Hallo,
Nun ziehst du dich auf die fehlende Repräsentativität der
Stimmungsbilder zurück und interpretierst das als Indiz dafür,
dass sie falsch sein müssten. Das ist sehr verquer,
nein, verquer ist es, diesen „Umfragen“ irgendeinen Wert beizumessen. Wenn man sich mal klar macht, daß eine Voraussetzung an der Teilnahme daran ist, daß man bescheuert genug ist, für so einen Unsinn 25-99 Cent zum Fenster hinauszuwerfen, dann erklärt das auch schnell die Ergebnisse, die gerade bei umstrittenen Themen immer sehr stark in Richtung extrem ausschlagen. Hinter den ach so aussagekräftigen Ergebnissen stecken aber tatsächlich einige wenige tausend Deppen und dementsprechend unrepräsentativ sind sie denn auch.
weil auch
wenn eine Umfrage nicht explizit repräsentativ ist kann sie
durchaus die Tendenz der vorherrschenden Meinung wiedergeben.
Was soll denn nun wieder „nicht explizit repräsentativ“ heißen? Ist das ein Versuch, die Qualität von repräsentativen Umfragen in Frage zu stellen, ohne daß Du weißt, warum Du dieser Ansicht bist bzw. wie Du das belegen willst?
Gerade in diesem Fall sind die Werte „pro Sarrazin“ so
deutlich, dass statistische Unschärfen wenig an der
grundsätzlich richtigen Einschätzung der Stimmung ändern.
Es geht nicht um statistische Unschärfen, die bei seriösen Umfragen mit Spannbreiten angegeben/berücksichtigt werden, sondern darum, daß bei derartigen „Umfragen“ eine ergebnisrelevante Vorauswahl stattfindet (s.o.: es rufen Menschen an, die für offensichtlichen Unsinn bereit sind, 25-99 Cent auszugeben. Nota bene: bei Sat.1 erhalten Linkspartei und SPD bei der Anrufssonntagsfrage seit Jahren >65 %.)
Wie stellst du dir das mit der „schreienden Minderheit“ denn
überhaupt praktisch vor?
Die brauche ich mir nicht vorzustellen, die sehe ich hier im Brett.
Ich weiß, ohne mich ansonsten näher
nach weiteren Umfragen umgesehen zu haben, von 95%
Pro-Sarrazin-Zuschriften an die SPD, 9 von 10 Zuschriften an
die CDU(!) in BaWü, wo demnächst gewählt wird, sind zugunsten
Sarrazins, 85% Zustimmung bei „Hart aber fair“ und 70% bei
Beckmann. Sollen dann deiner Meinung nach ein paar Aktivisten
wie die Blöden Anrufe und Mails eingesendet haben um ein
solches Ergebnis zu erzielen?
Wenn neun von zehn Leuten für Sarrazin sind, ist das auch eine Quote von 90%. Hier im Haus haben wir einen, der sich ständig über die Qualität der Treppenhausreinigung aufregt. Damit liegt die Quote der Unzufriedenen nach Deiner Rechung bei 100%. Da der Rest zufrieden ist oder akzetiert, daß ein Gemeinschaftstreppenhaus drei Tage nach der Treppenhausreinigung nicht mehr wie geleckt aussieht, ist diese Quote aber völlig ohne Aussagekraft.
Das erscheint mir abwegig und ich halte die Ergebnisse der ARD
(Beckmann und Hart aber fair) auch für glaubwürdig. Immerhin
ist es ein öffentlich-rechtlicher Sender und die Zuschauer
dieser Formate dürften auch eher zu den politisch und
kulturell nicht komplett desinteressierten Schichten gehören.
Beckmann und „Hart aber Fair“ sind das ARD-Pendant zu den Unterschichtenformaten der Privatsender. Dort geht es nicht um ausgewogene Berichterstattung oder sachliche Diskussionen, sondern um Selbstdarstellung der Moderatoren, das Niedermachen der Vertretern von vermeintlich unpopulären Meinungen bzw. Politikern und Wirtschaftsgrößen im allgemeinen sowie um das brutale Vereinfachen von sachlich schwierigen Sachverhalten. Wer versucht, die Hintergründe oder Details zu erläutern, wird durch dümmliches Gelaber, einen Themenwechsel oder ein seichtes Filmchen unterbrochen. Menschen, die dort anrufen, sehen diese Sendung und demzufolge ist das Ergebnis nicht im entferntesten repräsentativ.
Ja, die Unzufriedenheit, wenn es mal gerade nicht genauso
läuft, wie man es gerne hätte. Die schreiende Minderheit halt,
die nur Mißfallen, aber nicht Zustimmung äußert. Für eine
bereits getroffene politische Entscheidung habe ich jedenfalls
noch niemanden auf der Straße Transparente schwenken sehen.
Die zahlreichen Beispiele, die ich nannte, in denen sich die
Politik in wesentlichen und grundsätzlichen Fragestellungen
nicht mehr am Willen des Volkes orientiert,
Du meinst um das, was Du für den Willen des Volkes hälst.
stammen allesamt
aus der jüngsten Vergangenheit. Das ist kein „weil’s gerade
mal nicht so läuft, wie man es gerne hätte“, dazu passiert es
zu massiert und bei sehr elementaren Dingen.
Wenn es nach dem ginge, was die schreiende Minderheit will, hätten wir heute auch die Todesstrafe.
Mir erscheinen die Initiativen und Proteste, anders als in
früheren Jahren, auch nicht als Demos irgendwelcher
„Berufsdemonstranten“. Die Ablehnung gegen Stuttgart 21 z. B.
zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten,
Das ist ein unpassendes Beispiel, weil es sachlich vernünftige Gründe gegen das Projekt gibt.
das
gleiche gilt für das Rauchverbot in Bayern
Durch die rauchenden gesellschaftlichen Schichten.
und wenn immer öfter Bürgerentscheide gefordert
werden dürfte das auch weniger von politisch desinteressierten
Menschen kommen, die sowieso keine Lust an Beteiligung haben.
„Dürfte“ erscheint mir ein wenig unfundiert. Schon die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen deutet nicht auf einen großen Beteiligungswillen der Bevölkerung hin. Bei den Bürgerentscheiden, die hier stattfanden, lag die Beteiligung bei knapp 25%.
Nein, die Ablösung über Bundesregierung und Bundespräsident
ist die einzige Lösung
Schon recht, nur die vorschnelle Festlegung - insbesondere des
Bundespräsidenten - gegen Sarrazin war alles andere als
glücklich. Es zeigt nämlich deutlich die Befangenheit oder
besser, dass gewisse unbequeme Wahrheiten öffentlich nicht
gerne gesehen werden und sofort abgeblockt werden, selbst um
den Preis, sich damit selber in die Nesseln zu setzen.
Es ging nicht um die „unbequeme Wahrheit“ Integrationsprobleme, sondern um die inhaltlich und sachlich völlig absurden Äußerungen zu Judengenen und ähnliche Entgleisungen.
Prompt
ruderte Wulff einen Tag später zurück und versuchte den
Eindruck, dass er sich schon sehr eindeutig festgelegt hatte,
zu verwischen.
Wulff ist nicht zurückgerudert, sondern hat unabhängig von seiner persönlichen Meinung den aus dem Bundesbankgesetz abzuleitdenden Entscheidungsprozeß in die Wege geleitet. Einen Vorwurf hätte man ihm machen können, wenn er dem Antrag des Bundesbankvorstandes ohne weitere Prüfung entsprochen hätte. Dann nämlich hätte man ihm Befangenheit unterstellen können.
Mit „not amused“ hat das übrigens nichts zu tun. Mitarbeiter
sind generell gehalten, ihre privaten Meinungsäußerung
gegenüber Medien nicht mit dem Namen ihres Arbeitgebers zu
verknüpfen oder aber die Aussagen vorher mit den zuständigen
Abteilungen abzuklären.
Sarrazin hat es ja nicht verknüpft. Er hat ein Buch
geschrieben und immer wieder betont, dass er das als
Privatmann getan habe und nicht in seiner Funktion als
Bundesbankvorstand.
Wie ich bereits schrieb: das Amt ist von der (=dieser) Person nicht zu trennen.
Bei Sarrazin ist eine Abgrenzung aufgrund seiner Prominenz
nicht möglich, so daß er ganz besonders darauf zu achten hat,
wie er sich äußert. Man sollte auch meinen, daß sich ein
Vorstand der Bundesbank darüber im Klaren ist, welche
Außenwirkung er erzielt - für sich und sein Unternehmen.
Das stimmt. Sarrazin ist aber kein unbeschriebenes Blatt,
sondern der Mann war bekannt als er Bundesbank-Vorstand wurde.
Wenn er jetzt erneut das tut, was er auch früher immer wieder
gemacht hat, nämlich unbequem und „poltisch unkorrekt“ sein,
kann man nicht so tun als fiele man aus allen Wolken weil
damit nicht zu rechnen war…
In der Vergangenheit war er unbequem und unsachlich, nun hat er zu Elementen der Rassenlehre gegriffen. Darin liegt das Problem und nicht in irgendwelchen Rezeptbüchern und türkischen Kopftuchmädchen-Vergleichen.
Jetzt ist er ein Querdenker, vor gar nicht langer Zeit
sprachst Du so darüber:
Ich sehe da keinen Widerspruch. Der - folgerichtige - Ärger,
wenn ein Arbeitnehmer über die Stränge schlägt, ist
erwartungsgemäß eingetreten. Ich nehme Sarrazin in dieser
Hinsicht auch nicht in Schutz weil er sich in der Tat darüber
klar sein musste, dass sich die privat geäußerte Meinung nicht
von der beruflichen Existenz abspalten lässt und gerade ein
Mensch in exponierter Position zurückhaltend sein sollte.
Aha, nichts anderes schrieb ich.
Da ging es um genau das gleiche Thema, nämlich die Integration
von Ausländern. Nur daß damals die Sache mit dem Judengen
nicht zur Sprache kam und nun findest Du in Ordnung, was er
sagt und bist der Ansicht, der Arbeitgeber müßte die Aussagen
tolerieren?
Das Judengen können wir schnell abfrühstücken, in diesem Punkt
redet Sarrazin Unsinn, den ohne Witz jeder gymnasiale
Zehntklässler besser weiß. Da verrennt er sich in sachlich
falsche Dinge und lässt sich auch auf einen
Nebenkriegsschauplatz führen, der zweitrangig ist.
Wieso also Deine Meinungsänderung? Vor einem Jahr hast Du ihn und seine Ausführungen verurteilt, nun rechtfertigst Du seine Ausführungen als Auswuchs der Meinungsfreiheit und verurteilst die, die ihn kritisieren.
Der Arbeitgeber hat natürlich Recht wenn er skandalöse
Aussagen eines Mitarbeiters nicht ohne Reaktion duldet. Nur:
sind Sarrazins Aussagen denn wirklich skandalös? Zumindest in
der großen Mehrheit der Bevölkerung wird das nicht so gesehen,
im Gegenteil - man gibt ihm in dieser Diskussion Recht.
Du redest schon wieder von der großen Mehrheit der Bevölkerung und meinst stattdessen die Gestalten, die bei den Telephon- und Internetumfragen von einigen TV-Sendern bzw. -Formaten durchgeführt wurden.
Die Bewertung als „Skandal“ durch die Bundesbank ist doch eine
willkürliche Festlegung, für die es gar keine Belege gibt…
Siehe oben: Glashaus und so. Du postulierst Meinungsäußerungen der „großen Mehrheit“ und hast dafür keinen Beleg. Da es für „Skandal“ keine meßbare Definition gibt, ist die Aussage darüber hinaus naturgemäß unbelegt und willkürlich.
Es gibt kein Meinungsbild in der Bevölkerung, sondern deren
viele. Interessanterweise bist Du nicht zum ersten mal der
Ansicht, daß Deine Meinung der Meinung der Mehrheit der
Bevölkerung entspricht.
Es gibt sehr wohl Strömungen - und die sind dieses Mal so
eindeutig wie selten.
Meinst Du und belegst diese Meinung nicht. Das einzige, was ich mit Erschrecken feststelle, daß es derzeit opportun zu sein scheint, ein gravierendes Problem unsachlich zu diskutieren. Damit wird jede sachliche Diskussion und damit auch jede Lösung unmöglich. Schlimmer noch: durch Sarrazins Aussagen ist das Thema für jeden anderen, der sich damit öffentlich beschäftigen will, verbrannt. Er hat also seinem Anliegen mehr geschadet als genutzt, wie man das so häufig erlebt: wer unsachlich argumentiert, arbeitet damit direkt gegen seinen eigenen Standpunkt.
Gruß
C.