damit ein T-90 zerstört:

Hier sieht man auch sehr schön, wie die beiden Submunitionen auslösen.

Das Problem bei diesen Werten ist, dass die unter idealen Bedingungen gelten. Damit meint man windstill, flach, trocken, weder Vegetation noch Bebauungen. Wenn sich Submunitionen im Flug berühren, kann das zu Blindgängern führen. Gleiches gilt, wenn sie nicht sauber aufkommen.

Um die Konsequenzen möglichst gering zu halten, hat sich die Ukraine fünf Regeln auferlegt:

  1. Die Clustermunition wird nicht auf russischen Staatsgebiet eingesetzt.
  2. Sie wird auch nicht in bewohnten Gebieten, sondern nur im offenen Feld gegen russische Soldaten und Stellungen eingesetzt.
  3. Die Ukraine protokolliert jeden Einsatz.
  4. Nach dem Krieg werden anhand dieser Protokolle diese Gebiete vorrangig von Minen und Blindgängern gesäubert.
  5. Die Ukraine wird ihre Partner über den Einsatz der Clustermunition laufend informieren.
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Und welche Regeln hat sich Russland nochmal auferlegt? Ist mir peinlicher Weise entfallen…

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Einsatz vor allem in ausländischen Wohnbezirken.

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