Eine lange, aber sehr spannende Analyse über eines der Kernprobleme der russischen Armee:
Despite its sophisticated military equipment and multiple advantages on paper, Russia has stumbled strategically, operationally, and tactically in Ukraine. It has been hampered by faulty planning assumptions, unrealistic timelines, and impractical objectives. It has suffered from inadequate supplies, bad logistics, and insufficient force protection. It has been impaired by poor leadership. These problems do not stop at technical equipment issues, poor training, or corruption. Rather, they are linked by a core underlying theme: the military’s lack of concern for the lives and well-being of its personnel.
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But the Russian high command behaves as if its troops are an afterthought, making tactical decisions as if it can simply throw people at poorly designed objectives until it succeeds. This is a self-defeating attitude that both lowers troops’ morale and degrades combat effectiveness.
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The Russian military has a long history of mistreating its personnel and their frightened families.
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Similarly, if Moscow wanted to avoid high casualties, it would not have proceeded with the same strategy once it became clear that Western intelligence had uncovered and published its invasion plans. But the Kremlin proceeded with the war as planned, sending its troops to face off against Ukrainian forces that were, in some cases, lying in wait.
Indeed, it’s difficult to make sense of Russia’s preinvasion strategy unless one assumes that operational security trumps all and that soldiers are easily expendable.
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Radiation poisoning is a particularly extreme example of how the Russian military’s mistreatment of troops undermines its fighting capacity. But there are plenty of others. Soldiers became affected with frostbite thanks to poor planning and then were treated by Russian medics with 44-year-old field dressings. Some Russian commanders simply disappeared in combat zones, leaving their subordinates with no shelter, food, or water.
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The Russian military’s disregard for its soldiers has done more than undermine their combat performance. It has also tanked their morale and will to fight.
Hier werden ein paar Dinge angesprochen, die hier und woanders schon diskutiert wurden. Etwa wieso Putin den Angriff befahl, obwohl jedes Überraschungsmoment verloren war. Oder wieso die (auf dem Papier) zweitstärkste Armee der Welt so gut wie jeden militärischen Analysten überraschte und völlig versagte.
Wie aus dem Artikel hervorgeht, verfügt Russland über sehr moderne Waffensysteme. Aber die sind halt nur so gut wie das Personal, das sie bedient. Das gilt für Panzer und Luftabwehr, aber besonders für Jagdflugzeuge.
Natürlich kennt die russische Führung die Defizite seiner Soldaten, nur führten die Lösungen zu noch größeren Katastrophen. Weil man ihnen nicht traute, wurden sie vorher nicht über die Invasion informiert. Diese Art der Überraschung wäre für jede Armee schwer zu verdauen gewesen und jeder, der mal mit Soldaten zu tun hatte, kann das bestätigen.
Weil man auch den Offizieren vor Ort nicht traute, mussten die Generäle ihre Befehle persönlich im Detail vortragen. Und weil man der eigenen Verschlüsselung nicht traute, musste das vor Ort knapp hinter der Grenze geschehen. Das Ergebnis: Ein Dutzend tote Generäle binnen weniger Wochen.
Gerne wird bei Konflikten das Zahlenverhältnis von 3:1 ins Spiel gebracht. Das ist die numerische Überlegenheit, die man als Angreifer gegen einen vorbereiteten Feind benötigt. Allerdings gilt das nur, wenn beide Seiten in anderen Bereichen annähernd ebenbürtig ist und die Moral ist bei Angriffen die absolut wichtigste Komponente. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wo wenige, dafür hochmotivierte Soldaten einem übermächtigen Feind widerstehen konnte. Die russische Geschichte ist voll von Beispielen, wo solche hochmotivierten Soldaten einfach unter den Leichen der eigenen Männer begraben wurde.
Der moderne Krieg ist eine hochkomplexe Angelegenheit und das Zauberwort lautet ‚combined arms‘ (dt. ‚Operation verbundener Kräfte‘) und seine Umsetzung erfordert langes, hartes und intensives Training. Auf einem modernen Schlachtfeld gibt es eine Unmenge an Waffen, die alle einen bestimmten Verwendungszweck erfüllen, die aber die eine oder andere Schwachstelle haben. Man kann sich das wie ‚Schere-Stein-Papier‘ vorstellen, aber mit zig Variablen. Man muss dabei nicht nur die verschiedenen Waffengattungen (zB Panzertruppe, Hubschrauber, Pioniere, etc…) aufeinander abstimmen, sondern auch die verschiedenen Waffensysteme innerhalb dieser Gattungen. Eine moderne Infanterieeinheit hat nicht nur Pistolen, Gewehre und Granaten. Sie hat mobile Luftabwehr, Panzerabwehr (Rohr oder Rakete), Mörser, Minen, Drohnen, etc.
Die russische Armee hat gezeigt, dass sie ‚combined arms‘ nicht umsetzen kann. Panzer ohne Infanterieunterstützung sind ebenso leichte Beute wie Infanterie ohne Panzerunterstützung. Ein eindringliches Beispiel lieferte vor kurzem eine gescheiterte Flussüberquerung:
Binnen Minuten wurde eine komplette BTG (ca. 800 Mann und 70 Fahrzeuge) von ukrainischer Artillerie vernichtet. Und obwohl so eine Querung zu den schwierigsten Manövern gehört, ist das Ausmaß der russischen Verluste eigentlich unglaublich und genau das, was passiert, wenn man alles falsch macht, was man falsch machen kann.
Die russische Führung ist sich dieser Defizite natürlich bewusst und imho ist das auch der Grund, wieso auf eine Mobilmachung verzichtet wurde. Mehr Soldaten würde Russland in der jetzigen Situation nichts bringen, aber offensichtlich geht man davon aus, dass man mit den vorhandenen Truppen einerseits die neuen minimalistischen Ziele erreichen und andererseits das bereits eroberte Gebiet halten kann. Ich gehe davon aus, dass beides ein Trugschluss ist.