Servus Alexander,
zunächst mal Danke, dass du die Gedanken von russischen Bürgern hier aussprichst.
Was man sehr oft hört, sind viele Vergleiche mit den USA. Was
bei den Russen eine Bitterness auslöst, ist so eine Art
Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Ländern. Als
Beispiel höre ich oft das Thema mit dem Irak-Krieg und dessen
folgen. Es ist unbestritten, dass die USA durch Täuschen von
Beweisen einen rechtswidrigen Krieg anfing, dieser Krieg
führte dazu, dass das Land bis heute instabil ist.
Der Russe fragt: wo bleiben die Sanktionen gegen die USA? Wo
bleiben politische und wirtschaftliche Abbrüche in den
Beziehungen zwischen USA und EU als Beispiel?
Dass man den Irak unter Hussein nun wirklich nicht mit der Ukraine unter Poroschenko vergleichen kann, hat vdmaster ja schon erläutert. Auch war der Irakkrieg weit weg von ‚uns‘ und von daher fiel das Wegsehen viel leichter. Ich teile hier vdmasters Ansichten zu den völkerrechtlichen Aspekten zu 100%.
Die Ukraine aber liegt in Europa und es gelangen viel mehr Informationen zu uns. Zudem sind auch Länder wie die baltischen Staaten, Polen oder Norwegen, die zur EU oder NATO (oder beides) gehören, deswegen hochgradig nervös. Der Irak hat sich selbst über Jahrzehnte politisch isoliert. Bei der Ukraine sieht das ganz anders aus.
Das Lügenkonstrukt, welches die Bush Administration damals aufgebaut hat, war auf den Irak zugeschnitten. Das putin’sche Lügenkonstrukt hingegen lässt sich auf jedes beliebige Land mit einer russischen Minderheit anwenden. Das wären neben den baltischen Staaten auch beispielsweise Kasachstan. Auch nicht zu vergessen wären die russischen Truppen in Georgien und Transnistrien. Das führt eben dazu, dass sich manche Länder vom russischen Verhalten bedroht fühlen.
Die Russen empfinden das als Ungerechtigkeit, dass wenn ihr
Land etwas schlimmes macht, werden sie von der ganzen Welt
verstossen und wenn USA das macht, dann passiert ihr nichts.
Für mich spielt da auch eine gewisse Enttäuschung eine große Rolle. Russland war auf dem besten Weg, sich als verlässlicher Partner zu etablieren. Europäische Firmen machten gerne Geschäfte mit Russland, russische Touristen waren überall gern gesehen und Putin hatte den Ruf eines Machers und wurde in westlichen (besonders US amerikanschen!!!) Medien recht offen bewundert. Das spiegelt sich auch durch die Vergaben der Olympischen Spiele, der Fußball WM oder des F1 Grand Prix wider.
Die Abschlusszeremonie in Sotschi war ja noch gar nicht richtig fertig, als russische Soldaten auf der Krim das Kommando übernahmen. Diese Unberechenbarkeit macht Angst.
Wie vdmaster schon schrieb: der Westen verurteilt den 2. Irakkrieg (Bush gilt nicht umsonst als der meistgehasste US Präsident), kann die Beweggründe aber zumindest nachvollziehen.
Bei der Besetzung der Krim und dem Krieg in der Ostukraine sieht es anders aus. Putin kann daraus weder wirtschaftlich noch (außen)politisch Vorteile ziehen. Das sind aber die beiden (Haupt)Kategorien, in denen westliche Politiker denken.
Ich bin auch der Meinung, dass der Abschuss von MH17 eine wichtige Rolle spielte. Dadurch wurde den meisten Menschen erstmals bewusst, dass dieser Konflikt auch sie betreffen könnte. Dieser Abschuss (und auch der russische Umgang damit) hat imho stark dazu beigetragen, die Rolle Putins in diesem Konflikt kritischer zu sehen.
Abschließend sollte man bitte auch beachten, dass die westlichen Sanktionen ausdrücklich nicht gegen das russische Volk gerichtet sind. Tatsächlich würde der russische Bürger von den westlichen Sanktionen wenig mitbekommen, es sind die von Putin beschlossenen Sanktionen, die das tägliche Leben schwerer machen.
Viele Grüße
Alex
Lg,
Penegrin