Gestern wurde mal wieder ein Raketenangriff auf ukrainische Städte durchgeführt. Dabei wurden 25 Drohnen vom Typ Shahed (iranisch) und 17 Marschflugkörper der Kh-101 Familie abgefeuert.
Die Marschflugkörper werden von Flugzeugen abgefeuert, meistens von strategischen Bombern des Typs Tu-95. Im Falle der Angriffe auf die Ukraine starten diese Bomber vom russischen Luftwaffenstützpunkt Olenya in der Nähe von Murmansk. Von dort fliegen sie erst mal ca. 3000 km bis zum Kaspischen Meer:
Von dort werden die Marschflugkörper dann Richtung Ukraine abgefeuert. Warum sie ausgerechnet über dem Kaspischen Meer abgefeuert werden, hat mehrere Gründe. Einer der Hauptgründe dürfte aber sein, dass man der Technik nicht ganz traut. Es gab in der Vergangenheit schon Zwischenfälle, wo Raketen nach einer Fehlfunktion in Russland eingeschlagen sind. Über dem Kaspischen Meer wäre so ein Vorfall weniger dramatisch. Bei oben genannten Angriff wurden eine ungrade Anzahl an Marschflugkörper gemeldet. Da man Flugzeuge wann immer es geht symmetrisch bestückt, dürfte hier zumindest einer verloren gegangen sein.
Bei Angriffen in Syrien wurden die Raketen ebenfalls über dem Kaspischen Meer abgefeuert, man hat hier also schon eine Art Routine.
Spannend wird es, wenn man sich den ungefähren Verlauf der Flugstrecke der Marschflugkörper ansieht:
Marschflugkörper haben gegenüber ballistischen Raketen den Vorteil, dass man einen Kurs vorprogrammieren kann. Sie fliegen auch deutlich niedriger, weswegen sie vom Radar schwieriger zu erfassen sind. Dafür sind sie langsamer und können besser beobachtet werden. Aufgrund solcher Beobachtungen wurde dieser Kurs hier nachgestellt.
So ein Kurs hat zwei Gründe. Erstens möchte man Gebiete mit starker Luftabwehr (wie hier zB Kharkiv und die Front zum Donbas) vermeiden. Ein Marschflugkörper kann relativ problemlos mit MANPADS wie z.B. Stinger abgeschossen werden. Auch ein Gepard in guter Position macht kurzen Prozess damit.
Zweitens kann man kaum verhindern, dass der Marschflugkörper entdeckt und verfolgt wird, aber man kann es schwieriger machen, indem man Ballungszentren vermeidet (wie hier Poltava oder Kremenchuk) oder die Abwehr durch plötzliche Richtungsänderungen (wie hier die Schleife am Ende) verwirrt. Die Kh-101 hat eine Reichweite von ca. 2500 km, da ist also einiges an Spielraum dabei.
Aber genau das sollte man auch bei der aktuellen Diskussion um die Taurus bedenken. Zuletzt hieß es ja immer, Scholz wolle die Reichweite der Taurus begrenzen:
Die Idee dahinter ist, dass die Ukraine damit keine Ziele auf russischem Hoheitsgebiet angreifen kann. Das Problem dabei ist halt, dass man damit auch die Möglichkeiten für Angriffe im besetzten Gebiet begrenzt. Ein Marschflugkörper, der wegen einer zu geringen Reichweite nur geradeaus fliegen kann, ist viel leichter abzufangen. Man hat dann also drei Möglichkeiten:
- Man feuert mehr davon ab. Das wird aber teuer und gerade bei diesen Waffensystemen ist die Quantität begrenzt.
- Man fliegt mit dem Trägerflugzeug näher an das Ziel heran. Damit riskiert man aber das Flugzeug und den Piloten.
- Man greift ein anderes Ziel an. Das reduziert aber die strategischen Möglichkeiten.
Eine Reduktion der Reichweite bei den deutschen Taurus spielt einzig und alleine Russland in die Hände.